|
Titel:
Schmerzliches Erwachen Autor: Boromirs Bride
Die halbleere Weinflasche steht wankend vor mir. Die schweren Regentropfen, die
mit aller Gewalt gegen das Fenster schlagen, dröhnen in meinem Kopf. Soeben
schlug eine leere Weinflasche auf dem Boden auf, die ich durch meine
gleichgültige Unachtsamkeit umgestoßen habe und dank meines momentanen langsamen
Reaktonsvermögens vom Tisch rollen ließ. Eine weitere leere Flasche steht noch
heil auf dem Tisch, doch bin ich versucht, sie zu nehmen und quer durch das
Arbeitszimmer zu schleudern. Aber auch das wird nicht helfen, meinen Schmerz zu
mildern, welchem ich mich seit gestern nachmittag hingebe.
Und nun ist
es Nacht und ich bin allein. Die erste Nacht seit langer Zeit, die ich wirklich
allein bin. Verlassen. Ungeliebt. Weggestoßen. Weggestoßen von dem Mann, den ich mit Haut und Haaren begehre, dessen ganzes Wesen sich in
mein Gedächtnis eingebrannt hat wie ein unauslöschliches Tattoo. Pausenlos sehe
ich seine Augen, die so leidenschaftliche Blicke schicken können, seine Haare,
durch die ich so oft meine Hände gleiten ließ, seinen Mund, den ich jetzt voller
Hingabe küssen möchte. Doch er ist nicht bei mir. Er ist fort.
Normalerweise würden wir um diese Zeit nebeneinander im Bett liegen und
schlafen und morgen früh nebeneinander aufwachen. Normalerweise würde er, der
Frühaufsteher, mich, den Langschläfer, mit frischem Kaffee in der Hand sanft
kraulend wecken. Doch ich werde morgen allein aufwachen, ohne den angenehmen
Kaffeeduft, ohne seine zärtlichen Berührungen, ohne das so vertraute Gesicht vor
mir, das ich beim Öffnen meiner verschlafenen Augen morgens stets als erstes
sah.
Ich werde allein sein. So allein wie jetzt. Nur ich und die leeren
Weinflaschen.
Ich kann nicht mehr klar denken, spüre, wie meine durch
Übermüdung brennenden Augen schwerer werden. So habe ich wenigstens und endlich
genug Wein intus, dass ich einschlafen kann. Einschlafen... Könnte ich doch für
immer schlafen... Nie mehr aufwachen... Den Schmerz vergessen...
Oh wie ich die Leute stets gehasst habe,
die sich im Selbstmitleid suhlen. Auch mich hasse ich dafür. Doch ich bin
nicht ich selbst. Und ich werde nie wieder ich selbst sein.
Meine Augen
werden immer schwerer. Ich kann sie nicht mehr auf...halten... Ich...
-------------------------
Leises Prasseln des Regens dringt an
mein Ohr. Meine Augen sind schwer. Mein Kopf schmerzt. Mein Rücken ist steif.
Wieso liege ich nicht im Bett neben Alan?
ALAN!
Blitzartig
öffnen sich meine Augen und mir wird schlagartig bewusst, dass mein Kopf auf
meinem Schreibtisch liegt. Und das Tageslicht schickt schmerzende Blitze über
meine Augen in meinen Kopf.
Der Wein... zu schwer... Ich war nie ein
großer Weintrinker, eben weil ich um seine Wirkung bei mir weiß. Doch gerade
darum habe ich gestern den Vorrat geplündert, der sich im Laufe der Zeit
angesammelt hat. Irgendjemanden gab es immer, der als Gastgeschenk eine Flasche
Wein anschleppte. Ich habe mich immer gefragt, warum sich diese paar Leute nicht
merken konnten, dass Wein nicht mein Ding ist. Doch nun war ich ihnen dankbar.
Denn ich hatte dank des Weines einen tiefen, traumlosen Schlaf. Das einzige
Manko ist der unausweichliche Kopfschmerz, der mich nun quält.
Doch auch
ein viel stärkerer Schmerz ist noch immer gegenwärtig. War ich gestern noch in
der irrigen Hoffnung, ihn ertränken zu können, muss ich mir nun
selbstverständlich eingestehen, dass ich die Flaschen umsonst leertrank.
Eine Aspirin! Wo habe ich sie nur? Habe ich überhaupt noch welche? Ich
weiß nicht mehr, wann ich zuletzt eine Tablette nehmen musste. Ich sollte im Bad
nachschauen.
Durch meine nun aufrechte Haltung dröhnt mein Kopf um
einiges schlimmer. Das Zimmer wankt wie ein Schiff im Sturm. Wenn ich die Tür
erreicht habe, werde ich kurz verschnaufen. Dieser Schmerz. Dieser verdammte
Wein! Dieser verdammte Alan!
>>Bitte sei mir nicht böse, Sean,
doch ich sehe keine Möglichkeit mehr, unsere Beziehung so weiterzuführen, dass
wir beide uns gleichermaßen wohlfühlen.<<
Dieser Satz klingt noch
in meinem Ohr, als ob Alan gerade eben zu mir sprechen würde. Davon abgesehen
hätte es auch ein Satz aus einem Geschäftsbrief sein können. Diese gestelzten
Worte... so... kalt und... ohne Gefühl... >>...keine Möglichkeit... beide
uns gleichermaßen wohlfühlen.<< Er kann sich sein Wohlfühlen sonstwo
hinstecken.
Ich bemerke den dicken Kloß, der sich wiederholt in meinem
Hals festgesetzt hat. Und den krampfartigen Schmerz in meinem Bauch. Warum tut
er mir das an? Wieso kommt er so plötzlich damit? Wieso hat er nie was gesagt?
Wieso trat er überhaupt in mein Leben? Ich wünschte, wir wären uns nie begegnet,
dann ginge es mir jetzt nicht so dreckig! Er ist schuld, dass mir so dermaßen
schlecht ist, dass ich kotzen könnte.
Das Bad... gleich hab ich es
geschafft. - Nun nur noch das Glas mit den Aspirin finden... Ah, dort steht
es... dort... neben der leeren Fläche, wo Alans Zahnputzbecher stand... Auch
diesen dämlichen Becher hat er mitgenommen... Warum hat er mir nicht auch mein
Herz herausgerissen und in den Müll geschmissen? Das hätte nun auch nichts
verschlimmern können!
Was? Die Tabletten sind abgelaufen... seit drei
Monaten... Egal, entweder sie wirken oder nicht. Andere Tabletten hab ich nicht.
Also, runter mit den Dingern. Zwei dürften wohl erstmal genügen.
Ich
sollte mich ins Bett... nein... Ich lege mich aufs Sofa. Ich kann mich jetzt
nicht ins Bett legen... Ich würde in Gedanken nur diesen verdammten Bastard
neben mir liegen sehen. Schlafend. Leise atmend. Mit leicht zerwühlten Haaren.
Den Mund leicht geöffnet. Und dann hätte ich das schreckliche Verlangen, mich
über ihn her zu machen, wie ich es ab und zu tat. Mitten in der Nacht. Und ich
habe ihn ganz langsam geweckt. Zuerst streichelte ich seinen Bauch und schob
meine Hand sachte nach unten. Wie praktisch, dass er stets nackt schlief. So
blieb mir das umständliche, vorsichtige Herumziehen an einem störenden Slip
erspart. Und noch während er schlief, wuchs sein Glied in meiner Hand. Und ich
massierte es vorsichtig. Wenn Alan begann, sich langsam zu bewegen, küsste ich
ihn auf den Mund und spätestens dann schlang er seine Arme um mich und wir
hatten leidenschaftlichen Sex.
Ich muss mir wohl mehrere Kissen in den
Nacken legen. Flach liegen ist momentan nicht klug. Mir ist schlecht. Auch bei
dem Gedanken daran, dass nun vielleicht ein anderer Mann an meiner Stelle neben
ihm aufwacht. Dem er den morgentlichen Kaffee serviert und den er zärtlich weckt.
Klasse! Nicht genug, dass mir kotzübel ist, mein Bauch und mein Kopf höllisch
schmerzen, nein, jetzt drängt sich auch noch diese widerliche Eifersucht auf.
Oh, wie ich diesen Mann hasse! Er hat es geschafft, mir Schmerzen
zuzufügen, wie ich sie noch nie zuvor erleben musste. Ich hasse ihn dafür! Ich
hasse ihn!.... Ich liebe ihn... Alan, warum hast Du das getan? Was lief denn so
falsch?
Du hast mich zutiefst enttäuscht, dass Du Dich mit solchen
Floskeln aus unserer Beziehung verabschiedet hast. Ich war immer ehrlich und
hätte Dich niemals so behandelt! ICH hätte Dich NICHT so abgefertigt! ICH hätte
Dir gesagt, was Sache ist! ICH hätte Dich nicht im Unklaren gelassen und schon
gar nicht von eben auf jetzt und schon gar nicht Dich allein gelassen mit Deinen
Gefühlen und Gedanken!
Das Telefon! Ich werde ihn anrufen und ihm genau
diese Dinge sagen! Er soll wissen, wie dreckig es mir geht! Er soll wissen, was
er mir angetan hat! Er soll wissen, dass ich ihn hasse!
Meine Hand ist
seltsam verkrampft und eiskalt. Ich glaube, ich werde den Telefonhörer gleich
zerquetschen. Mein Herz klopft in einem Tempo... Mein Arzt würde
mich einweisen lassen.
Da ist diese Übelkeit wieder... Und die
Bauchkrämpfe werden stärker... Aber meine Kopfschmerzen haben inzwischen
nachgelassen. So. Komm, Sean. Nur diese paar Zahlen wählen. Na los! TRAU DICH!
Du bist ein Mann, Sean, kein pubertierender Junge!!! Es ist nur Alan! Alan!!!
Der Mann, dem Du Dein Leben blind anvertrauen würdest! Der Mann, dem Du gleich
bei der der ersten Begegnung verfallen warst! War es anfangs auch nur sexuell,
so wurde doch Liebe daraus. Wäre es doch nur auf sexueller Basis
geblieben! Ab und zu ein Treffen, und das hätte es jedesmal genau so in sich
gehabt, und ansonsten keine seelische Hingabe, keine Liebe, keine Angst, ihn
vielleicht irgendwann wieder zu verlieren... Doch Alan ist perfekt für mich! Er
ist einfach perfekt. Als wir uns das erste Mal trafen, damals vor drei Jahren,
fuhr der Blitz in mich. Es war auf irgendeiner Party. Klar, wo sonst kann jemand
wie er oder ich, die von Drehtermin zu Theaterprobe hetzen, jemanden
kennenlernen, außer eben auf Proben oder Drehs. Wir hatten nicht viel Worte
miteinander gewechselt. Und auch sonst hatte keiner von uns das Gefühl, dass der
andere eventuell Interesse hatte. Aber als ich dann später in meinem Bett lag,
stellte ich mir vor, wie es mit ihm im Bett wäre. Und ich malte mir aus, wie er
über mich herfällt und mich wild küsst und seine Hände mich überall fest
anfassen. Oh, was hatte ich damals für einen Ständer! Und als ich mir
Erleichterung verschaffte, stellte ich mir vor, Alan wäre es, der es mir machte.
Komisch... ich hätte nicht gedacht, dass sich mein "kleiner Freund"
jetzt noch regen kann... obwohl ich am ganzen Körper verkrampft bin... Aber
naja, er hat nunmal sein Eigenleben und wenn ich mir jetzt meine Gedanken von
damals zurück hole, ist es nur verständlich. Aber es mir zu machen
ist das letzte, wonach mir jetzt ist.
Stattdessen sollte ich endlich seine Nummer wählen. Aber
meine Hand zittert und meine Zähne beginnen zu klappern. Ich bin aufgeregt wie
eine Jungfrau in ihrer Hochzeitsnacht. Oh Gott, mir ist, als wäre die
Zimmertemperatur unter dem Gefrierpunkt.
SEAN! VERDAMMT! Reiß Dich
zusammen!
Wähle endlich diese verdammte Nummer!
Ich reiße mich
zusammen und wähle.
Es klingelt.
Was tu´ ich eigentlich? Ich
sollte wieder auflegen! Sofort!
>>Hallo?<<
Er ist
es... Alan... ALAN... Ich liebe Dich, Alan! Komm zu mir zurück! Bitte!
Sag es ihm endlich, Sean! Sag es ihm! Sag irgendwas! Sag endlich was!
>>Hallo?<<
Ich höre, wie er tief einatmet. Oh, wie
vertraut mir dieses Geräusch ist. Dieses tiefe, zufriedene Atmen vernahm ich
jedesmal nach dem Sex. Und je wilder wir waren, desto öfter und tiefer atmete er
hinterher durch. Und er hat viel tief und oft geatmet.
>>Sean?
Bist Du´s? ------ Sean! ------ Bitte, Sean, lass es doch sein. Bitte... Lass es
auf sich beruhen... Ich... kann nicht, Sean...<<
Klick
Nein, Alan, nicht! Ich will Dir doch alles sagen, was Du hören willst!
Ich... Ich...
Ich schaue auf den Hörer. Ich hatte meinen Mund die ganze
Zeit bereit zum Sprechen geöffnet... Doch ich bekam kein einziges Wort heraus.
Ich, ein gestandener Mann in den besten Jahren, gefeiert auf der Bühne,
Dauer-Sterbender in diversen Filmen, Liebhaber schöner Frauen in diversen
Filmen, seit "Boromir" von massenhaft viel Frauen angehimmelt und die Vorlage
zahlloser erotischen Geschichten, ich, dieser Mann, benehme mich hier wie ein
Vierzehnjähriger! Was mache ich hier?
Ich brauche eine kalte Dusche. Ja,
ich werde kalt duschen. Und dann werde ich mich anziehen, mich in meinen Wagen
schwingen... und hoffen, dass mich keine Polizeistreife anhält... und dann werde
ich zu Alans Haus fahren und mit ihm reden. Von Mann zu Mann. Und ich werde
keine Ruhe geben, bis er mir endlich sagt, was ihn zu seiner Entscheidung
veranlasst hat. Ich will nur verstehen. Und ich werde ihm erhobenen Hauptes
gegenübertreten. Ich werde seine Entscheidung akzeptieren, die er dann treffen
wird. Egal, wie sie aussieht. Doch ich werde es nicht kampflos enden lassen. Ich
werde um ihn kämpfen. Um meine große Liebe. Um Alan. Meinen Alan.
---Ende von Seans Sicht---
-------------------------
Parallel zu Seans Gedanken:
Es ist ein merkwürdiges Gefühl.
Plötzlich bin ich wieder ein "freier Mann", wie man so sagt. Und eigentlich
sollte ich mich jetzt gut fühlen. Aber das will nicht so recht klappen.
Wie es ihm wohl geht? Ob er schläft? Sicher wird er schlafen um diese
Zeit. Ich hoffe es. - Ich fühle mich so schuldig, dass ich ihm so wehgetan habe.
Aber es musste sein.
Zum Teufel, ich sollte das Fenster endlich neu
abdichten lassen. Der Regen ruiniert noch den ganzen Rahmen! Mistwetter! Es gibt
nichts trüberes als nächtlichen Regen. Aber das ist dann wohl der passende
Hintergrund zu den hinter mir liegenden Stunden.
Mir ist bisher gar nicht
bewusst gewesen, wie laut Regen sein kann. Aber sonst hatte ich meine
Aufmerksamkeit wichtigeren Dingen gewidmet. An solchen Abenden und Nächten wie
diesen hatten wir uns immer im Bett verschanzt und geredet und uns geliebt. -
Naja, mehr geliebt als geredet. Und irgendwie fühl´ ich schon eine ziemliche
Leere. Das Bett kommt mir plötzlich so riesig vor, während Sean oft meinte, es
sei zu klein für uns. Und ja, er hatte recht. So, wie wir uns voller Begierde so
manches Mal über das Bett geschoben haben...
Der Sex mit Sean war
wirklich großartig. Das kann und werde ich nicht leugnen. Oh nein. Wenn ich so
dran denke, fährt mir auch jetzt wieder die Hitze durch den Körper. Allein der
Gedanke daran, wie er mich ab und zu des Nachts geweckt hatte... Oh Mann! Wenn
man aus dem Tiefschlaf erwacht mit dem Gefühl, gleich abspritzen zu müssen, das
hat schon was. Man liegt einfach da und genießt diese Wahnsinnslust, die
fordernden Berührungen, die festen Griffe. Sean hatte es verstanden, mich
schnell in Fahrt zu bringen. Und er genoss es, wenn er mich soweit hatte, dass
ich mir dann nahm, was ich wollte. - Was ER wollte. - Dieser Sex wird mir
fehlen. Ich glaube nicht, dass ich so etwas bei einem anderen Mann finde, solch
einen intensiven Sex mit einem anderen Mann erleben werde.
Du meine
Güte, ich platze gleich! Ganz ruhig, Alan, tief durchatmen! - Zum Teufel, ich
bin doch selbst Schuld, dass ich jetzt allein hier liege. Aber ich bin jetzt so
heiß, dass ich es mir selbst machen muss.
Wenn Sean wüssste, dass ich
jetzt hier im Bett liege und mich befriedige, während ich an den Sex mit ihm
denke, er würde mir ins Gesicht spucken. Aber das ist mir im Augenblick egal.
Die Gedanken an unseren gemeinsamen Sex werden mich wohl noch öfter dazu
hinreissen. Ich brauche nur meine Augen zu schließen und schon seh´ ich ihn vor
mir, stelle mir vor, wie er mich dabei beobachtet und selbst immer heißer wird.
- - - Sean... ich... komme... - - - Ich hasse mich dafür, dass ich ihm das jetzt
angetan habe. Wenn er das wüsste, würde er mich umbringen. Ich würde
es an seiner Stelle.
-------------------------
Im
Halbschlaf dreh ich mich auf die Seite und mein Arm landet auf dem Bettlaken
statt auf seinem warmen Körper. Ich öffne meine Augen und mir fällt ein,
das er ja gar nicht bei mir sein kann. Ich selbst hatte ja dafür gesorgt, wenn
auch schweren Herzens. Aber es ging nicht mehr. Und nur des Sex´ wegen bei ihm
bleiben wäre Betrug an uns beiden gewesen.
Ich muss mir wohl
eingestehen, dass ich gerade so etwas wie eine Krise habe. Aber mir würde es
besser gehen, wenn ich es genauer definieren könnte.
Für Sean war es ein
Schlag ins Gesicht, als ich unsere Beziehung beendete. Verständlich. Und er hat
eine richtige Begründung mehr als verdient. So aber konnte ich ihm zu meinem
Leidwesen nur die Tatsache eröffnen, dass ich unsere Beziehung nicht mehr
weiterführen kann. Noch dazu habe ich mich sehr nüchtern ausgedrückt. Ich hoffe,
dass es ihm gut geht. - Ob ich ihn anrufen sollte? - Nein, ich denke, das wäre
falsch. Ich würde ihn damit nur quälen, da ich womöglich nur Hoffnungen in ihm
wachrufen könnte. Aber das kann ich nicht. Das will ich nicht.
Ich bin
so viel Älter als er, und ich verstehe nicht, wie er mich so lieben kann. Ein
paar Jahre mehr Differenz und ich könnte als sein Vater durchgehen. Fast drei
Jahre waren wir zusammen. Eine sehr lange Zeit, wie ich es jetzt sehe. Wie
konnte ich diese drei Jahre nur durchhalten mit dem steten Gedanken daran, dass
der Altersunterschied uns irgendwann auseinanderbringen könnte. Was, wenn Sean
jemand anderen kennengelernt hätte, der besser zu ihm passte? Was, wenn er mir
dann das Schlusswort vorgesetzt hätte? Ich hätte das Gefühl, dass man mitleidig
über mich lächeln würde und die Leute hinter meinem Rücken reden. >>Wie
bedauerlich, nun hat der alte Mann seinen viel jüngeren Liebhaber an einen
anderen Jüngeren verloren.<< Nein, so etwas will ich niemals erleben.
Lieber bleibe ich allein, als dass ich sowas durchmachen müsste.
Aber Sean glaubte wahrscheinlich
wirklich, dass er mich liebte. Ich jedenfalls liebte ihn. Liebe ihn noch. Aber
ich... ich kann nicht anders. Ich bin jetzt in dem Alter, wo andere Männer mit
ihren Enkeln auf den Spielplatz gehen. Und Sean ist in dem Alter, wo er selber
noch fast mit seinen Kindern auf den Spielplatz gehen kann. Nein, ich kann es
nicht soweit kommen lassen, dass ich ihn irgendwann vielleicht nur noch anekele.
Nackte alte Männer sind nicht für jeden ein erbaulicher Anblick. Das kann ich
ihm und mir nicht zumuten. Ihm nicht, weil ich nicht möchte, dass er irgendwann
nur noch seine "Pflicht" tut, und mir nicht, weil ich nicht will, dass er
irgendwann nur noch seine "Pflicht" tut.
Sean, wenn du wüsstest, wie
sehr ich Dich liebe.
Ich hasse mich. Ich hasse mein Alter. Ich hasse es,
dass ich nicht ein paar Jahre jünger bin. Ich hasse es, dass ich Dir so wehgetan
habe. Irgendwann werde ich es ihm wohl mal erklären. Wenn ich sicher bin, dass
meine Beweggründe wirklich das Problem darstellen.
Ich
weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich mich leer fühle. Vielleicht sehe ich nur
Gespenster, aber ich will es nicht darauf ankommen lassen.
Das Telefon
klingelt. Sean? Ich kann es nur herausfinden, wenn ich den Hörer abnehme. Was
ist, wenn er es ist? Was soll ich sagen? Egal. Das wird sich zeigen. Schnell ins
Wohnzimmer.
>>Hallo?<<
Keine Antwort. Ich höre nur
leises Atmen. Ich spüre, wie mein Herz klopft. Aber ich darf jetzt nicht weich
werden. Ich muss da jetzt durch.
>>Hallo?<<
Ja, es
MUSS Sean sein. Wer sonst würde hier anrufen, um mich anzuschweigen? Ich atme
tief durch, um all meine Kraft zu sammeln. Mein Herz schlägt immer schneller.
Ich muss es jetzt durchziehen.
>>Sean? Bist Du´s? ------ Sean!
------ Bitte, Sean, lass es doch sein. Bitte... Lass es auf sich beruhen...
Ich... kann nicht, Sean...<<
Wie ferngesteuert lege ich den Hörer
auf.
Was habe ich getan? Was mag in Sean vorgehen, wenn er es nicht
einmal wagt, sich mir zu erkennen zu geben?
Oh Sean, was habe ich Dir
angetan? Was habe ich UNS angetan?
Ich spüre die Unruhe in mir. Ich gehe
schnellen Schrittes hin und her.
Was ist nur mit mir los? Der
Altersunterschied war doch auch vor drei Jahren derselbe! Was für Schrullen sind
mir da bloß in den Sinn gekommen? Welcher Teufel steckt in mir, dass ich mir
solche Gedanken mache? Und dann so plötzlich? Was ist mit mir los???
Ganz ruhig, Alan. Ganz ruhig. Bist Du es nicht, der immer sagte, dass
"Alter" heutzutage viel später beginnt als früher, wenn Du von irgendwelchen
Journalisten gefragt wurdest, ob oder wann man sich aufs "Altenteil"
zurückziehen will? Bist Du es nicht, der sich dank Sean um Jahre jünger gefühlt
hat? Das Alter in Zahlen steht doch nur auf einem Stück Papier! Und was bedeutet
das schon?! Nichts! Ich habe noch immer meine volle Manneskraft - ja - noch...
Ach papperlapapp. Es haben schon ganz andere Männer im wirklich hohen
Alter noch Kinder gezeugt. Warum sollte es bei mir anders sein? Ich habe bei
Sean immer meinen Mann gestanden. Manchmal sogar, wenn er schon nicht mehr
konnte. Bei dem Gedanken daran muss ich nun grinsen. Ja, es ist schon toll, wenn
man als ein so viel älterer Mann über scheinbar mehr Ausdauer verfügt als sein
viel jüngerer Partner.
Ich denke da an die Sache, als er mich eines
Abends unerwartet auf dem Set besuchte. Eigentlich hatte ich ihn auf der Bühne
vermutet, doch die Aufführung fiel an dem Abend und auch für die nächsten fünf
folgenden Abende aus, weil die Grippe einige der Darsteller niedergerissen
hatte. Es war Herbst und das Wetter entsprechend nass. Ich saß in meinem
Wohnwagen, als plötzlich die Tür aufging und Sean eintrat. Ich brütete gerade
über meinem Text und hatte die wichtigsten Passagen für den Dreh am nächsten Tag
gerade noch einmal überflogen. Ich traute meinen Augen nicht, als er vor mir
stand. Ich brachte vor Staunen und Freude kein Wort heraus.
Während er die Tür schloss, sagte er:
>>Entschuldigt die Störung, mein Herr, doch ich hörte, Ihr sucht einen
Lustknaben für die Nacht?"<<
Kurz darauf fand ich mich in engster
Umarmung wieder und konnte nur noch an Seans harten Schwanz denken, der sich
fest gegen meinen Körper presste. Der Wohnwagen hatte Überbreite, wodurch ich in
den Vorzug gekommen war, dort auch ein großes Bett mein Eigen nennen zu können.
Und wir nutzten jeden Zentimeter dieses Bettes aus. In wenigen Augenblicken
hatten wir uns die Kleider vom Leib gerissen. Und mir wurde sofort klar, wie
sehr ich Sean stets vermisste, wenn wir getrennt waren. Und je länger wir uns
nicht sehen konnten, desto heftiger wuchs unsere Lust aufeinander. Und bis zu
dem Abend hatten wir uns zwei Wochen nicht gesehen. Seine Hände waren überall
gleichzeitig auf meinem Körper und auch ich gab mich meiner Gier komplett hin.
Wir wälzten uns hin und her, küssten uns überall und knabberten uns über
sämtliche Körperregionen. Die intensivste Aufmerksamkeit richtete sich natürlich
auf den steifen Schaft des anderen. Wir massierten sie - mal gegenseitig, mal
jeder seinen eigenen - und ließen unsere Lust ansteigen, bis es wirklich nicht
mehr ging. Schließlich bereitete ich Seans Öffnung schnell - sehr schnell - mit
einer Übermenge an Öl vor, von dem er eine Flasche mitgebracht hatte, deren Größe einer
"Familienpackung" gleich kam, und drang sanft, aber fordernd in ihn ein. Er
selbst massierte seinen Schaft im Takt meiner Stöße. Wie gern hab ich ihm dabei
zugesehen, wie sehr hat es mich angemacht... macht es mich an... wenn ich daran
denke...
Es geht nicht. Ich kann mich einfach nicht beherrschen. Ich
werde noch wahnsinnig! Wie gern würde ich Sean jetzt mit meinem Schwanz
verwöhnen, so wie damals am besagten Abend im Wohnwagen. Doch ich muss mir
selbst helfen. Wie gestern Nacht. Ich lehne an der Wand und stelle mir vor, dass
Sean sich heimlich in die Wohnung geschlichen hat und mich beobachtet, ohne dass
ich es bemerke. Und er wird sofort so heiß, dass auch er nach seinem Schwanz
greift und ihn massiert.
Der Gedanke daran macht mich noch irre. Ich
will ihn!
- - -
Die kalte Dusche tat mir gut. Der Vormittag ist
schon recht fortgeschritten und ich sollte endlich etwas essen. Aber ich habe
keinen Hunger. Obwohl mein Magen knurrt. Doch das ist mir egal. Ich kann nichts
essen. Ich fühle mich schlecht. Was habe ich nur getan? Ich sollte wohl einen
Psychiater aufsuchen.
Einen Psychiater?
Nein, kein Psychiater
kann mir hierbei helfen. Ich bin ein Idiot! Der einzige, der das kann, ist Sean.
Und ich hoffe, er lässt mit sich reden. Das beste wird sein, ich fahre zu ihm.
Jetzt gleich. Ich muss mit ihm reden. Das bin ich ihm schuldig.
Und ich
hoffe, dass es noch nicht zu spät ist und er mir zuhört. Ich kann nicht mehr
tun, als es versuchen. Wenn er mich abweist, muss ich es mir selbst zuschreiben.
Aber das wird die nächste Stunde zeigen...
--- Ende von Alans Sicht ---
-------------------------
Soll ich läuten oder aufschließen und
einfach hineingehen? Wenn ich läute, laufe ich Gefahr, dass er mir die Tür vor
der Nase zuschlägt und sie zusätzlich verriegelt. Schließe ich die Tür
selbst auf und platze einfach hinein, kann ich mir so das letzte Fünkchen
Hoffnung verbauen.
Was also soll ich tun? - Gott, wieso habe ich nicht
vorher darüber nachgedacht? Stattdessen stehe ich hier versteckt wie ein Dieb im
Gebüsch und kann mich nicht entschließen.
Sean, Du wirst jetzt diesen
verdammten Schlüssel nehmen, die verflixte Tür aufsperren, hineingehen und Alan
zur Rede stellen! - Zur Rede stellen... Was soll ich ihm bloß sagen? Soll ich
ihm etwa sagen, dass ich vor Sehnsucht nach ihm vergehe, dass ich mich gestern
bis in die Nacht hinein betrunken habe und mich verhielt wie ein Teenager? Nein.
Nein! Diese Blöße werde ich mir nicht geben. Er darf nicht das Gefühl bekommen,
aus Mitleid zu mir zurückkehren zu sollen. Ich will nur wissen, warum er mich
von sich gestoßen hat. Zumindest werde ich ihn nur hierauf ansprechen. Er soll
mir ins Gesicht sagen, dass er mich nicht mehr liebt. Er soll mir ins Gesicht
sagen, dass er mich nicht mehr sehen will. Und er soll mir sagen, seit wann er
das alles bereits weiß und weshalb er in dieser Zeit mit mir gespielt hat. Denn
etwas anderes als ein Spiel war es dann nicht. Er hat mich hingehalten. Und er
wird mir erklären, warum er es tat.
Ich darf jetzt keinen Rückzieher
machen. Ich muss es durchziehen, darf keine Schwäche zeigen.
Na los,
Sean, rein mit Dir!
- - -
Leise... leise... Nur kein unnötiges
Geräusch machen. So, nun ist die Tür offen und ich öffne sie zunächst nur einen
Spalt breit. Ich lausche besser erst einmal hinein, ob ich ihn hören kann. -
Nein, es ist still. Ober er noch schläft? Ob er auch eine lange Nacht hatte? Ob
er vielleicht sogar genauso sehr an seinem Entschluss zu knabbern hatte wie ich?
Das Beste wird sein, ich schleiche gleich zum Schlafzimmer... Oh Gott, das
Schlafzimmer. Der Schmerz kehrt zurück. Was wird sein, wenn ich ihn schlafend im
Bett vorfinde? Werde ich meine Beherrschung verlieren? Nein, das darf ich nicht.
Ich werde ihm erhobenen Hauptes gegenübertreten und notfalls durch einen lauten
Ruf aus seinen Träumen reißen. - Träume... Auch ich hatte Träume... Ich träumte
von unserer gemeinsamen Zukunft. Doch diese Träume hat er zerstört.
Dort
ist die Tür. Vorsichtig, Sean, leise. - Er ist nicht hier.
>>Alan!?<< rufe ich laut, während ich mich umschaue und
konzentriert auf eventuelle Geräusche achte. Vielleicht ist er ja im angrenzenden Bad. Doch ich höre nichts. Sicherheitshalber schaue ich
mal hinein... nein, leer.
Ich gehe zurück auf den Flur und rufe ihn noch
einmal: >>Alan!?!<<
Nichts. Er ist nicht zu Hause. Wenn er
es wäre, hätte er sich gemeldet, denn er ist kein Feigling. Er würde sich nie
verstecken.
Wo mag er bloß sein? Es ist doch noch nicht einmal
Mittagszeit. Er sagte mir doch kürzlich, dass er die nächsten zwei Monate frei
habe. Und seine Einkäufe hat er erst vor drei Tagen getätigt.
Oh nein...
Ist er etwa... Hat er... Ein großer Schreck durchfährt meine Glieder. Sollte
er... Nein... Nein! Das kann nicht sein... DARF nicht sein! - Ein anderer, ein
neuer Mann in seinem Leben?! Oh Gott, nein! Bitte, lass es nicht einen anderen
Mann für ihn geben! - - - Doch das wäre eine Erklärung für das plötzliche Ende
unserer Beziehung.
Der Boden wankt unter meinen Füßen. Die Übelkeit kehrt
zurück. Nein, Alan, bitte tu mir das nicht an! Wenn ich daran denke, wie er mit
einem anderen... Alan, ich bitte Dich! Nicht das!
Plötzlich kommt mir
ein anderer Gedanke. Was, wenn ich ihn mit seinem neuen
Liebhaber im Schlafzimmer angetroffen hätte? - Was hätte ich mir damit nur
angetan? - Und was hätte ich IHM angetan... Ich wäre ausgeflippt, soviel ist
klar. Oh Gott, was habe ich mir nur dabei gedacht, hier einfach einzudringen...
Als ob es mir nicht schlecht genug geht.
Das Bett... Dieses wunderschöne große
Bett. Ich möchte einen letzten Blick darauf werfen, gehe zurück ins
Schlafzimmer.
Es ist noch zerwühlt von Alan. Aber nicht so sehr, als
hätten er und ich... als hätte er mit einem anderen Mann dort die Nacht
verbracht. Also war er wohl hier letzte Nacht. Und allein. Das erleichtert mich
ungemein. Dennoch kann er nun auf dem Weg zu seinem Liebhaber sein. Und sich
dort mit ihm vergnügen. Womöglich will er es mit ihm nicht in diesem Bett
treiben, das er für uns gekauft hatte.
Der Gedanke macht mich rasend!
Wie groß dieses Bett ist. Ich hatte es
viel kleiner in Erinnerung. Zu klein für uns. - Nur einmal noch auf das Bett
legen - nur einmal noch Alans Geruch in mich aufsaugen. - Wie vertraut und
zugleich fremd es hier auf einmal ist. Es ist, als ob ich es zum ersten mal
sehe, und dennoch diese Vertrautheit spüre. Es ist ein merkwürdiges, ein
schmerzendes Gefühl. Ich strecke meinen Arm aus zu Alans Seite des Bettes, doch
er ist nicht da. Mein Arm fährt durch die Luft und landet auf dem kalten
Bettlaken. Oh Alan, wieviele leidenschaftliche Nächte haben wir hier verbracht.
Ich kann es nicht mehr zählen. Ich weiß nur, dass ich glücklicher war als je
zuvor. Die Kopfkissen riechen so intensiv nach Alan. Das war mir vorher nie
aufgefallen. Doch man muss wohl erst seinen geliebten Partner verlieren, dass
man solche Gerüche richtig wahrnehmen kann.
Ich schließe meine Augen und
lege mich auf die Seite, bis ich mit dem Gesicht halb im Kissen versinke. Ich
atme so tief ein, denn dieser Geruch soll sich für immer in meinem Gedächtnis
festsetzen. Ich werde nie wieder eine Gelegenheit dazu bekommen.
Es tut
so wahnsinnig weh. Während ich hier in seine Wohnung eingedrungen bin, vergnügt
er sich womöglich gerade mit seinem neuen Lover. Und es tut so weh. Weiß er,
dass ich an ihn denke? Sicher wird er es wissen. Aber weiß er, wie sehr ich ihn
wirklich liebe? Habe ich es ihm genug gezeigt? Es ihm hinreichend gesagt? Ich
habe es ihm oft gesagt und er hat es mir oft gesagt. Und wenn wir Sex hatten,
spürten wir, wie sehr wir uns liebten. Das alles ist jetzt vorbei. Aus. Schluss.
Geschichte. - Nie wieder in Alans Armen liegen... Nie wieder Alan des Nachts aus
dem Schlafe holen... Nie wieder Alans Duft riechen... Dieser Duft, der mich nun
um den Verstand bringt.
Ich schließe meine Augen und stelle mir vor, er
würde jetzt neben mir liegen und schlafen. Es ist Nacht. Und ich schlängele mich
unter der Bettdecke an seinem Körper hinab. Langsam nehme ich sein Glied in den
Mund und beginne sanft daran zu saugen. Schnell ist es zu voller Größe
angewachsen und ich sauge stärker. Dann merke ich irgendwann durch die
Bewegungen seiner Lenden, dass er wach ist. Und ich sauge stärker und knete mit
meinen Fingerspitzen sanft seine Hoden.
Nein, ich darf nicht daran
denken. Ich muss aufstehen. Muss mich an den Gedanken gewöhnen, dass ich künftig
ohne Alan leben muss. - Auf, Sean, steh auf! Steh auf! - Ich kann nicht. Ich
zittere am ganzen Körper und kann nun meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Es
ist nun alles so widerlich endgültig. Nie wieder mit Alan zusammen sein. Ein
unerträglicher Gedanke! Ich will nicht ohne ihn sein! Ich will es nicht! - Doch
ich muss. Ich muss stark sein. Ich werde es schaffen. Ich werde mich verstärkt
in Arbeit stürzen. Das wird mich ablenken.
Ich springe auf, und ohne
mich nocheinmal umzuschauen verlasse ich die Wohnung, das Haus und schlage die
Tür hinter mir zu.
Ich will jetzt nur noch nach Haus.
---- Ende
von Seans Sicht ----
-------------------------
Parallel zu Seans Gedanken:
Er scheint nicht zu Hause zu sein. Oder hat er mich kommen sehen und
will einfach nicht öffnen? Was soll ich tun? Es wird das Beste sein, wenn ich
die Tür aufschließe und reingehe. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass ich
ihn so in der Luft hab hängen lassen.
Vorsichtig die Tür aufgemacht und
nun hoffe ich, dass er mich nicht gleich wieder hinauswirft.
>>Sean?!<< Ich höre nichts. >>Sean, bist Du da? -
Sean!<<
Was nun? Soll ich im Auto auf ihn warten oder... ich geh´
hinein. Ich muss das Risiko eingehen, dass er nicht auf mein Rufen reagiert hat
und mich gleich wieder an die Luft befördert. Besser so, als dass ich untätig
bleibe. Ich schaue erst einmal in sein Arbeitszimmer. Dort hält er sich meistens
auf, wenn er allein ist.
Was ist denn hier passiert? Eine leere
Weinflasche auf dem Boden? Und dort auf dem Tisch weitere zwei Flaschen... eine
davon leer und die andere... Oh mein Gott, Sean! Was hast Du Dir angetan? Was
habe ICH Dir angetan? Oh nein, Sean, wo bist Du?
Ich renne durch
sämtliche Räume. Er ist nirgends zu finden. Er wird doch nicht... Ich muss
schnellstens in die Garage schauen, ob sein Wagen da ist. - - - Der Wagen ist
fort. Oh Gott... Sean, Du wirst doch nicht betrunken ins Auto gestiegen... Ich
muss bei der Polizei anrufen... und in den Krankenhäusern...
_ _ _
Nichts. Keine Meldung über einen Unfall mit einem Wagen wie Seans. Und
auch in den Krankenhäusern keine Spur von ihm. Ich meine, selbst wenn er seine
Papiere nicht dabei hatte, anonym würde er dort kaum aufgenommen worden sein bei
seinem Bekanntheitsgrad. Sie hätten ihn erkannt. Ja, das hätten sie.
Und
was nun? Denk nach, Alan. Wo könnte er hingefahren sein? Zu einem Freund, um zu
reden? Ich bin nervös wie lange nicht mehr, ich sollte mich kurz abkühlen.
Das kalte Wasser, das ich mir ins Gesicht gespritzt habe, hilft mir
wenig weiter. Was soll ich tun? Ich schaue in den Spiegel über dem Waschbecken.
Und in Gedanken taucht Sean hinter mir auf und gerade, als er mich berühren
möchte, erwache ich aus diesem schlimmen Traum und alles ist in Ordnung, wie es
immer war... - Nein, nichts dergleichen passiert. Ich hänge fest in der von mir
verzapften Realität. - Moment... Was... dort auf der Ablage liegt umgekippt ein
Glas Pillen... Gestern hat es noch geschlossen hinter meinem Zahnputzbecher
gestanden. Mein Gott... er wird sich doch nicht noch mit Pillen zugedröhnt
haben??? - Ach, es sind Aspirin-Tabletten. Die wird er sich heute eingeworfen
haben... nach DER Menge Wein... Ich atme tief durch und spüre die Erleichterung,
die sich sofort in mir ausbreitet. Aber dennoch - ich habe keine Ahnung, wie ich
Sean einschätzen soll, wenn er einer solchen Situation ausgesetzt ist, in die
ich ihn gebracht habe. Ich habe sehr viel gutzumachen.
Oh Sean. Was hab
ich Dir nur angetan, dass Du Dir diese Menge an Wein eingeflößt hast? Es tut mir
so leid, mein Liebster. Ich fühle mich so schuldig... Ich spüre, wie sich mein
Magen zusammenschnürt. Mir ist absolut nicht wohl bei dem Gedanken, wie
verzweifelt er gewesen sein muss, dass er sich über dieses von ihm sonst
verschmähte Getränk hergemacht hat.
Ich werde hier auf ihn warten. Ja,
das werde ich tun. Ich werde hier warten. Ich möchte ihn nicht verpassen. Nicht
heute. Und ich will es heute klären. Ich will - ich muss heute mit ihm sprechen.
Ich werde mich ins Wohnzimmer setzen und kann nur hoffen, dass er bald kommt.
Es ist alles so vertraut, und doch so fremd. Ich fühle mich schlecht.
Was mag seine Seele durchgemacht haben? Wie verzweifelt ist er wirklich? Mir
geht das Bild von den Weinflaschen einfach nicht aus dem Kopf. Er muss schon
sehr niedergeschlagen gewesen sein. Sean, das habe ich nicht gewollt. Ich wollte
Dich doch nur schützen... - Dich schützen? - Oh nein, nein... Der einzige, den
ich schützen wollte, bin ich selbst. Ich selbst in meinem grenzenlosen Egoismus.
Ich wollte mich schützen vor einer Situation, die in meinen Gedanken kurz bevor
stand, doch für die es keinerlei Anhaltspunkte gibt und gab.
Ich bin ein grenzenloser Idiot! Ich
lasse mich noch von meinen Selbstzweifeln auffressen. Warum kann ich kein
Vertrauen in Sean haben? Warum kann ich ihm nicht glauben, wenn er mir immer und
immer wieder sagt, dass er mich liebt? Warum nicht?
Je mehr ich darüber
nachdenke, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass ich meine zweiten
Mitlife-Crisis durchmache. Ich bin mittendrin. Ich habe kein Selbstvertrauen und
sehe überall Konkurrenten, wo gar keine sind. Ich habe diese große
Angst, Sean zu verlieren. Und nun habe ich ihn verloren, aber nicht durch einen
anderen Mann, sondern nur durch mich selbst. Ich habe ihm den größten Schmerz
zugefügt, den sich liebende zufügen können. Ich habe ihm zu Unrecht misstraut.
Aber dennoch bin ich überzeugt, dass es so kommen wird. Es wird ohne
bösen Vorsatz passieren, dass er mich früher oder später nicht mehr anziehend
findet. Und ich kann ihm diese Last nicht aufbürden. Was, wenn ich irgendeine
dieser Alterskrankheiten bekomme und er zu meinem Pfleger degradiert sein Leben
fristen muss? Und er hätte dann einen heimlichen Liebhaber, mit dem er sich nie
in der Öffentlichkeit zeigen darf, damit ich keinen Wind davon kriege. Nein,
nein nein nein. Ich will ihm das nicht antun.
Er soll mich so in
Erinnerung behalten, wie es in den letzten drei Jahren war. Er soll sich später
nicht an ein altes krankes Wrack erinnern, das aus Altersgründen keinen mehr
hoch kriegt.
Oh diese Zweifel! Ich wünschte, ich könnte sie ausmerzen!
Einfach wegschieben, verbrennen oder tief vergraben! Aber ich kann es nicht.
Ich lasse meinen Blick durch das Wohnzimmer schweifen und halte inne als
mir das große Sitzkissen neben dem Sofa ins Auge fällt.
Dieses Kissen...
Sein Stoff ist schon leicht abgewetzt, aber Sean wollte es nie wegwerfen. Denn
auf diesem Kissen haben wir uns das erste Mal geliebt.
Wir hatten uns
verabredet und in einem Café getroffen. Dort haben wir uns stundenlang über Gott
und die Welt unterhalten. Und schließlich, um Mitternacht, schloss das Café und
wir standen auf der Straße. Dann kam die obligatorische Frage: Zu Dir oder zu
mir? Wir gingen zu Sean, denn der Weg war nicht so weit. So landeten wir hier
und er setzte sich auf das Kissen, während ich mich hier auf das Sofa setzte,
allerdings ganz an den Rand, um möglichst nahe bei Sean sein zu können. Und ich
merkte, wie sein Atem immer schwerer wurde, während wir uns weiter über unsere
Erlebnisse bei Dreharbeiten unterhielten. Wir wussten, dass der andere nicht
wirklich zuhörte, wenn einer was erzählte, denn man konnte es an den Blicken
erkennen. Irgendwann kam kein Laut mehr über unsere Lippen. Und Seans Blick war
so durchdringend, dass ich dachte, bereits nackt vor ihm zu sitzen. Und nach
ganz wenigen Sekunden - ohne darüber nachzudenken - ließ ich mich vom Sofa
rutschen - meinen Blick fest auf Seans gerichtet. Ich weiß noch ganz genau, wie
alles um mich herum sich zu kreisen begann, wie mein Herz raste und meine Hose
im Schritt enger und enger wurde. Und eh ich mich versah, hatte ich Sean mit dem
Rücken auf den Boden gedrückt und mein Zunge forsch in seinen Mund geschoben.
Wir konnten es kaum erwarten, unsere Kleidung loszuwerden. Es war eine
Leidenschaft zwischen uns, wie ich es noch nicht kannte.
Die Tür... Das
Türschloss... Ich höre, wie jemand einen Schlüssel im Schloss herumdreht... Mein
Herz rast. Was soll ich nur tun? Was soll ich sagen?
Reiß Dich zusammen,
Alan. Atme tief durch. Beachte deinen zitternden Körper nicht. Konzentrier dich
auf die nächsten Minuten. Sage nichts verkehrtes, lasse dich nicht aus der Ruhe
bringen, egal, was Sean tut oder sagt.
Nun denn... Ich erwarte dich,
Sean...
---- Ende von Alans Sicht ----
-------------------------
Sean
Endlich wieder zu Hause. In meinen vier Wänden. Und meine
Gedanken kreisen weiter um Alan. Nur um ihn. - Ich glaube, ich bin reif für
einen Kaffee. Also ab in die Küche. - - - Die Kaffeemaschine läuft. Und was
mache ich nun? In Filmen stehen die Leute oft am Fenster und schauen in den
Himmel, wenn sie nachdenken. Doch auch das würde mich nicht wirklich
weiterbringen. Wenn ich durch mein Fenster schaue, blicke ich auf eine
wolkenverhangene, nicht wirklich inspirierende Nebelwand. - Was ist das? Das ist
doch... Alans Wagen?!
Alan
Ich höre, wie er
hereinkommt. Aber ich meine zu erkennen, dass er nun in die Küche geht. So habe
ich also noch einige Momente Galgenfrist. Teufel auch, ich zittere am ganzen
Leib, und meine Hände sind zwei Eisklötze. Das Herz schlägt mir bis zum Hals.
Was sag ich ihm nur? Was mache ich bloß, wenn er mich sieht? Und was macht ER,
wenn er mich sieht?
Sean
Ich spurte aus der
Küche.
>>ALAN???<<
Alan
Ich
schrecke hoch, als ich seinen Ruf vernehme. Er hat bemerkt, dass ich hier bin...
Ach, mein Auto... er hat es durch das Küchenfenster entdeckt. Nun geht´s los,
Alan. Nun geht´s los...
Sean
Als ich ins
Wohnzimmer schaue, sehe ich, wie er sich vom Sofa erhebt. Er sieht mich an und
in meinem Kopf dreht sich plötzlich alles, mein Herz rast und ich zittere wieder
am ganzen Körper.
Alan
>>Sean, ich... Es
tut mir....<<
Ich kann es nicht. Ich kann keinen klaren Gedanken
fassen. Es gelingt mir einfach nicht. Ich sehe ihn an und möchte ihn nur noch in
den Arm nehmen und küssen.
Sean
Mir fehlen die
Worte. Ich kann nicht glauben, dass er hier vor mir steht. Und mir wird bewusst,
dass er wohl die ganze Zeit hier war, während ich bei ihm... Und dann hat er
auch keinen neuen Lover... Ich spüre die Freude, die in mir aufsteigt, doch auch
gleich wieder abklingt. Denn was ist, wenn er nur hier ist, um ein letztes
Gespräch zu führen, um dann endgültig aus meinem Leben zu verschwinden? Oh Alan.
Du hast mir so wehgetan! Und was Du jetzt tust, macht es nur noch schlimmer!
>>Was willst Du?<< Ich stelle diese Frage fast flüsternd und
halte den verletzten Tonfall, der nun mitschwingt, nicht zurück. Das muss ihn
treffen. Und das wird ihn treffen.
Alan
Oh, Sean!
In seiner Stimme steckt die große Verbitterung, für die ich allein
verantwortlich bin. Ich werde ihm sagen, was ich für ihn empfinde. Und ich werde
ihm meine Ängste mitteilen. Ja, das muss ich tun. Und zwar sofort. Ich muss mich
endlich überwinden, ihm die Wahrheit zu sagen. Na los, Alan!!!
Sean
>>Du wagst es...<< Oh nein, ich
kann die Tränen nicht zurückhalten. Und ich merke, wie meine Stimme vibriert.
Nein, ich muss mich zusammenreißen! Ich darf vor ihm jetzt nicht in die Knie
gehen. - Verdammt, ich schaffe es nicht...
>>Du wagst es, nach
allem, was Du mir angetan hast, hier aufzukreuzen? Hast Du auch nur den Hauch
einer Ahnung, was Du in mir für ein Höllenfeuer hast ausbrechen lassen?<<
Während der letzten Worte ließ ich auch meiner Wut freien Lauf, die sich
aufgrund der Art, wie Alan mich gestern abgefertigt hat, aufgestaut hat, und
derer ich mir nun wieder bewusst werde. Und ich werde sie nicht unterbinden.
>>Hast Du auch nur die leiseste Ahnung, wie ich mich fühle? WEISST
DU, WAS DU MIR ANGETAN HAST?!?!<<
Alan
Die
Worte treffen mich wie Giftpfeile. Diese Verbitterung, diese Verzweiflung, die
in ihm steckt.
>>Sean, bitte, lass Dir erklären...<<
Sean
>>DU WILLST ERKLÄREN? WAS? ICH FRAGE
DICH: WAS??? REICHT ES DIR NICHT, DASS DU EIN SEELISCHES WRACK AUS MIR
GEMACHT HAST? MUSST DU DIE WUNDE NOCH TIEFER REISSEN, INDEM DU MIR SAGST, DASS
DU JETZT EINEN ANDEREN HAST?!?!<<
Oh nein, es ist aus mir
herausgeplatzt... ich wollte es doch nicht sagen... ich wollte... ich wollte...
Ich kann nicht mehr denken... Nein, ich darf meine Nerven nicht verlieren...
muss mich zusammenreißen...
Alan
Oh Sean, was
habe ich Dir nur angetan! Was habe ich bloß gemacht?! Er glaubt, ich hätte ihn
wegen eines anderen Mannes verlassen? Oh Alan, Du Idiot!
>>Sean,
bitte... Es ist nicht so wie Du denkst!<<
Ich gehe ein paar
Schritte auf ihn zu.
Sean
Ich reiße mich
zusammen, presse meine Lippen aufeinander. Ich will nicht mehr laut werden. Will
mich nicht mehr so gehen lassen. Will ihm meine Schwäche nicht weiter
offenbaren. Ich werde ihm nur noch eine unterkühlte Stimme preisgeben. Ich muss
mich dazu zwingen, aber es geht nicht anders. Er hat mich zu sehr verletzt. Auch
wenn ich mir nichts anderes wünsche, als ihn hier auf der Stelle niederzureißen
und ihn leidenschaftlich zu lieben, aber er hat mich zutiefst verletzt. Und das
kann ich ihm nicht durchgehen lassen. Und ich werde mich ab sofort beherrschen.
Ja, Sean, Du bist stark, Du schaffst es.
>>Fass mich ja nicht
an!<< Diese Worte zischen wie von selbst über meine Lippen.
Alan
Was soll ich nur machen? Ich muss zu ihm durchdringen! Aber
so, wie er sich momentan verhält, sehe ich schwarz. Wie schaffe ich es nur, dass
er mir zuhört? - - - Was ist? Er wendet sich ab...
Sean
>>Geh.<<
Mehr bekomme ich nicht über meine Lippen.
Ich kann seinen Anblick einfach nicht ertragen. Die Art, wie er mich ansieht,
ist mir vollkommen fremd. Außerdem brauche ich seine mitleidigen Blicke nicht.
Oh Gott, niemals hätte ich gedacht, dass ich je so über Alan denken
würde. Ganz zu schweigen davon, dass ich ihn jemals rausschmeißen würde. Was ist
nur mit uns geschehen? Noch vor 24 Stunden war alles in bester Ordnung. - Dachte
ich. - Und nun? Nun stehe ich inmitten eines Trümmerhaufens, der für mich bis
gestern die stolze Festung war, in der ich mich so geborgen fühlte.
Alan
Ich soll also gehen. Naja, ich habe es mir
selbst zuzuschreiben. - Aber ich kann und will es nicht. Ich kann ihn nicht so
zurücklassen. Nich in dieser Verfassung.
>>HÖR MIR ZU,
VERDAMMT!<<
War ich das eben? - Erschrocken über diesen Ausruf
stehe ich nun mit weit aufgerissenen Augen da. Wie konnte ich ihn anschreien?
Und er steht wie zur Salzsäule erstarrt... Die Ruhe vor dem Sturm? Handle
endlich, Alan, schnell! Sag´ was!
>>Bitte... entschuldige.. Ich
wollte Dich nicht anschreien. Ich will doch nur, dass Du mir zuhörst.<<
Ich höre meine Stimme wie aus weiter Ferne. Eine verzweifelte Stimme.
Sean
Meine Augen schließend halte ich wie vom
Donner gerührt inne. Nach seiner lautstarken Aufforderung hallen seine Worte in
meinem Kopf nach. - Ich soll ihm zuhören. Ich ihm zuhören.. - Ich atme tief
durch, muss mich unter Kontrolle halten.
Dann seine entschuldigenden
Worte. Was versucht er? Will er mich Glauben machen, er sei der Herr der Lage?
Also gut, soll er sagen, was er sagen will. Am besten wird sein, ich
wende mich ihm wieder zu.
>>Also, was hast Du zu sagen?<<
Alan
Die Gleichgültigkeit in seiner Stimme sagt
mehr als tausend Worte. - Nun ist es an mir, diese Chance richtig zu nutzen.
>>Sean... Ich... hätte Dir erklären sollen, was los ist... Ich
konnte es nicht, weil ich es selbst nicht weiß.<<
Sean
Seine Stimme hat die gewohnte Sanftheit
wieder. Wie intensiv sie mir jetzt scheint, wie vertraut... Umso mehr schmerzt
mich der Gedanke, was er mir mit dieser Stimme angetan hat. Diese Stimme, die
die letzten Jahre mein Leben erfüllte, diese Stimme gab mir zu verstehen, dass
ich künftig ohne sie sein soll.
Der Kloß im Hals ist wieder da. Und das
beklemmende Gefühl in meiner Magengegend. Und mein Herz klopft schon wieder bis
zum Hals. Ich hasse diesen Schmerz. Ich hasse diese Stimme. Ich hasse ihn.
Mir scheint, jetzt bin ich an der Reihe. Und ich lege mit voller Absicht
eine Portion Ironie in meine Stimme.
>>Du weißt nicht, ob Du mich
noch liebst? Du weißt nicht, ob Du den anderen mehr liebst als mich?<<
Alan
WAS sagt er da???
>>Sean, hast
Du NOCH nicht verstanden? Darum geht es nicht! Ich habe keinen anderen! Ich
schwöre es Dir bei unserer Lie...<<
Was sage ich denn?! - Mit den
letzten Worten habe ich ihm einen Schlag ins Gesicht verpasst. Wie kann ich
jetzt von Liebe sprechen? Er fühlt sich doch jetzt total von mir verarscht!
Alan, Alan, Alan...
Sean
Ich glaube, ich habe
mich eben verhört. Das darf doch nicht wahr sein!
>>Liebe... -
Liebe??? Du wagst es, mir gegenüber von Liebe zu reden? Ausgerechnet DU, der Du
mich gestern eiskalt abserviert hast? Sag mal, tickst Du noch richtig? Was für
ein Spiel treibst Du hier eigentlich?<<
Alan
Nervös streifen meine Händer über mein Gesicht und über meine Haare -
immer wieder. Ich bin durcheinander. Wie rette ich diese Situation bloß?
>>Nein... ich meinte es so.<<
Sag´ es ihm gerade
heraus. Rede nicht weiter drumherum. Sag es ihm endlich!
>>Sean,
es ist... ich habe Dir gesagt, ich würde mich nicht mehr wohlfühlen... und
solche Dinge... Aber das hat nichts mit Dir zu tun. Es geht einzig und allein um
mich.<<
Sean
Ach - als ob mir das nicht
klar wäre. Natürlich geht es nur um ihn, ansonsten hätte er nicht mir nichts dir
nichts Schluss gemacht.
>>Und was hat nun einzig und allein mit
Dir zu tun, außer die Tatsache, dass einzig und allein Du nichts mehr von
unserer Beziehung wissen willst?<<
Alan
>>Ich weiß nun, wie sehr ich Dir wehgetan habe. Und bitte glaube
mir, das war nicht meine Absicht! Ich... wusste mir einfach nicht anders zu
helfen...<<
Ich hoffe, dass er durchhält und mir wirklich
zuhört...
>>Ich... habe einfach Angst, Sean. Angst, Dich zu
verlieren...<<
Sean
Bitte?
>>Du hast WAS? - - - Entschuldige, Alan, aber da komm´ ich nicht
mit. DU hast Angst, MICH zu verlieren und machst deshalb SCHLUSS? - Nein. -
Nein! Alan, das ist der größte Blödsinn, den ich je gehört habe. Tut mir leid...
Nein, sowas will ich mir nicht anhören.<<
Alan
Er WILL mir nicht zuhören. Er versucht es nicht einmal...
>>Sean, jetzt hör´ mir doch zu! - Es ist nicht so, dass ich aus
purem Egoismus handelte! Ganz im Gegenteil! Ich tat es für Dich! DICH!<<
Sean
>>Du tatest es für MICH? WAS TATEST DU
FÜR MICH? MICH ALLEIN LASSEN? MICH WEGSTOSSEN VON DIR? - - - Alan, ich bitte
Dich! Vielleicht bin ich zu dumm, aber ich verstehe kein Wort!!! - Ich verstehe
nur, dass Du aus heiterem Himmel gegangen bist, ohne mit mir rechtzeitig zu
reden. Du hast doch diesen Entschluss nicht von eben auf jetzt gefasst! Da muss
es doch eine Vorgeschichte geben! Und so eine Vorgeschichte ist in meinen Augen
ein anderer Mann! Und ich habe lange - und glaub mir, es waren sehr lange
Stunden - darüber nachgedacht, was der Grund gewesen sein mag. Und ich kam...
immer zu demselben Schluss.<<
Ich halte es nicht mehr lange durch.
Ich bin kurz davor, ihn wegzuschicken. Endgültig. Ich will mir das nicht länger
antun.
Alan
>>Nein, bitte, Du verstehst
nicht... SIEH MICH DOCH AN! WIRST DU MICH AUCH IN FÜNF JAHREN NOCH BEGEHREN?
WIRST DU MICH AUCH IN ZEHN JAHREN NOCH BEGEHREN? ICH.... werde bald ein alter
Mann sein, Sean...<<
Ich kann nicht mehr... Ich kann meine Tränen
nicht mehr zurückhalten... Ich muss mich setzten.
Sean
WAS sagt er da? - Fassungslos starre ich auf den Mann, den ich über
alles in der Welt liebe, und er sagt mir, er sei zu alt? Nicht mehr
begehrenswert? - Nun sitzt er dort auf dem Sofa und wartet auf meine Reaktion.
Gut, die kann er haben.
>>Was ist das für ein Blödsinn, den zu Dir
da zurechtgelegt hast? Wieso bist Du plötzlich zu alt für mich? - Das wusstest
Du doch von Anfang an!!! - Und was mir jetzt noch einen weiteren Hieb versetzt
hat, ist Dein scheinbar nicht vorhandene Vertrauen in mich und meine Gefühle
für Dich!<<
Bleib ruhig, Sean, ruhig.
Meine Hände gleiten über meinen Kopf,
während ich mich hin und her drehe.
>>Du kennst mich wirklich
nicht, Alan. Ich frage mich, was für einen Menschen Du die ganzen Jahre in mir
gesehen hast! - WAS WAR ICH FÜR DICH?!<<
Alan
Oh Gott! Würde sich doch nur der Boden unter mir auftun... Ich Idiot habe es jetzt noch schlimmer gemacht,
als es sowieso schon war. Ich bin ein solcher Idiot!!!
>>Du warst
alles für mich, Sean. ALLES! Und... bist es noch...<<
Sean
>>Noch? NOCH? - Ich bin GAR NICHTS für
Dich! Denn WENN ich Dir jemals soviel bedeutet hätte, wie Du jetzt sagst, dann
hättest Du mich nicht auf diese widerliche Weise von Dir gestoßen! Du hättest
mit mir geredet, als Dir zum ersten Mal bewusst wurde, dass etwas nicht stimmt!
Aber was machst DU? Du schweigst Dich aus, spielst mir vor, alles sei in
Ordnung, und dann, sobald DU es nicht mehr aushältst, versetzt Du mir den
finalen Schlag! Danke, Alan, DAS ist wirklich wahre Liebe!<<
Ich
spüre, wie meine Knie zittern. Mir ist kalt. Alles dreht sich... Ich muss mich
setzen... Aber ich werde mich nicht neben ihn setzen. Das würde ich nicht
durchhalten. Und ich will es mir nicht antun, so nah und gleichzeitig so fern
von ihm sein zu müssen. So, wie es jetzt ist, reicht es mir sowieso schon. Ich
werde mich in den Sessel gegenüber setzen.
Alan
Mir schiwrren die Gedanken... Ich habe völlig den Faden verloren. Er
verdreht doch alles. Hört er mir denn immernoch nicht zu?
>>Nein
nein nein... Sean, Du verstehst es anscheinend nicht.<<
Sean
>>Dann erkläre es mir endlich,
verdammt!<<
Alan
>>Hör´ mir gut zu,
Sean. Und bitte unterbrich mich nicht, sondern lass´ mich meine Gedanken zu Ende
führen. Es kostet mich sowieso schon meine ganze Überwindung, Dir mein Innerstes
zu offenbaren... Nein, mein Innerstes habe ich Dir immer mitgeteilt, aber dieses
Thema wiegt schwerer für mich als alle anderen Problemchen, die wir vielleicht
mal hatten. Es geht mir wirklich einzig und allein darum, dass ich meine, bald
zu alt, zu unattraktiv für Dich zu sein. - Nein, bitte schau mich an, Sean,
dreh Dich nicht weg und bitte verdrehe nicht Deine Augen! - Ich könnte fast
Dein Vater sein, Sean! Und in meinem Alter sind viele andere Männer bereits in
Pension und gehen jeden Nachmittag im Park spazieren. Und in diesem Alter bin
ich nun mal, Sean. Davor kann ich nicht meine Augen verschließen. Und ich habe
einfach die - meiner Meinung nach begründete - Angst, in absehbarer Zeit nur
noch ein alter Mann in Deinen Augen zu sein. Und Du wirst bald bei jedem Blick,
den Du mir schenkst, darüber nachdenken, wie Du es mir am schonensten beibringen
kannst, mir zu sagen, dass Du Dich von mir trennen willst. Verstehst Du
endlich!?<<
Sean
Was ist das für ein Unsinn, den er da erzählt? Wie könnte
ich ihn jemals nicht mehr lieben?! - Er und mein Vater... Jedoch... Meine Augen
tänzeln ziellos durch den Raum, ebenso schwirren meine Gedanken ohne Ziel umher.
- Wie würde ich denken, wenn ich einen Partner hätte, der zwanzig Jahre jünger
wäre als ich? - Oh Gott. Ich würde vermutlich rasen, wenn er einen anderen
jüngeren Mann ansähe - und bei dem Gedanken, dass ein anderer jüngerer Mann
versuchen würde, sich an ihn ranzumachen... Meine Augen finden ihr Ziel. Ich
schaue in ein Gesicht, das ich zwar kenne, doch noch nie in solcher Verzweiflung
gesehen habe. Seine Augen wirken schwer, seine Mundwinkel zucken. Und wie er
mich ansieht...
Alan
Nun hört er mir endlich zu.
Und wird verstehen. - Und ich fühle mich wie gerädert. Es ist alles plötzlich so
anders, so fremd... alles, was mir hier bisher so vertraut war, sehe ich nun,
als wäre ich jahrelang nicht mehr hier gewesen. Warum musste es nur so kommen...
- Ich sehe ihm an, dass er über meine Worte nachdenkt. - Diese Situation ist mir
so unendlich peinlich und widerwärtig und fürchterlich fremdartig. - Könnte ich
die Zeit doch nur um einen Tag zurückdrehen. Ich würde es anders anfangen, würde
mit ihm reden, wie er es verdient hat. Ich würde ihm alles sagen, was ich ihm
eben gesagt habe. Und ich hätte mich womöglich nicht von ihm getrennt...
Sean
>>Warum konntest Du nicht gestern
darüber reden? Warum musstest Du ohne einen Grund einfach gehen? Warum hast Du
nicht das Vertrauen gehabt, es mir zu sagen? Was hast Du geglaubt, was passiert?
Was für eine Reaktion hattest Du von mir erwartet? Glaubst Du, ich hätte Dich
ausgelacht und rausgeschmissen? Oh bitte... Wir kennen uns doch nicht erst seit
drei Wochen. Es sind drei Jahre, Alan. Drei Jahre!!!<<
Was mach´
ich nur? Was soll ich tun? Er hat kein Vertrauen zu mir. Er hat einfach kein
Vertrauen. Kann ich solch eine Beziehung wirklich weiterführen? Und WILL ich
das? Was ist das schon, ein Zusammenleben ohne grundlegendes Vertrauen. Man muss
doch auch über solche Dinge sprechen können. Wenn man das nicht kann, dann ist
die Partnerschaft nichts wert. Dann kann es nicht funktionieren. Und hier läuft
gerade etwas mehr als verkehrt.
Alan
Er hat
recht. Er hat ja so recht. Ich fühle mich zu alt und benehme mich wie ein
Teenager. Das kann doch nicht sein. Und er meint es wirklich ernst. Sein Blick
ist entschlossen. Und ich bin in der Defensive. - Diese eindeutigen Blicke hat
er wirklich drauf. Und die sitzen.
>>Es ist mir so unendlich
peinlich, Sean. Bitte glaub´ mir das. Sicher, ich denke schon länger darüber
nach, aber ich habe einfach nie den nötigen Mut aufgebracht. Ich war zu feige,
es auszusprechen, weil es dann auch für mich ein offenes Eingeständnis gewesen
wäre. Und dass ich es nun sagte... Es ist einfach so, dass ich mich dafür
ohrfeigen könnte, wie ich Dich gestern abgefertigt habe.<<
Sean
>>Ja, ich verstehe Dich. Aber bitte
versteh´ auch mich, wenn ich Dir nun sagen muss, dass ich mich hin- und
hergerissen fühle. Einerseits scheint Dir das nötige Vertrauen in mich zu
fehlen, andererseits kann ich es teilweise nachvollziehen. Aber... aber ich weiß
nicht, ob ich so etwas nochmal durchmachen will. Was ist, wenn es Dich in zwei
Monaten wieder überkommt und Du einfach abhaust? Und Du kannst mir nicht
garantieren, dass es nicht nochmal vorkommt.<<
Es schmerzt mich,
das so sagen zu müssen, aber ich kann mich nicht selbst belügen. So sehr es mir
gegen meine Gefühle für ihn geht, genauso sehr muss ich auch daran denken, was
künftig auf mich zukommen kann. Und ich muss einfach umdenken und in dieser
Sache egoistischer sein, denn sonst macht es mich kaputt. Ich kann und will
sowas nicht nochmal mitmachen.
Alan
Ich muss jetzt handeln. Verdammt... ich verliere ihn...
Meine Augen werden schwer, mit ist schwindelig und ich fühle mich wie in einem
schlechten Traum. Alles ist plötzlich so anders. Alles wirkt plötzlich so fremd,
obwohl mir doch alles so vertraut ist. Ja, ich kenne dieses Gefühl. So ist es,
wenn die Worte "Ich mache Schluss" in der Luft schweben. Unausgesprochen noch,
doch sie sind bereits im Anmarsch. O Gott, nein. Sean, bitte sag diese Worte
nicht. Ich spüre diesen fetten Kloß in meiner Kehle. Mein Hals ist völlig
trocken. Hoffentlich kriege ich einen Ton raus.
>>Und... wenn ich
Dir sage, dass ich geläutert bin? Ich weiß, dass ich Unsinn geredet habe und
weiß, dass ich falsch gedacht habe. Meine Befürchtungen waren und sind falsch.
Mein Vertrauen in Dich ist größer als bisher, das weiß ich nun. Aber
bitte...<<
Ich muss aufhören zu reden... muss handeln... will ihn
einfach nur umarmen... Ich tu es jetzt einfach!
Sean
Ich kann ihn nicht mehr ansehen. Es tut weh, plötzlich ein so fremdes
Wesen vor mir zu sehen, dass das Wesen, wie ich es kenne, einfach verjagt hat. -
Meine Güte, wir benehmen uns wie Teenager... Das ist doch nicht wahr. Wenn uns
jemand sehen würde... Zwei Kerle in den besten Jahren hocken hier
zusammengekauert und stotternd herum... Aber man kann nichts tun gegen diese
Gefühle. Davor ist man wohl niemals sicher.
Ich höre mich tief seufzen
und mittlerweile dreht sich alles in meinem Kopf. Es ist zum Kotzen! - So, und
nun wird aufgehört mit diesem Teenie-Geseiere. Ich bin ein Mann, ein erwachsener
Mann. So wie er auch. Und ich werde nun handeln, wie es sich für einen Mann in
meinem Alter gehört. Ich werde ihn ansehen und... --- Er kommt auf mich zu! Was
soll ich tun? Soll ich mich abwenden oder es zulassen? Ich weiß es nicht, o
Gott, ich weiß es nicht! Ein toller erwachsener Mann bin ich!
>>Alan! ......<<
Es reicht nicht... ich kann
nicht... Ich finde mich in seinen Armen wieder. Oh, wie gut das tut. Wie
intensiv ich seinen Geruch wahrnehme. Warum fiel er mir vorher nie so intensiv
auf? Sean, Du wirst weich! Werde nicht weich! Du bist ein erwachsener Mann! Du
musst tun, was für Dich am besten ist... für DICH!
>>Alan,
bitte...<<
Alan
Ich spüre eine gewisse
Gegenwehr. Doch das musste ich erwarten. Aber ich halte ihn im Arm und ich werde
ihn festhalten. - Scheinbar habe ich endlich mal wieder was richtig gemacht. Er
versucht mir was zu sagen, aber er bringt es nicht fertig. Ich darf jetzt nicht
nachlassen. Ich muss ich festhalten, damit er merkt, dass ich es wirklich ernst
meine und wieviel er mir bedeutet. Hoffentlich krieg ich ihn wieder zur
Vernunft.
*mit leiser, vibrierender Stimme* >>Sag nichts,
Sean, bitte, sag jetzt nichts. Ich liebe Dich und ich will Dich nicht verlieren.
Niemals, hörst Du? Niemals!<<
Sean
*leise,
resignierend* >>Aber Du kannst es nicht einfach ungeschehen machen,
was Du Dir da geleistet hast. Ich brauche Zeit, Alan. Zeit. Ich muss
nachdenken...<<
Alan
Nun ist es soweit.
Es ist aus. Er will nachdenken... Jeder Teenager weiß, was daraus wird.
"Nachdenken"... Er reagiert nicht mal auf meine Umarmung. Nun gut, ich werde
nicht klammern. Ich werde ihn nicht bedrängen. Es wird besser sein, wenn ich
gehe. Ich muss... mein Gott, was tu ich hier? Ich halte das nicht mehr aus. Ich
muss hier raus. Ich... kann nicht mehr...
*um Fassung bemüht *
>>OK! - --OK! Sean, ich werde nun gehen. Ich sehe, ich habe großen
Schaden angerichtet, aber ich werde Dich nicht weiter bedrängen. Du brauchst
keine Angst haben, dass ich Dich weiterhin anflehe, mir zu verzeihen. Du musst
wissen, ob Du mir meine für mich sehr wichtigen Befürchtungen nachsehen kannst
oder nicht. Ich bitte Dich aber um eines: Sei Dir ganz sicher, sei Dir hundert
Prozent sicher, bevor Du Dich irgendwann bei mir meldest und mir Deine
Entscheidung mitteilst.<<
O Gott, es tut so weh... Nun geh doch
endlich, Alan... dreh Dich um und verschwinde endlich!
Sean
Ich kann nicht anders als auf den Boden zu starren. Ich kann ihn nicht
ansehen. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Was ist richtig? Was ist falsch?
Wieso sagt mir mein Gefühl nicht, was ich tun soll?
Seine Stimme klingt
so bitter. Ich soll mir hundert Prozent sicher sein, sagt er. Wenn er wüsste,
wie aufgewühlt ich bin. Ich bin zu keiner Entscheidung fähig. Nicht jetzt. Nicht
heute. ----- Wer weiß, wie lange es dauert... Meine Güte, bin ich wirklich
dabei, alles wegzuschmeißen?
Seine Beine bewegen sich... er dreht sich
um. Geht er wirklich? Ich schließe meine Augen, lausche jedem Geräusch... Er
geht... er geht tatsächlich! Das darf nicht wahr sein, bitte, lass es nicht wahr
sein! --- Die Tür... er hat die Haustür geöffnet... --- Seine Schritte entfernen
sich... o Gott... Was soll ich tun?! - Da, die Tür schnappt ins Schloss. --- Ich
höre nichts mehr... ich kann ihn nicht mehr hören... Alan? - Ich öffne meine
Augen und schaue mich um. Nichts.
>>Alan?<<
Da! War
das eine Autotür? - Das Auto... da springt ein Auto an...
*schreit*
>>ALAAAN!!!<<
Ich renne zum Fenster, um mich zu
vergewissern, ob er wirklich wegfährt. - Ja, er hat den Wagen angelassen. Was
soll ich tun - was soll ich tun - o Gott was soll ich tun... Ich bin nervös wie
sonstwas... Ich zittere am ganzen Körper... Mein Atem rast... Was soll ich bloß
tun?!
HINTERHER!
Ich muss hinterher... ihn aufhalten... Wenn er
jetzt wegfährt... Nein, er darf nicht... Nichts wie los... Ich reiße die Tür auf
und höre mich selber schreien.
>>ALAN!!! ALAAAN!!!<<
Ich stehe in der Tür, halte mich am Türrahmen fest. Das Auto... ich höre
das Auto nicht mehr... HIMMEL! Er ist fort... Nein, er ist fort!!! Ich spüre,
wie meine Beine versagen und unter mir wegsacken. Automatisch schlage ich die
Hände vors Gesicht und lasse mich nur noch fallen.
Alan
Der Weg zum Auto war so schwer wie lange nicht mehr. Jetzt sitze ich
hier, den Fuß schon auf dem Gaspedal und sehe aus den Augenwinkeln, dass Sean am
Fenster steht. Meine Güte, was tut er da? Ruft er nach mir oder schickt er mir
Flüche nach? Nein, ich darf nicht weich werden. Ich darf jetzt nicht umkehren.
Ich muss fort. Ich fahre ins nächste Hotel und werde mich mit ´ner Flasche
irgendwas volllaufen lassen. Mir egal, was die Leute sagen, ich will meine Ruhe.
Nur noch das Pedal durchtreten und schon bist Du weg, Alan. Na los, fahr
endlich! - Seans Gesicht ist vom Fenster verschwunden. -- Verdammt, es tut so
weh...
Ach, Scheiße! Ich kann es einfach nicht. Zur Hölle, ich mach den
Wagen aus und werde nochmal versuchen, mit ihm zu reden. Ein letztes Mal.
Noch bevor ich die Wagentür wieder zugeschlagen habe, höre ich ihn
rufen. Mein Gott, dreht er jetzt durch? Ich muss zu ihm... Sean... SEAN!!!
Ich laufe die paar Meter zur Tür und sehe ein Häufchen Elend vor mir
kauern. Das darf doch nicht... Oh Sean...
>>Na komm, lass uns
reingehen. Ich mach uns einen Kaffee und dann reden wir nochmal, ok?<<
Sean
Ich merke, wie mir jemand unter die Arme greift.
Ich blicke nach oben und erkenne ihn. Er ist nicht fort? Er ist nicht fort!
>>Du bist noch da?<<
Er reicht mir seine Hand und
nach kurzem Zögern lege ich meine in die seine. Vorsichtig hilft er mir hoch.
Ja, wir sollten nochmal alles durchgehen. Ganz sachlich. Und dann sehen
wir weiter. Eines ist sicher: noch heute muss eine Entscheidung fallen.
>>Ich verspreche Dir, dass ich Dich heute nicht ohne eine klare
Aussage von mir gehen lasse. Aber mehr kann ich erst sagen, wenn wir unser
Gespräch beendet haben. Ist das ok für Dich?<<
Alan
>>Ja, es ist OK.<<
Ich schließe die Tür und kann
jetzt nur noch warten. Entweder erwartet mich der Himmel oder die Hölle. Jetzt
liegt alles an ihm...
**************************************************************
Der nächste Morgen
Alan
Allein in
diesem Bett. Wie riesengroß es ist. Die ganze Nacht nicht geschlafen... Ich bin
so müde. So müde....
Sean
*kommt lächelnd ins Schlafzimmer* >>Und hier kommt auch schon
das Frühstück, mein Schatz...<<
~~~~~
|
|
|