Titel:
Heimliche Beobachtungen Autoren: Sibylla
Der Wind trägt ein leises Geräusch an meine Ohren heran und lockt mich damit aus
dem Schlaf hervor. Für einen Augenblick glaube ich, nur geträumt zu haben, doch
wieder ist da dieses Geräusch. Langsam setze ich mich auf und schließe meine
Augen, um mich besser auf mein Gehör zu konzentrieren. Bald schon weiß ich, dass
es kein Laut der Nacht ist. Von Neugierde verführt, schlage ich die seidene
Decke zurück und verlasse das weiche Schlaflager. Angenehm kühl fühlt sich der
Boden unter meinen bloßen Füßen an, als ich leise an das Fenster trete.
Eine leichte Brise spielt mit den Tüchern vor dem Fenster und
umschmeichelt meinen nackten Körper. Es fühlt sich wie eine Berührung an – zart
und flüchtig - und ich genieße es, bevor ich den Hauch von Stoff vorsichtig
beiseite schiebe. Es dauert einen Moment, bis sich meine Augen an die Dunkelheit
gewöhnt haben. Doch dann erblicke ich im Schein des Mondes den Verursacher des
Geräuschs.
Anmutig und kraftvoll spielt sich vor meinen Augen ein
gefährlicher Tanz ab. Man kann es nur Tanz nennen, denn es gleicht den
harmonischen Bewegungen eines Körpers zu verführerischer Musik. Immer wieder
durchdringt ein im Mondlicht blitzendes Schwert die Luft, wird von seinem Führer
gegen unsichtbare Feinde erhoben und es genügt ein Blick, um sich über die
Tödlichkeit der Klingenführung bewusst zu werden. Für einen Moment verharrt der
einsame Kämpfer und ich erkenne, wie sich seine Brust schnell hebt und senkt.
Doch er lässt seinem Körper keine Ruhe, sondern setzt den Tanz mit dem
Schwert fort, fesselt damit meinen Blick. Bewundernd beobachte ich dieses
Schauspiel, das sich vor meinen Augen in dem kleinen Hof unter dem Fenster
abspielt, an dem ich zur heimlichen Beobachterin geworden bin. Er scheint es
jedoch nicht bemerkt zu haben oder ist so sehr in den Umgang mit dem Schwert
vertieft, dass er alles andere um sich herum vergessen hat. Und trotzdem bin ich
mir sicher, dass ein wahrhaftiger Feind seine Aufmerksamkeit sofort auf sich
gezogen hätte.
Mein Blick verharrt auf seinem Körper. Bereits bei
unserem ersten Aufeinandertreffen spürte ich Begehren nach diesem Mann in mir
aufflackern. Vielleicht habe ich aus diesem Grund seine Nähe aufgesucht und mich
auf den Weg zu ihm gemacht. Als ich schließlich vor einigen Stunden seinen Grund
und Boden betreten habe, konnte ich schon dort meine Augen nicht von ihm lassen.
Er hatte viel von seinem Vater geerbt ohne es zu wissen, hat er ihn doch
nur einen winzigen Augenblick im Vergleich zu seinem Leben gekannt. Auch Godfrey
war niemals jemand gewesen, der sich vor schwerer Arbeit gescheut hatte. Wo
andere ihre Diener arbeiten ließen, packte er an, wo es nötig war.
Doch
Balian hatte auch das Geschick beim Umgang mit dem Schwert von seinem Vater in
die Wiege gelegt bekommen. Denn ich erkenne in seinen Bewegungen die gleiche
Harmonie, Stärke und nicht zuletzt die Eleganz, die auch sein Vater besessen
hatte. Beinahe glaube ich, Godfrey vor mir zu sehen. Balian ist ihm so ähnlich
und auch er trägt den Sinn für Gerechtigkeit und den Glauben an ein Königreich
des Gewissens in sich. Ein starker Glaube, der ihm die nötige Kraft geben wird.
Hätte Godfrey ihn so gesehen, er wäre wahrlich stolz auf seinen Sohn gewesen und
es macht mich traurig, dass er so wenig Zeit mit Balian hatte.
Meine
Aufmerksamkeit richtet sich wieder auf Balian, dessen Bewegungen trotz der
Intensität und der Länge des Trainings noch nicht schwächer geworden sind.
Selbst die harte Arbeit in der Hitze des Tages scheint seine Kraft nicht geraubt
zu haben. Präzise führt er sein Schwert nun gegen einen Sack voller Stroh. Wäre
dies ein menschliches Wesen, so hätte ihm der Hieb sicherlich das Leben
genommen. Mich wundert sein Geschick aber nicht im Geringsten. Denn erstens war
sein Vater ein großer Kämpfer und zweitens habe ich erfahren, dass er einst das
Handwerk eines Hufschmieds ausübte. Und ich glaube kaum, dass er seine Aufgabe
nur im Beschlagen von Pferden sah. Nein, er wird ebenso Schwerter erschaffen
haben und solche Menschen kennen den Geist eines Schwertes, fühlen die Macht
dieser Waffe deutlicher und konnten mit ihm eins werden.
Er hält inne und ich lasse meinen Blick auf seinem nackten Oberkörper ruhen.
Eine leichte Schweißschicht bedeckt ihn und lässt seine Brust bei jedem der
schnellen Atemzüge geheimnisvoll glänzen. Deutlich kann ich das Spiel seiner
Muskeln sehen, als er nach einem Krug greift und einen Schluck trinkt. Mehr Ruhe
gönnt er sich nicht, denn Sekunden später nimmt er den Tanz mit dem Schwert
wieder auf. Seine Kraft scheint unerschöpflich, während das Schauspiel meine
Sinne verführt.
Bilder tauchen vor meinen Augen auf, die einem ähnlichen
Kampf entsprechen. Er ist ebenso gefährlich und wird mit der gleichen
Leidenschaft geführt, die auch ein Kampf auf Leben und Tod verlangt. Geboren aus
Lust und Begehren, ausgefochten mit den Waffen des Verlangens und gestillt mit
der Erfüllung von Leidenschaft.
Diese Gedanken entführen mich in eine
Illusion, in der sich Balians Hitze der Lust mit meinem Verlangen vereint.
Bewegungen, die dem Tanz mit einem Schwert gleichen und doch so unterschiedlich
sind, dem Rhythmus des Lebens entsprechen. Hände, die nicht genug bekommen von
dem Gefühl, Neues zu entdecken und ausgiebig zu erforschen. Lippen, die das Tor
zu einem leidenschaftlichen Tanz zweier Zungen öffnen und zwei Körper, die in
diesen Momenten zueinander finden und sich zu einem Herzschlag vereinen.
Bilder formen sich in meinem Geist, Bilder zweier Liebenden.
Die Luft ist geschwängert vom Zauber der Leidenschaft und den
Geräuschen der geteilten Lust. Meine Hände gleiten sanft über seinen Rücken,
fahren zärtlich eine jede Narbe nach. Währenddessen kosten seine Lippen von der
empfindlichen Haut meines Halses. Sie hinterlassen eine Gänsehaut und ich lege
meinen Kopf in den Nacken, um diese Berührungen zu genießen.
Doch sind
es nicht nur seine Lippen, die meine Sinne beinahe schwinden lassen. Seine Hände
halten mich fest und verurteilen mich dazu, bewegungslos auf seinem Schoß zu
verharren. Ich bin ihm ausgeliefert und bewundere seine Willenskraft. Denn
während mein Körper innerlich bebt und auf eine Bewegung wartet, lässt er seine
Lippen weiter wandern. Sie kosen meine Brustwarzen und entlocken mir ein
heiseres Stöhnen.
Dies scheint ihn zu erweichen, denn seine Hände lassen
mich frei und nun sehe ich auch ihm die Anstrengung an, die ihn dieses Verharren
gekostet hat. Er seufzt wohlig auf, als sich meine Hüften endlich im ewigen
Rhythmus des Lebens bewegen. Auch er wird mitgerissen und schon bald entfesselt
unsere heiße Leidenschaft einen Sturm, der sich von nichts aufhalten lässt. Ich
habe das Gefühl, zu brennen und nur durch seine Hitze am Leben gehalten zu
werden.
Die Sekunden verfliegen und mit jedem vergehenden Augenblick,
bewegen sich unsere Körper schneller. Längst haben wir uns ineinander verloren,
spüren eine jede Berührung um ein Vielfaches mehr. Verzweifelt grabe ich meine
Fingernägel in seinen Rücken, in der Hoffnung Halt zu finden und nicht von dem
Sturm der Lust in die Schwärze der Bewusstlosigkeit gezogen zu werden. Er
vereint schließlich unsere Lippen miteinander, teilt so den Hauch des Lebens.
Dieser Kuss ist genauso stürmisch, wie es auch unsere Bewegungen sind und unsere
Lippen trennen sich erst wieder voneinander, als uns die Wellen des Höhepunkts
erfassen und uns nach dem Weg zu den Sternen erschöpft zusammenbrechen lassen.
Sein Atem auf meiner erhitzten Haut ist das Letzte, was ich spüre, bevor mich
der Schlaf gefangen nimmt.
Ein leises Stöhnen entweicht mir und ich kehre langsam in das Hier und Jetzt
zurück. Mein Herz schlägt so laut, dass ich bereits Angst habe, Balian könnte es
hören. Ich versuche meinen Atem unter Kontrolle zu bringen und spüre die
Auswirkungen dieser Wunschvorstellung deutlich zwischen meinen Beinen pochen –
zuerst heftig und dann mit jedem weiteren Atemzug abflachen. Allein diese Bilder
haben mir unbekannte Höhen eröffnet und ich versuche mir vorzustellen, wie es
wirklich mit ihm wäre. Doch da sich mein Atem sofort wieder beschleunigt, richte
ich meine Aufmerksamkeit auf Balians Tanz mit dem Schwert, der sich scheinbar
einem Ende nähert.
Seine Bewegungen sind zwar nicht von Müdigkeit
geprägt, doch hat sich sein Körper wieder entspannt. Dies weist darauf hin, dass
er das Training beendet und damit auch das Schauspiel der Sinne für mich.
Und tatsächlich ist es so. Wenige Minuten später hält er inne und
schließt seine Augen. Balian wirkt in diesem Moment so sinnlich, wie er da steht
und die frische Nachtluft tief einamtet. Erst, als sein Atem sich normalisiert
hat, schiebt er sein Schwert in das Heft zurück und greift nach der dünnen
Tunika.
Dies ist der Zeitpunkt, an dem ich mich langsam zurückziehe.
Auch wenn ich mir fast schon sicher bin, dass Balian mich bemerkt hat, möchte
ich mich nicht offenbaren. Lautlos fallen die Tücher wieder vor das Fenster und
verhüllen mein Antlitz. Noch verharre ich einen Moment, beobachte ihn durch den
Hauch von Stoff, bevor ich auch meine Augen abwende und nachdenklich zurück in
die Wärme des Bettes gleite.
Ich sehe schon nicht mehr, dass Balian
hinaufblickt – zu dem Fenster, das mir noch vor wenigen Minuten ein Schauspiel
der Sinnlichkeit und Stärke offenbarte.
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