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Titel:
Zerstörte Hoffnung Autor: Boromirs Bride
Das zerborstene Horn Gondors in seinen Händen blickte er in die Ferne. Seine
Augen hatten ihren Glanz verloren. Auch die Hoffnung schwand mehr und mehr. In
ihm herrschte schmerzliche Leere über den Verlust seines Bruders. Immer und
immer wieder sah er das Boot vor sich, in welchem die leblose Hülle Boromirs
still auf den sanften Wogen des Anduin fortgetragen wurde. Niemals würde er
diesen Anblick vergessen. Zu tief hatte er sich in sein Herz gebohrt, welches
nie zuvor eine solche Pein ertragen musste.
Für Faramir war die Welt
zusammengebrochen. Alles schien im nun völlig unwichtig und verloren. Einzig der
Gedanke an seinen Bruder hielt ihn die letzten Monate aufrecht, der Gedanke an
ihr Wiedersehen und an die kommenden Kämpfe Seite an Seite. Nur mit Boromir
waren ihm die vergangenen Jahre erträglich gewesen, trotz dessen Bevorzugung
seitens ihres Vaters.
Nebel legte sich auf die grünen Weiten des Ufers.
Faramir saß wie versteinert im saftigen Gras und hatte alles um sich herum
vergessen.
'Was soll nur werden? Wie soll Minas Tirith ohne Boromir
standhalten? Gondors letzte Hoffnung ist erloschen. Fortgetragen von den
mächtigen Wassern des Anduin. Immer weiter fort. Boromir... Bruder...' Faramirs
Blick wurde trüb ob der Tränen, die sich nun ihren Lauf bahnten.
Und er
dachte an die letzten Wochen, bevor Denethor seinem Erstgeborenen auftrug, nach
Bruchtal zu reiten. Es war eine schwere Zeit mit vielen Kämpfen und Schlachten,
doch auch war es eine schöne Zeit, denn die Heere Gondors hatten viele Siege
davongetragen. Und jedem siegreichen Tag folgte ein Abend mit einem kleinen
Fest. Es war Boromirs Idee, solche kleinen Gelage zu veranstalten. "Das stärkt
das Gemeinschaftsgefühl und gibt den Männern geistige Kraft", hatte er dieses
Vorgehen begründet. Und er hatte Recht. Man merkte es den Soldaten an. Waren sie
auch noch so müde, ihr Kampfgeist schien ungebrochen und sie kämpften mit festem
Willen, die dunklen Horden zu vernichten. Nie stecken sie auf und gaben sich
geschlagen.
Faramir bemerkte, dass er lächelte. Und schlagartig wurde
ihm klar, dass er nun niemals mehr lächeln könnte, außer, wenn seine Gedanken in
der Vergangenheit weilten. In der Vergangenheit bei dem geliebten Bruder.
Er erhob sich langsam, als würde eine große Last auf seinen Schultern
drücken. Vorsichtig trug er das Horn in seinen Händen und verschwand zwischen
den ersten Bäumen des nahen Waldes. Hier tauchten alsbald einige seiner Späher
auf und nachdem sie das zerteilte Horn erblickten, erschraken sie und knieten in
einem stillen Gebet nieder. Ihnen war sofort klar, dass dies den Tod ihres
künftigen Statthalters bedeutete. Und Faramir schritt weiter, bis er den hohen
Fels erreichte, in dessen oberer Hälfte die Höhle lag, die ihnen als Versteck
und Lagerstatt diente.
Auch hier verneigten sich seine Getreuen in
Ehrfurcht vor Faramir und sprachen ihm ihr Mitgefühl aus.
Was sollte er tun? Sofort nach Minas Tirith reiten konnte er
nicht, das zerborstene Horn per Boten zu Denethor schicken wollte er nicht. Und
er entschloss sich, zunächst seiner Pflicht nachzukommen und bei nächster
Gelegenheit nach Hause zu reiten und seinem Vater von Boromirs Tod Kunde zu
geben. Es könnte noch einige Zeit ins Land gehen, bis dieser Tag kam, doch
Faramir kümmerte es nicht. Boromir war tot und nichts konnte ihn wieder lebendig
machen. Und Denethor würde noch etwas länger in dem Glauben bleiben können, dass
sein Erstgeborener siegreich heimkehrte.
Schleppend zog sich Faramir in seine
Nische der Höhle zurück. Sein Geist war nicht hier, nicht in dieser Höhle und
nicht in diesem bewaldeten Gebiet Gondors. Sein Geist weilte bei Boromir und in
den Kellergewölben des Palastes, in denen sie sich so oft heimlich trafen, wenn
sie allein miteinander sprechen wollten. Faramir ließ sich auf seine hölzerne
Schlafstatt sinken und schloss seine Augen. Sein Gesicht war schmerzverzerrt und
seine Lippen pressten sich fest zusammen. Die Gedanken an die schöne Zeit wurden
nun zu Höllenqualen, denn nie wieder würde Faramir mit seinen Bruder ihr
heimliches Versteck aufsuchen, nie wieder würden sie sich in die Arme fallen und
nie wieder würden sie von den verbotenen Früchten kosten...
Ein tiefer
Seufzer der Trauer zog durch die Höhle, der nicht ungehört verhallte. Schon war
ein Wächter zur Stelle, der nach seinem Herrn sah.
"Herr, was ist Euch?
Wie kann ich Euch helfen? Braucht Ihr irgendetwas?"
Faramirs Blicke
gingen ins Leere. "Helfen?... Mir?... Mir kann niemand helfen. Bitte lass mich
allein. Ich möchte bis zum Morgengrauen nicht mehr gestört werden." Sorgenvoll
musterte der Soldat seinen Herrn noch einige Augenblicke, doch er wusste, dass
er ihn nicht umstimmen konnte. Also wandte sich der besorgte Kamerad um und nahm
seinen Platz am Höhleneingang wieder ein.
Und Faramir? Er lag weiterhin
regungslos auf seinem Lage. Er hielt Zwiesprache mit seinem Bruder und wünschte
sich so sehnlich eine Antwort von ihm. Jedoch, es kam keine solche. Nur das
entfernte Rauschen des Blätterdaches und das eine oder andere Geräusch seiner
Mannen in und um der Höhle waren die einzigen Laute, die der erschöpfte Mann
vernehmen konnte.
Sein Herz war schwer und alle Gedanken an den Krieg
wurden verdrängt von den Erinnerungen an die Zeit in den Kellergewölben.
Sehnsüchtig dachte er an die Nacht, als die verborgenen Gefühle ihre Freiheit
erlangten.
Der Zweitgeborene war sich schon lange sicher, dass die
Empfindungen für seinen Bruder über das Erlaubte hinausgingen. Und da war
einerseits die Scham, die er dafür vor sich selbst hatte und andererseits die
Angst, sich seinem Bruder zu offenbaren. Doch das Verlangen wurde stärker und
stärker, je öfter er sich in seinen Träumen seinem großen Bruder hingab. Boromir
war der Mann, der alles in sich vereinte, was Faramir sich von einem Liebhaber
wünschte. Und sein Bruder war der einzige, der diesen Vorstellungen gerecht
wurde. Wie konnte er es seinem Bruder nur beibringen, ohne das Vertrauen zu
zerbrechen, welches die beiden verband?
Schritte hallten durch die
fackelerleuchteten Gänge. Faramir stand angespannt an dem üblichen Platz und
trat von einem Fuß auf den anderen. Auf der Stirn bildeten sich kleine
Schweißperle, welche er schnell fortwischte. Er musste sich so normal benehmen
wie immer, sonst würde Boromir merken, dass etwas nicht stimmte. Faramir hatte
große Angst, dass sein Bruder ihm anmerken könnte, was mit ihm war. Doch er war
innerlich zerrissen zwischen den beiden Möglichkeiten, den Mund zu halten oder
sich endlich zu offenbaren. Er würde auf den richtigen Moment warten. Ja, das
würde er tun.
Ein Schatten schmiegte sich um die Ecke und schon vernahm
Faramir die ihm so vertraute Stimme: "Hallo, kleiner Bruder, da bin ich." Es
folgte die gewohnte innige Umarmung. Doch diesmal löste sich Faramir nicht so
schnell aus dieser, sondern drückte sich fest an Boromir. Und nun geschah das
Unerwartete: Boromir ließ es geschehen und stellte keine Fragen. Wie sollte
Faramir das verstehen? Zu spät wurde ihm bewusst, dass seine Hand sich
selbstständig machte und langsam Boromirs Rücken hinauf und hinab streifte. Die
Antwort darauf ließ sein Herz zum Rasen bringen: die Hände seines Bruders
drückten sich fester an seinen Rücken. Und der Atem Boromirs wurde etwas
schwerer. Das Herz des Jüngeren wollte vor Glück zerspringen, so nah wie nie
zuvor war er seinem Traum. Dennoch, er musste achtgeben, dass er sich nicht zu
sehr in sein Wunschdenken verrannte. Er könnte es sich auch eingebildet haben,
dass der festere Druck auf seinem Rücken irgendetwas mit den unterdrückten
Gelüsten zu tun hatten. So wollte er zunächst abwarten, was Boromir als nächstes
tat.
Faramir genoss jeden Augenblick dieser
innigen Zweisamkeit, wusste er ja nicht, wie lange sie anhalten würde und ob sie
je ihre Fortsetzung fände. Und die Arme Boromirs schlangen sich fester um den
Körper des Bruders, dessen Finger sich umgehend den Weg zum Ende des Rückens
Boromirs vortasteten und schließlich fest gegen dessen Hinten drückten. Leises
Stöhnen entwich Faramirs Kehle. Und nun war es ihm gleich, dass es geschah. Er
hatte seine Ängste verdrängt und ließ seinen wahren Gefühlen den Vorrang, egal,
was passieren mochte.
Er setzte alles auf eine Karte, denn konnte er in
diesen Momenten sowieso keine klaren Gedanken mehr fassen. Er war gefesselt von
der Situation des Augenblicks und spürte, wie sich etwas gegen seine
angewachsene Männlichkeit presste. Sollte es wirklich das sein, was er
vermutete? Im Rausch der Sinne begannen Faramirs Lenden, sich leicht vor und
zurück zu bewegen. Und noch immer konnte er es nicht fassen, was sich gerade
zwischen ihnen abspielte. Plötzlich spürte er die warmen Lippen seines großen
Bruders an seinem Hals und ab diesem Zeitpunkt gab es für Faramir kein Halten
mehr. Er presste sein Gesicht gegen die Schultern Boromirs und knetete dessen
Hintern; zunächst mit etwas Zurückhaltung, doch wich diese schnell den
begehrlichen Griffen eines Mannes, der offen einforderte, wonach es ihm
gelüstete. Und im Gegenzuge seufzte Boromir auf und biss seinem Bruder leicht in
den Hals.
Nun war für beide klar, dass sie in dieser Nacht ihre Zukunft
für immer verändern würden. Sie würden nie mehr nur Brüder sein, sondern zwei
Männer, die entgegen der Gesetze ihr Leben teilen und sich verbotenen
Liebesspielen hingeben würden. Und sie ließen diesem Schicksal ohne Wenn und
Aber seinen Lauf.
Kein sterbens Wörtchen kam über ihre Lippen, beide
wussten, was der andere wollte. Behutsam ertasteten sie des anderen Körper.
Scham wich Neugier, Zweifel wich Lust, Zurückhaltung wich Forderung. Sie ließen
sich alle Zeit der Welt, als würde die Nacht ewig währen. Der letzte Funken
Hemmung fiel, als die Kerze erstarb, die einzige Lichtquelle, die das
feuchtkühle Gewölbe erhellte. Faramir machte sich keine Gedanken darum, ob die
Kerze heruntergebrannt war, durch einen Luftzug erlosch oder Boromir die Flamme
erstickte. Das einzige, was für ihn zählte, war das Wahrwerden seines
langgehegten Traumes, eines Traumes, an dessen Erfüllung er niemals wirklich zu
glauben wagte. Und nun lag er in den Armen seines Bruders, in den Armen des
einzigen Mannes, für den er jemals solche Gefühle hegte. Warme Schauer
durchzogen seinen Körper, und als seine Hände die bloße Haut Boromirs spürten,
war ihm, als würde er brennen. Sein Herz raste und an klare Sinne war nicht mehr
zu denken. Jedwede Zurückhaltung war fort, und die fordernden Griffe Boromirs
entlockten Faramir stöhnende Laute. Zunächst war er davon peinlich berührt,
jedoch als er auch von seinem Bruder solcherlei Laute vernahm, ließ er seiner
Lust freien Lauf. Hier unten würde sie niemand hören, nie kam jemand in diesen
Trakt des Kellers. So konnten sie sicher sein, dass sie die ganze Nacht
ungestört sein würden.
Die Männer schoben sich gegenseitig die Kleider
vom Leib und standen nun fest gegeneinander gedrückt da, die begehrenden
Massagen ihrer Hände genießend. Auch ihre Zungen konnten nicht voneinander
lassen.
Plötzlich hob Boromir seinen Bruder an und schob ihn auf einen
Mauervorsprung. Dieser war von der Höhe her wie für die beiden geschaffen.
Boromir zog vorsichtig Faramirs Beine auseinander und presste seine pralle
Männlichkeit gegen ihn. Irgendwann wurde Faramir gewahr, dass sein Glied in
Boromirs Hand pulsierte. Er wusste nicht, seit wann Boromir ihn so massierte,
denn sein Kopf war fast taub vor Verlangen und Glück.
Boromirs immer
hastiger werdendes Atmen kündete von dessen bevorstehender Explosion und allein
durch diesen Gedanken spürte er seinen Saft emporsteigen. Seine Finger krallten
sich in Boromirs Schultern und seine Beine umschlangen des Bruders Hüften.
Begierig drückte er den geliebten Bruder fest an sich, und so bemerkte er das
Beben Boromirs, als dessen Höhepunkt erreicht war.
In den folgenden
Momenten der Entspannung hielten sie sich weiterhin umarmt; ja, fast schien es,
als traute sich keiner von beiden, den Anfang zu machen und sich zu lösen, um
einander in die Augen zu schauen oder irgendetwas sagen zu müssen. Doch es
musste sein. Und Boromir war es, der den ersten Schritt tat. Er lockerte seine
Umarmung und blickte seinem Bruder ins Antlitz.
"Habe... habe ich Dir
wehgetan?" flüsterte Boromir.
Faramir musste lächeln. "Nein, das hast Du
nicht", gab er flüsternd zurück.
Schweigen folgte. Beide Männer suchten
nach Worten.
"Ich liebe Dich, kleiner Bruder."
Diese Worte
sollten Faramir von nun an nie wieder loslassen. Sie ließen ihn stark sein, ihn
leben. Es folgten noch viele Nächte dort unten in den Kellergewölben des
Palastes, in denen sie sich liebten, doch auch vergaßen sie darüber nicht,
weiterhin ihre Gespräche zu führen über allerlei Dinge, welche die beiden
bewegten.
Und nun... nun ist es vorbei. Vorbei die Hoffnung, sich bald
wieder mit Boromir in Minas Tirith den heimlichen und verbotenen Gelüsten
hinzugeben. Vorbei die Hoffnung, seinen Bruder jemals wiederzusehen. Vorbei.
Aus.
Faramir empfand nichts als Leere. Was
sein Leben einst reich machte, war nun fort. Doch es musste weitergehen. Jedoch
würde er kein zweites Mal für jemanden empfinden können, wie er es für seinen
Bruder tat. Und nun war es an Faramir, das Erbe seines Bruders anzutreten. Er
würde es schwer haben, vor den Augen seines Vaters bestehen zu können.
'Boromirs Tod wird ihn schwer treffen', dachte er. Und ihm war klar,
dass Denethor in jeder Minute Faramir mit Boromir verglich und - egal, was
Faramir tun würde - die Handlungen des Jüngeren mit der Art, wie der Ältere es
gelöst hätte, gegeneinander aufwiegen würde. Doch Faramir war entschlossen, es
durchzustehen. Für Boromir. Er würde seinem Vater zeigen, was wirklich in ihm
steckte und würde sich nie mehr von ihm erniedrigen lassen. Nun, da Boromir
nicht mehr lebte, blieb Denethor gar nichts anderes übrig, als Faramir endlich
sein Vertrauen zu schenken.
"Ich werde es Dir beweisen, Vater...",
flüsterte Faramir.
Dann ging ein Ruck durch seinen Körper. Er sprang von
seiner Lagerstatt auf und drückte sein Gesicht in die Wasserschüssel. Die Tränen
waren fort und Faramir fest entschlossen, seinen Bruder würdig zu vertreten.
Die Zeit ging ins Land. Inzwischen hielten sich zwei Halblinge bei ihnen
auf, von denen einer ein verwunschenes Schmuckstück trug. Verfolgt wurden sie
von einem merkwürdigen Wesen, das keinen klaren Satz zustande brachte und sich
von rohem Fisch ernährte. Nach kurzer Zeit, nachdem Faramir endlich davon
überzeugt war, dass von ihnen keine Gefahr für sein Land ausging, wurden die
Halblinge auf freien Fuß gesetzt. Sie wollte nach Mordor. So sehr sie für ihren
Mut bewundert wurden, genauso wurde ihnen der Verlust ihres Verstandes
zugeschrieben. Doch das sollte nicht die Sorge der Gondorianer sein. Sie folgten
nun dem Befehl Faramirs und machten sich auf nach Osgiliath, um dort die
Verteidigung zu stärken. Nachdem dieses Vorhaben mit einer Niederlage endete,
floh der Rest der Soldaten nach Minas Tirith.
Hier galt es für Faramir
nun, das erste Mal nach Boromirs Tod seinem Vater gegenüberzutreten. Faramir
schlich gedankenverloren durch die langen Flure. Da plötzlich hielt er inne, als
sein Blick auf einen kleinen Gang traf, der selten beachtet wurde, war dieser
Gang doch sehr schmal und endete nach ein paar Schritten im Nichts. Niemand
wusste, wozu dieser Flur einmal angelegt wurde, doch flackerte bei dem Gedanken
an dieses Stück steinernem Versteck eine weit entfernte Erinnerung auf.
Es war eine Begebenheit, die Faramirs Blut bei dem Gedanken daran noch
lange danach zum Kochen brachte. Boromir war fort, um eine Schlacht zu schlagen.
Aus dieser Schlacht ging seine Armee jedoch siegreich hervor. Diese Nachricht,
welche der Rückkehr der Soldaten durch einen Boten vorauseilte, war Balsam für
das Volk, dessen Geist in diesen schweren Zeiten durch solche Kunde stets erneut
gestärkt wurde.
Und endlich verkündeten die Hörner der Turmwachen die
Ankunft des siegreichen Heeres. Faramir verzehrte sich nach seinem Bruder und er
wollte ihm eine kleine Überraschung bereiten. So zog er sich also in diesen
stillen Winkel zurück und wartete ab, bis sein Bruder mit seinen hochgestellten
Soldaten diesen Flur auf dem Wege zu Denethor entlangkamen. Er spähte aus dem
Schatten heraus und vernahm endlich das gleichmäßige Klappern der Rüstungen,
begleitet durch die im Einklang befindlichen Schritte. Und als die Männer in das
Sichtfeld Faramirs traten, durchflutete ihn beim Anblick seines Bruders eine
flimmernde Hitze, welche die Erinnerungen an die Entbehrungen der körperlichen
Freuden der letzten Zeit verdrängte. Und glücklicherweise gehörte Boromir zu den
paar Mannen, welche ihre Rüstungen bereits abgelegt hatten. Das würde einiges
erleichtern...
Faramir trat einen Schritt weit aus seinem schattigen
Versteck, was den Männern natürlich nicht verborgen blieb. Die Offiziere nahmen
Haltung an und grüßten Faramir, und Boromir schickte sie sogleich weiter mit der
Botschaft an Denethor, dass er bald nachkommen würde. Währenddessen zog sich
Faramir wieder in den kleinen Gang zurück. Sein Bruder blickte den Soldaten kurz
nach, um kurz darauf in dem kleinen schattigen Gang zu seinem Bruder zu
verschwinden.
"Wie Du mir gefehlt hast, Bruder!", flüsterte Boromir,
während er Faramir innig umarmte. Dieser erwiderte nichts, denn es war nicht
nötig. Er presste seine angeschwollene Männlichkeit gegen Boromir und bekam
begieriges Keuchen zur Antwort.
"Ich habe nicht viel Zeit...", seufzte
Boromir, doch Faramir unterbrach ihn schwer atmend: "Drum lass uns nicht viel
Zeit verlieren, Bruder..." Er drückte auf Boromirs Schultern, was diesen
veranlasste, auf seine Knie zu fallen. Er wusste, was er zu tun hatte und
Faramir genoss es, was die Lippen und die Zunge seines Bruders mit ihm
anstellten. Seine Finger krallten sich im Haar Boromis fest, als er sich bald
darauf in dessen Mund ergoss.
Und nun stand Faramir wieder vor diesem
kleinen Gang, und hinzu kam die Gewissheit, dass sich so etwas niemals mehr
wiederholen könnte. Dennoch lag ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen. Denn er
erinnerte sich auch daran, dass sich Boromir in seinen Hosen ergossen hatte,
während er Faramir verwöhnte, und dass Boromir nicht wusste, ob er darüber
ärgerlich oder belustigt sein sollte. Er musste jedenfalls seine Hosen wechseln,
bevor er bei ihrem Vater vorstellig werden konnte. So blieb also nur noch Zeit
für eine weitere innige Umarmung und einen ebenso innigen Kuss, bevor er wieder
davon eilte.
Faramir strich sich über sein Gesicht, um die Schatten der
Vergangenheit zu verdrängen. Denn nun lag sein schwerster Gang vor ihm. Er
musste zu Denethor gehen, um ihm in dieser düsteren Zeit Beistand zu leisten.
Also holte er tief Luft und setzte seinen Weg fort.
Schwer hallten seine Schritte von den
hohen Wänden wider. Die Augen unbeirrt auf das zerbrochene Horn seines Bruders
gerichtet vergaß er alles um sich herum. In Gedanken spielte er durch, wie er
seinem Vater diesen stummen Zeugen von Boromirs Tod überreichen sollte. Doch er
fand keine Antwort. Er würde wahrscheinlich so oder so kein Wort herausbringen.
Zu sehr würde ihn die Trauer übermannen. Und er wusste, wie sehr es Denethor
treffen würde. Allein aus diesem Grunde wären Worte mehr als überflüssig, da der
Statthalter sie nicht wahrnähme.
So näherte sich Faramir der großen
doppelflügeligen Türe, hinter der ihn einige Augenblicke später ein vom Wahnsinn
übermannter und hysterisch schreiender Denethor erwartete, oder aber ein vor
Trauer zusammenbrechender Vater.
Faramir war am Ende seines schwersten
Weges. Sein Herz klopfte wie nie zuvor in seinem Leben. Die Türen schwangen auf
und zögernd setzte er einen Fuß vor den anderen. Er versuchte Haltung zu wahren
und blickte starr zum Throne des Vaters. Dieser saß in Papiere vertieft auf
demselben und hatte noch keine Kunde genommen von Faramirs Ankunft. Doch
irgendetwas ließ ihn schließlich aufblicken. Er sah auf seinen sich zögerlich
nähernden Sohn und rief: "Was tust Du hier? Dein Auftrag ist noch nicht
beendet!" Doch dann sprang er auf. Er musste das Horn erblickt haben.
"Was hast Du da?"
Faramir konnte seine Tränen nun nicht mehr
zurückhalten. "Vater", schluchzte er. "Es ist... Boromirs Horn..." Vor Denethor
blieb der junge Mann stehen und reichte Boromirs zerborstenes Eigentum dem
entsetzt dreinblickenden Vater.
"Das... nein... Faramir... Was... hat
das zu bedeuten?" Taumelnd suchte der plötzlich um Jahre gealterte Mann Halt.
"Willst Du damit sagen..."
"Ja, Vater", schluchzte Faramir. "Ich sah
Boromir... in einem Boot... Jemand hat ihn dort zur letzten Ruhe gebettet..."
Wortlos nahm der Vater die kunstvoll verzierten Hälften und sank auf den
großen hölzernen Stuhl.
"Lass mich allein, Faramir..." Die Worte klangen
leer und verzweifelt. Und Faramir tat, was von ihm verlangt wurde. Er wandte
sich um und ging. Und es war ihm recht, denn nun hatte er seine schwere Aufgabe
erfüllt und wollte nur noch allein sein. Allein mit seinen Gedanken an seinen
Bruder.
Faramir schlug den Weg zu seinem Gemach ein, ohne dass er sich dessen bewusst
war. Er betrat seine Kammer und ließ sich erschöpft auf seine Schlafstatt
fallen.
Langsam blickte er sich um, als wäre er zum ersten Male hier.
Doch es waren die Blicke der Erinnerungen. Vieles erinnerte ihn hier an seinen
Bruder. So auch die Kristallkugel, die ihm Boromir einst zum Geschenk machte.
Wie konnte er dieses Kleinod nur so sträflich vernachlässigen? Die Staubschicht
hatte den Glanz vertrieben und matt lukte es zwischen den Büchern, welche die
Kugel vor dem Umstürzen bewahrte, hervor.
Faramir erhob sich und zog den
gläsernen Ball hervor. Dass dies den Büchern den Halt nahm, interessierte ihn
nicht. Er vernahm das dumpfe Geräusch nicht, das die Bücher machten, als sie
sich im Kippen trafen. Sein einziges Interesse galt der Säuberung des Glases.
Und während er langsam mit seinen Fingern darüberstrich, flogen seine Gedanken
zurück zu jenem Tag, an welchem er dieses Geschenk von Boromir überreicht bekam.
Es war Herbst und das Wetter bot allen Grund, sich nicht unnötig nach
draußen zu begeben. So saß Faramir an seinem Tisch über einem Buch, als er
plötzlich das Rascheln von Stoff hinter sich wahrnahm. Er schnellte herum und
erblickte seinen Bruder, der breit lächelnd hereingeschlichen war.
"Boromir! Wo kommst Du denn her? Ich denke, Du kommst erst ein einigen
Tagen zurück?"
Freudig umarmten sich die Brüder.
"Nein, Bruder,
es ging schneller, als wir dachten. Die Orks hatten nicht mit unserer Taktik
gerechnet... aber davon möchte ich jetzt nicht sprechen. Ich möchte..." Von
einem Augenblick auf den anderen wurde das Antlitz des Hauptmannes ernst, jedoch
erkannte der Jüngere in den Augen seines Bruders um dessen Verlangen. Und seine
Finger wanderten langsam über die Wange Boromirs, der nun seine Augen schloss
und die leichte Berührung genoss.
"O Faramir, Du glaubst nicht, wie mir
das gefehlt hat", hauchte er. "Du hast mir so gefehlt..." Mit den letzten Worten
zog Faramir den Bruder fest an sich und küsste ihn auf den Hals.
Bald
darauf fanden sie sich mit wilden Küssen bedeckend auf dem Bett wieder und
taten, worauf sie so lange verzichten mussten. Schweres Keuchen durchzog den
Raum und sie nahmen sich alle Zeit der Welt.
Faramir schloss die Augen
bei dem Gedanken an diese Zusammenkunft, wie er sie vorher wie hinterher nicht
inniger erlebt hatte. Und während er die letzten Staubkörnchen von der Kugel
wischte, sah er im Geiste seinen Bruder vor sich, als er sie ihm überreichte.
Nachdem sie nun ihrer lange aufgestauten Lust aufeinander ausgiebig
freien Lauf gelassen hatten, erhob sich Boromir, während er erzählte: "Weißt Du,
ich traf auf dem Weg nach Minas Tirith eine alte Kräuterfrau. Sie rastete mit
ihrem kleinen Karren und wir boten ihr unser Geleit an. Doch ihr Weg war nicht
der unsrige und so schlug sie unser Angebot dankend aus. Ich weiß nicht, warum,
aber ich besah mir ihren Karren und mein Blick fiel auf einen Gegenstand. Die
Alte sah es und blickte mich merkwürdig an. Sie sagte: 'Hoher Herr, ich sehe,
Ihr hegt Interesse für diese Kugel. Wisset, sie trägt Magie in sich.' Und sie
erzählte von einem violetten Schimmer, welcher dieser Kugel innewohnt und
solange ich lebe, wird diese Farbe demjenigen, dem ich sie schenke, zeigen, was
er mir bedeutet. Und eben dieser violette Schimmer soll der Beweis dafür sein,
dass ich tiefe Zuneigung oder besser gesagt Liebe empfinde. Und diese Kugel
möchte ich Dir schenken, Faramir. Sie soll Dich immer daran erinnern, was ich
für Dich fühle, gerade in den Zeiten, wenn wir getrennt sind. Siehst Du den
satten violetten Schein, der sich den Weg aus dem Inneren der Kugel bahnt? Das
ist meine Liebe, Faramir..."
Und Boromirs Worte hallten nun in Faramirs
Kopf wider, als wären sie eben erst ausgesprochen worden. Er presste die Kugel
an seine Brust, um sie kurz darauf aus dem festen Griff seiner Hände zu
entlassen und sie sich nach längerer Zeit wieder genauer anzusehen.
Die
Farbe war fast erloschen. Vergebens suchte der junge Mann nun nach einem
Aufglimmen. Doch nichts. Nur ein kleiner Rest schien als Erinnerung davon künden
zu wollen, wie sehr Boromir ihn liebte. Doch andererseits gab es Faramir die
Hoffnung, dass nur die große Entfernung ihrer Seelen voneinander die Farbe nicht
zu ihrer vollen Blüte bringen konnte. Und ihm wurde klar, dass Boromirs Tod
nichts Endgültiges sein konnte. Seine Seele musste noch leben, wenn auch weit,
weit fort von hier, in einer anderen Welt.
Und Faramir stellte den
gläsernen Ball an eine lichte Stelle seines Gemaches, an der die Sonnenstrahlen
die matte Farbe erhellen ließen. Und sein Herz war von dieser Zeit an nicht mehr
allzu schwer, denn er wusste, er würde seinen geliebten Boromir eines Tages
wiedersehen.
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