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Titel:
Eine Weihnachtsüberraschung der besonderen Art
Autor: Alienne


Es war schon eine ganze Weile dunkel. Elija liebte den spätherbstlichen Dezember, der sich anschickte den Winter vorzubereiten, denn nun konnte er -zumindest während der Woche- die frühen Abendstunden nahezu unbehelligt nutzen um in dem benachbarten Park zu joggen. Wenn er Glück hatte, war nicht eine Menschenseele unterwegs und er hatte das weitschweifige Gelände und den Weg um den kleinen See inmitten des Parks für sich allein. Purer Genuss, wie er fand.

So auch an diesem Abend. Eifrig zog er seine Runden, schaute auf das still da liegende Gewässer und die zahlreichen Enten, die das begraste Ufer belagerten. Die meisten davon hatten bereits den Kopf unter die Flügel gesteckt und dösten.

"Seltsam", dachte er, "normalerweise werden sie ganz aufgeregt, wenn ich vorbeilaufe, immer in der Erwartung gefüttert zu werden, so wie sie das von anderen Parkbesuchern gewohnt sind."

Er hielt inne, trat dabei aber auf der Stelle von einem Fuß auf den anderen um seinen Lauffluss nicht zu unterbrechen, und wartete, was geschah. Nichts! Die Enten verharrten reglos. Er schnalzte lockend mit der Zunge, aber auch davon blieben die Vögel unberührt.

"So wie sie da hocken, könnte ich mir prima eine unter den Arm klemmen und als Weihnachtsbraten mit nach Hause nehmen", dachte er und musste schmunzeln. Dann schüttelte er den Kopf und meinte leise: "Keine Angst, ihr Flattermänner, das mache ich natürlich NICHT!"

Er schickte sich eben an, seinen Lauf wieder aufzunehmen, als er im Wasser, nicht weit vom Ufer, eine Bewegung bemerkte. War doch einer der Vögel aufgewacht? Er grinste. "Wohl Gefahr gewittert, was?"

Nun blieb er doch stehen und beäugte aufmerksam den See, um die Stelle auszumachen, an der die Bewegung statt gefunden hatte. "Sicher eine weibliche Ente", witzelte er. "Eben neugierig."

Doch wie sehr er sich auch anstrengte und seine Augen zusammenkniff um besser zu sehen, das fahle Licht, das die entfernte Parklaterne ausstrahlte, war einfach zu schwach. Und so konnte er nichts als eine leichte Wellenbewegung ausmachen, kleine konzentrische Kreise, von denen ein sanftes Geräusch ausging.

Und was war DAS? Erneut kniff er die Augen zusammen. Inmitten der Wasserbewegung leuchtete doch ein Licht?!

Ein Taucher? Hier?

Verwirrt trat er ein paar Schritte zurück. Das war doch gar nicht möglich! Das Wasser war viel zu seicht in Ufernähe, als dass sich ein Taucher so weit nähern könnte!

Aber seine Neugier war geweckt. Er kniete sich - so nah es ging - an den Gewässerrand und schob Oberkörper und Kopf vor, so dass sein Gesicht beinahe die beleuchtete Wasserstelle berührte. Es musste doch etwas zu sehen sein!!

Und so war es auch. Er starrte gebannt in das Wasser, denn er sah -

....sich selbst!

"Ja, klar, mein eigenes Spiegelbild! Was auch sonst?" Er gluckste in sich hinein und war versucht, sich mit der flachen Hand vor die Stirn zu schlagen. Was hatte er denn sonst erwartet?

Dann aber zog er die Brauen kraus. Doch wie erklärte sich das Licht?

Die Parkleuchte war viel zu weit entfernt um im Wasser zu reflektieren.

Was war es also? Eine neue Lampe, die im Wasser angebracht war? Warum dann nur an DIESER Stelle und sonst nirgendwo?

Erneut beugte er sich vor und starrte ins Wasser.

Plötzlich stutzte er.

Moment mal. Klar, das war sein Spiegelbild. Nur, nachdem Teil zwei der Ringe-Trilogie abgedreht war, hatte er sich doch die Locken stutzen lassen. Zum einen, weil er den Anblick leid war, und zum anderen, weil er auf diese Weise nicht so leicht erkannt wurde

Und dennoch hatte das Gesicht im Wasser - SEIN Gesicht! - unverkennbar seine alte Lockenpracht!

Elija fasste nach seinem Haar um sich zu überzeugen, dass dort wirklich keine einzige Locke mehr prangte.

Wer also war das dort im Wasser? ER jedenfalls nicht! Wer spielte ihm einen Streich?

Verärgert griff er ins Wasser um diesen Typen dort bei seinem Lockenschopf zu packen und herauszuziehen, als plötzlich...

~~~~~~

...der Geruch von frischen Zimtsternchen, die Plätzchen, die seine Großmutter zu Weihnachten zu backen pflegte, in seine Nase kroch.

Doch das war nicht alles!

Wohlige Wärme umfing ihn. Er befand sich in einem gemütlichen kleinen Raum. In einem Kamin, über dem, weihnachtlich gestaltet, eine lange Reihe von roten Zipfelmützen aufgehängt waren, prasselte lebhaft ein Feuer.

Davor gruppierten sich ein paar gemütliche, mit kariertem Stoff bezogene Sessel um einen robusten niedrigen Holztisch, auf dem zwei Becher aus Ton standen, aus denen heiße, wohlriechende Schwaden durch die Stube zogen.

 "Gewürzpunsch", Elija schnupperte, griff nach einem der Becher und hielt seine Nase in den duftenden Dampf.

In diesem Moment öffnete sich die kleine runde Tür und -

...er selbst betrat den Raum.

Elija kam gar nicht dazu sich zu wundern.

"Hallo", sagte sein Gegenüber fröhlich und streckte ihm freundlich die Hand entgegen.

Das war eindeutig der Hobbit, den er im Film verkörperte! Kleidung und nackte Füße waren unverkennbar! Ja, das war Frodo! Nein, das war ER SELBST -  als Frodo!!

"Hallo", sagte der Hobbit noch einmal. Zögernd ergriff Elija dessen Hand. Als er den Druck der Finger spürte, die sich warm um seine eigenen legte, griff auch er beherzt zu und schüttelte kräftig mit.

Ihm war klar, dass es sich um ein ungewöhnliches, ja bizarres Erlebnis handelte, aber aus irgend einem Grund fühlte er sich nicht beunruhigt.

Der Hobbit machte eine ausholende Armbewegung und deutete auf einen der Sessel.

"Setz dich doch", sagte er, "mach es dir gemütlich. Mein Haus ist dein Haus." Er lachte. "Ich freue mich riesig, dich in meinem, oder sollte ich besser sagen "in unserem", " er zwinkerte ihm zu, "bescheidenen Heim begrüßen zu dürfen. Wie ich sehe, hast du dich schon bedient."

Er zeigte auf den Becher, den Elija in der Hand hielt. "Holunderpunsch, sehr gesund in dieser meist nasskalten Jahreszeit."  Er griff nach dem anderen Becher und erhob ihn. "Auf dein Wohl", sagte er, "auf dass es dir hier in Auenland gefallen möge."

"Und auf DEIN Wohl", Elija prostete nun seinerseits seinem Gegenüber zu.

Der Hobbit wartete, dass sein Gast den Becher an die Lippen setzte und den ersten Schluck nahm. Dann stellte er sein Getränk zurück auf den Tisch.

"Ich wollte mich bei dir bedanken", sagte er.

"Bedanken? Wofür?" Elija bemerkte, wie eine seltsame Leichtigkeit seinen Kopf erfasste.

"Du hast mich sehr gut dargestellt. Wirklich. Ganz hervorragend. Wenngleich du natürlich nicht VÖLLIG an das Original herankommen kannst. Aber dennoch. Sehr gut." Er lächelte.

"Hmm.." Elija  versuchte sich zu konzentrieren, "aber das war doch nur eine Rolle. DU bist doch nichts als eine ROLLE!"

"Wie bitte?" Der Hobbit wirkte verärgert. "Ich...eine Rolle? Das kann doch nicht dein Ernst sein! Ich bin Frodo. Frodo Beutlin aus Auenland. Schau dich um. Alles echt! Fass es an! Mich, die Einrichtung, die Wände. Was glaubst denn du, wo du bist? In einem Traum?"

Elija schmunzelte. Ja ja, alles echt. Sicher. Wenn er noch einen Schluck von diesem Holunderpunsch nähme, dann würde er das sicher glauben.

Aber er wollte dem Hobbit den Gefallen tun und streckte seine Hand nach den Steinen des Kamins aus um sie zu berühren. Dann griff er nach den Zipfelmützen, die dort hingen, offensichtlich eine Art Adventskalender. Wenn es nur in seinem Kopf nicht so durcheinander ging, hätte er gerne gezählt, ob es auch wirklich vierundzwanzig Stück waren.

Der Gesichtsausdruck des Hobbits hatte inzwischen von Verärgerung auf Enttäuschung gewechselt.

"Ich hätte nicht gedacht, dass du meine Realität anzweifelst", sagte er traurig.

Elija hatte den Hobbit nicht verletzen wollen, dennoch konnte es doch wohl nicht sein, dass er sich hier tatsächlich in Auenland befand.

"Gut", sagte Frodo, als hätte er die zweifelnden Gedanken gelesen, "ich muss es dir also tatsächlich beweisen." Er seufzte.

Dann sagte er unvermutet: "Such dir doch eine der Zipfelmützen aus. Mal schauen, was du als Überraschung darin finden wirst." Er lächelte seinen Gast aufmunternd an.

Elija wunderte sich über den schnellen Gemütswandel. Er selbst war nie so schnell besänftigt, wenn er sich geärgert hatte. Aber er freute sich und betrachtete die Zipfelmützen um herauszufinden, ob er von der Form auf den Inhalt schließen konnte.

Doch noch immer drehte es sich in seinem Kopf, und so zeigte er auf die Mütze, aus der die spitze einer Nikolausrute hervorschaute.

"Na, die nehm ich wohl besser nicht", grinste er, "gibt's nicht auch eine mit einem Heiligenschein?"

Frodo zwinkerte ihm veschmitzt zu. "Vielleicht."

Elija hatte sich derweil entschieden. Da keine der Mützen -bis auf die mit der Rute- ihren Inhalt verriet, zeigte er auf die, deren Zipfel direkt vor ihm über der Feuerstelle pendelte. "Sonst kohlt sie noch an", meinte er. "Und nun lass mal sehen, was darin ist."

Der Hobbit nahm das gewünschte Exemplar von der Leine. "Bitte sehr", sagte er mit einer kleinen Verbeugung und leuchtenden Augen, "und wohl bekomm's." Er deutete auf das Fläschchen, das Elija eben aus der Mütze zog.

"Oh, das ist sicher ebenso lecker wie der Punsch". Er strahlte. "Hobbits sind -wie man ja weiß- richtige Feinschmecker. Dass ich ein paar Kostproben bekommen würde, hätte ich mir nicht träumen lassen. Eine tolle Weihnachtsüberraschung, auch wenn das Fest noch einige Tage auf sich warten lässt." Er lachte, schraubte das Fläschchen auf und setzte es an den Mund.

Frodo schaute ihn erwartungsvoll an. "Oh, ja, eine tolle Überraschung, wart's nur ab", dachte er spitzbübisch. Laut wiederholte er: "Wohl bekomm's", und sah gespannt zu, wie der Flascheninhalt in Elijas Kehle gluckerte.

"Mmmm. Lecker. Kräuterwein. Aber irgend etwas ist darin, das ich nicht kenne." Er blickte abwartend in Frodos Gesicht und wartete auf die Erklärung. Doch die kam nicht. Statt dessen wurde ihm schwindliger als ihm bereits war, begann zu schwanken, und das Gesicht seines Gegenübers verschwamm.

"Oh", lallte er, ganz schön starker Stoff", und griff nach der Sessellehne um seinen Stand zu sichern. Da ihm das nicht gelang, ließ er sich so schnell wie möglich auf die Sitzfläche rutschen. Gerade rechtzeitig, denn da wurde ihm schwarz vor Augen....

~~~~~~~~

Es war spät geworden, als ein einsamer Jogger  barfuß seine Runde um den Teich im städtischen Park fortsetzte.

"Ich werde meine Locken abschneiden müssen", seufzte er. "Schade eigentlich, zumal ich sie ja sowieso bald wieder wachsen lassen muss."

Er fühlte in seiner großen Hosentasche nach der Karte mit der Anschrift und nach dem Schlüssel.

Dann zog ein Schmunzeln über sein Gesicht.

"Schade nur, dass alle niemals wissen werden, WER da im letzten Teil der Trilogie den Frodo spielen wird."

Er verlangsamte seinen Schritt, denn das Parktor kam in Sicht.

"Aber schließlich ist es ja der wichtigste Teil, und den kann ich doch nicht mit einem Schauspieler besetzen lassen. Schließlich bin ich doch der Held in diesem Abenteuer. Gollum, Gollum." Er kicherte.

"Ach ja, und fröhliche Weihnachten, Elija, da wo du nun bist."


ENDE