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Titel: Mir ist kalt Autor: Dark Bat Die Story ist an Tolkien angelehnt
(Silmarillion, die Vorgeschichte von „Herr der Ringe“) Elrond und Elros sind Zwillinge. Ihre Mutter ist
eine Elbin, ihr Vater ist ein Mensch. Die Beiden hatten eine ziemlich
schwierige Kindheit (Entführung mit 4 Jahren, aufgezogen vom Entführer,
Befreiung, anschließendes Verschwinden und Wiederauftauchen der Eltern, diverse
Kriege und so weiter). Da die Kindheit und Jugend nicht so einfach war, wurde
ihnen eine Gunst gewährt: Sie können wählen, ob sie als Elb leben wollen (also
quasi unsterblich) oder als Mensch . - Elros wählte ein Leben als Mensch, er bekam
Kinder, wurde König und so weiter. Elrond wählte das Dasein als Elb. Er hatte 3
Kinder und segelte zusammen mit den letzten Elben im Alter von ca. 6000 Jahren
nach Westen. - Die Story spielt kurz vor dem Tod von Elros.
Elros
Mir ist kalt.
Mir ist so kalt.
Und ich bin müde.
Sie haben Heiler geholt. Sie sagten, daß sie
mir helfen wollen. Aber die Kälte in meinem Innern
können auch sie nicht vertreiben. Niemand kann
das. Niemand.
Ich bin allein.
Wo sind alle hingegangen? Meine Söhne
sind gekommen, haben mit den Heilern gesprochen. Und
mir zugelächelt. Aufmunternd. Aber wenn sie dachten,
daß ich schlafe, sah ich, wie sie den Kopf schüttelten.
Besorgt waren sie. Aber mich haben sie angelächelt.
Warum glauben sie, daß ich nicht weiß,
was mit mir geschieht?
Ich vermisse meine Tochter. Ich fragte meine Söhne,
sie sahen mich verständnislos an. Manwendil kniete
sich vor mich hin und faßte meine Hände,
sah mir fest in die Augen. Genauso hatte ich vor langer
Zeit, als er noch ein Kind war, mit ihm gesprochen.
Sieht er mich jetzt als ein hilfloses Kind an? Vor dem
man alles Schlimme und Böse der Welt verbergen
muß? Er erklärte mir, daß sie vor langer
Zeit von mir gegangen ist. Aber was war mit ihr geschehen?
Mir war, als müßte ich mich erinnern,
könnte es aber nicht. Eine graue Nebelwand lag
zwischen meinem Selbst und meinen Erinnerungen.
Ich habe nicht mehr die Kraft, sie zu durchstoßen.
Nein, ich möchte mich einfach nicht mehr erinnern.
Nein.
Kann es sein, daß ich nur Angst vor der Erinnerung
an ihn habe? Sein Gesicht, seine Gestalt ist mir noch
so gegenwärtig. Und nur wegen ihm habe ich mich
damals für die andere Seite entschieden.
War es wirklich nur seine Schuld? Oder gab es noch
andere Gründe?
Ich will, daß es nur seine Schuld ist. Ich
weiß, daß ich mich selbst belüge. Das
sollte ich nicht tun, nicht jetzt, nicht mehr. Aber
ich könnte die kurze Zeit, die mir noch bleibt,
nicht mehr den Schmerz ertragen. Den Schmerz, den er
mir zugefügt hat.
Oder hatten wir uns gegenseitig verletzt?
Wo ist er nur? Hat er Angst, mich so zu sehen? Ist
er feige?
Er hatte sich für die Unsterblichkeit entschieden.
Hatte er seine Entscheidung bis zu letzten Konsequenz
durchdacht? Was waren seine Gründe? Wenn ich ihn
fragte, sah er mich nur an. Sein Blick sagte mir, daß
ich verstehen müßte. Aber ich verstand nicht.
Menschen waren so stark. Sie wirkten zerbrechlich.
Ihr Leben war kurz, aber intensiv. Ständig hatten
sie ihr Ende vor Augen. Ein zu harter Schlag in einer
Schlacht, eine Krankheit, die Geburt ihrer Kinder, alles
konnte sie töten. Sie waren aber stark. Nicht körperlich.
Wir waren ihnen überlegen. Aber im Innern. Da lag
ihre Kraft.
In ihrer Welt schien alles bunter, lauter, schneller
zu sein. Sie wußten um ihr Ende. Sie mußten
alles stärker spüren. Riechen. Schmecken.
Fühlen.
War ich so von ihnen fasziniert, daß ich deshalb
diesen Weg wählte? Hätte mir mein Bruder nicht
seine Überlegungen mitteilen können? Oder
wollte ich nur nicht hören, was er mir zu sagen
versuchte?
Wo ist er? Ich brauche ihn jetzt.
Elrond
Sie haben nach mir schicken lassen. Es gab schon
länger Gerüchte. Sie versuchten, es vor mir
zu verbergen. Aber sie sollten wissen, daß das
nicht geht.
Die Zeit war also gekommen.
Früher, als erwartet. Aber es ließ sich
nicht mehr abwenden.
Wie wird er sich fühlen? Ich kann ihn nicht
mehr erreichen. Sein Selbst verschwand in den in den
letzten Jahren immer mehr. Schon daran konnte ich es
merken.
Ich durfte jedoch keine Schwäche zeigen. Nicht
jetzt. Nicht vor den Anderen.
Warum hatte er sich damals dafür entschieden?
Warum? Hatte er nicht darüber nachgedacht, was
es für ihn bedeutete? Er fühlte sich den Menschen
zugehörig, ihrem lauten, schnellen Dasein. War
das der Grund für seine Entscheidung?
Oder gab er mir die Schuld? Manchmal, spät am
Abend, oder wenn er erschöpft war und seine Wachsamkeit
nachließ, konnte ich es in ihm lesen. Er machte
mich wirklich dafür verantwortlich. Nur warum er
das tat, daß konnte ich nie verstehen. Ich hatte
ihm erklärt, was es bedeutete. Er wollte nicht
verstehen, nein, er wollte nicht.
Ihm gefiel auch die Rolle, die er in seiner Zeit
spielte. Er wurde ein großer Führer seines
Volkes. Ein guter Vater. Ihm wurde Andór gegeben.
Alles, was er sich wünschte, wurde ihm erfüllt.
Es konnte doch nicht sein, daß er nur dies
wollte. Und dafür seine Unsterblichkeit aufgab.
Nein, so konnte es nicht gewesen sein.
Aber weshalb dann?
Elros
Wo ist mein Bruder?
Sie haben gesagt, daß er kommen wird. Ich brauche
ihn jetzt. Er wird mich doch nicht im Stich lassen?
Nicht diesmal.
Er hatte sich schon einmal von mir abgewandt. Und
ich traf die falsche Entscheidung.
Er hat mich sehr gekränkt. Auch wenn er immer
wieder sagte, daß es nicht so gewesen ist.
Ich glaubte ihm nicht. Warum glaubte ich ihm nicht?
Wir hatten immer uns. Gleich, was geschah, wir hatten
uns. Und daran hielten wir fest. Das war es, was uns
Sicherheit gab inmitten dieser unsicheren Zeiten. Unser
Zusammensein war unser Anker.
Wir wurden verlassen. Unsere Welt brach auseinander.
Aber wir konnten uns gegenseitig Stärke geben.
Ich erinnere mich noch gut. Wie oft saßen wir
zusammen, sein linker Arm fest an meinen rechten gedrückt,
unsere Finger ineinander verflochten.
Natürlich, jeder hatte sein eigenes Leben zu
leben. Wir hatten jeder unsere Aufgaben. Aber wir kamen
immer wieder zusammen.
Bis dieser Neue am Hof erschien. Schön anzusehen,
klug, behende, voller Kraft. Jeder war sofort von ihm
eingenommen. Mein Bruder auch, ich auch. Aber das Interesse
meines Bruders an ihr schien mir größer zu
sein, als ich es für möglich gehalten hatte.
Oder war ich nur eifersüchtig?
Nein, das war ich nicht. Ganz bestimmt nicht. Mein
Bruder würde wie zuvor wieder zu mir zurückkehren.
Wie ich es auch immer tat. Eifersucht war fehl am Platz.
Warum sollte er unsere auf unserem festen Vertrauen
gegründete Beziehung aufgeben?
Aber sein Interesse an dem Neuen schien grenzenlos
zu sein. Wo sie auch war, mein Bruder war in ihrer Nähe.
Er versicherte mir immer wieder, daß er mich immer
noch brauchte und liebte. Ich fand aber diese Worte
hohl und leer. Ich sah keinen Beweis dafür, daß
er sie ernst meinte.
Im Gegenteil. Je öfter ich mich ihm näherte,
umso heftiger wurde seine Abwehr. Aber ich konnte ihn
doch nicht einfach so dem Neuen überlassen! Nein!
Ich brauchte ihn doch.
Wie konnte ich ihn treffen? Was war es, was ihn mir
wieder brachte? Keiner konnte oder wollte mir einen
Rat geben. Wenn ich einmal hilflos war, half mir mein
Bruder sonst. An wen könnte ich mich diesmal wenden?
Wir hatten immer nur uns. Und ich vertraute keinem anderen.
Was sollte ich tun? Ich wollte meinen Bruder wieder
an meiner Seite wissen - nebeneinander unterhalb des
Wasserfalls sitzend.
Elrond
Wir sind auf dem Weg zu meinem Bruder. Wird er mich
noch erkennen? Wie tief muss seine Wut, seine Enttäuschung
und letztendlich seine Verachtung für mich gewesen
sein, dass er den Tod vorgezogen hat.
Ich habe schon viele Menschen sterben sehen.
Sie gingen kämpfend. Sie gingen still. Einige
begrüßten den Tod.
Wie wird mein Bruder gehen?
Und - wir er mir erklären können, warum
er diese Wahl traf?
Elros
Sie gaben uns die Wahl.
Mein Bruder hatte sich sehr schnell, sehr hastig
entschieden. Natürlich. Er hatte jetzt jemanden
gefunden, mit dem er die Ewigkeit verbringen konnte,
verbringen wollte. Mir blieb Nichts. Eine Zeitlang dachte
ich, dass er sich wieder mir zuwendet. Wie schon so
oft vorher. Aber nein. Dies war keine seiner üblichen
Affären. Dies ging tiefer. Ich spürte es.
Er ließ mich es spüren, vielleicht sogar
ohne Absicht. Aber sein Glück, seine Freude darüber
war nicht zu ignorieren, schon gar nicht von mir. Ich
fühlte es ständig. Merkte er nicht auch, was
dies in mir anrichtete? Ignorierte er es?
Doch - er bemerkte es. Er begann, sich vor mir zu
verschließen. Aber wenn er mir damit meinen Schmerz
ersparen wollte, war die der falsche Weg. Das sollte
er eigentlich wissen. Erst lies er es zu, dass ich in
seine Gefühle, Gedanken Einblick erhielt. Und jetzt
sperrte er mich aus.
Ich wollte mit ihm reden. Ihm im Gespräch verdeutlichen,
was er mir damit antat.
Auf dem Weg zu seinem Zimmer begegneten mir ein paar
seiner Leute. Sie sahen mich merkwürdig an. War
das Mitleid? Einer wollte mir den Eintritt in Elronds
Räume verwehren, er sagte mir, dass mein Bruder
niemand zu sehen wünschte. Aber das konnte doch
nicht für mich gelten! Mich musste er empfangen!
Das gab es noch nie, dass ich seine Erlaubnis benötigte.
In den Fluren war es still, sehr still. Dafür
waren die Geräusche, die aus seinem Zimmer zu hören
waren, um so lauter. Oder schien es mir nur so? Es klang
wie ein Kampf, nicht wie ein erbittert geführter,
sondern eher wie ein raues Spiel, ein Kräftemessen.
Ab und zu war ein Lachen zu hören.
Wie betäubt blieb ich stehen. Deshalb also wollte
er mich nicht sehen!
Was für ein Verrat!
Ich stürmte zur Tür, um ihn zu Rede zu
stellen. Bevor ich sie erreichte, wurde sie vor mir
aufgerissen. Und er stand vor mir.
Nur halb bekleidet. Der Oberkörper schweißglänzend,
das Gesicht gerötet. Das Haar in Unordnung. Barfuss.
Erschöpft. Lachend.
Lachte er mich aus?
Als er mich erkannte, fiel sein Lachen zusammen.
Es verschwand.
Wieso? Freute er sich denn nicht, mich, seinen Bruder,
zu sehen? Dass ich ihn besuchte?
Sein Blick wurde dunkel, drohend. So hatte ich ihn
schon oft gesehen, wenn es um unsre Feinde ging. Nie
hatte er sich mir gegenüber so benommen. Ich wollte
ihn begrüßen. Aber er ließ mich mit
einer knappen Geste wissen, dass dies nicht erwünscht
war.
Konnte er mich so behandeln? Durfte er es überhaupt?
Er sagte mir, dass ich jetzt gehen solle. Und dass
ich später wiederkommen solle, falls mein Anliegen
dann noch wichtig wäre.
Einfach so. Ohne Erklärung, ohne Entschuldigung.
Ich solle mein eigenes Leben beginnen.
Wie konnte ich dass? Mit wem konnte ich dass?
Für ihn war es einfach. Er hatte jemand gefunden,
alles andere war ihm also unwichtig geworden. Ich war
ihm unwichtig geworden.
Blind vor Wut und Tränen wandte ich mich von
ihm ab. Ich wollte sein schönes, geliebtes und
jetzt fremdes Gesicht nicht mehr sehen. Die drohend
zusammengezogenen Augenbrauen.
Ich ging. Ich rannte. Lief weg.
Ich werde zwischen ihm und mir die endgültige
Grenze ziehen! Er soll nie wieder in meine Welt kommen
können. So wie ich nie wieder in seine Welt kommen
werde!
Er soll leiden, wenn der Tag kommt, an dem ich ihn
verlasse, an dem ich dahin gehe, wohin er und seinesgleichen
mir nie folgen kann.
Ja, dann wird er sehen, wozu er mich mit seiner Gefühllosigkeit
getrieben hat! Und er wird es spüren, wie es ist,
verlassen zu werden!
Ich traf meine Wahl.
Ich wurde ein Mensch.
Elrond
Sie führen mich in das Zimmer, in dem mein Bruder
liegt. An der Tür lassen sie mich allein. Darüber
bin ich froh. Im Raum ist es sehr warm. Die Türen,
die auf den Balkon führen, sind geöffnet.
Die Vorhänge bewegen sich im warmen Sommerwind.
Dennoch brennt im Kamin noch ein Feuer. Ich erinnere
mich, dass viele Sterbende sagten, dass sie froren.
Ging es meinem Bruder ebenso?
Wo war er? Das Zimmer schien zuerst ganz leer zu
sein. Kein Geräusch war zu hören. Seine Präsenz
war nicht zu spüren. In einer dunklen Ecke stand
ein Bett. Darauf war eine Bewegung, mehr zu ahnen als
zu sehen. Menschen hätten es nicht wahrgenommen.
Dort lag er. Trotz der Hitze im Zimmer, die selbst
mir unangenehm war, lag er unter Decken.
War das noch mein Bruder?
Ein großer, der größte Teil seines
Selbst schien nicht mehr zu existieren.
Ich ging zu ihm. Sein Aussehen erschreckte mich.
Er wirkte so klein, zerbrechlich, ein Windhauch hätte
ihn verwehen können.
Aber das konnte ich ihn nicht spüren lassen.
Ich musste, auch jetzt noch, der Stärkere, der
Beschützer sein. Das war es, was er von mir immer
erwartete. Das konnte ich ihm nicht verweigern, nicht
mehr.
Ich setzte mich zu ihm an das Bett, nahm seine Hand.
Er sah mich an. Erkannte er mich? Es brauchte eine lange
Zeit. Sein Blick war trüb. Aber langsam kam Erkennen
in ihn. Seine Lippen bewegten sich. Ich beugte mich
zu ihm. Ganz leise sagt er etwas. Mein Bruder, Elrond.
Er lächelt.
Elros
Es ist jemand in den Raum gekommen. Wer ist es?
Er nimmt meine Hand. Ich kenne diese Hand, erkenne
den festen, warmen Griff.
Ich sehe ihn an. Ich erkenne ihn. Er beugt sich zu
mir.
Ich sage seinen Namen, Elrond.
Er ist zu mir zurückgekommen. Jetzt wird alles
wieder gut. Er bleibt jetzt bei mir.
Jetzt kann ich schlafen.
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