Titel: Es war mal wieder so eine Convention
Autor:
Dark Bat
Zusammenfassung:
Disclaimer:
Ich habe diese Geschichte mit Figuren geschrieben, die ich aus dem "Herrn der Ringe" entliehen habe. Ich weise darauf hin, dass ich "Der Herr der Ringe" sowie die darin vorkommenden Figuren nicht als mein geistiges Eigentum ansehe. Ich bereichere mich nicht an dieser Amateur-Fiction. Die Handlung in dieser Geschichte ist von mir frei erfunden und hat nichts mit dem Ablauf in der Geschichte "Der Herr der Ringe" zu tun. "Der Herr der Ringe" ist und bleibt das geistige Eigentum von J. R. R. Tolkien.




Es war mal wieder so eine Convention. Er haßte Con´s, aber sein Manager war der Meinung, daß es gut für sein Image wäre, wenn er diese „Versammlungen von Irren“ besuchen würde. Also riß er sich zusammen, setzte sein bestes Grinsen auf und fuhr hin. Lächeln konnte er, immerhin war er Schauspieler, ein verdammt guter sogar, und da sollte er doch diese paar Stunden überstehen. Und schlecht bezahlt wurde es auch nicht.

Er kam am diesem Hotel an, wurde von einem „Verantwortlichen“  begrüßt und durch den Hintereingang geschleust, wie schon so oft. Die Con-Besucher, und vor allem die Besucherinnen, sollte ihn nicht schon vor seinem Auftritt abfangen können und womöglich ein Autogramm erhaschen, für daß sie nicht lange angestanden, und natürlich bezahlt, hatten. Also ging es wieder an den Wäschekammern und den Putzmittelschränken vorbei, durch eine Küche, in der ihn die Angestellten des Hotels irritiert ansahen. Sie kannten solche Auftritte schon, immerhin fanden in diesem Hotel immer mal wieder solche Veranstaltungen statt, aber seltsam war es doch. Einige erkannten ihn sicherlich. Es war immer wieder das Gleiche, und es war wirklich nichts, was er gerne tat. Na ja, was soll’s, dachte er sich, ist halt Teil des Jobs.

Endlich hatten sie das Labyrinth im Untergeschoß des Hotels hinter sich gebracht. Die Geräusche aus dem Zuschauerraum waren schon deutlich zu hören. Es war aber nicht das Raunen und Murmeln vor Theaterbesuchern, die sich für einen Abend schick gemacht hatten, um ihm in seinen Stücken zu bewundern. Nein, es waren Fans. In ihrer kleinen Phantasiewelt eingesponnen. Sicher, sie hatten sich Mühe gegeben, waren angezogen, wie sie dachten, daß es angemessen wäre. Und sie lärmten.. Der Schauspieler, der vor ihm auf der Bühne stand, war irgendeine Charge aus der dritten Reihe. Er hatte wahrscheinlich den einundzwanzigsten Orc von links gespielt, und dieser Statist erntete doch tatsächlich Lachen und Beifall. Also, dachte er bei sich, wenn der schon so empfangen wird, was soll dann bei mir werden - hoffentlich stürmen sie nicht die Bühne! Einmal mußte er dieses schon erleben, und es hatte ihm gereicht.

Trotz der Storys, die der Schauspieler vor ihm zum Besten gab, konnte er hören, wie das Publikum langsam unruhig wurde. Einige hatten wohl auf ihre Uhren gesehen und festgestellt, daß der Zeitpunkt für seinen Auftritt schon fast vorbei war. Amüsiert stellte er fest, daß einige trotz ihrer Kostümierung Armbanduhren trugen.

Endlich kam dieser Statist zum Ende, er hatte sein Publikum leider nicht mehr so richtig im Griff. Na, das würde sich sofort ändern, wenn er seinen großen Auftritt hatte. Der Sprecher der Convention verabschiedete seinen Vorgänger höflich, dann kam dieser ziemlich durchgeschwitzt durch den Vorhang und lief an ihm vorbei, ohne ihn zu erkennen. Auch gut.

Und jetzt kam sein Auftritt. Obwohl er immer so unerschütterlich wirken wollte, war ihm seine Nervosität doch langsam anzumerken. Eigentlich gab es keinen Grund dafür, ihm war klar, daß sie ihn lieben würden, und feiern, und alles, was sich jemand, der vom Publikum abhängig war, nur wünschen konnte, aber trotzdem. Er trat vor, nahm geistesabwesend ein Mikrofon, das ihm jemand in die Hand drückte und wand sich durch die Lücke, die der Vorhang hatte. Beinahe wäre er doch noch gestolpert.

Der Applaus brandete auf, es war überwältigend. Das Licht blendete noch ein bisschen. Daran würden sich seine Augen binnen kurzem gewöhnen, das kannte er schon.. Egal, was er vorher noch von diesen Leuten gedacht hatte, die ehrliche Begeisterung freute ihn. Er würde es zwar niemand gegenüber zugeben, das war er seinem Ruf als ernstzunehmender Mime doch schuldig. Aber hier oben, vor dieser Menge, die ihm stehende Ovationen bot, ohne daß er irgendetwas sagen mußte, da badete er förmlich in ihr.

Endlich konnte er sein Publikum sehen. Es war die übliche Mischung aus Jugendlichen und schon eher Erwachsenen, alle mehr oder weniger phantasievoll gekleidet. Im Alltag würden sie gar nicht weiter auffallen. Aber hier, in dieser Umgebung, da waren sie alle etwas besonderes, dachten sie zumindest. Er wußte, daß die meisten, auch viele Männer, von ihnen in ihrer Vorstellung schon mal mit ihm das hatten , was sie einen „sehr engen Kontakt“ nenne würden. Am Anfang seiner Karriere war ihm diese Vorstellung unangenehm, inzwischen ignorierte er es einfach. Er konnte es  sowieso nicht verhindern, es schien nun einmal dazu zu gehören.

Mehrmals setzt er zum Sprechen an, aber schon nach seinen einleitenden Worten: „Hi, i´m...“ ging der Lärm und das Klatschen wieder los. Also, noch ein bisschen Lächeln und warten. So, aber jetzt. Er stellte sich vor, lobte die Kostüme, das Publikum selbst, sagte, er freute sich, hier zusein, und er spielte sein ganzes Programm ab. Als guter Schauspieler, der er ja war, lies er es wieder so klingen, daß die Leute im Publikum annahmen, er erzählte es zum ersten Mal, und das nur speziell für sie.

Aber irgendetwas war diesmal anders. Sicher, das Gros seines Publikums waren die üblichen Zuschauer, aber in der dritten Reihe, ganz links, wo der Scheinwerfer nicht mehr so recht ausleuchtete, war jemand, den er nicht zu der großen Masse dazurechnen konnte. Es war ein „er“, soviel konnte er sehen. Er sah ihn unverwandt an, und in diesem Blick lag etwas nicht näher zu Beschreibendes. Und er wirkte in dieser Umgebung irgendwie fehl am Platz. Sicher, er trug genausolche Gewänder wie die meisten. Aber an ihm sah es aus, als ob er sich nicht verkleidet hatte, als ob er solche Sachen schon für eine sehr lange Zeit trug.

Er riß sich zusammen. Er stand auf der Bühne, hatte fünftausend Leute zu unterhalten, und er wollte seine Sache gut machen, soviel war sicher. Also versuchte er, sein Programm abzuspielen, erzählte kleine Episoden von den Dreharbeiten, die den Fans gefallen würden, von denen er aber wußte, daß sie jeden ernsthaften Schauspieler peinlich gewesen wären. Aber hier, hier wurde so etwas einfach verlangt. Und er wußte, was er seinen Fans schuldig war.

Aber immer wieder irritierte ihn die stille Gestalt in der dritten Reihe. Sicher, dieser Besucher lachte an den richtigen Stellen, er verzog sein für einen erwachsenen Mann ungewöhnlich schönes, glattes Gesicht, um die richtigen Gefühle zu zeigen, aber er schien von allen, die ihn umgaben, weit, weit weg zu sein. Es schien ihn zu amüsieren.

Sein Auftritt dauerte nun genau eineinhalb Stunden, ohne daß er dafür auf die Uhr schauen mußte. Das hatte er immer im Gefühl. Also kam er langsam zu seiner Schlußepisode, um sich danach noch eine halbe Stunde lang von den Besuchern mit  Fragen löchern zu lassen. Tatsächlich machte ihm  das immer wieder großen Spaß, denn obwohl es jedes Mal die gleichen Fragen waren, wurden sie immer mal anders gestellt, und er konnte seine Antworten danach variieren. Er war gespannt, ob der geheimnisvolle Besucher, wie er ihn inzwischen bei sich selbst nannte, auch mit ihm sprechen würde.

Aber nichts geschah. Auch diese halbe Stunde schien ziemlich schnell zu vergehen. Als er gerade zu seinem Schlußmonolog anheben wollte, stand der Mann in der dritten Reihe auf. Er wirkte in dieser Umgebung merkwürdig würdevoll, und die um ihn sitzenden spürten dies offenbar auch. Es breitete sich eine große Ruhe im Saal aus, ausgehend von dieser großen Gestalt. Jetzt konnte er ihn richtig erkennen, da ein einzelner Scheinwerfer auf diesen Besucher gerichtet war. Und dem Schauspieler auf der Bühne fiel auf, daß der Mann im Publikum doch sehr an seiner Erscheinung gearbeitet haben mußte. Er trug sein zurückweichendes Haar ähnlich wie er in diesen Filmen, er hatte genausolche wallenden Roben an, und er hatte sogar kleine spitze Ohren aufgesetzt. Das überraschte ihn dann doch. So ein erwachsener Mann, und er trägt Latex-Ohren, also nein wirklich. Aber sogar dieses Detail störte den Gesamteindruck von Würde nicht.

Als es im Saal ganz still geworden war, begann der Besucher zu sprechen. Er hatte eine wohlklingende Stimme, tief und voll und warm. Er fragte ihn, ob er denn an die Existenz all dieser Figuren in seinen Filmen glaube, und ob er es für möglich halte, daß diese Personen aus lang vergangener Zeit immer noch unter den heutigen Menschen weilen würden. Dazu lächelte er ein bisschen in sich hinein. Dem Mann auf der Bühne wurde ziemlich warm, er, der eigentlich schon so abgebrüht wirken wollte, er, der sich als so erhaben über der Masse vor ihm fühlen wollte, er kam sich ganz klein und verlegen vor. So eine Frage war ihm schon tausendmal gestellt worden, und er hatte die immer gleiche nichtssagende Antwort parat. Er sollte sie diesmal nicht geben können. Stattdessen begann er nachzudenken, ob es denn tatsächlich sein konnte, ob es möglich wäre, daß...  Aber er kam zu keinem Schluß. Also lächelte er den geheimnisvollen Mann nochmals charmant an, wenigstens das konnte er, und versuchte sich irgendwie herauszuwinden. Er gab eben doch wieder seine Standartantwort und war darüber selbst erschrocken. Der geheimnisvolle Besucher lächelte zurück, wie es schien war er enttäuscht. Er schien direkt in ihn hineinsehen zu können. Und das Schlimmste war, er spürte selbst, wie sehr er den Mann enttäuscht hatte, und daß er es diesmal richtig machen wollte. Der Besucher hatte offenbar etwas mehr erwartet, war aber nicht überrascht, daß es dieser Mann da auf der Bühne ihm nicht geben konnte.

Er brachte seine Vorstellung noch schnell hinter sich. Irgendwie war es diesmal anders als jede Veranstaltung davor. Das Autogramme geben stand ja auch noch an. Er hoffte inständig, diesen besonderen Besucher dort nochmals zu sehen bekam. Dann könnte er ihm erklären, was es bedeutete, vor vielen Leuten zu stehen und deren Erwartungen erfüllen zu müssen. Und welche Antwort er jetzt, nachdem er nachdenken konnte, geben würde. Er war darüber selbst überrascht. Es sollte ihm nicht so nahe gehen, daß er einen Fan von Tausenden enttäuscht hatte.

Aber der Besucher kam nicht zur Autogrammstunde. Er ging, immer noch leise in sich lächelnd, entgegen den Strom aus Menschen, der ihm entgegenkam. Sie machten ihm Platz. Er freute sich, daß es ihm wieder einmal gelungen war, in der Öffentlichkeit aufzutauchen, Verwirrung zu stiften, und einen dieser selbstgefälligen Menschen zum Nachdenken zu bringen. Viel konnte er in dieser Zeit nicht ausrichten, die große Zeit seines Volkes war leider seit langem vorbei. Aber, in kleinen Schritten würde er diese Menschen wieder dazubringen können, etwas mehr zu sehen als das Offensichtliche. Und wenn es noch mal so lange dauern würde, wie bisher. Darauf freute er sich schon.


~~~~~