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Titel: Rasur Autor: Dark Bat
Endlich
war der Sommer da. Lange genug hatte es ja gedauert.
Es war so, als hätte die Natur gezögert.
Erestor genoß die Ruhe im Garten von Imladris.
Er hatte sich außer Sichtweite des Haupthauses
hinter eine Hecke zurückgezogen und ins Gras gelegt.
Es war still, die Luft war warm, fast schon zu heiß
zu nennen. In der Ferne war das Rauschen des Bruinen
gedämpft zu hören.
Bienen summten eifrig um Blüten, die in den
letzten Tagen geradezu explosionsartig aufgeblüht
waren. Das Gras duftete. Erestor hatte seine formale
Robe abgelegt und lag nun in der leichten Untertunika
im Schatten der dichten Hecke. Ihm war schläfrig
zumute, schließlich war in den letzten Wochen
sehr viel zu tun gewesen. Und er war dankbar für
die Pause, die er sich einfach genommen hatte.
Die letzten Wochen waren ereignisreich gewesen. Mehr
als üblich. Da es erst sehr spät im Jahr warm
und trocken geworden war, kamen die Besucher natürlich
auch erst jetzt. Vorher war ein Reisen zu Pferd oder
zu Fuß gar nicht möglich gewesen.
Natürlich hieß das auch wesentlich mehr
Arbeit für alle. Elrond war die letzten Tage deshalb
ohne größere Pausen tätig. Und mit ihm
seine Berater.
Erestor fand jedoch, daß sein Herr diesmal
ein wenig übertrieb. Er hatte mehrmals versucht,
ihm zu verstehen zu geben, daß er sich und allen
anderen eine Pause gönnen sollte. Was Elrond aber
nicht tat.
Deshalb hatte er sich auch mehr oder weniger davongeschlichen.
Er war einfach nur erschöpft.
Erestor fand es wundervoll, in der Sonne zu liegen,
dem Summen der Bienen zu lauschen und schloß seine
Augen, um das wohlige Gefühl auszukosten. Dazu
noch das Rauschen des Bruinen, das immer leiser und
leiser wurde, genau wie das Summen der Bienen, dieses
leise, entfernte Summen, so schön weit entfernt...
„ERESTOOOOR!“
Was war das? WER war das? Wer wagte es!
Erestor sprang auf. Er war doch nicht etwa eingeschlafen?
Nein, das konnte nicht sein. Er hatte sich doch immer
unter Kontrolle. So eine Nachlässigkeit würde
ihm Elrond nicht durchgehen lassen, und noch weniger
er sich selbst.
Wieder hörte er seinen Namen rufen und beschloß,
der Sache nachzugehen. Der Ruf kam aus Richtung des
Haupthauses, also lief er darauf zu. Seine Robe streifte
er hastig im Gehen über. Schließlich konnte
er sich doch ohne sie nicht blicken lassen.
Am Eingang zum Hof stand Elrond. Er hielt ein paar
Blätter Pergament in der Hand und sah finsteren
Blickes Erestor entgegen.
„Mein Herr, Ihr habt gerufen?“
„Wo warst Du? Ich hätte Dich dringend gebraucht,
konnte Dich aber nicht finden. Du weißt, daß
wir sehr viel Arbeit haben. Hier, nimm bitte diese Aufstellungen
und sieh sie durch. Wir müssen wissen, wieviele
Körbe mit Nüssen vorhanden sind.“
Was? Körbe mit Nüssen? Was war los mit
Elrond?
Erestor sah seinen Herrn an. Er erschrak. Sein Herr
sah schrecklich aus. Übermüdet und gleichzeitig
wirkte er aufgedreht. Offenbar hatte er seit Tagen nicht
mehr schlafen können. Er war augenscheinlich erschöpfter
als je zuvor. Die Augen halb geschlossen, darunter Tränensäcke.
Seine Robe hatte Flecken und dazu noch einen Riß
am Saum. Und dazu noch etwas, was Erestor noch nie gesehen
hatte. Ein Bart. Zum Glück keiner, wie ihn die
Zwerge trugen, aber dennoch Haare im Gesicht. Wie konnte
ein Elb seines Alters einen Bart haben? Lag es wirklich
nur daran, daß Elrond die letzte Zeit so beschäftigt
war, daß er nicht mehr auf sich achten konnte?
Erestor nahm ihm die Blätter aus der Hand. Er
musterte ihn immer noch scharf, was Elrond jedoch nicht
zu bemerken schien. Er war weit, weit weg in seinen
Gedanken. Erestor faßte einen Entschluß.
Es würde ihm vielleicht als Eigenmächtigkeit
angekreidet werden, aber er fand, daß es so nicht
weiter gehen konnte.
„Elrond, mein Herr, Ihr seht furchtbar aus. Wann
habt Ihr das letzte Mal geschlafen? Oder ein Bad genommen?“
Erestor wartete auf einen Ausbruch Elronds. Der kam
auch nach etlichen Augenblicken nicht. Im Gegenteil,
mehr als ein gemurmeltes „Die Nüsse...“ war nicht
zu hören.
Das reichte Erestor. Er nahm gänzlich unbotmäßig
Elronds Arm und führte ihn in den Hof. Dabei redete
er auf ihn ein. „Elrond, ich bitte Euch, Ihr könnt
so nicht weitermachen. Imladris wird nicht untergehen,
wenn Ihr Euch nicht sofort um ein paar Körbe mit
Nüssen kümmern könnt. Dafür werde
ich sorgen. Ihr habt größere Aufgaben zu
erfüllen. Das könnt Ihr aber nur, wenn Ihr
respektiert werdet. Und das kann Euch in eurem gegenwärtigen
Zustand niemand“
Das Wort „Respekt“ schien zu Elrond durchzudringen.
Er hab den Kopf und sah Erestor an.
„Wie meinst Du? Wer will mir seinen Respekt versagen?“
„Keine Angst, mein Herr, niemand versagt Euch den
Respekt. Aber Ihr müßt Euch erst einmal wieder
herrichten lassen.“
„Wenn Ihr meint. Aber es ist doch noch soviel zu
erledigen...“
„Ich weiß. Ich kümmere mich darum. Aber
geht Ihr erst einmal in das neue Badehaus, das Ihr habt
bauen lassen.“
„Ich habe ein neues Badehaus?“
Erestor seufzte. Das würde schwieriger werden,
als er sich vorgestellt hatte. Wenn Elrond sich nicht
einmal daran erinnern konnte, daß er diese neue
Einrichtung, größer und mit mehr Möglichkeiten
als die alte, hatte bauen lassen.
„Ja, bitte, ich werde Euch dahin bringen. Und dann
vergeßt Ihr bitte die Nüsse.“
Elrond ließ sich nahezu widerstandslos unter
den erstaunten Blicken derjenigen, die im Hof standen,
hinführen.
Das neue Badehaus befand sich unterhalb des Hauptkomplexes
von Imladris. Es war ein wenig verborgen, so daß
diejenigen, die es nutzen wollten, auch diskret dahin
gelangen konnten. Erestor wußte, daß die
Bäder nicht unbedingt nur zur Reinigung des Körpers
genutzt wurden. Oh nein. Er selbst hatte einige schöne
Erinnerungen an das alte Bad. Allerdings war das jetzt
wohl zu klein geworden.
Das war jetzt jedoch nicht seine Absicht. Ihm ging
es zur Zeit lediglich darum seinem Freund zu helfen.
Er würde sich sonst noch zugrunde richten.
Erestor führte Elrond an den Räumen mit
den in den Boden eingelassenen Becken vorbei in ein
kleines Nebengelaß.
Das war eine neue Einrichtung. Sie wurde von den
Elben selbst wenig genutzt, aber die menschlichen Gäste
und auch manche der Zwerge wußten sie durchaus
zu schätzen. Die elbischen Mitglieder des Hauses
waren durchaus in der Lage, sich um ihr Haar selbst
zu kümmern. Aber Menschen? Die benötigten
dazu offenbar Hilfe, um sich repräsentabel zeigen
zu können.
Aber genau dies war es, was Elrond jetzt brauchte.
Erestor hatte bereits einmal die Künste der beiden
Elbinnen genossen. Und nicht nur, daß er danach
einfach nur gut aussah. Oh nein, die beiden hatten ihr
ganzes Können aufgeboten und ihn in einen wunderbar
entspannten Zustand versetzt. Sie kannten Handgriffe,
von denen er in seinem hauptsächlich von männlichen
Elben beherrschten Dasein noch nichts gehört hatte.
Und genau das war es, was Elrond jetzt benötigte.
Die beiden traten ein.
Der kleine gemütliche Raum lag im Halbdunkel.
Vor den Fenstern waren eine Art Jalousien heruntergelassen.
Diese ließen das Licht in waagerechten Streifen
ein, in denen glitzernder Staub tanzte.
Maryel, eine dunkelhaarige Elbin, stand an einem
mit Wasser gefüllten Becken und wusch einige Gerätschaften
sauber. Sie drehte sich um und musterte die Eintretenden.
Eine Strähne ihres langen, dunklen, glänzenden
Haares war ihr ins Gesicht gefallen und sie schob sich
diese in einer selbstvergessenen Geste wieder hinter
das Ohr.
Die andere Elbin stand weiter hinten in Raum und
sah ihnen ebenfalls entgegen. Erestor wußte, daß
sie Suelin hieß. Sie hatte ein gefährlich
aussehendes messerartiges Gerät in der Hand, welches
sie gerade schärfte.
Maryel lächelte Erestor an: „Tretet ein, mein
Herr. Womit können wir Euch dienlich sein?“ Suelin
sagte nichts, beobachtete nur.
Erestor bedankte sich für die freundliche Begrüßung:
„Danke. Jedoch komme ich diesmal nicht, um für
mich Entspannung zu suchen. Ich bringe euch jedoch jemanden,
der es viel, viel nötiger hat.“
Mit diesen Worten trat er beiseite und gab damit
den Blick auf seinen Herrn frei. Maryel schnappte hörbar
nach Luft, sagte jedoch nichts.
„Lord Elrond, darf ich vorstellen? Dies sind die
beiden Künstlerinnen, die sich jetzt um Euch kümmern
werden. Sie werden Euch präsentabel herrichten.
Und dabei werdet Ihr Euch entspannen. Um die belange
des Haushaltes kümmere ich mich inzwischen. Seid
versichert, auch die Körbe mit Nüssen, um
die Ihr Euch sorgt, werden genauestens gezählt.
Ich weiß, daß das Nußöl aus Imladris
sehr begehrt ist.“
Mit diesen Worten nahm ihm Erestor die verschmutzte
Robe von den Schultern. Maryel faßte Elrond am
Arm und führte ihn zu einem sehr bequem aussehenden
Stuhl, der mitten im Raum stand. Er ließ sich
darauf nieder und warf seinem Freund einen verwirrten
Blick zu. Der nickte jedoch nur freundlich und verabschiedete
sich.
Im Hinausgehen warf Erestor jedoch noch einen Blick
über die Schulter zurück und musterte kurz
die immer noch bewegungslos in der Ecke stehende Suelin.
Es gefiel ihm nicht so ganz, wie sie Elrond musterte.
Diese hatte das jedoch nicht bemerkt und beschäftigte
sich mit ihrem Messer, das sie immer noch unbewußt
schärfte.
Maryel ihrerseits sah sich Elrond genau an. Er war
erschöpft, unter den Augen hatte er dunkle Ringe,
sein Blick ging ins Leere. Das Schlimmste jedoch waren
diese Haare in seinem Gesicht. Man erkannte kaum noch
seinen Mund. Sie fragte ihn: „Mein Lord, ich weiß,
Ihr habt noch nicht das dritte Alter der Elben erreicht,
dafür seid ihr noch nicht alt genug. Wieso wächst
Euch trotzdem dieses, dieses Zeug im Gesicht?“
Elrond schreckte auf. Offenbar war ihm erst jetzt
bewußt geworden, wo und in wessen Gesellschaft
er sich befand. Er blickte Maryel an: „Vielleicht liegt
es an meinen menschlichen Vorfahren.“ Danach schwieg
er wieder und musterte die Einrichtung.
Es war warm in diesem Raum. Die beiden Elbinnen trugen
nur ihre Arbeitskittel. Maryel stelle sich neben den
Stuhl und begann, Elrond langsam und vorsichtig die
Untertunika am Hals aufzuschnüren. Dabei redete
sie beruhigend auf ihn ein, wie eine besorgte Mutter
auf ihr unwilliges Kind.
Suelin kam endlich aus ihrer Ecke. Sie hatte immer
noch das scharfe Messer in der Hand. Elrond bemerkte
die Bewegung aus den Augenwinkeln und machte erschrocken
eine abwehrende Bewegung. Maryel war jedoch schneller.
Sie hielt flink seine Hände fest. Und obwohl er
viel stärker war als sie, ließ er es geschehen.
Maryel stellte sich vor ihn, seine Hände immer
noch festhaltend, und sah ihn lange an. „Mein Lord,
Erestor hat gesagt, wir sollen uns um Euch kümmern.
Und das werden wir tun. Er weiß genau, wovon er
spricht, er war schon mehrere Male bei uns. Ihr braucht
Euch um nichts zu sorgen, wir werden alles, wirklich
alles versuchen, um Euch zu entspannen.“
Sie blickte hoch zu Suelin, die inzwischen hinter
Elronds Stuhl stand und auf ihn hinunter blickte. Dann
setzte sich Maryel sehr unzeremoniell rittlings auf
seinen Schoß. Sie merkte, wie er sich wieder verkrampfte
und lächelt ihn an. Seine Hände hatte sie
immer noch nicht wieder freigegeben.
Suelin griff mit ihrer freien Hand nach einer kleinen
Schüssel und reichte sie der anderen. Dann ging
sie ein paar Schritte, um noch einen Krug mit Wasser
zu holen.
Maryel hatte inzwischen eine Hand wieder losgelassen
und beugte sich vor, dicht an Elrond heran. Ihr Oberkörper
streifte dabei seine breite Brust und sie spürte,
wie er sich noch mehr verkrampfte. Sie warf ihm einen
unschuldigen Blick zu: „Weshalb seid Ihr besorgt? Ich
wollte doch nur dieses holen!“ Dabei richtete sie sich
wieder auf und zeigte ihm eine kleine bunte Glasflasche.
„Das ist nur Seife!“
Elrond entspannte sich nicht. Inzwischen hatte Suelin
das Wasser bereit, lehnte sich ihrerseits von hinten
über seine rechte Schulter und goß einiges
davon in die Schüssel. Maryel öffnete die
Flasche und schnupperte daran. Sie nickte anerkennend
und meinte zu Suelin: „Das ist gut. Es enthält
genau die richtigen Kräuter, die wir für seine
Entspannung benötigen.“
Suelin zog hörbar die Luft ein: „Oh, ja, das
ist gut.“ Ihre Stimme klang belegt. Elrond wollte sich
erschrocken umdrehen. Durch die unverhoffte Bewegung
hätte Maryel beinahe die Schale verloren. Sie konnte
sie gerade noch festhalten. Allerdings war ein bißchen
Wasser über den Rand und auf Elronds Oberschenkel
gespritzt.
Maryel schaute ihn tadelnd an: „Bitte, bleibt ruhig
sitzen. Euch wird wirklich nichts geschehn, vertraut
uns!“
Sie stellte die Schale zwischen ihren Beinen auf
den seinen ab und begann, das Wasser mit der Flüssigkeit
aus der Karaffe zu versetzen. Dabei rührte sie
gelegentlich mit einem Zeigefinger um. Als sie zufrieden
war, gab sie Suelin die Flasche. Diese mußte sich
dafür wieder nach vorn beugen. Maryel beobachtete
genau die Reaktion Elronds, bereit, die Schüssel
schnell festzuhalten.
Elrond ließ es diesmal unbewegt geschehen.
Suelin nahm die Flasche und richtete sich wieder auf.
Maryel lächelte Elrond anerkennend an. Sie hatte
inzwischen beide Hände freigegeben und nahm einen
kleinen, dicken Pinsel aus der Kitteltasche. Damit rührte
sie die Flüssigkeit, bis sich ein sahniger, duftender
Schaum gebildet hatte. Elrond beobachtete dies fasziniert.
Als Maryel mit dem Ergebnis zufrieden war, nahm sie
den entstandenen Schaum mit dem Pinsel auf. Sie hielt
ihn vor Elronds Gesicht: „Mein Lord, bitte erschreckt
nicht wieder. Ich werde Euch dieses jetzt auf Euer Gesicht
geben. Es wird am Anfang ein wenig kalt sein. Erschreckt
nicht darüber. Es ist notwendig, damit Ihr bei
der anschließenden Prozedur keine Verletzungen
erleidet.“
Mit diesen Worten begann sie, den duftenden Schaum
auf seine linke Wange, oder besser gesagt, dort wo sie
diese vermutete, zu verteilen. Sie tat es mit geübten
langsamen Bewegungen. Es wirkte fast, als würde
sie ihn streicheln.
Als sie mit dieser Seite fertig war, lehnte sie sich
ein wenig zurück, um das Ergebnis zu begutachten.
Sie war zufrieden und nahm den Rest in Angriff. Elrond
hielt die Augen geschlossen und sog den Duft des Schaumes
ein. Er gefiel ihm. Es roch nach Wald, nach Leder und
nach kräftigen Kräutern. Endlich etwas, das
nicht nach Beeren oder Blüten roch. Davon gab es
schon viel zu viel in Imladris.
Langsam begann er, Gefallen an der Prozedur zu finden
und entspannte sich. Maryel, die dies spürte, sah
zu Suelin hoch und nickte. Diese nickte zurück
und gestattete sich ein kurzes Lächeln. Das scharfe,
blanke Messer hielt sie jedoch immer noch fest.
Endlich war Maryel fertig. Sie legte den Pinsel vorsichtig
auf die nun leere Schale und stellte sie beiseite.
Elrond öffnete wieder die Augen und blickte
sie fragend an.
„Mein Lord, Ihr seid jetzt soweit vorbereitet. Meine
Freundin, Suelin, wird jetzt beginnen, Euch diesen Schaum
wieder zu entfernen. Bitte erschreckt nicht, wenn Ihr
kalten Stahl spürt. Das ist notwendig, denn zusammen
mit dem Schaum werden diese Haare verschwinden. Also,
seid unbesorgt. Sie wird sehr, sehr vorsichtig sein.“
Dabei warf sie einen warnenden Blick auf Suelin. „Und
ich werde hier bleiben.“
Suelin trat näher und legte drei Finger von
hinten auf seine Stirn, um seinen Kopf ein wenig nach
hinten zu biegen. Als Elrond merkte, was sie vorhatte,
versteifte sich sein Nacken. Suelin schüttelte
den Kopf und wollte etwas sagen. Maryel machte eine
abwehrende Bewegung, so daß Suelin stumm blieb.
Maryel legte Ihre Hände auf Elronds Schultern
und sah ihn an: „Bitte, tut, was Suelin verlangt. Sie
möchte doch nur mit ihrer Aufgabe beginnen“.
Elrond seufzte und nickte leicht. Suelin legte wieder
ihre Hand auf seine Stirn und bog den Kopf nach hinten.
Sie setzte ihr Messer an seine Kehle. Elrond zuckte
diesmal nicht zusammen. Er spürte, daß dies
eine falsche Reaktion gewesen wäre.
Suelin schabte an seiner Kehle entlang in Richtung
Kinn. Es gab ein kratzendes Geräusch. Sie nahm
das Messer weg und wischte es an einem Tuch ab. Ein
Streifen nackter Haut war wieder sichtbar geworden,
glatt und zart.
Danach arbeitete sie schneller, rhythmischer. Es
war nur das Geräusch des Schabens zu hören.
Elrond entspannte sich zusehends unter den kundigen
Händen Suelins. Maryel konnte es spüren. Sie
hatte immer noch ihre Hände auf seinen Schultern
liegen und begann, sanft die verknoteten Muskeln unter
seiner Haut zu kneten.
Elrond gab ein wohliges Seufzen von sich. Maryel
mußte unwillkürlich lächeln. Genau so
reagierten alle, egal ob männlich oder weiblich,
Elben, Menschen oder Zwerge. Jedesmal, wenn sie ihre
Behandlungen erfuhren, kam irgendwann der Moment, in
dem sie alles losließen und sich nur noch bearbeiten
ließen.
Suelin wurde fertig. Ein letzter Strich, und das
wunderschöne Gesicht Elronds, vor allem der ausdrucksstarke
Mund, war wieder sichtbar. So sah er doch viel, viel
besser aus.
Suelin ließ ihn los und legte das Messer zusammen
mit dem schmutzigen Tuch weg. Sie kam herum, um sich
ihr Werk zu betrachten. Maryel schaute hoch zu ihr,
nickte anerkennend und nahm ihre Hände von seinen
Schultern. Sie stand auf.
Elrond kam sich unversehens einsam vor. Auf einmal
fühlte er keine Hände mehr an irgendeiner
Stelle seines Körpers. Er öffnete die Augen
und versuchte sich zu orientieren.
Vor ihm standen zwei Elbinnen und schauten ihn zufrieden
an. Irgendwas war jedoch mit ihm geschehen, er fühlte
einen kühlen Luftzug im Gesicht und hob die Hände
ans Kinn, strich über die glatte Haut.
Die dunkelhaarige Elbin, Maryel hieß sie wohl,
lächelte ihn wieder an: „Nun, mein Lord, seid Ihr
zufrieden? Haben wir Euch neue Kraft geben können
für die Aufgaben, die vor Euch liegen? Erestor
hatte Euch in einem schlimmen Zustand zu uns gebracht.
Wir hoffen, wir konnten Euch von Nutzen sein. Bitte,
erlaubt noch einen ganz kurzen Handgriff. Er dient der
Vollendung Eurer Entspannung.“
Sie ging zu einem kleinen Tisch hinüber, nahm
eine irdene Flasche in die Hand und brachte sie her.
Sie öffnete die Flasche und ließ die klare
Flüssigkeit daraus in ihre hohle Hand fließen.
Schnell ginge sie damit zu Elrond, dabei die Flüssigkeit
auf beide Hände verteilend und rieb ihm damit geschwind
die Wangen ein. Er zog scharf die Luft ein, denn es
war eiskalt. Sehr schnell verflog jedoch die Kälte
und ein wunderbarer Duft zog durch den Raum.
Maryel trat zurück und reichte ihm die Hand:
„Bitte, steht auf. Ihr seid jetzt hier fertig. Suelin,
bitte schau im Vorraum nach, ob Erestor eine neue Robe
hat schicken lassen.“ Suelin ging und Maryel ließ
noch einen langen Blick an Elrond herabwandern, der
immer noch leicht benommen in seiner Untertunika vor
ihr stand. „So können wir Euch doch nicht gehen
lassen. Nicht, daß es noch Gerede in Imladris
gibt“
Suelin kam mit einer leichten Robe herein und reichte
sie Maryel. Diese legte sie Elrond über die Schultern.
Suelin stellte sich neben Maryel, blickte Elrond
nochmals ins Gesicht und sagte, immer noch mit belegter
Stimme: „Mein Lord, wir danken Euch für die Ehre
Eures Besuches. Wir hoffen, es war alles nach Euren
Wünschen. Und, bitte, verzeiht, wenn ich nicht
sehr viel schwatzte. Es war nicht unhöflich gemeint.
Ich bin erkältet und deshalb fällt mir das
Sprechen schwer.“
Beide verbeugten sich leicht vor Elrond, der den
Raum erfrischt, voller Schwung und endlich rasiert verließ.
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