Titel: Der Knebel
Autor: Hephaistion


‚Ich zweifle nicht daran, dass du tapfer bist, dass du stark bist, klug, umsichtig, und was ich sehen kann, daran zweifle ich auch nicht – dass du eine Augenweide bist, eine ewige Qual, wenn man dich ansieht und nicht mit dir anstellen kann, was man gerne täte mit dir – daran darfst du niemals zweifeln, Amyntors Sohn. Oh ja, ich kann mich an deinen Vater erinnern, und glaub mir, ich habe ihn sehr gemocht. Und dich beobachte ich, seit du das erste Mal bei Philipp aufgetaucht bist. Ja, ein Spielgefährte für seinen Sohn, ebenbürtig und fast sein zweiter Sohn... ich kenne dich besser, als du denkst, Hephaistion, Freund des Alexandros. Aber ich zweifle daran, dass du glücklich bist, so wie du nun lebst. Ich sehe, was ich sehe, und daran zweifle ich nicht. Ich sehe Unglück in deinen Augen, ich sehe Verzweiflung in deinem Herzen, Einsamkeit in deinen Worten, kein Lächeln um deinen Mund. Ich sehe dich verdorren noch vor der Zeit, wie ein Baum, der kein Wasser bekommt in der Wüste. Dein Leben ist ohne Liebe, Hephaistion, und widersprich mir nicht, ich sehe besser als du, was ist, und was sein könnte. Du musst es nur wollen. Du musst dich nur mir zuwenden, ich bin der, der dir all das gibt, was du willst. Ich, der schwarze Kleitos. Komm zu mir und ich mache deiner Einsamkeit ein Ende, ich werde an deiner Seite sein wie du an meiner Seite sein wirst, und nichts wird dir fehlen, was du begehrst. All das, nach was du dich sehnst, und glaube mir, ich weiß, was das ist! – all das wirst du bekommen, und noch mehr, zögere also nicht und vertrau mir. Ich will dich. Ich will dich mehr als ich das alles hier wollte, was nun passiert ist. Ich verzichte auf all diesen Pomp, nur zu gerne, wenn du zu mir Ja sagst, wenn ich dich endlich in meinen Armen halten kann und wenn ich – wenn du...’

Kleitos starrte auf das Papyros.

‚Das kann ich nie im Leben zu ihm senden...’, dachte er und las es ein letztes Mal durch, bevor er es in kleinste Stückchen zerriss und ins Feuer warf.

‚Zu sentimental.’, entschied er und schloss die Augen.

Hephaistion tauchte in seiner Vorstellung auf, Hephaistion, Hephaistion... Kleitos fühlte sich heimgesucht von diesen Visionen, in jeglicher Variation stellte er sich den Ersten General Alexandros’ vor, in einer Schlacht an seiner Seite, nackt in einem See, in seinem Bett, auf einem Pferd, neben ihm in einem Bankett... wie es wohl sein mochte, den Sohn Amyntors an seiner Seite zu haben, Kleitos konnte nicht aufhören daran zu denken.

‚Ich bin schlichtweg besessen von dieser Idee’, entschied er nüchtern, bevor er aufstand und sich eine weitere Karaffe des starken Weines holte, den es in Persien gab. ‚Ich sollte diesen Wein hier trinken, mir einen Knaben ins Bett kommen lassen und mir den Verstand herausvögeln, anstelle ständig an Hephaistion zu denken. Der denkt eh nicht an mich. Der hat nur Augen für den König, Alexandros hinten, Alexandros vorne... dabei bedenkt er ihn nicht einmal mit einem Blick. Welch trostloses Leben. Was könnte er mit mir alles erleben – und ich mit ihm... aber NEIN. Es muss ja der König sein. Er läuft ihm hinterher wie ein Hündchen, so sieht’s aus, ja, genau so ist es! Und ich bin so dumm das nicht zu merken. Ich werde etwas trinken. Und einen Knaben, ja, vielleicht auch zwei, warum nicht, besser ist das allemal als tränengetränkte Briefe an jemanden zu verfassen, der mich nicht mal bemerkt!’

Kleitos spürte, wie Wut in ihm aufstieg.

War es nicht genau so?

Hephaistion betrachtete ihn höchstens als erfahrenen Hipparchen, wenn überhaupt. Als alte Garde, Philippos’ Seilschaft, unwillkommener alter Rat im neuen Staate, überkommene Werte im neuen Reich. So war es, ganz genau so. Und er, Kleitos, saß hier, verfasste rührselige Liebesbriefe, träumte von dem schönen General, den er eh niemals haben würde, nicht als Freund und schon gar nicht als Liebhaber.

Makedonische Knaben, wenn schon, sinnierte Kleitos weiter, beim nächsten Glas Wein. ‚Knaben, ha, sie sind auch schon über 20, aber egal, sie sind aus der Heimat und sie werden tun, was ich von ihnen will, genau das, und bei Zeus, meine Wut ist so groß, dass ich zweie brauche, bei allen Göttern! Ich werde sie fesseln und schlagen und dann werde ich sie meinem Willen unterwerfen, und beim Hund der Unterwelt, ich habe einen Willen, und ich werde tun, was ich will! Das werde ich!’

Der nächste Becher floss in des Kleitos’ heiße Kehle und in seine noch heißere, wilde Seele. Nicht mehr Wut, weißer Zorn war es nun, der durch seine Adern rann, Zorn über sich selbst, darüber, beinahe schwach geworden zu sein, beinahe sich selbst preisgegeben zu haben. Was hätte Hephaistion über ihn gelacht, wenn er diesen Brief je gelesen hätte. Narr, verliebter, dummer, alter Narr! Kleitos schmiss den Becher an die Wand und stand auf.

Aristandros und Lysimachos konnten am nächsten Tage kaum stehen, geschweige denn, gehen. Kleitos warf ihnen einen bedrohlichen Blick zu, als er die beiden jungen Makedonen aus seinem Zelt warf, nachdem er genau das, und noch mehr, mit ihnen getan hatte, was er sich vorgenommen hatte, und Kleitos hatte noch nicht genug, noch lange nicht.

Ausgerechnet heute musste das Bankett sein, zu dem der König geladen hatte. Ausgerechnet heute. Kleitos hätte sich etwas Angenehmeres vorstellen können.

Der Tag verging schleichend und so langsam, dass Kleitos dachte, er würde niemals enden. Und wie der Zufall es wollte oder spöttisch höhnende Götter im Olymp, Hephaistion tat nichts anderes diesen Tag als ihm ständig über den Weg zu laufen.

Er hatte diese Art Kleidung an, die Kleitos hasste und die ihn faszinierte auf fast kranke Art.

Orientalische Kleidung.

Hephaistion sah großartig aus darin, sie umschmeichelte seinen Körper auf geradezu obszöne Art, ließ tief blicken und verhüllte gleichzeitig, streichelte ihn und machte Lust darauf, ihn anzufassen, ihn zu spüren, ihm genau dieses asiatische Zeug vom Leib zu reißen und darunter zu sehen, was übrig war vom Jungen aus Makedonien, den Kleitos schon vor Jahren aus der Ferne betrachtet hatte.

Und Hephaistion war geschminkt. Er trug diese Kohle um die Augen wie die Perser, nur dass die persischen Männer damit orientalisch aussahen und exotisch, wild und barbarisch, während Hephaistion an eine teure Hetäre erinnerte mit seinen langen braunen Haaren und den großen leuchtenden blauen Augen.

Kleitos sog den Atem ein, als er wieder nur einige Zentimeter von Hephaistion entfernt war. Dieser Duft. Dunkel, schwer, ölig, orientalisch. Der Duft der Sünde. Nein, das war nicht mehr der Knabe aus Makedonien, dessen blanke Schenkel unter einem kurzen Chiton hervorblitzten und dessen schulterlange Haare brav gescheitelt und zusammengebunden waren, der nach Staub roch und nach Olivenöl, nach Pferd und nach roten Beeren, nach Rosmarin und nach Pfefferminze. Das war nicht mehr der Freund des jungen Prinzen, dessen Wangen sich röteten, wenn er aufgeregt war, dessen Sandalen so oft aufgingen, weil die Schnürungen nicht perfekt waren, dessen lange schwarze Wimpern den Augen mehr Unschuld als Verführung verliehen.

Das war orientalische Sünde, östlicher Luxus, Persien, Asien, neue Welt – neue Welt, in der alles möglich war, in der alles verschmolz, jegliche Grenze aufgehoben wurde, in der der Sklave zum obersten Berater wurde und der altgediente Feldherr zum Diener, in der die Besiegten gleichberechtigt am Tische saßen und die Männer zu Frauen wurden, und die Frauen hatten die Macht über die Männer, und anderes, anderes... nicht nur Wein vernebelte das Hirn der Makedonen, auch andere Drogen, schwerer Rauch, Götter wurden menschlich und Menschen zu Göttern, die sich anbeten ließen...

Und Hephaistion war all dieses. Hephaistion war das lebendige Symbol dieser neuen Lebensart, mit seinen schwarzummalten Augen, seiner verruchten Kleidung, seinem schweren Schmuck, seinem betörenden Duft... das war Hephaistion, und Kleitos hasste ihn. Jetzt, gerade, in diesem Moment. Niemand hasste er mehr als Hephaistion, und er ließ es ihn spüren, indem er ihn anrempelte, und Hephaistions blaue Augen blitzten vor Wut, als er zurückstieß und Kleitos schlug ihm ins Gesicht, und Hephaistion schlug zurück, hart, wohl wissend, wohin er zielen musste, und sein Knie stieß hoch und traf Kleitos dorthin, wo es am schlimmsten schmerzt, und Hephaistion wandte sich voller Verachtung ab.

‚Ich habe ihn unterschätzt’, dachte Kleitos, der sich am Boden krümmte, ‚ich habe ihn einfach unterschätzt. Diese orientalische angemalte Hure, ich hab sie unterschätzt. Na warte, du wirst bekommen, was du verdienst, du Speichellecker des falschen Königs, ich werde dir geben, was du verdienst, nach was du schreist mit all deiner Aufmachung, und du wirst den Tag verfluchen, an dem du aufhörtest, Makedone zu sein, an dem du dich entschieden hast, auszusehen wie ein persischer Eunuch, vor dem König auf Knien zu liegen und dich von ihm verachten zu lassen! Du WARST mal Hephaistion, Sohn des Amyntoros! Was du nun bist, vermag ich nicht zu sagen, aber ich werde dir einen neuen Namen geben, wenn ich dich dort habe, wo du hingehörst – in mein Bett, unter mich, ich in dir, auf jede nur erdenkliche Art und Weise! Ja, das wirst du bekommen, genau das. Das hätte ich gestern schon mit dir machen sollen und nicht mit den beiden armen Knaben. Dich fesseln, dich meinen Gürtel spüren lassen, meine rauen Hände auf dir, meine Zähne in deinem Fleisch, und mein hartes Schwert in dir. Das ist es, was du willst, das ist es, wonach du schreist, mit all deiner Fassade, mit all deinem Pomp! Ja, du willst es so, du provozierst mich damit, und ich werde deinen Wünschen nachkommen, du wirst sehen, Schlampe! Du wirst noch sehen, was der schwarze Kleitos mit dir macht, und du wirst es wollen und unter mir stöhnen und dich winden wie eine Hure, die du bist! Sieh dich an, Hephaistion – sieh dich an. Das ist aus dir geworden, und genau so werde ich dich behandeln!’

Hephaistion warf Kleitos einen Blick zu, dann presste er seine Lippen zusammen und widerstand dem Impuls, dem schwarzhaarigen Mann auf die Beine zu helfen.

Sollte er doch selbst sehen, wie er wieder hoch kommt.

Der Abend nahte und Kleitos hatte beschlossen, das Bankett nicht nüchtern zu verlassen und nicht nüchtern zu betreten. Bereits in seinem Zelt hatte er dem Weine ordentlich zugesprochen und als er nun, demonstrativ in seinen schwarzen Chiton gekleidet und mit nichts anderem geschmückt als mit einem Lederband um sein Handgelenk, den Saal betrat, in dem bereits Musiker aus Babylon aufspielten und Räucherwerk verbrannt wurde, das einem den Atem verschlug, da sah er sich um und erblickte, gefiltert durch sein bereits vom Weine in die Arme genommenen Verstande, den König auf dem Thron des Dareios sitzend, breitbeinig, seine Füße auf einen Schemel gestellt, einen Pokal in der Hand, und neben ihm stand in unglaublicher Pracht Hephaistion, der ein Diadem trug, wie es in Makedonien höchstens die Könige je zu tragen gewagt hatten.

Es war klar, was das bedeutete, Alexandros hatte seinen engsten Freund zu seinem Vizekönig bestellt, zu seinem potentiellen Nachfolger, zu einer sakrosankten Person, die anzutasten nun vermutlich hochoffiziell unter Todesstrafe gestellt war, und Kleitos spürte, wie in seinem Gehirn Blasen platzten, die dunkel waren und mit Gift gefüllt und die sich nun in seinem eigenen Körper ausbreiteten.

Es würde nicht zu all dem kommen, von dem er geträumt hatte.

Nur über seine Leiche.

Nun gut, dann nur über seine Leiche.

Kleitos ließ sich nieder und folgte dem Abendprogramm, ließ sich den Becher stets gut auffüllen und dann kam der Moment, wo Ehrungen ausgesprochen wurden.

Und Alexandros ehrte alle Generäle, Feldherren und Befehlshaber.

Auch Kleitos wurde geehrt und mit einem Ring bedacht und auf ihn getrunken, doch dann kam die Reihe an Hephaistion.

„Ich verleihe dir den Rang eines Chiliarchen.“, sagte Alexandros und hob seinen Becher zu Hephaistion, der lächelte und seinen Becher ebenfalls hob. „Hephaistion Amyntoros, du bist hiermit der zweite Mann in meinem Reich. Du bist mein Stellvertreter, mein Nachfolger, wenn ich kinderlos bleibe, mein Vertrauter, mein bester Freund. Du bist Philalexandros, diesen Beinamen sollst du von heute an tragen.“

„Ein Hoch auf Hephaistion!“ rief da Kleitos und der Becher schwappte über, den er hoch über seinem Kopf hielt. „Ein Hoch auf den Mann, der sich von Asien erobern ließ, anstelle Asien zu erobern! Ein Hoch auf euch alle, ihr verdienten Feldherren und Generäle, die ihr euch einlullen lasst von diesem orientalischen Pomp! Ja, seht euch an, was aus euch geworden ist, erinnert ihr euch, zu welchem Zwecke wir hier her kamen?“

Es wurde totenstill und der König stellte den Becher ab.

„Was möchtest du wirklich sagen, Kleitos?“ fragte er, leise, seine Stimme bedrohlich.

Kleitos lachte. „Ist es nicht klar rübergekommen, mein König?“ fragte er höhnisch. „Nun gut, dann will ich es dir erklären. Wir kamen hier her, um die Perser zu bestrafen für ihre Greueltaten, für ihren Hochmut, für ihre Barbarei, für all das, was sie uns seit Jahrzehnten angetan hatten! Wir kamen hier her, um sie zu besiegen und um unsere Freiheit wieder zu erlangen. Und nun, sieh her, was geschehen ist! Sie haben uns erneut besiegt! Ihre Art ist es nun, die uns besiegt hat, oder vielmehr dich und deine Freunde, allen voran dein teurer Freund Hephaistion! Sieh ihn dir an! Kannst du dich erinnern, wie er einst war, wie er einst aussah? Bei Ares, ich kann mich erinnern, und DAS da, was er nun ist, das ist er nicht mehr, das ist eine billige persische Konkubine, ja, GENAU DAS ist er, kein makedonischer Vizekönig, sondern eine HURE! Bei allen Göttern, Hephaistion, was ist aus dir geworden, was ist aus dem wunderschönen makedonischen Jüngling geworden, der so unverdorben war, so frisch, so geradlinig, so schnörkellos? Besitzt du einen Spiegel, Amyntoros? Wenn ja, sieh hinein – und schau dich an. Du willst noch ein Makedone sein? Du bist längst ein persischer – Eunuch!“

Kleitos schleuderte das Wort heraus und Hephaistion starrte ihn wütend an, während Alexandros’ unterschiedlich gefärbte Augen Blitze spieen.

„Geh ganz schnell, Kleitos – sonst verwirkst du dein Leben!“ zischte der König und Kleitos stand auf.

„Ja, so seid ihr geworden, alle zusammen. Ihr könnt die Wahrheit nicht mehr hören! Ihr wollt nur Lobgesänge, man soll euch sagen, es ist alles richtig, was ihr tut, und alle müssen so sein wie ihr. Ganz genau so ist es gekommen! Du willst mich tot? Gut, dann töte mich, hier und jetzt, denn nur der Tod allein wird mich davor bewahren, dir noch mehr Wahrheiten ins Gesicht zu sagen, dir und deiner geschminkten Hure, die du zum Vizekönig gemacht hast. Du willst mich töten? Dann töte mich, wenn du noch Ehre im Leib hast, wag es!“

Alexandros griff nach einem Apfel, der in einer Schüssel neben seinem Thron lag, und warf ihn zornig Kleitos an den Kopf, der nur noch lauter lachte. „Mit einem Apfel willst du mich erledigen, Alexandros, du König mit dem Herzen eines Knaben? Sage an – bist du es, der Hephaistion dazu bringt, sich so zu kleiden und so zu schminken? War es nicht dein Wunsch, wessen dann?“

Alexandros sprang auf und entriss einer Wache, die neben ihm stand, eine Lanze.

„Halt ein!“ rief Hephaistion und warf sich in Alexandros’ Arm, der gerade im Begriff war Kleitos zu durchbohren. „Bist du des Wahnsinns, Alexandros?“ Hephaistion starrte den rasenden König an, der wiederum Kleitos anstarrte.

„Keinesfalls, Hephaistion. Möchtest du lieber, dass ich zulasse, dass er dich beleidigt – dich und mich?“ Alexandros senkte die Lanze und durchbohrte Kleitos mit seinen Blicken.

Kleitos atmete laut, der Rest des Banketts versuchte nicht zu atmen.

„Alexandros. Mein König. Ich bitte dich um etwas. Verschone das Leben deines Hipparchen – und überlasse ihn mir. Überlasse mir, mich für seine Beleidigungen zu revanchieren. Überlasse mir die Strafe. Überlasse mir sein Leben. Schenk ihn mir. Schenk mir sein Leben. Es ist in deiner Hand – du kannst es ihm nehmen, und du kannst es ihm sogar mit Grund nehmen, denn was er sagte, war Hochverrat. Aber ich bitte um Gnade für ihn. Um sein Leben. Gib ihn mir.“

Kleitos versuchte einen Satz zu formulieren, versuchte zu widersprechen, dass er lieber tot wäre als jemandem zu gehören, dem er sein Leben verdankte, und schon gar nicht, SCHON GAR NICHT Hephaistion, doch bevor Kleitos sprechen konnte war Hephaistion mit einem Satz bei ihm und hielt ihm den Mund zu.

„Dein Mund will deinen Tod, was?“ zischte er, für Alexandros nicht hörbar, und mit Nachdruck drückten sich Hephaistions Finger in Kleitos’ Lippen und Kinn. „Schweige, jetzt, für nur einen Moment, dann kannst du wieder reden und deiner schwarzen Seele Ausdruck verleihen, aber JETZT schweige!“

„Was sagst du ihm?“ fragte der König nach und Hephaistion lächelte. „Ich habe ihn gebeten, nicht noch weitere Worte dem Gehege seiner Zähne entfleuchen zu lassen!“ antwortete der Chiliarch in homerischen Worten. „Ich denke, wir sollten das Bankett nun verlassen, Kleitos und ich. Wir haben zu reden – das heißt, ICH habe zu reden!“ Hephaistions blaue Augen zwinkerten spöttisch.

„Wenn die Art deines Knebels Früchte trägt, werde ich Kleitos verschonen!“ sprach Alexandros und entließ die beiden Generäle mit einer dismissiven Bewegung seiner linken Hand.

Hephaistion zog den widerstrebenden Kleitos hinter sich her, gefolgt von dem Getuschel der restlichen Gäste. Die Tür schloss sich hinter ihnen und Kleitos fand seine Sprache wieder, als er in Hephaistions grinsendes Gesicht sah.

„Du – DU....! Was hast du dir dabei gedacht- “ weiter kam Kleitos nicht, denn Hephaistion hatte eine weitere sehr effektive Art entdeckt, Kleitos zum Schweigen zu bringen, er griff dem schwarzen Feldherren in die schulterlangen Haare, zog den Kopf zu sich und küsste ihn hart und fordernd. Seine Zunge drang in den überraschten Mund ein und nach einer Schrecksekunde packte Kleitos seinerseits den Chiliarchen und presste ihn eng an sich, den Kuss erwidernd und fortsetzend.

Atemlos trennten sich die beiden Männer dann voneinander und sahen sich an, als sähen sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben. Kleitos öffnete erneut seinen Mund, um zu protestieren, doch Hephaistion unterbrach den Satz, der nicht einmal ein Wort umfassen konnte, mit einem weiteren verzehrenden Kuss. „Gewöhn dich dran, Kleitos!“ keuchte er dann, um Luft ringend, „Ich werde dir den Mund jedes Mal stopfen, wenn du anfängst Dinge von dir zu geben, die einfach nur unakzeptabel sind! Dinge, die dich Kopf und Kragen kosten können, Dinge, die niemand hören will, weil sie aufrührerisch sind, Dinge, die alle beleidigen, Dinge, die du in deiner Wut dir ausgedacht hast... ich werde dich knebeln, Kleitos, jetzt, heute, morgen, für alle Zeiten. Und ich habe noch andere Knebel, die in Frage kommen, deinen Mund zum Schweigen zu bringen, schwarzer Krieger, noch ganz andere! Wenn du nicht freiwillig schweigst, werde ich dich zum Schweigen bringen, und du wirst es lieben, du wirst sehen. Du wirst es lieben, weil es das ist, was du in deinem Innersten zutiefst ersehnst. Ja, Kleitos, da schaust du, nicht wahr?“

Kleitos’ schwarze Augen starrten Hephaistion überrascht an, und zum ersten Mal in seinem Leben hatte Kleitos nichts zu erwidern, nichts zu widersprechen.

„Ich kann übrigens lesen, Kleitos. Und ich sag Ja zu dir, wenn du das alles zurücknimmst, mit der persischen Hure und dem Eunuchen und dem Speichellecker. Nimm es zurück, Kleitos, und dein Traum wird wahr werden.“

Kleitos schwieg, sein Gesicht war eine Maske der Undurchdringlichkeit. Tausend Gedanken tobten durch seinen Kopf, und wenn Hephaistion wollte, dass er schwieg – gut, er würde schweigen! Und er würde genau JETZT beginnen.

Hephaistion zog seine Augenbrauen zusammen.

„Dann war das alles Lüge? Dass du meine Einsamkeit beenden willst? Dass du auf alles verzichtest, wenn du nur mich in den Armen halten kannst? Kleitos, ich bin hier! Ich bin hier und du bist hier, und ohne mich wärst du im Hades, ist dir das klar? Aber ich bin hier, weil ich deinen Brief gelesen habe, ja, das habe ich! Weil du so fest aufgedrückt hast, dass man in der Wachsunterlage jedes einzelne Wort noch erkennen konnte. Ich habe es gelesen, Kleitos, und hätte ich den Brief bekommen, vielleicht wäre alles nicht so weit gekommen. Aber ich bin keine Hure, Kleitos, nicht die des Königs noch deine. Ich bin genau das, was du denkst das ich bin – an deiner Seite, wenn du es willst, dein lebendiger Knebel, den du brauchst, und über alles andere werden wir verhandeln und es wird sich ergeben. Also nimm es zurück, Kleitos. So schwer kann das doch nicht sein, so leicht dir das Reden sonst doch fällt!“

„Es war keine Lüge, Hephaistion.“ Kleitos holte tief Atem, dann sah er dem Chiliarchen in die Augen. „Es ist keine Lüge. Ich möchte mit dir zusammen sein. Ich wollte es schon immer.“

„Dann soll es so sein, Kleitos. Aber bedenke, ich bin dein Knebel. Ich werde nicht zögern dir den Mund zu stopfen. Weder in der Öffentlichkeit noch unter vier Augen.“

Kleitos’ Mundwinkel zuckten, dann lächelte er. „Kannst du bitte gleich damit anfangen?“ flüsterte er dann und zog Hephaistion eng an sich.

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