Titel:
Stiefelriemen
- Bills Stiefelriemen Autor: Hephaistion
Als ich den Welpen in seine Zelle sperrte, stellte er mir plötzlich aus heiterem
Himmel, als seien wir lange miteinander bekannt, die Frage: "Sag mal, Ragetti,
wie hast du eigentlich dein Auge verloren?"
Abrupt drehte ich mich zu
ihm und starrte ihn aus meinem Auge finster an.
"DAS ist eine lange
Geschichte. WAS HABE ICH GELITTEN!"
Schmerzerfüllt ließ ich
längst vergangene Tage vor meinem Auge wieder erstehen. Tage, in denen ich einst
als Schiffsjunge auf der Black Pearl mein Leben fristete.
Ich ließ mich
auf dem Zellenboden neben dem Welpen nieder und begann zu erzählen.
Damals, als ich noch ein Schiffjunge war und mich des
Augenlichtes beider Augen erfreute, war Captain Jack Sparrow, der blutjunge
Pirat, untergetaucht. In seiner Abwesenheit führte sein erster Maat William
Turner die "Black Pearl". Über ihn und seine rechte Hand, Barbossa, waren unter
den Kameraden einige düstere Gerüchte im Umlauf. So hieß es, dass sie ein
unnatürliches Verhältnis pflegen würden. Ich persönlich glaubte diese Gerüchte
natürlich nicht, war ich es doch gewohnt, dass mir die älteren Piraten Angst
machen wollten. Und auch diese Geschichte hielt ich für Seemannsgarn.
Jedoch ließ mich die Neugierde nicht los und in fiebernden Träumen hatte
ich Bilder vor Augen, die wohl nur meinen überhitzten Jungenphantasien
entsprungen sein konnten. Jede Nacht weckte mich mein kleiner Schiffsjunge,
indem er sich schmerzlich aufrichtete, dabei hatte ich deinen Vater und seine
rechte Hand, Barbossa, vor Augen, in Situationen, die zu erwähnen dir gegenüber
sicherlich unschicklich wären, es waren ja auch nur Träume, zunächst, Junge.
Eines Nachts jedoch wurde ich nicht von meinem "Schiffsjungen" geweckt,
sondern von einem lauten Stöhnen, das mit dem Wind, der über das Deck strich bis
hin zu den Segeltauen, in deren Rollen ich mich zum Schlafen niedergelegt hatte,
in meine Ohren drang.
Schlaftrunken horchte ich auf die seltsamen
Geräusche. Ich fürchtete, einer meiner Kameraden sei in Not geraten und eilte,
die Ursache der Schmerzenslaute zu erfahren. Du kannst dir mein Erstaunen
vorstellen, als ich feststellte, dass diese Laute aus der Kabine des Captains
drangen.
Leise schlich ich mich heran und drückte mein rechtes Auge, das
damals noch hervorragend funktionierte, Junge! - an das Schlüsselloch zur
Kapitänskajüte.
Was ich dort erblickte, ließ mein Blut in Wallung
geraten.
Ein nackter Barbossa lehnte über den Schreibtisch des Captains
gebeugt und streckte seinen wohlgerundeten Hintern genau in Richtung der Tür,
hinter der ich lauerte.
Neben ihm stand, eine Peitsche zum Schlage
ausholend in der Hand, dein Vater, William Turner.
Angestrengt horchte
ich, was zwischen beiden gesprochen wurde.
"Du bist dafür zuständig, dass Knebel
und Handfesseln immer griffbereit sind, falls ich es wünsche, dich damit ruhig
zu stellen! Und wo sind sie? Ich kann sie nicht sehen!"
Die Peitsche
sauste auf Barbossas Hinterteil und der Mann stöhnte auf, rührte sich jedoch
seltsamerweise nicht. Ich verstand nicht, warum sich Barbossa nicht gegen den
wesentlich schmaleren Mann - er sah aus wie du, Junge - zur Wehr setzte. Wenn
ich Barbossa gewesen wäre, ich hätte William Turner mit einem Schlag zu Boden
gestreckt.
Barbossa jedoch stöhnte nur leise und sagte: "Es tut mir
Leid, mein Herr, es wird nicht wieder vorkommen!"
"Das glaube ich dir
gerne", sagte dein Vater, "denn diese Lektion wirst du so schnell nicht
vergessen!"
Und dein Vater griff zu seinen Stiefeln, löste die
Stiefelriemen und begann damit Barbossa wie ein Paket zu verschnüren. Immer noch
leistete Barbossa keinerlei Widerstand, was ich überhaupt nicht verstand.
Dann zog William Turner Barbossa mit einem festen Griff in den
Haarschopf nach oben, nahm einen Apfel aus der Obstschale und schob ihm diesen
in den Mund. Barbossa sah aus wie ein Schwein, das auf den Grill gesteckt wird.
Was hatte Turner vor? Ich stellte fest, dass ich überhaupt nicht
verstand, was sich da vor meinen AugEN abspielte.
"Wirst du noch einmal
Knebel und Seile vergessen? Nicht, dass es für mich einen großen Unterschied
macht, wie ich dich ruhigstelle - aber ich würde es gerne von dir hören."
Barbossa schüttelte nur den Kopf, daraufhin sagte Turner mit seiner
leisen gefährlichen Stimme: "Bitte lauter, ich kann dich nicht hören!"
Mit vor Panik hervorquellenden Augen schüttelte Barbossa erneut seinen
Kopf und gab unverständlich brummende Laute von sich. Dein Vater lachte nur
schallend.
"Nun, da du mir nicht antworten willst, sollst du die
Belohnung dafür sofort erhalten!"
Und vor meinen Augen spielte sich
Unglaubliches ab, Junge!
Dein Vater warf Barbossa erneut über den
Schreibtisch des Captains, öffnete seine Hose, und - Junge, du wirst es nicht
glaube, aber - er bestieg den armen Barbossa wie ein Hund eine läufige Hündin
besteigt, denn das hatte ich schon mal gesehen in meinem ach so kurzen Leben
bisher.
Ich verstand gar nichts mehr.
Ich war verwirrt und nur
deshalb ist es zu erklären, dass sich meiner Kehle ein erschreckter Laut
entrang.
Sofort hielt dein Vater inne, und in Sekundenschnelle nahm er
vom Schreibtisch eine der Schreibfedern und hieb sie durch das Schlüsselloch der
Tür direkt in mein rechtes Auge.
WAS HABE ICH GELITTEN!!!!
Während meiner langen und leidvollen
Genesung berichtete ich jedem, der mich fragte, wie ich um Himmels Willen denn
mein Auge verloren hätte, von den Vorkommnissen, die ich in der Kapitänskajüte
beobachtet hatte. So kam es, dass dein Vater den Spitznamen "Stiefelriemen-Bill"
fortan bei allen Piraten der Karibik weg hatte.
Kurze Zeit später
übernahm Captain Jack Sparrow wieder das Kommando über die "Black Pearl" und die
Stimmung an Bord veränderte sich stark. Dein Vater hatte wohl die Nase voll von
seinem Gespielen Barbossa und wandte sich stattdessen dem jungen hübschen
Sparrow zu. Barbossa plante Furchtbares. Eines Nachts kam es zu einer Meuterei,
in deren Verlauf dein Vater mit seinen eigenen Stiefelriemen an eine Kanone
gebunden wurde und mit ihr zusammen ins tiefe Meer versenkt wurde. Barbossa
selbst gab ihr den letzten Stoß und warf einen Apfel hinterher.
Jack
Sparrow wollte er nicht töten, da dieser ja noch benötigt wurde, um den Weg zum
Atztekengold zu finden.
Kurz bevor wir den Schatz erreichten, wurde er
jedoch zum Gouverneur eines sehr kleinen Eilandes gemacht.
Nun ja, den
Rest der Geschichte kennst du, Junge.
Wenn ich bedenke, wie ähnlich du
deinem Vater bist und was ich gelitten habe, finde ich, dass du mir noch
ein Auge schuldest.
Oder einen Gefallen.
Findest du nicht auch,
Junge?
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