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Titel:
Ewige Erinnerungen Autor: Boromirs Bride
Ich
war dein bester Freund. Du hast dich mir anvertraut,
wenn es dir gut ging, doch zumeist war ich für
dich da, wenn es dir schlecht erging. Und dies überwog
zuletzt zu meinem Entsetzen. So beschwingt du stets
warst, wenn ich an deinen glücklichen Tagen teilhaben
durfte, so verspannt warst du, wenn du mir von
deinen unglücklichen Zeiten erzähltest. Und
es wurde immer schlimmer. Ich spürte die Gleichgültigkeit,
wenn deine Hand lieblos über mich hinwegflog. Doch
helfen konnte ich dir nicht. Alles, was ich tun konnte,
war für dich da zu sein, deinen immer tiefer gehenden
Kummer in mich aufzunehmen.
Ich kann mich genau
erinnern, als ich das erste Mal deine Hände auf
mir spürte, als du dich mir zum ersten Male geöffnet
hattest. Du warst jung und von stürmischer Natur,
voller Tatendrang und bereit, es mit ganz Mittelerde
aufzunehmen. Du warst voll des Übermutes und konntest
es nicht erwarten, in deinen ersten Kampf zu ziehen.
Und
so habe ich viele deiner Erlebnisse in mich aufgenommen,
welche du mit soviel Inbrunst und Hingabe zum Ausdruck
brachtest. Allein die Angelegenheit mit deiner Wunde
hatte mich seinerzeit sehr erheitert. Du wurdest auf
dem Übungsplatze verwundet, doch nicht, wie du
es dir erhofftest, wenn es denn unbedingt so weit kommen
sollte. Nein, du warst ins Straucheln geraten, hattest
dein Gleichgewicht verloren und kipptest hintenüber.
Gleichzeitig versuchtest du natürlich instinktiv,
dich mit deinen Händen abzustützen, doch hieltest
du deinen Dolch so unglücklich, dass deine rechte
Gesäßhälfte eine schmerzende
Verwundung davontrug, so dass Du längere Zeit nicht
richtig sitzen konntest. Ach, ich weiß es noch wie
heute, als du mir davon berichtet hattest. Du warst
sehr aufgebracht und es war dir sehr unangenehm. Allein
dass es dir vor deinen Kameraden passiert war, hatte
die größte Wut in dir heraufbeschworen. Und
alles, was ich dazu denken konnte, war, dass ich es
köstlich amüsant gefunden hatte. Nun habe
ich im Nachhinein ein schlechtes Gewissen deswegen,
aber damals fand ich es erheiternd, da es einfach ein
außergewöhnliches Erlebnis war.
Wir
verlebten viele Stunden miteinander, in denen du mir
von den Dingen erzähltest, die dir wichtig waren.
Ich durfte dich oft begleiten, wenn du auszogst mit
deinen Männern. Und auch war ich bei dir, als du
den schicksalhaften Weg nach Bruchtal unternahmst. Und
auch während der Zeit danach wandest du dich oft
an mich. Doch deine Ausführungen wurden kürzer
und knapper und ich spürte die Ungeduld, die in
dir wuchs. Und schließlich hast du mich vergessen
und nicht mehr gebraucht. Danach dauerte es nicht mehr
lange und du warst tot. Doch ich durfte bei dir bleiben,
denn ich begleitete dich in deinem Boot, bis es nach
langer Reise von deinem Bruder entdeckt wurde. Er blickte
mich verwundert an und nahm mich in seine Obhut.
Das
alles ist nun schon eine lange Zeit her, aber immer
wieder konsultiert er mich, um immer wieder die vielen
Dinge aufs neue zu erfahren, welche Du mir einst anvertrautest.
Er selbst vertraut mir keine Silbe an, doch darüber
bin ich nicht traurig, ganz gewiss nicht, denn es genügt
mir, dass durch mich Deine Erinnerungen am Leben erhalten
werden und Du dadurch weiterlebst.
Und solange
ich nicht vergessen werde und mein Leben versteckt in
einem staubigen Regal fristen muss, bis ich zerfalle,
bin ich zufrieden. Und ich bleibe für immer Dein
Tagebuch.
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