Titel: Aragorns Geständnis (3/?)
Autor: Boromirs Bride


Der Dúnadan klopfte an die schwere Holztür zu Faramirs Ruhe-Zimmer. Der junge Mann öffnete und war überrascht, seinen König zu sehen. Er bat Aragorn, näherzutreten und der König kam dieser Bitte gerne nach. An der Wand gegenüber stand eine schwere schlichte Holztruhe. Links daneben befand sich ein großes Bett und weiter vorn an der linken Wand stand ein Holztisch mit einer Wasch-Schüssel und einer Wasserkanne. In die rechte Wand war ein Kamin eingelassen. Davor lag ein großes dunkles Wargen-Fell, auf dem ein mit prächtigen Verziehrungen versehener Holzstuhl stand. Im Kamin loderte ein noch kleines Feuer, das Faramir erst vor kurzem entfacht haben musste; der Abend versprach eine kühle Nacht.

Aragorn hatte die Tür hinter sich geschlossen und stand seinem Statthalter gegenüber. Dieser hatte wohl beabsichtigt, bald schlafen zu gehen, denn der König blickte auf den nackten Oberkörper Faramirs. "Nehmt Platz am Kamin, Aragorn." sprach der Blonde und rückte den schweren Stuhl zurecht. Der König bedankte sich und ließ sich in dem Stuhl nieder. Faramir zog sich schnell sein Hemd wieder an, verschränkte seine Arme vor der Brust und lehnte sich gegen den Kaminsims. "Nun", sagte er, "was kann ich für euch tun?" Aragorn zwang sich, sein Gegenüber nicht allzu intensiv anzusehen und erklärte: "Faramir, ich bin hier, um mit dir über Boromir und mich zu sprechen. Und wenn ihr euch dabei unwohl fühlt und euch von mir abwenden wollt, so werde ich euch deshalb nicht böse sein. Ich möchte jedoch, dass ihr Bescheid wisst, damit ihr euch keine unnötigen Gedanken mehr machen müsst; und ich kann vielleicht endlich meine Trauer überwinden. Ihr wisst, reden wirkt manchmal Wunder. Seid ihr einverstanden?" Faramir entgegnete: "Ich hatte euch meine Hilfe zugesagt, und wenn dies die Hilfe ist, die ihr erbittet, so werde ich euch gern zuhören. Bitte erzählt." Der Dúnadan betrachtete das größer werdende Feuer im Kamin, während er darüber nachdachte, wie er beginnen sollte. Faramir hingegen beobachtete den Widerschein des Feuers in Aragorns Gesicht. Der Blonde konnte seinen Blick nicht abwenden, denn von seinem König ging in diesem Moment eine Faszination aus, wie er sie zuvor noch nicht an ihm bemerkt hatte. Er verspürte eine knisternde Romantik, versuchte aber, sich dagegen zu wehren. Und als Aragorn schließlich zu ihm aufsah, hielt konnte Faramir dem warmen Blick seines Königs nicht standhalten. Aragorn sah zurück ins Feuer und begann mit seinen Ausführungen:

"Es fällt mir wirklich nicht leicht, gerade mit euch darüber zu sprechen. Doch ihr sollt nun alles erfahren, um zu verstehen, edler Faramir." Aragorn legte eine Pause ein und blickte kurz zu Faramir auf. Dann fuhr er fort: "Ihr werdet selber zur Genüge wissen, dass Boromir ein gutes Herz hatte und ein leidenschaftlicher Mann war. Und diese beiden Eigenschaften faszinierten mich von Anfang an. Er konnte eben noch toben und wüten, und sich im nächsten Moment liebevoll um einen traurigen Zwerg kümmern." Ein Lächeln huschte über Aragorns Gesicht und er sah wieder zu Faramir auf. "Er konnte manchmal ein Widerspruch in sich sein, aber das machte ihn aus. Und als wir am Rande von Lórien unsere erste ausgiebige Unterhaltung führten, kam der verletzbare Boromir zum Vorschein. Er erzählte von den schrecklichen Träumen, die ihn plagten und die ihn fast um den Verstand brachten. Ich habe in dieser Nacht einen völlig anderen, wahrscheinlich den wahren Boromir kennengelernt. Ich war umso faszinierter von der unerschütterlichen Kraft, die in ihm war. Mir wurde klar, er würde niemals aufgeben." Wieder unterbrach Aragorn seine Rede und blickte erneut in den Kamin. "Und dann...", fuhr er leise fort, "irgendwann während unserer Unterhaltung berührten sich unsere Hände. Ich kann nicht mehr sagen, wie es dazu kam, ich weiß lediglich, dass ich plötzlich seine Wärme spürte. Wir sahen uns in die Augen und er hielt meine Hand fest, als ich sie wegziehen wollte. Es war, als ob er Schutz suchte. Sein Blick war zärtlich und voller Verlangen zugleich, und als..." Aragorn sah aus seinen Augenwinkeln, dass Faramir sich langsam vom Kamin entfernte. "Faramir, was habt ihr?" "Nichts. Fahrt nur fort." "Nun gut", sagte Aragorn und spürte die Blicke Faramirs auf sich ruhen. "Es verhielt sich also so, dass ich mein Gesicht abwandte und kurz darauf seine andere Hand auf meiner Wange spürte. Ich schloss meine Augen und befürchtete, dass mein Herzschlag weithin hörbar wurde. Dann spürte ich seinen warmen Atem an meinem Hals und einen Augenblick später seine Lippen. Ohne euch in Verlegenheit bringen zu wollen, muss ich euch sagen, dass das, was danach folgte, das Schönste war, das ich in meinem Leben bis dahin erlebt hatte. Ich möchte euch die Einzelheiten nicht zumuten. Deshalb sage ich nur noch, dass wir jede Gelegenheit nutzten, um allein zu sein... bis zu dem Zeitpunkt, als... er starb...." Aragorn schwieg nun und bemühte sich um Haltung. Alles war plötzlich wieder so nah...

Faramir stellte sich hinter ihn und legte ihm seine Hand auf die Schulter. "Aragorn, ich kann mir vorstellen, wie schwer es für euch war, euch all dies wieder ins Gedächtnis zu rufen. Ich danke euch sehr, dass ihr mir gegenüber so offen ward." Der Dúnadan schaute zu dem Mann auf und legte lächelnd seine Hand auf Faramirs. "Ich danke euch. Doch mir geht es gut." Dann erhob sich Aragorn aus dem Stuhl und stellte sich vor den Blonden: "Ich habe heute am Denkmal von Boromir Abschied genommen. Ich habe es euch zu verdanken, dass ich endlich dazu in der Lage war." Der Statthalter verstand, was der König mit dem letzten Satz sagen wollte. Sie sahen sich in die Augen und Faramir verspürte eine gewisse Spannung zwischen sich und dem König. Aragorn beugte sich langsam vor und ehe Faramir sich versah, fühlte er die weichen Lippen auf seinen. Schnell trat er einen Schritt zurück und blickte in die verdutzten Augen seines Königs. "Faramir, bitte entschuldigt..." Der blonde Mann wandte sich ab, als Aragorn - erschrocken über sein Handeln - die Hand nach seinem Statthalter ausstreckte. Der Dúnadan ließ seine Hand sinken und suchte nach Worten der Entschuldigung. Doch er fand keine passenden Worte, sondern starrte an Faramir vorbei zur Tür. "Bitte entschuldigt, Faramir" brachte er noch heraus und eilte schnellen Schrittes aus dem Raum. Faramir wandte sein Gesicht zur sich schließenden Tür und versuchte, das soeben Geschehene zu verstehen. Er führte einen Finger an seine Lippen und schloss die Augen. Doch im nächsten Moment schnellte er herum und ging ziellos durch sein geräumiges Gemach. Aufgebracht murmelte er vor sich hin: "Nein! Nein! Was ist das? Was passiert mit mir? Ich habe eine Gemahlin. Eine Gemahlin, die ich sehr liebe. Doch was passiert mit meinen Gefühlen? Es ist falsch. Falsch!" Er warf sich auf sein Bett und starrte an die Decke. Seine Gedanken schwirrten in seinem Kopf, der langsam zu schmerzen begann. Er schloss die Augen und versuchte zu schlafen, wobei er versuchte, nicht über sein Erlebnis mit Aragorn nachzudenken. Doch letzteres gelang ihm nicht. Nach einer Weile fiel er in einen unruhigen Halbschlaf. Wirklichkeit vermischte sich mit Phantasie.

Unruhig wälzte er sich hin und her. Im Geiste sah er seinen König, der sich ihm näherte. Faramir selbst konnte sich nicht von der Stelle bewegen, so sehr er es versuchte. Plötzlich fand er sich auf dem Rücken wieder und Aragorn lag auf ihm, ihn mit wilden Küssen bedeckend. Der Blonde bemerkte ihre Nacktheit, doch er fühlte sich nicht unbehaglich. Aragorn murmelte unverständliche Worte, doch Faramir wusste aus irgendeinem Grund um ihre Bedeutung. Es waren Worte der höchsten Erregung, der Lust und der bevorstehenden Erfüllung.

Das laute Knistern aus dem Kamin ließ Faramir plötzlich hochschrecken. Er war verwirrt; wusste er doch noch genau um seine eben durchlebten Phantasien und das Gefallen an ihnen. Jetzt, wo er wieder bei vollem Bewusstsein war, hatte sich nichts geändert. Er war erregt und ein wohliger Schauer durchzog ihn, was ihn sehr befremdete. Konnte es wirklich angehen, dass in seinem Innersten für seinen Herrn und König solche Gefühle ruhten? Gefühle, die jetzt an die Oberfläche drangen und denen er sich stellen musste. Er konnte sie nicht mehr verleugnen. War es der Fluch des Blutes? War er verdammt, an die Stelle seines Bruders zu treten? Konnte es angehen, dass es eine Art Vermächtnis Boromirs sein konnte, der durch ihn, den jüngeren Bruder, wieder mit Aragorn vereint sein sollte? Nein. Das konnte nicht sein. Wie sollte so etwas möglich sein? Doch in dieser Situation klammerte sich der junge Mann an jede denkbare Erklärung, und sollte sie noch so unmöglich sein. In seinem Kopf toste es. Er ließ sich zurück in die weichen Kissen fallen und bat Valar inständig um einen tiefen und ruhigen Schlaf.

Nachdem Aragorn seinen Statthalter verlassen hatte und durch die dunklen Flure eilte, schlug er mit der Faust ab und an wütend gegen die kalten Wände. Die Wut richtete er gegen sich. Wie konnte er nur so unbedacht handeln? Er blieb stehen, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und schlug seinen Hinterkopf ein paar Male gegen den harten Stein. "Wie kannst du nur so dumm sein? So dumm! Dumm!" zischte er immer wieder. Vor Aufregung außer Atem ließ er sich auf den Boden sinken und starrte in die Dunkelheit. 'Wie kann ich ihm je wieder aufrechten Hauptes in die Augen sehen?' ging es ihm durch den Kopf. 'Er wird mir sein Vertrauen entziehen, sich von mir abwenden. Deine Unbedachtheit kommt dich teuer zu stehen, du übereifriger König!' Nach einer Weile kam er etwas zur Ruhe und stand auf. Langsam machte er sich auf den Weg zu seinen Räumen und gab es auf, über seinen Fehler nachzusinnen. 'In dieser Nacht werde ich nichts mehr ausrichten können. Ich sollte endlich schlafen gehen, was ich besser schon viel früher hätte tun sollen. Morgen sehen wir weiter.... Dummkopf!'

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Der König saß allein an der Tafel und nahm sein Frühstück zu sich. Ein Diener kam hinzu und erklärte, dass Faramir sich entschuldigen ließe, da er unter heftigen Kopfschmerzen litt und an diesem Tag ausruhen wollte. 'Phantastisch, Aragorn!' dachte der König zornig. 'Das hast du gut gemacht! Du hast alles verdorben und es dir selbst zuzuschreiben, dass dein Statthalter sich nun verleugnen lässt!' Der Dúnadan sprang von seinem Platz auf. Durch die Wucht kippte sein schwerer Holzstuhl fast hintenüber. Er gab Anweisung, sein Pferd satteln zu lassen und eilte zu den Ställen. Er musste raus. Nachdenken. In Ruhe nachdenken.

Nachdem er eine Weile über die weite Ebene Gondors geritten war, brachte er sein Pferd zum Stehen. Er überließ es sich selbst und legte sich in das duftende Gras. Seine Gedanken schweiften zu Arwen. Ihr hatte Aragorn einst erzählt, was ihn mit dem blonden Krieger aus Gondor verband. Sie verstand es - wusste sie doch genau um die schweren Zeiten, welche die Gefährten durchlebten. Doch würde sie auch jetzt verstehen? Jetzt, da sich Aragorn in einer Zeit ohne Not dem Bruder seines toten Geliebten zuwandte - hierfür gab es keine Entschuldigung, die Arwen nicht an der Liebe ihres Gemahls zweifeln lassen würde. Doch die Versuchung war zu groß. Ihm war, als würde eine höhere Macht seine Gefühle und Gedanken leiten und sie immer wieder auf Faramir lenken. Aragorn war erschöpft. Er schloss seine Augen und war bald eingeschlafen. Als er Stunden später wieder erwachte, sah er in der Ferne bereits die Dämmerung heraufziehen. Er stand auf und stieß einen kurzen Pfiff aus. Sein treues, edles Pferd galoppierte wiehernd heran und der König saß auf. Nachdenklich sah er hinüber zu der entfernten weiß leuchtenden Stadt. Wie ruhig sie doch wirkte ob dieser Entfernung. Doch dort, wo sich die weiße Nadel in den Himmel erhob, dort wartete sein Schicksal, dem er nicht auszuweichen vermochte. Fest entschlossen, sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und sich Faramir zu stellen, ließ er sein Pferd zurück nach Minas Tirith preschen.

Eingehüllt in die Schatten der Dämmerung stand Faramir auf der Veste und blickte über das weite Land. Seine Gedanken schwirrten zwischen Éowyn und Aragorn hin und her. Verstehen konnte er seine Gefühle noch immer nicht. Nie zuvor hatte er auch nur den kleinsten Gedanken an ein Zusammensein mit einem Mann gehegt. Nie zuvor waren seine Gefühle gegenüber anderen Männern über eine gute Kameradschaft hinausgegangen. Doch Aragorn war nicht wie die anderen Männer, die der junge Statthalter kannte. Der Dúnadan war stark und doch sanft, entschlossen und doch besonnen, streng und doch milde. Diese Eigenschaften machten ihn aus und ließen in Faramir Gefühle hervorbrechen, die er am liebsten sofort wieder tief in sich vergraben mochte. - Wollte er das wirklich? 'Ich kann Éowyn und meine Liebe zu ihr nicht verraten. Ich darf es nicht tun. Wenn sie je davon erfahren würde...' Jäh wurde der Mann aus seinen Gedanken gerissen, als das Widerhallen von Schritten an seine Ohren drang. Er wandte sich um und erkannte Aragorn, der soeben aus dem Gang zur Veste hervortrat und zielstrebig zu seinem Palast eilte; fast lief er sogar. Faramir überlegte, ob er an diesem Abend bereits ein erneutes Zusammentreffen mit seinem König riskieren sollte. Er zischte: "Faramir! Du bist kein kleines Kind! Trete ihm gegenüber!" Zögernd, jedoch mit festen Schritten schlug er den Weg zum Palast ein, in dem Aragorn bereits verschwunden war.

Die Schritte des Blonden hallten in den großen Korridoren von den Wänden wider. Und jeder weitere Schritt, mit dem er sich der Tür zu Aragorns Räumen näherte, schien lauter zu werden, als sollte dem König rechtzeitig von der Ankunft des Statthalters Kunde getan werden. Als nur noch die schwere Holztür zwischen dem Statthalter und seinem König stand, wurde Faramir nervös und der Mut verließ ihn. Er drehte sich zu Seite und ließ sich rücklings gegen die Wand fallen. Mit verkrampft geschlossenen Augen stand er da und überlegte hin und her. Doch die Entscheidung wurde ihm abgenommen. In seinem Sinnen bemerkte er nicht, dass sich ihm jemand näherte. Erst als der Andere nur noch einige Schritte entfernt war und seinen Gang verlangsamte, merkte Faramir auf und öffnete seine Augen. Er drehte den Kopf in die Richtung und sah Aragorn, der in seiner Bewegung innehielt und seinen Statthalter verwundert anstarrte. "Faramir...", sagte er leise, "darf ich nähertreten?" Der Blonde - überrascht über das plötzliche Erscheinen seines Königs, hatte er ihn doch in seinen Gemächern vermutet - nickte langsam, stieß sich von der Wand ab und trat dem Dúnadan einen Schritt entgegen. Sie standen sich gegenüber und keiner von beiden brachte ein Wort heraus. Ihre Blicke vertieften sich und Faramir musste hart schlucken. Er spürte das starke Pochen seines Herzens im ganzen Leib und Wärme breitete sich in ihm aus. Nach einer kleinen Weile, die sich zur Ewigkeit zog, erhob Aragorn das Wort: "Bitte lasst mich erklären..." Er öffnete die Tür und sein Arm wies Faramir an, einzutreten.


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