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Titel:
Wie drei Hobbits nicht nach Bree kamen Autor: Dietmar Preuß
Prolog
Die Schlacht
von Wasserau war lange geschlagen. Die berühmten
Hobbits Meriadoc Brandybock und Peregrin Tuk hatten
erfolgreich die Schergen Saurons und Sarumans aus dem
Auenland vertrieben. Die überlebenden Ostlinge,
Haradrim und anderen Strolche und Halunken waren in
ihre Heimat zurückgekehrt. König Elessar hatte
mit ihnen Frieden geschlossen.
Nach
der fürchterlichen Schlacht kehrte langsam wieder
die so sehr geliebte Ruhe und Ordnung im Auenland ein.
Die Hobbits gingen wieder ihren alten Gewohnheiten nach.
Dazu gehörte auch, jedwedes Abenteuer abzulehnen,
dass länger dauerte, als zwischen zwei Mahlzeiten
Zeit war. So betrachtet erschien den Auenländern
sogar die Abenteuerlust der Herren Tuk und Brandyock
als sehr bedenklich. Natürlich wusste jeder, dass
ohne diese beiden Abenteurer das Auenland nicht gerettet
worden wäre. So galten Herr Tuk und Herr Brandybock
zwar als Helden, Herr Tuk war sogar der aussichtsreichste
Anwärter auf das künftige Thainsamt. Aber
bei einigen Hobbits hatten sie schon wieder einen eher
zweifelhaften Ruf. Darunter waren einige, die sich Pippin
nicht als zukünftigen Thain vorstellen konnten
König
Elessar hatte auch verfügt, dass kein Mensch den
Baranduin, den die Hobbits Brandywein nannten, überqueren
und das Auenland stören dürfe. Die ehrbaren
Menschen hielten sich daran. Hier und da mochten sich
noch vereinzelte Haradrim oder kleine Gruppen Ostlinge
in den Wäldern aufhalten und die Straßen
unsicher machen. Aber Wegelagerer hatte es schon immer
gegeben, und die meisten wurden jenseits der Brandyweinbrücke
gesehen.
Selbst
der König, der einige Jahre nach dem Ende des Ringkrieges
seine alten Kampfgefährten besuchte, betrat die
Brücke über den Brandywein nicht. Pippin,
auf den die Auenländer hörten, als sei er
schon zum Thain ernannt worden, hatte dafür gesorgt,
dass die Hobbits eine prächtige Zeltstadt in den
jenseitigen Uferwiesen aufbauten. Das Auenland erwies
so dem König seine Ehrerbietung. Zwei Tage lang
dauerten die Festlichkeiten, und König Elessar
und seine Königin Arwen, die eine Elbin und die
schönste Frau Mittelerdes war, konnten sich wieder
einmal vom sagenhaften Appetit des Hobbitvolkes überzeugen.
Merry und Pippin, die als Helden und wegen ihrer Abenteuerlust
mittlerweile als etwas verrückt galten, empfingen
den König am östlichen Ufer des Brandywein.
Die Hobbits
des Auenlandes kannte bis dahin nur Geschichten von
Merrys und Pippins Abenteuern. Aber als vernünftige
Leute trauten sie ihren Augen eher als verrückten
Erzählungen. Als der König mit seinem kleinen
Gefolge erschien, murmelte die wartende Menge vor Aufregung
und Ehrfurcht. Der hochgewachsene König stieg ohne
Gehabe vom Pferd und eilte auf Merry und Pippin zu.
Die riefen laut "Streicher!", stürmten
auf ihn zu und die drei alten Gefährten umarmten
sich fest und lange.
Da waren
die Zuschauer mucksmäuschenstill. Die Achtung der
Hobbits vor Peregrin Tuk und Meriadoc Brandybock, dem
zukünftigen Herrn von Bockland, stieg in diesen
Tagen beträchtlich.
Aber
nicht allein deswegen waren Herr Tuk und Herr Brandybock
sehr angesehen. Sie hatten tatkräftig den Aufbau
des Auenlandes geplant und natürlich auch tüchtig
mit angefasst. Herr Brandybock hatte nicht einmal den
ihm zustehenden Platz im Bockenburger Schloss eingenommen,
sondern teilte sich mit Herrn Tuk eine Höhle in
Hobbingen, auf die leider niemand mehr Anspruch erheben
konnte.
.
Zwei
berühmte Hobbits
Peregrin
Tuk, dieser berühmte Hobbit des Auenlandes, war
auf dem Weg zu seiner Höhle. In seiner Berühmtheit
stand er nur Sam Gamdschie, Frode Beutlin und vielleicht
dessen Onkel Bilbo nach. Es gab nur noch einen weiteren
Hobbit, der ebenso berühmt war wie er. Das war
ein gewisser Gemüsedieb namens Meriadoc Brandybock.
Mit diesem Hobbit, genannt Merry, teilte er sich seit
ihrer Rückkehr von den Abenteuern mit Elben, Königen
und Zwergen eine verwaiste Höhle in Hobbingen.
Pippin
und Merry hatten an den langen Abenden im "Grünen
Drachen" immer wieder erzählt, sie hätten
nicht nur zahlreiche Abenteuer erlebt, was schon bedenklich
genug war. Sie wollten sogar Anteil am Krieg der Großen,
der Menschen und Elben, gegen den bösen Herrscher
Sauron gehabt haben. Verbürgt war allerdings nur,
dass sie schon vor ihrer langen Reise eifrige Gemüsediebe
waren.
Aber
wie es so war im Auenland, grüßte man auch
diese beiden Sonderlinge höflich. Man unterhielt
sich freundlich über die vergangene Ernte und den
letzten Jahrgang des Pfeifenkrauts, machte seine Geschäfte
mit ihnen und trank gerne auf ihre Gesundheit, wenn
sie im "Grünen Drachen" einen Krug spendierten.
Wenn Merry und Pippin nicht anwesend waren, konnte man
sich immer noch den Kopf über die beiden heiß
reden.
Merry
hörte Schritte vor der kreisrunden Höhlentür.
Ein Gehstock klapperte fröhlich auf den Bruchsteinplatten.
Daran erkannte er seine alten Freund Pippin, der soeben
die Tür öffnete. Soso, dachte Merry, es ist
schon wieder Teezeit. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen,
als er an die Kuchen und Rosinenbrote dachte, die er
gleich mit seinem alten Freund vertilgen wollte.
"Hallo
Pippin, alter Orktöter!", begrüßte
er seinen Freund.
Peregrin
Tuk setzte sein breitestes Grinsen auf.
"Euer
Diener, verehrter Herr", antwortete er nach Zwergenart
und verbeugte sich. Sein Bauch war in den Jahren seit
der Rückkehr von den Abenteuern um einiges dicker
geworden. So kam er mit rotem Kopf und einem Ächzen
wieder hoch.
Die beiden
Hobbits fielen sich in die Arme und klopften einander
beherzt auf die Rücken. "Komm herein, Pippin!
Ich wollte gerade den Tisch decken. Es ist Zeit für
die Teestunde mit reichlich Gebäck."
Pippin
nickte und wischte seine bepelzten Füße sorgfältig
an der dichtgewachsenen Grasmatte ab.
Der Esstisch
war ein großes, rundes Stück prächtiger
Handwerksarbeit. Die gemütlichen Stühle darum
wären bei weniger wohlhabenden Hobbits auch als
Sessel durchgegangen. Mit einem weiteren Ächzen
ließ sich Pippin in einen davon fallen. Sein Freund
Merry trug derweil zahlreiche Platten und Teller auf.
Butterkuchen gehörte zu einer richtigen Teezeit
ebenso dazu wie große Laibe Rosinenbrot. Zum Schluss
stellte Pippin einen dampfenden Krug Kahweaufguß
auf den Tisch.
Nachdem
im Auenland Ruhe und Frieden zurückgekehrt war,
waren wieder Händler gekommen. Die meisten waren
Zwerge, seltener Elben, manchmal vorgebliche Zauberer.
So war eine Art Nuss zu den Hobbits gekommen, die geröstet
und fein gemahlen einen anregenden Aufguss ergab. Gerade
nach einem üppigen Essen, was ja bei Hobbits die
Regel ist, schaffte der Wohlbehagen in den gespannten
Bäuchen.
Pippin
setzte sich, band sich ein enormes Taschentuch als Serviette
um, und die beiden Halblinge langten tüchtig zu.
Nachdem zwei Rosinenbrote und der größte
Teil des Butterkuchens vertilgt waren, aßen die
Freunde langsamer und bedächtiger.
Peregrin
war der erste, der sich zurücklehnte und die Hände
vor dem Bauch faltete. Der oberste Knopf seiner
Hose spannte, denn er war wirklich fett geworden. Pippin
holte tief Luft und wollte gerade etwas sagen, als ein
deutliches "Plopp" zu hören war. Der
Hosenknopf sprang förmlich von der Hose und landete
mit einem etwas leiseren "Plitsch" im Kahwekrug.
"Das
ist das dritte Mal in dieser Woche", stellte Merry
fest. "Aber nimm noch, alter Freund, oder glaubst
Du, den Kuchen trage ich wieder in die Speisekammer?
Soll ich frischen Kahwe aufgießen?"
Pippin
schüttelte den Kopf und sah sich langsam in der
Höhle um. Den Knopf würde er aus der Kanne
schütteln, wenn sie leer war.
"Sehr
gemütlich haben wir es hier", sagte er.
Merry
sah ihn an.
"So
ist es. Allerdings sieht die Höhle aus wie gestern,
wie vorgestern, wie letztes Jahr und im Jahr davor.
Und an beinahe jedem dieser Tage haben wir hier unsere
Mahlzeiten eingenommen."
Er schüttelte
den Kopf, verwundert über Pippins Bemerkung.
"Seit
der Ring vernichtet, seit Sauron tot ist, ist es sehr
friedlich geworden", sagte Peregrin.
"Und
seit Frodo nach Westernis gegangen ist, waren wir nicht
weiter von Hobbingen fort als bis zur Brandyweinbrücke,
wirst du gleich sagen", antwortete Merry.
"Weißt
Du noch, wie wir vor vielen Jahren mit der Bockenburger
Fähre den Brandywein überquerten? Ja, wir
haben seltsame Abenteuer erlebt. Gut, dass es damit
ein für alle mal vorbei ist", fuhr Pippin
fort.
"Höre
ich da etwa Wehmut in Deiner Stimme?", fragte Merry
seinen Freund. Pippin starrte durch die flackernden
Kaminflammen in weite Fernen.
"Nun
ja ...", sagte er gedehnt und legte die Hände
auf sein prächtiges Bäuchlein.
"Fünf
Mahlzeiten an einem Tag und eine warme und trockene
Höhle sind natürlich nicht zu verachten."
Mittlerweile
war die Teestunde in das Abendbrot übergegangen.
Merry stand auf, um die passenden Speisen herbeizuschaffen.
"Nun,
Herr Tuk, wenn ich Euch in Euren Gedanken stören
darf: Was darf ich zum Abendbrot auftischen? Etwas Brot
mit kaltem Braten? Meerrettich mit frischen Kräutern?
Es ist auch noch etwas von dem Schinken da, den letzte
Woche der Händler aus Bree verkauft hat."
Pippin
erwachte für eine Moment aus seiner Versunkenheit.
"Oh
ja, Herr Brandybock, das hört sich sehr nahrhaft
an. Vielleicht einen oder zwei Krüge Gerstenbier
dazu, wenn ich bitten darf?"
Merry
stand auf und verließ den Raum mit dem gemütlichen
Kamin, dem großen Esstisch und der geblümten
Tischdecke darauf. Zwei Türen weiter befand sich
die Speisekammer, ein Raum ohne Fenster, dafür
schön kühl, weil er tief im Hang lag. Den
Raum nur Kammer zu nennen, wäre natürlich
untertrieben. Wie es sich für eine Hobbithöhle
gehörte, war der Raum mit nicht weniger als vier
großen Schritten zu durchmessen. Die Regale an
den Wänden reichten bis an die Decke und waren
voll mit den verschiedensten Köstlichkeiten. Eine
Wand war freigehalten für diverse Fässer mit
Gerstenbier und Rebenzucker, wie der süße
Wein aus dem fernen Süden hieß, der jetzt
gehandelt wurde.
Merry
packte sich die Arme voll und balancierte die vielen
guten Sachen ins Esszimmer. Pippin stierte weiter ins
Feuer und schien seinen alten Freund gar nicht zu bemerken.
"Es
wäre wirklich nett, wenn Du mir ein wenig behilflich
sein könntest, mein lieber Herr Peregrin Tuk."
Der Tadel
brachte Pippin wieder in die Wirklichkeit zurück.
Schuldbewusst sprang er auf, nahm Merry aber nur den
Krug mit Bier und die beiden tönernen Becher ab.
Mit den drei Etagen Tellern und Tabletts auf seinem
anderen Arm musste Merry selbst fertig werden. Er verdrehte
die Augen und schüttelte den Kopf.
Während
Pippin die Becher mit dem kühlen, schäumenden
Gerstensaft füllte, ordnete Merry die Tafel. Die
Reste der Teezeit räumt er nicht weg. Wer wusste
schon, ob man nach dem Abendbrot nicht noch ein paar
süße Häppchen vertragen konnte.
Pippin
nahm einen tiefen Zug aus seinem Becher, schmatzte,
um dem bitteren Geschmack auf der Zunge nachzusinnen
und wischte sich den Mund mit der Hand ab.
"Weißt
du, Merry, welches Bier von allen, die wir gemeinsam
getrunken haben, am besten geschmeckt hat?"
"Nein,
aber ich habe so eine Ahnung, was jetzt kommt",
antwortete der.
"Das
Bier bei Gerstenmann Butterblüm in Bree",
ließ sich Pippin nicht beirren. "Aber ich
glaube, das Bier an sich war gar nicht besser als dieses
gute Gebräu aus unserer Speisekammer."
Merry
machte ein verständnisloses Gesicht.
"Das
Bier im 'Tänzelnden Pony' hat nur aus einem Grund
besser geschmeckt: Wegen der Abenteuer, die wir vorher
erlebt haben."
Jetzt
verstand Merry.
"Du
meinst, die Angst und die Not, die Anstrengung und die
Gefahr haben dafür gesorgt, dass unser Durst größer,
unsere Erleichterung nie zuvor tiefer war und wir deshalb
Butterblüms Bier so richtig genießen konnten?"
"Genau
so ist es!", rief Pippin. "Und nie wieder
wird uns ein Bier oder ein einfaches Mahl so gut schmecken
wie nach einem überstandenen Abenteuer."
"Ich
glaube, ich weiß, was Du gleich sagen willst,
närrischer Tuk." Merry gebrauchte die Bezeichnung,
die Gandalf immer benutzt hatte, wenn Pippin wieder
einmal etwas Törichtes eingefallen war.
"Wir
könnten nach Bree wandern", schlug Pippin
vor. "Das wäre doch fast ein Abenteuer. Und
zur Belohnung trinken wir einen der großen Krüge
Bier im 'Tänzelnden Pony'."
"Vielleicht
auch zwei oder drei!", stimmte Merry zu.
Er ließ
sich mitreißen von der abenteuerlustigen Stimmung
seines alten Freundes.
"Ja,
und unterwegs tun wir etwas, das wir schon lange nicht
mehr getan haben."
Merry
sah seinen alten Freund fragend an. "Bauer Maggot?"
"Und
ob, Herr Brandybock. Es wird Zeit, dass wir ihm mal
wieder ein paar Möhren aus dem Beet rupfen."
"Genau!",
juchzte Merry. "Und wenn er uns erwischt, nehmen
wir die Beine in die Hand. Wie in alten Tagen."
Das war
das Stichwort, sich an eben diese alten Zeiten zu erinnern.
Bei geschmorten Zwiebeln mit Pilzen auf frischem Brot
und gut abgehangenen Würstchen schwelgten sie in
den Abenteuern, die sie vor so vielen Jahren erlebt
hatten.
Schon
oft hatten sie darüber gesprochen, noch einmal
ein Abenteuer zu erleben, nach Bree zu gehen oder gar
bis nach Bruchtal, Kämpfe auszufechten mit den
letzten Haradrim, die sich noch in der Nähe der
Oststraße herumtrieben. Allerdings war es immer
dabei geblieben, sich an die alten Kämpfe zu erinnern,
gut zu essen und irgendwann in den "Grünen
Drachen" zu gehen.
Als sie
einige Zeit später keinen Bissen mehr in ihre kugelrunden
Bäuche bekamen, seufzten sie wohlig. Die Behaglichkeit
hatte die Lust auf Abenteuer verdrängt.
"Den
Krug Abenteurerbier können wir genauso gut im 'Grünen
Drachen' trinken", schlug Merry vor.
Pippin
pflichtete ihm bei.
"Und
um bei Bauer Maggot Möhren zu stibitzen, müssen
wir nicht warten, bis wir uns nach Bree aufmachen."
"Richtig!
Gehen wir in den 'Grünen Drachen'."
Die Arme
einander um die Schultern gelegt, machten sich die beiden
Hobbits auf den kurzen Weg. Ihre großen, behaarten
Füße trugen sie eilig, und wegen der beiden
Krüge Gerstenbier, die sie schon getrunken hatten,
nicht mehr ganz so sicher in die Schenke. Weil sie die
bekanntesten Halblinge des Auenlandes waren, die bisher
nicht nach Westernis gegangen waren, und wegen der vielen
Geschichten, die sie zu erzählen hatten, brauchten
sie nur selten für ihr Bier bezahlen.
Ein vorlauter
Hobbit
Der "Grüne
Drache" war wie immer gut gefüllt, das hörten
Merry und Pippin schon von draußen und traten
ein. Die Tische mit den Platten aus dicken Eichenbohlen
standen voller Krüge schäumenden Bieres. Muntere
Hobbits saßen darum, pafften ihr langen Pfeifen,
tranken schmatzend das kühle Bier, erzählten
erfundene oder wahre Geschichten oder hörten den
lautesten Erzählern einfach zu. Nelli, das rundliche
Schankmädchen, eilte mit vollen Tabletts durch
die Reihen. Durch den Raum waberten dicke Rauchschwaden
des aromatischem Pfeifenkrauts. In irgendeiner Ecke
spielte jemand auf einer kleinen Weidenflöte eine
lustige Melodie.
Auch
diesmal rief ein stattlicher Hobbit bei ihrem Anblick:
"Da
kommen die Befreier des Auenlandes! Nelli, zwei Krüge
Gerstensaft für meine Freunde Peregrin und Meriadoc!
Schreib´ an für Borko Stolzfuß!"
Dieser
Borko Stolzfuß war für einen Hobbit recht
groß, hatte einen kantigen Schädel mit rotgeäderten
Wangen und Augen, die selten klar blickten. Er saß
mit dem Rücken zur Wand im hinteren Bereich der
Schankwirtschaft, die Füße auf dem Tisch.
Seinen Krug mit Gerstenbier ließ er nicht einen
Augenblick los.
Das Hallo
wollte nicht enden und aus verschiedenen Ecken wurde
gerufen.
"Eine
Geschichte, Herr Tuk! Erzähl uns was, Merry! Erzählt
von euren Abenteuern."
Pippin
und Merry war diese Aufmerksamkeit sehr recht. Wegen
des Entwassers, das Baumbart sie vor vielen Jahren trinken
ließ, waren sie größer als alle anderen
Hobbits, größer sogar als die kräftigen
Söhne und Knechte Bauer Maggots. Sie brauchten
sich daher nicht auf einen Schemel zu stellen, um von
allen gesehen und gehört zu werden, sie überragten
auch so alle Anwesenden.
Pippin
gefiel aber der Ton nicht, mit dem Borko Stolzfuß
das Gerstenbier für sie bestellt hatte, denn es
hatte ein wenig nach Spott und Hohn geklungen. Trotzdem
begann er zu erzählen, vom Fangorn und ihren Abenteuern
mit den Ents. Als Pippin zum halbhundertsten Male die
Höhle des Ents Baumbart beschrieb, meldete sich
Borko Stolzfuß zu Wort, der sich auch einmal gewisse
Chancen auf das Thainsamt ausgerechnet hatte.
"Ist
ja nun schon reichlich lange her, die Herren. Lebt seither
ganz gut von dem, was man euch hinterlassen hat. Ehrliche
Arbeit habt ihr nicht mehr gesehen und ein Abenteuer
schon gar nicht."
Eine
peinliche Stille war im "Grünen Drachen"
entstanden. Alle Hobbits beobachteten Borko und Pippin
und Merry. Pippin, der nicht auf Streit aus war, weil
sein Bauch immer noch rund und voll vom Abendbrot war,
rief daher:
"Nelli,
ein Krug Gerstenbier für den alten Borko, als Dank
für seine Runde! Und bring ihm auch noch vom Gebrannten."
Die Ostlinge,
die im Namen Sarumans das Auenland besetzt und verwüstet
hatten, hatten auch das Rezept für den Gebrannten
mitgebracht. In einer der qualmenden und stinkenden
Schlotschuppen hatten sie Hobbits gezwungen, aus gemaischtem
Getreide dieses scharfe Getränk herzustellen. Die
Aufmüpfigen unter den Auenländern hatten sie
mit diesem scharfen Getränk gefügig gemacht.
Sie zwangen sie, große Becher des Zeugs zu trinken,
so dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnten.
Leider
war der Gebrannte nicht wieder mit den Ostlingen verschwunden.
Einige Hobbits vernachlässigten ihre Felder und
Gärten, verpfändeten gar ihre Höhlen,
um möglichst oft dem Gebrannten zuzusprechen. Borko
Stolzfuß hatte zwar Feld und Höhle nicht
verpfändet, denn dann hätte er eine Tracht
Prügel von seiner Frau bekommen. Aber er trank
mehr vom Gebrannten als er vertrug.
Für
den Moment war Borko Stolzfuß ruhiggestellt. Peregrin
und Meriadoc wurden von den anderen Hobbits umlagert.
Man klopfte ihnen auf die Schultern und manch einer
nannte Pippin schon den zukünftigen Thain des Auenlands.
So waren die Hobbits: Zwar zerrissen sie sich gerne
und lange die Mäuler über die bedenklich abenteuerliche
Lebensart des Herrn Tuk. Aber dennoch anerkannten sie
seine Tüchtigkeit, die ihn zu dem Kandidaten auf
das Amt des Thain machte. Damit war Borko Stolzfuß
nun aber doch nicht einverstanden.
"Warum
sollte gerade der Herr Tuk Thain werden?", rief
er dazwischen.
Seine
Zunge war schon etwas schwer vom Gebrannten. Merry und
Pippin sahen mit einigem Abscheu zu ihm herüber.
Sie hassten das scharfe Getränk, hatten sie doch
auf ihrem Gewaltmarsch mit den Orks unfreiwillig damit
Bekanntschaft damit machen müssen.
"Nur
weil Herr Tuk in seltsame Abenteuer geschlittert und
heile zurückgekehrt ist?", grölte Borko
Stolzfuß weiter.
"Ich
habe auch gekämpft, um Orks und Ostlinge aus dem
Auenland zu vertreiben. Danach bin ich aber weiter meiner
ehrlichen Arbeit nachgegangen und habe mich nicht auf
meinen Lorbeeren ausgeruht, wie diese beiden Herren."
Wieder
war Stille eingekehrt. Diejenigen Hobbits, die auch
nach dieser dunklen Zeit Abenteuer für verwerflich
hielten, pflichteten Borko insgeheim bei. Merry wollte
dem Stolzfuß gerade erklären, dass ohne sie
beide gar kein Aufstand gegen Sarumans und Saurons Diener
begonnen hätte und dass sie noch viel größere
Abenteuer als dieses erlebt hatten. Aber Pippin legte
eine Hand auf Merrys Arm und sprach mit sonderbar ruhiger
Stimme.
"Wir
haben uns nicht auf unseren Lorbeeren ausgeruht. Wir
haben geholfen, das Auenland wieder herzurichten. Zwar
mag unser letztes Abenteuer lange her sein, aber wir
werden bald ein neues beginnen. Wir werden einen alten
Freund in Bree besuchen. Wenn Du so mutig bist, wie
der Gebrannte Dich reden lässt, komm doch mit,
Borko Stolzfuß. Die Ernte ist eingebracht, gleich
morgen geht es los. Wenn du Thain werden willst, ist
es vielleicht nicht schlecht zu wissen, wie es außerhalb
des Auenlandes aussieht."
Alle
Augen richteten sich auf Borko. Man war gespannt, ob
er sich herausfordern oder ins Bockenburger Horn jagen
ließ. Nur Merry sah Pippin an und versuchte, sich
sein Staunen nicht anmerken zu lassen. Zwar hatten sie
gerade erst über ein neues Abenteuer gesprochen.
Aber das hatten sie in den letzten Jahren schon oft
getan und waren dann bequem in ihrer warmen Höhlen
geblieben.
Borko
Stolzfuß fühlte, dass alle Augen auf ihn
gerichtet waren. Wenn er nicht als Feigling dastehen
wollte, musste er zusagen. Schließlich sollte
es nur nach Bree gehen. Ließ man die Südländer
und Ostlinge, die sich immer noch vereinzelt in der
Gegend herumtrieben, außer acht, war das ja beinahe
gar kein Abenteuer. Schlug er aus, wären seine
Chancen, Thain zu werden, ein für alle mal zunichte
gemacht.
"Natürlich
komme ich mit. Wollen doch mal sehen, was an euch beiden
dran ist", rief er laut, so dass alle Anwesenden
es hörten. Die Wirkung des Gebrannten bei ihm war
schlagartig verflogen und einige Hobbits behaupteten
am nächsten Abend in der Schenke, seine Stimme
hätte schon etwas gezittert.
Das Stimmengemurmel
wurde lauter ob dieser kleinen Sensation. Borko Stolzfuß
geht auf eine abenteuerlich Reise mit Meriadoc Brandybock
und Peregrin Tuk! Das würde Gesprächsstoff
für die nächsten Tage liefern.
Viele
Hände klopften Borko Stolzfuß, der nicht
wusste, ob er sich im neuen Ruhm sonnen oder im Boden
versinken solle, auf die Schultern.
"Wann
geht es los?", riefen viele Stimmen aus der Menge.
"Bist
Du Dir sicher, dass Du so eine weite Strecke schaffst,
Borko?", fragte Pippin, an Borkos Ausdauer zweifelnd.
"Na,
warum sollte ich das nicht schaffen, Herr Tuk? Ich bin
schließlich ein Hobbit im besten Alter und einer
der kräftigsten hier in Hobbingen", gab Borko
mächtig an und setzte noch hinzu: "Ihr glaubt
wohl, die einzigen tüchtigen und abenteuertauglichen
Hobbits zu sein."
"Ich
frage ja nur zu deinem besten, Borko."
Pippin
ließ sich nicht anmerken, dass ihn die ständigen
Sticheleien ärgerten.
"Bist
Du schon einmal so eine weite Strecke gewandert, Herr
Stolzfuß?", wollte Merry wissen. Borko machte
ein entrüstetes Gesicht.
"Also
glaubt auch der Herr Brandybock, dass ich weder zu Abenteuern
tauge, noch sonst zu etwas. Noch letzte Woche bin ich
täglich zwei mal zu meinem nördlichen Acker
gewandert."
Alle
Hobbits in der Schenke hatten die Ohren gespitzt und
verfolgten den Disput.
"Deine
Felder sind doch nur eine Stunde zu Fuß von deiner
Höhle entfernt, Stolzfuß!" rief jemand
aus dem vorderen Bereich des Schankraums.
"Und
außerdem bist Du nur deshalb gelaufen, weil Du
dem Wirt Dein Pferd und Deinen Karren als Pfand für
die vielen angeschriebenen Gerstenbiere und Krüge
mit Gebrannten geben musstest", kam es aus einer
anderen Ecke. Viele Hobbits lachten laut. Borko nahm
die Füße vom Tisch und richtete sich auf,
konnte aber nicht erkennen, wer der Rufer war.
"Und
nach Bree seid ihr Tage unterwegs", rief ein dritter
Hobbit. Bevor Borko aufbrausen konnte, fuhr Pippin dazwischen.
"Können
wir uns auf Deine Klinge verlassen, wenn Haradrim oder
Ostlinge uns angreifen? Denn das ist nicht ganz unwahrscheinlich,
Borko Stolzfuß."
"Aber
selbstverständlich. Bei der Schlacht von Wasserau
habe ich die Halunken reihenweise niedergemacht."
Borko sprach immer hitziger. Aber jetzt erklang wieder
Lachen aus mehreren Winkeln des "Grünen Drachen".
"Davongelaufen
bist Du!"
"Einen
einzigen hast Du erwischt!"
"Und
der war schon fast tot!"
"Unter
einem Fuhrwerk hast Du Dich versteckt!"
Und so
ging der Spott weiter.
Schließlich
stand Borko auf. Sein Gesicht war rot vor Zorn und zuviel
Gebranntem.
"Ich
werde Euch zeigen, wie Borko Stolzfuß so ein lächerliches
Abenteuer besteht. Morgen früh stehe ich bereit,
und wenn sich hundert Haradrim gegen uns stellen."
Damit
verschwand er heftig schnaufend und stieß ein
paar der anderen Gäste zur Seite, die ihm nicht
schnell genug aus dem Weg kamen.
Pippin
stand auf und rief ihm hinterher:
"Morgen
früh bei Sonnenaufgang machen wir uns auf den Weg."
Der Stolzfuß sollte keine Zeit mehr haben, sich
eine Ausrede einfallen zu lassen, dachte sich Pippin.
"Wir treffen uns vor der Schenke, Borko. Bring
einen guten Stock und reichlich Proviant mit. Und natürlich
ein Schwert."
Merry,
der immer noch nicht fassen konnte, was sein alter Freund
da eben angestiftet hatte, nahm Pippin beiseite.
"Wir
gehen jetzt nach Hause. Schließlich wollen wir
morgen ausgeruht sein."
Er zerrte
Pippin aus der Schenke, denn er wollte ihn endlich fragen,
was das alles zu bedeuten hatte. Um nicht noch zurückgehalten
zu werden, stiegen sie eilig den Bühl hinauf, der
zwischen der Schenke und ihrer Höhle lag. Dort,
wo der Weg sich wieder talwärts neigte, blieben
sie stehen.
"Was
hast Du Dir dabei gedacht, Peregrin Tuk?", verlangte
Merry zu wissen.
Pippin
sah in den Himmel. Zahllose kristallene Flammenpunkte
durchstachen die Nacht mit ihrem Glanz. Es dauerte eine
Weile, bis Pippin antwortete.
"Ich
musste heute an Bilbo Beutlin denken. Auch er hat ein
großes Abenteuer bestanden und war danach so lange
nicht glücklich, bis er zum zweiten Mal aufgebrochen
ist. Erst in Bruchtal hat er seinen Frieden gefunden."
Beide
Hobbits schwiegen eine Weile. Merry verstand seinen
Freund, waren ihm in der letzten Zeit doch oft ähnlich
Gedanken durch den Kopf gegangen. Pippin grinste jetzt.
"Außerdem
können wir so mehrere Fliegen mit einer Klappe
schlagen: Wir können uns einen Spaß mit Bauer
Maggot machen und danach für eine Weile verschwinden.
Außerdem verpassen wir diesem vorlauten Stolzfuß
einen Denkzettel."
"Ach,
ich wette, der kommt gar nicht. Er wird morgen mit einem
Brummschädel aufwachen und sich lieber noch einmal
umdrehen", meinte Merry.
"Und
dann hält er ein paar Wochen die Klappe",
bestätigte Pippin.
"Was
wollen wir eigentlich in Bree? Ich meine, außer
bei Butterblüm ein paar große Krüge
Gerstenbier zu trinken?", fragte jetzt Merry.
"Uns
wird schon etwas einfallen", gab Pippin zurück.
"Du
meinst, mir wird schon was einfallen. Schließlich
bin ich derjenige von uns beiden, der denkt", spöttelte
Merry und spurtete los. Johlend lief Pippin hinter ihm
her.
"Na
warte!", rief er. "Das werde ich Dir gleich
zeigen."
Bis zu
ihrer Höhle balgten sie sich, stießen einander
mit den Schultern und berieten, was auf die Reise mitzunehmen
sein. Jetzt, wo auch sie sich auf den Weg machen mussten,
um nicht zum Gespött von Hobbingen zu werden, waren
sie glücklich und aufgeregt.
Nachdem
Sie reichlich Proviant in zwei geräumige Rucksäcke
gepackt hatten, suchten sie alles andere zusammen. Ihre
Schwerter, die sie vor scheinbar unendlich langer Zeit
in den Hügelgräbern fanden, waren immer noch
tadellos in Schuss. Die Klingen glänzten und waren
scharf geschliffen. Die Gehänge waren immer gut
eingefettet worden, damit das Leder nicht spröde
wurde. Aus einem Ständer nahe der Eingangstür
wählten sie zwei kräftige Wanderstöcke,
mit denen sich zur Not auch ein aufdringlicher Wolfsfuchs
vertreiben ließ. Decken, Seile und ein Kochgeschirr,
für einen anständigen Hobbit unentbehrlich,
wanderten ebenso in die Rucksäcke. Noch einmal
gingen sie ihr Reisegepäck durch und fanden es
komplett.
"Nicht
mehr lange und die Sonne geht auf, Merry", sagte
Pippin.
"Wir
sollten versuchen, wenigsten eine kurze Weile zu schlafen.
Wir wollen auf unsere Wanderung ja nicht vor Borko Stolzfuß
Müdigkeit zeigen."
Drei
Hobbits brechen auf
Am nächsten
Morgen hatte sich vor dem "Grünen Drachen"
eine stattliche Zahl Hobbits versammelt. Selbst dieses
recht bescheidene Abenteuer, das Meriadoc Brandybock
und Peregrin Tuk beginnen wollten, war ungewöhnlich
genug, halb Hobbingen zu so früher Stunde aus den
warmen Betten zu treiben.
Die Leute
diskutierten aufgeregt, was die Reisegefährten
erwarten würde. Man klopfte Merry und Pippin auf
die Schultern, probierte das Gewicht der Rucksäcke
und stritt, ob ein Eschen- oder ein Buchenstab der bessere
Reisebegleiter sei. Ein paar Hobbits schüttelten
aber auch den Kopf über eine derart ungewöhnliche
Abenteuerlust. Selbst nach den unruhigen Zeiten gehörte
sich das für einen ehrbaren Hobbit nicht, meinten
viele. Aber auch diese Nachbarn waren anständig
genug, Merry und Pippin eine glückliche Heimkehr
zu wünschen.
Die Sonne
stand schon fast ganz über dem Horizont, als Borko
Stolzfuß im Laufschritt zur Dorfschenke kam. Die
Hobbits jubelten auch ihm zu und er grüßte
lautstark zurück.
"Einen
schönen guten Morgen wünsche ich den Herren."
Er hatte
erst nach einem großen Becher Gebrannten beschlossen,
das Beste aus der Sache zu machen, und war mit dem scharfen
Getränk im Bauch guter Stimmung. Merry und Pippin
rochen an seinem Atem deutlich, dass er sich Mut angetrunken
hatte. Sie hatten gar nicht mehr mit ihm gerechnet und
waren doch erstaunt. Aber dann erwiderten sie höflich
seinen Gruß und die drei Reisegefährten klopften
einander auf die Schultern.
"Ich
habe nicht geglaubt, dass Du den Mut aufbringst, Borko.
Selbst mit einem tüchtigen Schluck Gebrannten im
Bauch", fügte Merry dem Gruß hinzu.
"Den
Gebrannten habe ich wegen der Kälte eingenommen.
Ich muss mir keinen Mut antrinken, mein Herr",
sagte Borko und machte ein beleidigtes Gesicht.
Pippin
wollte nicht in schlechter Stimmung losmarschieren und
vergaß seine Bedenken.
"Ach
natürlich, alter Stolzfuß", rief er.
"Wer gegen die Ostlinge und Haradrim gekämpft
hat, den hindert auch nichts daran, nach Bree zu reisen,
was, alter Junge?"
Borko
Stolzfuß war zwar froh, von den beiden als Kamerad
behandelt zu werden, blieb aber dennoch ein Stolzfuß.
"Was
habt ihr denn gedacht, die Herren? Ein Stolzfuß
lässt sich nicht so leicht ins Bockenburger Horn
jagen. Schon lange nicht von zwei jungen Aufschneidern,
wie ihr es seid." Dabei war Borko auch nur wenige
Jahre älter als Pippin.
Die beiden
Freunde wollten sich die fröhliche Aufbruchstimmung
nicht verderben lassen und machten daher gute Miene
zu Borkos Worten. Nach weiteren zahlreichen guten Wünschen
und vielen Schulterklopfern brachen sie endlich auf.
Sie kehrten dem Bühl den Rücken zu und wandten
sich nach Süden.
Auch
Borko hatte einen Rucksack auf dem Rücken, prallvoll
mit Proviant und zwei Flaschen Gebranntem. Eine große
Pfanne war mit einem Lederriemen daran befestigt und
klapperte im Takt der Schritte. In seiner Rechten hielt
er einen kräftigen Eschenstab, dessen Spitze mit
Eisen beschlagen war, an seiner linken Hüfte hatte
er einen großen Dolch befestigt, den er vor Jahren
von durchreisenden Zwergen getauscht hatte. Für
einen Hobbit war der Dolch als Kurzschwert gut geeignet.
Merry
und Pippin schritten tüchtig voran. Ihre gute Laune
ließen sie sich auch nicht davon verderben, dass
Borko sie nun doch begleitete.
"Wir
werden uns schon zusammenraufen", hatte Pippin
leise zu Merry gesagt.
Sie hatten
in etwa den Weg gewählt, den sie auch vor so vielen
Jahren gegangen waren. Abseits der Oststraße wanderten
sie vier Tage durch das Grünbergland und Waldende
und verbrachten die Nächte unter freiem Himmel.
Sie brauchten diesmal natürlich mehr Zeit, da die
Rastpausen und Mahlzeiten länger ausfielen, als
bei der Flucht vor den Ringgeistern. Nur mit Schrecken
erinnerten sie sich an diese finsteren Gesellen. Dennoch
konnten sie nicht so üppig dem Essen zusprechen,
wie Hobbits es gerne tun, denn sonst würden sie
Wochen bis nach Bree benötigen. Borko war daher
bestürzt, als am ersten Tag der Wanderung zunächst
das zweite Frühstück und dann auch noch der
Tee ausblieb.
"Ach
ja, das haben wir vergessen zu erzählen. Wenn man
auf Reisen vorwärts kommen möchte, muss die
eine oder andere Mahlzeit ausfallen. Daran wirst Du
dich gewöhnen müssen", erklärte
ihm Merry.
Borkos
Magen war über diese Eröffnung so erschrocken,
dass er laut knurrte. Dem frisch gebackenen Abenteurer
war auch anzumerken, dass ihm das Schlafen in Feld und
Wald nicht sehr geheuer war. In der ersten Nacht schreckte
er bei dem kleinsten Geräusch, das die Natur um
sie herum machte, aus dem Schlummer. Aber bereits in
der dritten Nacht schlief er selig, dafür sorgten
die Anstrengungen des Tages. Er hielt zwar mit Merry
und Pippin mit, aber solche Strecken war er einfach
nicht gewohnt. Und wären die beiden alten Gefährten
noch so abgehärtet gewesen, wie am Ende des Ringkrieges,
Borko hätte nach einem Tag aufgegeben.
Am Morgen
des vierten Tages saßen sie bei einem reichlichen
Frühstück um ihre Feuerstelle und beratschlagten.
"Wie
geht es denn weiter, Herr Tuk? Nehmen wir die Bockenburger
Fähre und gehen durch den Alten Wald oder überqueren
wir auf der Oststraße den Brandywein?", wollte
Borko wissen.
"Natürlich
nehmen wir die Oststraße. Du willst doch wohl
nicht freiwillig den Alten Wald durchqueren? Da soll
es immer noch spuken!", sagte Pippin.
"Ach
was, ich habe keine Angst vor Spuk, im Gegensatz zu
euch beiden, will mir scheinen."
Pippin
und Merry zwinkerten sich zu. Borko schien einfach nicht
gewusst zu haben, dass es im Alten Wald spukte. Das
wollte er jetzt mit großen Worten verbergen.
"Wir
werden aber gleich eine Abkürzung nehmen, die uns
vielleicht zu unserem ersten Abenteuer
führt", fuhr Pippin fort. Merry grinste, denn
er wusste, dass sein Freund mit dem Abenteuer einen
Besuch bei Bauer Maggot meinte. Mehr ließ Pippin
nicht aus sich herauslocken und Merry pfiff vergnügt
ein Liedchen. Borko Stolzfuß grummelte irgend
etwas wie: "Pah, Abenteuer! Was soll schon
passieren? Alles nur Geschichten."
Als Merry
und Pippin nach einigen Stunden plötzlich stehen
blieben, lief Borko, der tief in Gedanken versunken
war, in sie hinein.
"Pass
auf, Borko Stolzfuß, wir werden uns jetzt unser
Abendbrot besorgen. Sei einfach ganz still und bleib
dicht bei uns. Wenn wir loslaufen, nimmst Du besser
auch die Beine in die Hand."
Borko
war zu verwundert, um zu fragen, wie sie sich ihr Abendbrot
besorgen wollten.
"Warum
redet ihr von Abendbrot, wenn wir noch kein zweites
Frühstück, keinen Mittagstisch und keinen
Nachmittagstee hatten?" Ihm war in dieser
Hinsicht sehr schmerzlich bewusst geworden, was es hieß,
unterwegs zu sein.
Merry
und Pippin sahen sich um, ob die Luft rein war, und
gingen gebückt ein paar Schritte ins Riedgras seitlich
ihrer Fährte. Sie blieben wie angewurzelt stehen
und drehten sich um, weil Borko nörgelnd folgte.
"Schschscht!",
machten sie gleichzeitig.
Borko,
der keine Ahnung hatte, was die beiden vorhatten, ging
ein paar Meter hinter ihnen her und dachte immer noch
über die ausfallenden Mahlzeiten nach. So wurde
ihm nicht bewusst, in welche Richtung sie schlichen.
Merry
und Pippin bewegten sich in nordöstliche Richtung
auf eine Bodenwelle zu, suchten Deckung und spähten
vorsichtig darüber. Borko kam schnaufend hinterher
und warf sich neben die beiden.
"Was
soll das überhaupt?", fragte er und sah dann,
dass in etwa 200 Meter Entfernung die Gemüsebeete
von Bauer Maggots Hof begannen. Zwischen der Bodenwelle
und den Beeten wuchsen nur ein paar Hollerbüsche,
die prächtige Trauben dunkler Früchte trugen.
In der Ferne schimmerte das Band der Oststraße
durch Alleen und kleine Wäldchen.
"Ihr
wollt unser Abendbrot doch nicht etwa von Bauer Maggot
stehlen?", Borko war ehrlich entrüstet, schließlich
war er selber Bauer.
"Schschscht!",
machten wieder beide Hobbits und besprachen sich.
"Niemand
zu sehen, Merry", flüsterte Pippin.
"Aufgepaßt,
Borko! Auf drei!", stieß Pippin den Stolzfuß
an.
Der bekam
weder die Eins noch die Zwei mit.
"Drei!",
hörte er Pippin flüstern und folgte willenlos
den beiden erfahrenen Gemüsedieben. In geduckter
Haltung huschten die Hobbits von Hollerbusch zu Hollerbusch
und sahen sich immer wieder in alle Richtungen um.
"Bauer
Maggot ist sehr gerissen, weißt du?", griente
Pippin den Stolzfuß an.
Die letzten
Schritte rannten sie zum Beet, rupften einige Möhren
und Rettiche heraus und luden sich die Arme voll. Borko
war ihnen langsam gefolgt und stand untätig hinter
den beiden.
"Was..."
stammelte er, kam aber nicht weiter. Eine kräftige
Gestalt kam auf sie zugerannt und schimpfte.
"Ich
werde es euch ein für allemal zeigen!", hörten
die Hobbits Bauer Maggot rufen. Mit einem hocherhobenen
Dreschflegel kam er auf sie zugelaufen. Merry und Pippin
sahen sich an.
"Lauf,
Borko!", riefen sie gleichzeitig und rannten durch
das Riedgras nach Norden. Der Stolzfuß erwachte
endlich aus seiner Erstarrung und lief ebenfalls los.
Bauer Maggot war inzwischen so nahe heran gekommen,
dass er Borkos Hintern unsanft mit dem Dreschflegel
traf. Der jaulte kurz auf und rannte umso schneller
hinter seinen Reisegefährten her.
Bauer
Maggot blieb schließlich stehen. Die drei Hobbits,
die sich in sicherer Entfernung hinter einem dichten
Brombeerstrauch verbargen, hörten ihn noch eine
Weile schimpfen. Als er davonzog, drehte sich Borko
Stolzfuß zu seinen Reisefährten um.
"Das
nennen die Herren also Abenteuer: Ein paar Möhren
und Rettiche stehlen und die Beine in die Hand nehmen!
Dabei soll der Herr Tuk zum Thain ernannt werden!"
"Du
bist aber auch nicht schlecht gerannt, mein lieber Borko!",
antwortete Pippin grinsend.
"Vor
allem, nach dem der Dreschflegel Deinen Allerwertesten
erwischt hat", setzte Merry noch eins drauf und
lachte.
Borko
Stolzfuß machte ein beleidigtes Gesicht. Die beiden
legten ihm von links und rechts die Arme über die
Schultern und marschierten weiter auf die alte Oststraße
zu.
"Sieh
es als Probe an, Borko", empfahl Merry.
"Ja,
und wir wissen, wenn es ernst wird, werden wir nicht
auf dich warten müssen", meinte Pippin. "Außerdem
gibt es heute unter freiem Himmel leckeren Gemüseeintopf."
Die Hobbits
ahnten nicht, dass es viel schneller ernst werden würde,
als ihnen lieb war.
Am späten
Nachmittag erreichten sie die Straße und wandten
sich nach Osten auf Bree zu. Borko machte noch immer
ein beleidigtes Gesicht und schimpfte über "lächerliche
Abenteuer" und "aufschneiderische Herren".
Dennoch wanderten die Hobbits zügig die große
Oststraße entlang. Pippin und Merry waren guter
Dinge. Das erste Abenteuer war überstanden und
hatte fröhliche Erinnerungen an unbeschwerte Zeiten
geweckt. Die gute Laune ließen sie sich auch nicht
vom finsteren Gesicht Borkos vermiesen.
Sie brauchten
nicht mehr lang bis zur Brandyweinbrücke. Borko
war noch nie so weit im Nordosten gewesen, denn seine
Felder lagen in der Nähe von Hobbingen. Und da
er sich immer bemüht hatte, ein angesehener Hobbit
zu sein, hatte es keinen Grund gegeben, den Brandywein
zu überqueren.
Um ehrlich
zu sein, hatte er Angst. Nicht so sehr wegen der Entfernung
von daheim. Die Tatsache, dass er noch nie ein so großes
Wasser wie den Brandywein überquert hatte, macht
ihm zu schaffen. Er gab sein beleidigtes Schweigen auf
und fragte:
"Wird
die Brandyweinbrücke auch sicher sein, Herr Tuk?"
Pippin
sah Merry erstaunt an.
"Natürlich.
Was sollte nicht in Ordnung sein?"
"Sie
könnte beschädigt sein und einstürzen,
oder ein Stein der Brüstung könnte sich lösen."
Pippin
und Merry ahnten, hinter der Fragerei steckte die Abneigung
der Hobbits gegen alles, was mit Seen und Flüssen
zu tun hatte. Sie selbst konnten sich noch erinnern,
als sie zum ersten mal in die schaukeligen Boote steigen
mussten, die die Ringgefährten schließlich
durch die gewaltigen Argonath führen sollten.
"Die
Brücke ist sicher wie eine Hobbithöhle, Herr
Stolzfuß", antwortete Pippin.
Er wollte
Borko trotz aller Großtuerei nicht bloßstellen.
Darum widerstand er der Versuchung, Borko mit seiner
Furcht aufzuziehen. Er wusste, dass auch bravere Hobbits
nach Möglichkeit allen großen Wasserflächen
oder gar Booten fernblieben.
Borko
Stolzfuß nickte, war aber noch lange nicht beruhigt.
Es dauerte nicht mehr lange, bis sie das Rauschen, Plätschern
und Glucksen des Brandywein hörten. Das fließende
Wasser glitzerte in der Sonne, ie Straße führte
geradewegs darauf zu. Borko zog ein großes, rotkariertes
Taschentuch hervor und wischte sich den Schweiß
aus dem Gesicht.
Am Ufer
angekommen betrachtete Herr Stolzfuß ehrfürchtig
die Wassermassen. Merry und Pippin hatten zwar schon
wesentlich gefährlichere Gewässer überquert,
aber auch sie fühlten sich an Land wesentlich wohler.
Pippin überquerte die Brücke als erster. Aus
Stein gebaut, fest und sicher, bereitete sie ihm kein
Unbehagen. Selbst Sarumans Schergen hatten die Brücke
bei der Flucht aus dem Auenland nach der großen
Schlacht nicht beschädigen können.
Borko
blieb stehen. Er holte wieder sein großes Taschentuch
hervor und wischte sich übers Gesicht.
"Als
Thain müsstest Du die Brücke immer wieder
überqueren, wenn du ins Bockland gerufen wirst
oder wenn König Elessar das Auenland besucht. Selbst
er darf sie nach seinem eigenen Gesetz als Mensch nicht
überqueren", plauderte Merry. "Du würdest
ihm doch nicht die Ehrerbietung verweigern, oder?"
Borko
fasste sich ein Herz. Den Blick geradeaus gerichtet,
betrat er vorsichtigen Schrittes die Brücke. Als
er merkte, dass sie weder schwankte noch wackelte, wurde
auch er sicherer. Er ging schneller und hatte bald Pippin
am anderen Ende erreicht.
"Was
schaust Du mich so an, Herr Tuk?", fragte ihn Borko.
Sehr schnell hatte er seine Unsicherheit vergessen.
"Meinst Du etwa, es macht mir etwas aus, eine Brücke
zu überqueren?"
Merry
war herangekommen und hatte die letzten Worte mitbekommen.
Er griente hinter Borkos Rücken, Pippin verzog
keine Miene. Schließlich wollte man noch zusammen
bis nach Bree marschieren. Und es lief sich bei guter
Stimmung leichter.
Die Straße
verlief unter ihren pelzigen Füßen weiter
nach Osten. In der Ferne begann rechter Hand der Alte
Wald, über den so viele schreckliche Geschichten
erzählt wurden. Die Straße hielt immer reichlich
Abstand zum Waldrand, wie sie von einer kleinen Anhöhe
aus sahen. Heide oder wilde Wiese trennten den Gürtel
dichten Gebüschs, der jeden Blick in den Wald verhinderte,
vom Straßenrand. Zur Linken der Straße
erstreckte sich leicht gewelltes Land, meist mit Ried
oder Heide bewachsen. Hier und da gab es kleine Wäldchen,
die zwar auch ungebetene Gestalten verbergen mochten,
aber einen wesentlich freundlicheren Eindruck als der
Alte Wald machte. Ihre Kronen waren heller, das Laub
war grüner, die Sonne warf ihr Licht hier und da
bis auf den Boden.
Der Alte
Wald dagegen wirkte selbst aus der Entfernung bedrohlich.
Die Baumkronen waren dicht, das Grün dunkel, der
Blick hinein versperrt. Über ihm kreisten Vögel,
Aasfresser, wie die Hobbits an ihren krächzenden
Schreien selbst über die Entfernung hören
konnten.
Tief
im Innern stob plötzlich eine große Schar
dieser Vögel auf. Ihre Schreie hörten sich
verärgert an, als seien sie von ihrem Aas verscheucht
worden. Ein einzelner Vogel löste sich und flog
auf die kleine Hobbitgruppe zu. Es war keiner der hässlichen
Krummschnäbel, sondern eine großer, schwarzer
Rabe mit aufmerksamen Augen. Er setzte sich auf den
stärksten Ast eines nahen Busches und legte den
Kopf schräg. Es war, als lausche er, um ihre Worte
besser verstehen zu können.
Borko
Stolzfuß war immer noch etwas aufgebracht. Um
genau zu sein, er ärgerte sich über sich selbst
und dass man ihm die überstandene Angst hatte anmerken
können. Um seinem Ärger Luft zu machen, ging
er auf den Vogel zu und stach mit seinem Gehstock nach
ihm.
"Verschwinde,
du stinkender Rabe, belästige andere Reisende!",
rief er.
Der Rabe
flog auf und zog gemächliche Kreise weit über
ihnen. Merry grinste immer noch, aber Pippin war nicht
wohl zumute.
"Borko!
Weißt du nicht, dass Raben Boten und Späher
guter oder böser Wesen sein können? Wir sollten
uns lieber auch einem Raben gegenüber freundlich
verhalten", fuhr er den Stolzfuß an.
Borko
maulte, kam aber zur Besinnung und verhielt sich ruhiger.
Der Rabe schien alles verstanden zu haben und landete
wieder auf dem Ast, auf dem er vorher gesessen hatte.
Merry betrachtete den Rand des Alten Waldes.
"Ich
hoffe, wir müssen den Wald nicht betreten",
sagte er.
Auch
Pippin, der, ohne dass es vereinbart war, der Führer
der kleinen Gruppe war, hoffte ebenso. Im Innern des
Waldes schien es dunkel wie in Moria zu sein. Und an
dieses Erlebnis mit Gandalf und den anderen Gefährten
dachte er nur ungern zurück.
Aber
die drei Burschen waren eben Hobbits, und so schoben
sie die düsteren Gedanken und Ahnungen beiseite.
Über Schwierigkeiten mochte man nachdenken, wenn
man hineingeraten war. Sie setzten sich wieder in Marsch
und kamen gut voran. Bald war die Brandyweinbrücke
verschwunden, und soweit ihre Augen reichten, war im
Süden die dunkle Linie des Alten Waldes zu erkennen.
Die Oststraße hielt genug Abstand vom Waldrand,
so dass sie sich nicht bedroht fühlten. Auch die
Heiterkeit und Helligkeit des Landes zur Linken, das
weite Blicke erlaubte, machte die Hobbits froh.
Borko
fiel es schwer, nicht an die längst überfälligen
Mahlzeiten zu denken. Der Magen knurrte ihm, und die
Kräfte ließen langsam nach. Die beiden abenteuergeprüften
Hobbits vermissten natürlich auch eine gedeckte
Tafel. Aber sie wussten, dass dafür das Abendbrot
umso besser schmecken würde. Selbst die einfachste
Mahlzeit mundete nach einem durchwanderten und durchhungerten
Tag wie das leckerste Festessen. Außerdem würde
es ihren runden Bäuchen sicherlich gut tun, ein
paar Tage zu hungern. Nach dem Marsch nach Bree und
zurück würden diese hoffentlich verschwunden
sein.
"Bisher
hat uns dieses Abenteuer nur Ärger und Unannehmlichkeiten
eingebracht, die Herren", machte Borko seinem Unmut
Luft. "Wenn wir wieder nach Hause kommen, werden
wir uns monatelang von Bauer Maggot fernhalten müssen.
Ich ertrage völlig unnötigerweise Hunger und
lahme Beine, und die Sonne schein mir schon viel zu
lange auf den Kopf. Kann der Herr Tuk vielleicht sagen,
wann wir endlich rasten werden?"
Pippin
ließ ihn maulen, und als es allmählich zu
dämmern begann, wurde ihr Reisegefährte immer
ruhiger. Ihm wurde bewusst, dass er nicht nur unter
freiem Himmel, sondern auch noch in der Nähe des
Alten Waldes übernachten würde. Ihm war gar
nicht wohl bei diesem Gedanken. Aber das hätte
er natürlich niemals zugeben.
Pippin
hielt schon seit einiger Zeit Ausschau nach einem geeigneten
Platz für die Nacht. Schließlich entdeckte
er zu ihrer linken eine kleine Lichtung, nur wenige
Schritte von der Straße entfernt. In der Mitte
befand sich ein Kreis geschwärzter Feldsteine,
eine alte Feuerstelle, mit Asche darin. Zu allem Überfluss
lag ein ansehnlicher Haufen Totholz daneben.
"Das
ist doch wie für uns gemacht", sagte Merry.
Auch
Borko freute sich darauf, endlich ruhen zu können
und etwas in den zwickenden Magen zu bekommen. Merry
wühlte mit der Hand durch die Asche. Er meinte,
einen Rest Wärme zu spüren und fragte sich,
warum jemand soviel Feuerholz sammelte, dass er gar
nicht brauchte. Aber schließlich verwarf er seine
Bedenken. Auch er dachte an ein warmes Essen.
Gefährliche
Gestalten
Der Platz
lud einfach zum rasten ein, und sie begannen, das Nachtlager
herzurichten. Plötzlich war der große Rabe
wieder da. Vielleicht hatte er sie auch die ganze Zeit
begleitet und sie hatten es bloß nicht gemerkt.
Mit seinen klugen, aufmerksamen Augen war er jedenfalls
nicht zu verwechseln. Er flatterte wie wild zwischen
den Hobbits herum, als er sah, dass hier das Nachtlager
errichtet werden sollte.
Borko
schrie überrascht auf, als eine Schwinge sein Gesicht
traf. Er versuchte, den Vogel wieder zu verscheuchen.
Aber diesmal hielt der Rabe nicht sicheren Abstand,
sondern wich Borkos rudernden Armen geschickt aus und
flatterte weiter um die Feuerstelle und die Hobbits
herum.
"Was
hat denn dieser verrückte Vogel?", rief der
Stolzfuß.
Die beiden
anderen Hobbits standen unschlüssig herum. Auch
ihnen kam die Sache nicht geheuer vor.
"Vielleicht
will er uns davon abhalten, hier das Nachtlager aufzuschlagen."
Pippin, der, wie ja bekannt ist, trotz seiner Jugend
schon eine Menge gesehen hatte, war lieber vorsichtig.
"Ich denke, es ist besser, wir halten nach einem
anderen Platz Ausschau."
Merry,
der sich wie gewöhnlich auf das Urteil seines Freundes
verließ, nickte und begann wieder einzupacken.
Borko Stolzfuß sah einen Moment ungläubig
zu.
"Die
Herren Abenteurer werden sich doch wohl nicht von einem
verrückt gewordenen Raben Angst einjagen lassen?"
Der Rabe
hatte Ruhe gegeben, als Merry mit dem Einpacken begann.
"Dieser
Platz hier ist wie für uns gemacht", schimpfte
Borko weiter. "Ich denke nicht daran, von hier
fort zu gehen. Mein Magen knurrt, die Füße
tun weh und was für eine Gefahr soll hier schon
drohen?"
Pippin
war unschlüssig. Die fetten Jahre hatten ihn ein
wenig bequem gemacht, und er hatte auch keine Lust mehr,
weiter nach einem Rastplatz zu suchen. Trotz seiner
Bedenken gab er nach.
"Na
gut, Borko. Aber wir werden Wachen einteilen in der
Nacht."
Die drei
ließen sich wieder um den Steinkreis nieder und
entfachten ein kräftiges Feuer. Das Holz würde
reichen, um die Flammen die ganze Nacht brennen zu lassen.
Die Sonne ging bereits unter, und die Flammen erhellten
die Lichtung. Bald war es außerhalb des Feuerscheins
duster wie in einer Trollhöhle.
Merry
putzte das erbeutete Gemüse aus Maggots Beet, während
Pippin nach Öl und Gewürzen in seinem Rucksack
kramte. Borko machte sich nützlich, indem er seine
große Pfanne auf die Ecken dreier Steine über
das Feuer stellte. Bald war die Lichtung erfüllt
vom Duft gut gewürzten Röstgemüses. Darüber
vergaß Borko für einen Moment seine Furcht
vor der kommenden Nacht. Dann aber sah er wieder zum
Rand der Lichtung und fragte sich, was wohl im Wald
hinter den ersten Büschen und Bäumen lauern
mochte.
Merry
und Pippin fürchteten sich nicht. Sie hatten weniger
friedliche Nächte in feindlicher Umgebung verbracht
und freuten sich regelrecht auf eine weitere Nacht im
Freien. Sie begannen laut schmatzend zu speisen. Da
der Tag lang und anstrengend gewesen war und sie seit
dem ersten Frühstück gehungert hatten, langten
sie tüchtig zu.
"Wie
weit ist es denn noch bis Bree?", fragte Borko
zum Ende der Mahlzeit.
Sorgfältig
leckte er sein Messer ab. Dann nahm er ein Stück
Brot und wischte die Pfanne damit aus. "Übrigens,
Herr Tuk, das Essen war vorzüglich. Da macht so
ein Abenteuer richtig Spaß."
Der Spaß
sollte Borko Stolzfuß allerdings gleich vergehen,
denn am Rande der Lichtung knackte es und zwei wild
aussehende, große Gestalten traten auf die Lichtung.
Sie hatten lange, dunkle, zottige Haare und einen dunklen
Teint. Ihre schwarzen Augen glühten und ihre Kleidung
war schmutzig und zerrissen. An ihren Gürteln hingen
schartige Messer und Kurzschwerter.
Es waren
Ostlinge, die sich nach der Schlacht von Wasserau immer
noch in der Gegend herumtrieben. Ein paar waren in die
Wälder gegangen und überfielen hier und da
Reisende, die allein oder in zu kleinen Gruppen unterwegs
waren. Manche verdingten sich als Knechte auf Gehöften
der Menschen östlich von Bree.
Borko
erstarrte, Merry und Pippin tasteten unauffällig
nach ihren Schwertern. Pippin hielt sie eher für
Wegelagerer als für Knechte und starrte ins Dunkel,
ob sich noch mehr von diesen Strolchen in der Nähe
befanden.
"Einen
guten Abend wünschen wir den Hobbits!", sagte
der Größere in der gemeinsamen Sprache. "Ein
Wohlgeruch hat uns vom Weg abgebracht. Wir waren gerade
auf dem Weg nach Bree."
Pippin
glaubt ihm kein Wort. Schließlich kamen die beiden
nicht von der Straße, sondern aus dem Wald. Er
stand auf und legte eine Hand auf den Knauf seines Schwertes,
zog es aber nicht. Merry und Borko taten es ihm gleich,
wobei dem eben noch so großspurigen Stolzfuß
die Knie zitterten.
Die Ostlinge
blieben abwartend stehen, rührten ihre rostigen
Waffen aber nicht an.
"Oh,
das gute Essen ist schon vertilgt, das ist aber schade",
sagte der kleinere Kerl mit dem falschen Rattengesicht.
Die Hobbits
sahen regungslos zu, wie die beiden Halsabschneider
näher kamen und der große Ostling Borkos
Pfanne in den Dreck trat. Die Vagabunden beendeten die
zur Schau getragene Freundlichkeit und zogen ihre verrosteten
aber dennoch gefährlichen Schwerter.
"Ist
in den Rucksäcken noch mehr zu Essen?", fragte
der Kleinere.
"Was
fragst Du? Diese kleinen Leute werden uns kaum davon
abhalten, selbst nachzusehen", sagte der Größere,
der wohl der Anführer war.
Merry
und Pippin waren zwar für Hobbits groß und
kräftig, dennoch überragten die hageren Strauchdiebe
sie um mindestens zwei Köpfe. Sie wichen aber keinen
Schritt zurück, sondern beobachteten, wie der Anführer
sich bückte, um Merrys Rucksack zu durchwühlen.
Sein Kumpan machte das gleiche mit Pippins Gepäck.
Borko war weiß vor Angst und zitterte am ganzen
Körper.
Die Ostlinge
knieten keine zwei Schritte vor den Hobbits und rissen
ganze Stücke aus den Brotlaiben und bissen die
Hartwürste ab, die sie gefunden hatten. Die beiden
kampferprobten Hobbits sahen sich an und wie auf ein
verabredetes Zeichen zogen sie ihre Schwerter und brüllten
los, als ginge es in eine Schlacht.
Die Ostlinge
zuckten zusammen und hatten keine Gelegenheit mehr,
sich zu rühren. Zwei überraschend kräftige
Hiebe mit den flachen Seiten der Schwerter krachten
auf ihre Hinterköpfe. Wortlos brachen sie zusammen.
Borko Stolzfuß schüttelte sich und machte
ein ungläubiges Gesicht.
"Ja,
das nenne ich mal einen Glückstreffer", polterte
er los. "Wenn ich das ..."
"Halt
den Mund", unterbrach ihn Pippin. "Wir packen
unsere Sachen und verschwinden."
Merry
schob schon in aller Eile die herausgerissenen Sachen
in seinen Rucksack. Borko macht den Mund auf, um zu
widersprechen, doch Pippin herrschte ihn an:
"Die
beiden werden gleich aufwachen. Außerdem sind
sie ganz bestimmt nicht alleine. In der Nähe sind
sicher noch mehr dieser Halunken."
Borko
wollte sich zwar nichts von Pippin sagen lassen. Schließlich
hielt er Pippin ja für einen Aufschneider. Aber
nach kurzem Überlegen befolgte er dennoch dessen
Anweisung und bewegte sich wieselflink, um seine Siebensachen
zu packen.
Gemeinsam
liefen die drei Hobbits mit geschulterten Rucksäcken
zur Oststraße. Der Mond schien hell, so dass sie
sicheren Trittes vorwärts kamen. Sie waren noch
nicht außer Sichtweite der Lichtung, als sie Fluchen
und Schreien in ihrem Rücken hörten. Dann
war das Getrampel von einer ganzen Bande zu hören,
die die Verfolgung aufnahm.
"Auf
der Straße sind wir nicht sicher", stieß
Pippin keuchend hervor. "Schlagen wir uns südlich
der Straße in die Büsche."
"In
... In ... In den Alten Wald?" Borko schnappte
nach Luft. "Da gehe ich nicht mit."
Auch
Merry machte ein entsetztes Gesicht. Die Geschichten
über Spuk und Zauber und die eigenen Erinnerungen
schreckten ihn ab.
"Nördlich
von uns ist Grasland, da finden wir keine Deckung. Auf
der Straße haben uns die Ostlinge gleich eingeholt.
Also los!", entgegnete Pippin. Er lief auf den
Waldrand zu, die beiden anderen Hobbits mussten wohl
oder übel folgen. So rannten sie keuchend und schwitzend
durch das hohe Gras zwischen Straße und Waldrand,
Pippin voran, Borko mit klappernder Pfanne am Schluß.
Zwar
können sich Hobbits, wenn sie es wollen, völlig
geräuschlos bewegen. Sie hinterlassen sogar fast
keine Spuren. Das ist übrigens der Grund, warum
sie heute kaum noch jemand zu Gesicht bekommt. Das gelingt
ihnen aber nicht, wenn sie auf der Flucht vor einer
Horde Ostlinge sind, deren Anführer sie gerade
einen Hieb auf den Schädel verpasst haben. Daher
war es für die Verfolger, insgesamt elf üble
Burschen, nur ein kleines Problem, den Hobbits auf der
Spur zu bleiben.
Zwar
verloren sie die drei Halblinge im hohen Gras immer
wieder aus den Augen. Da sie aber nur wenige Habseligkeiten
am Körper trugen und nicht durch schweres Gepäck
behindert wurden, konnten die Wegelagerer umso schneller
laufen.
Die Halunken
starrten vor Dreck. Sie hatten Hunger und daher hatte
sie der Essensgeruch rasend gemacht. Auch wenn sie nach
der Schlacht von Wasserau gehörigen Respekt vor
den Halblingen hatten, mit diesen drei kleinen Gestalten
wollten sie schon fertig werden.
Pippin
brach durch das dichte Gestrüpp des Waldrandes
und nach wenigen Schritten wurde das Mondlicht fast
vollständig verschluckt. Merry und Borko zögerten
einen Moment, traten dann aber auch über die Schwelle,
die den Wald von der vertrauten Welt trennte. Auch sie
konnten die eiligen Schritte und das Klirren der Waffen
der Ostlinge hören, die ihren Spuren folgten.
Die Reisegefährten
blieben hinter dem dichten Wall aus Unterholz versteckt
stehen und beobachteten durch die Zweige, wie ein paar
Ostlinge am Rand der Oststraße standen. Die anderen
standen im Ried zwischen den Büschen und sahen
sich suchend um. Nach ein paar halbgefluchten Worten
der Fährtenleser drehten sich die zerlumpten Kerle
um und beobachteten den Waldrand. Pippin war es, als
könnten diese Halsabschneider sie sehen. Er wusste
aber, dass das nicht sein konnte. Immerhin lagen einige
hundert Schritte zwischen ihnen.
Die Halunken
hatten zu diskutieren begonnen. Einer, wohl der Anführer,
zeigte dabei immer wieder auf die Spur im Gras und auf
den Waldrand. Die anderen schüttelten die Köpfe
und rissen sich los, als er sie zum Wald zerren wollte.
"Die
haben genau so viel Furcht vor dem Alten Wald wie wir",
flüsterte Merry.
"Ja,
sie sind bestimmt schon einmal hinein gegangen und wissen,
was hier passieren kann", überlegte Pippin.
"Und
da fällt den Herren nichts Besseres ein, als sich
hier zu verstecken, wo sich womöglich Wölfe
und andere Untiere herumtreiben", nörgelte
Borko.
"Dann
geh' doch zurück zur Straße, zu den Ostlingen",
schlug Pippin vor, was Borko natürlich nicht tat.
Er sah sich aber immer wieder um, und auch Pippin und
Merry liefen endlose Schauer über den Rücken,
wenn sie in die dichte Dunkelheit des Waldes starrten.
Leise Geräusche, Zirpen, Knacken, Rascheln und
Wimmern, waren ohne Pause zu hören.
Die Ostlinge
hatten sich inzwischen getrennt. Drei von ihnen blieben
vor Ort, vier gingen nach Westen, fünf nach Osten.
"Sie
werden die Straße und den Waldrand beobachten.
Wer weiß, wie lange", sagte Merry.
"Können
wir nicht in Sichtweite der Straße durch den Wald
nach Westen bis zur Brandyweinbrücke und von dort
zurück nach Hobbingen gehen? Wir könnten ja
nach der Aussaat im Frühjahr noch einmal ...",
fragte Borko.
"Oh,
der Herr Stolzfuß möchte bei der ersten kleinen
Gefahr aufgeben?", spottete Merry. "Wir können
ja auf die selbe Art und Weise Richtung Bree gehen."
"Mach
Dich nicht lustig, Merry. Wir befinden uns tatsächlich
in der Zwickmühle", schaltete Pippin sich
ein.
"Ich
glaube nicht, dass wir direkt nach Bree gehen können.
Diese Richtung werden die Ostlinge am genauesten beobachten.
Schließlich haben sie ja fünf Mann nach Osten
geschickt. Und vom östlichen Waldrand ist es noch
ein halber Tagesmarsch bis nach Bree."
"Aber
dann sitzen wir ja in der Falle." jammerte Borko.
"Uns
bleibt immer noch der Weg durch den Wald", stellte
Pippin fest.
Borko
und Merry machten große Augen. Aber zumindest
Merry sah ein, dass es die einzige Möglichkeit
war.
"Wir
machen für jeden Schritt nach Osten einen nach
Süden. Dann kommen wir bei den Hügelgräberhöhen
aus dem Wald", erklärte Pippin.
"Wenn
wir sofort aufbrechen, können wir es bis zum Einbruch
der kommenden Nacht schaffen. Wir rasten und gehen am
Tag durch die Höhen, bis wir auf den Grünweg
treffen. Der führt uns nördlich nach Bree."
"Durch
die Hügelgräberhöhen? Und ich hatte gehofft,
nie wieder dorthin zu müssen", seufzte Merry.
"Und
Tom Bombadil ist sicher schon in den unsterblichen Westen
gegangen. Sonst würden wir ihn und Frau Goldbeere
vielleicht treffen."
Die beiden
sahen Borko an, der sich fügen musste, wollte er
nicht alleine nach Hobbingen zurückgehen.
Auch
Pippin hatte gehofft, nie mehr in die Nähe der
Hügelgräber zu kommen. Wären sie doch
beinahe in einem der Gräber von einem Unhold umgebracht
worden. Aber schließlich wollten sie den finsteren
Ostlingen nicht in die Arme laufen. Wenn sie nicht wieder
den Lockrufen eines Geistes folgten und eines der Gräber
der Kriegerfürsten betraten, würde alles gut
gehen.
Durch
die dichten Baumkronen waren der Mond und ein paar Sterne
gerade noch zu erkennen, so dass die Hobbits die Richtung
bestimmen konnten, in die sie gehen mussten. Pippin
ging voran. Vorsichtig tasteten sie sich in den Wald,
der sie beinahe mutwillig mit Dornenranken in die Gesichter
peitschte und ihnen mit seinen Wurzeln ein Bein zu stellen
schien. So quälten sie sich Meile um Meile vorwärts
und waren bald im Gesicht arg zerkratzt und hatten zahlreiche
blaue Flecken an den Beinen
Eine
Fackel zu entzünden wagten sie nicht. Vielleicht
verfolgten die Halsabschneider sie doch. Und wer wusste
schon, was für Gezücht sie mit dem hellen
Schein einer Fackel anlockten?
Sie hatten
gerade ein paar Minuten Rast gemacht und dann die Rucksäcke
wieder stöhnend geschultert. Nach ein paar Schritten
durch die Finsternis blieb Pippin stehen. Merry und
Borko liefen in ihn hinein. Pippin schimpfte leise und
fragte:
"Habt
ihr das auch gehört? Ein Schaben, wie die Beine
großer Insekten auf hartem Holz?"
"Ich
weiß nicht genau", sagte Merry. Er hatte
das Geräusch durchaus gehört, wollte sich
aber ungern vorstellen, was sich dahinter verbarg.
Von dort,
wo Borko Stolzfuß stehen musste, kam ein wimmerndes
Geräusch aus der Dunkelheit. Die Hobbits standen
ein paar Herzschläge lang still, aber nichts war
mehr zu hören. Schließlich nahmen sie wieder
den Kampf gegen raue Äste und Wurzeln auf, die
nach ihnen zu greifen schienen. Sie waren kaum ein paar
Schritte gegangen, als Merry anhielt und sagte: "Jetzt
habe ich es auch gehört."
Borko
wimmerte wieder, dann war alles still. Bei Merry und
Pippin stellten sich die Nackenhaare auf. Sie lauschten
wieder in die undurchdringliche Finsternis hinein. Knacken,
Rauschen, leises Wispern war zu hören. Kleine Tiere,
die durch Blätterhaufen liefen, Wind in totem Laub,
Stämme, die knarrend aneinander rieben. Aber das
Schaben war wieder verschwunden.
Unruhig
trat Borko von einem Fuß auf den anderen. Da war
es wieder! Ganz kurz nur und sofort herrschte Stille.
Die Hobbits hatten das Gefühl, von großen
Spinnen oder anderem eklen Getier umstanden zu sein.
Große schwarze Augen beobachteten sie vielleicht
und überlegten, ob diese drei kleinen Wesen wohl
gute Nahrung für die Brut seien.
"Wir
wollen uns an den Händen fassen und vorsichtig
weitergehen", entschied Pippin. Er tastete nach
Merrys Hand, die kalt war und zitterte. Auch Merry suchte
nach Borkos Hand, als das Scharren wieder zu hören
war. Als wenn zwei gekreuzte Fangzähne aneinander
gewetzt wurden! Da hatte Merry einen Einfall.
"Borko!",
flüsterte er. "Komm an mir vorbei und gehe
du hinter Pippin. Ich werde am Ende gehen."
Borko
folgte mit zitternden Beinen der Aufforderung. So musste
er wenigstens nicht am Ende gehen. Sicher wäre
er sonst der erste, den die riesigen Fangzähne
erwischten.
Die Hobbits
hatten bald so etwas wie eine Lichtung erreicht. Ein
größeres Stück Himmel war zu sehen und
keine Bäume in Reichweite der Arme zu ertasten.
Die Hobbits kamen einige Schritte gut voran. Als das
Geräusch, das sie verfolgte, noch deutlicher zu
hören war, tastete Pippin nach dem Griff seines
Schwertes. Da hörte er Merry kichern.
"Bist
du verrückt geworden, Merry? Was gibt es da zu
lachen?", zischte Borko, um seiner Anspannung Luft
zu machen. Auch Pippin schimpfte:
"Wir
haben gerade andere Sorgen, Merry. Sei endlich still!"
Doch
Merry kicherte weiter.
"Ich
weiß, welches gefährliche Untier uns verfolgt",
gluckste er.
Die anderen
waren erstaunt, schüttelten in der Dunkelheit ungläubig
die Köpfe und warteten gespannt auf die Lösung
des Rätsels.
"Es
ist Borkos Pfanne!"
Borko
und Pippin dachten für einen Moment, Merry sei
wirklich verrückt geworden Borko fühlte, wie
Merry sich an seinem Rucksack zu Schaffen machte. Das
Schaben war jetzt wieder zu hören.
"Borkos
Pfanne ist nicht richtig festgezurrt. Sie schabt über
die Schnalle des Verschlusses", sagte Merry. "Hört
mal!"
Das Geräusch
ertönte jetzt im Rhythmus eines bekannten Kinderliedes.
Da fiel die Spannung auch von den beiden anderen Hobbits
ab.
"Borko,
du Trottel von einem Stolzfuß!", schimpfte
Pippin. Borko wollte zurückmaulen, aber dann begannen
alle drei zu kichern. Um nicht laut zu lachen, hielten
sie die Hände vor die Münder und prusteten
leise. Deshalb war also das Geräusch nie zu hören
gewesen, wenn sie still gestanden und gelauscht hatten.
Erleichtert
stellten sie fest, dass auch der Himmel langsam heller
wurde. Merry und Pippin wussten zwar, dass es im Alten
Wald nie ganz taghell werden würde. Aber wenigstens
könnten sie sehen, welche Äste und Wurzeln
ihnen im Weg waren und so schneller vorankommen. Merry
machte sich an den Bändern von Borkos Rucksack
zu schaffen und befestigte die Pfanne ordentlich.
"Jetzt
aber vorwärts, Freunde!", forderte Pippin.
Er wusste,
sie mussten tüchtig marschieren, wollten sie nicht
noch eine Nacht im Wald verbringen. Die drei Hobbits
wandten sich endlich wieder nach Südosten, als
ein gewaltiger Schreck sie zusammenfahren ließ.
Der traurige
Elb
Die Umrisse
einer hochgewachsenen, schlanken Gestalt waren am anderen
Ende der kleinen Lichtung zu erkennen. Eine Fackel flackerte
auf und wurde in die Höhe gehalten. Sie beleuchtete
ein schrecklich entstelltes Gesicht, durch das mehrere
tiefe Narben liefen. Eine Augenhöhle war leer und
schwarz. Das Gesicht verzog sich, und die Hobbits schrien
laut auf, als die große Gestalt in dem langen
Umhang einen Schritt auf sie zuging. Dann erkannten
sie im Fackelschein langes blondes Haar, aus dem zwei
spitze Ohren hervorstanden. Das verbliebene Auge zwischen
den Narben sah unendlich traurig drein.
Pippin
fasste sich als erster:
"Ihr
seid Arbael, der traurige Elb?", fragte er und
verbeugte sich als der Elb nickte.
"Ihr
kennt meine Geschichte, das ist gut. So muss ich mich
nicht erklären und tiefe Narben berühren",
sagte er mit der wohlklingenden Stimme der Elben. Er
gebrauchte die gemeinsame Sprache.
Auch
Merry und selbst Borko kannten die Geschichte von Arbael.
Der traurige Elb wurde er genannt. Er war ein Waldelb
und hatte mit seiner ganzen Sippe auf den Pelennor-Feldern
gegen Sauron und seine schrecklichen Heerscharen gekämpft.
Alleine hatte seine Sippe eine Bresche in den Reihen
der Elben und Menschen gegen einen mächtigen Säbelzahn
gehalten. Sie opferten sich bis auf einen letzten Mann
auf, bis die Verteidigungslinie durch Entsatz geschlossen
werden konnte.
Dort,
mitten im Chaos, stand nur noch Arbael, im Blut seiner
Familie, die der Säbelzahn mit seinen mächtigen
Reißzähnen und eisenbewehrten Krallen hingemetzelt
hatte. Arbael war bereits jenseits von Leben, Tod und
Traum, als das Untier zum letzten Schlag ausholte. Ohne
Empfindung hatte Arbael den Bogen gehoben. Kämpfer
aus den Reihen des herbeieilenden Entsatzes berichteten
später, dass er den Elbenbogen spannte, bis er
zu zerbrechen drohte. Er zielte mit der Seelenruhe
eines Todgeweihten und es schien eine Ewigkeit zu dauern,
bis der Pfeil die Sehne verließ und den Säbelzahn
ins Auge traf. Der fiel, als habe Morgoth selbst ihm
die Lebenskraft entzogen, die er ihm einst verliehen
hatte.
Aber
der letzte Schlag der Pranke mit den vier Doppelklingen
traf Arbael noch. Er verwandelte sein schönes Elbengesicht
in eine öde Wüste aus zerfetztem und zerrissenem
Fleisch. Doch Arbael blieb reglos stehen. Der Verlust
seiner Sippe hatte ihn gelähmt und er wollte den
Anverwandten folgen.
Man brachte
ihn sofort zu einem der Heiler in Minas Thirith, die
wenigstens ein Auge retten konnten. Aber sein Gesicht
blieb entstellt, hässlich anzusehen, für jedermann
eine quälende Erinnerung an die grausame Schlacht.
Arbael, der Sieger diese Kampfes Auge um Auge, wie man
ihn ehrenvoll nannte, gewann seine Lebenskräfte
zurück. Aber nie verschwand dieser unendlich traurige
Ausdruck in dem ihm verbliebenen Auge. Seine Gefährtin,
seine Söhne, alle Verwandten hatte er verloren.
Viele
anderen Sippen boten ihm einen ehrenhaften Platz in
ihrer Mitte. Aber Arbael konnte in ihren Gesichtern
den Schrecken der Erinnerung lesen, wenn sie ihn ansahen.
Und das würde ihn jedes mal aufs neue an seinen
eigenen Verlust erinnern.
Eines
Tages ging er ohne ein weiteres Wort. Er erhob sich
von seinem Krankenlager, legte die Verbände der
nahezu verheilen Wunden ab, packte sein Schwert und
etwas Proviant in einen Rucksack und ging ohne ein weiteres
Wort. Seinen Bogen und seinen leeren Köcher ließ
er am Krankenlager zurück. Er wollte fortan alleine
sein und niemanden mehr mit seinem Anblick erschrecken.
Seine Spur verlor sich vor dem Nebelgebirge. Niemand
hatte ihn je wieder gesehen.
"Kommt
in mein Haus, Wanderer! Ich sehe, ihr seid hungrig und
verängstigt. Bei mir könnt ihr ausruhen",
sagte Arbael und ging wortlos in den Wald hinein. Er
sah sich nicht um, ob die drei ihm folgten.
Die Hobbits
sahen sich an und nickten. Was machte schon ein zernarbtes
Gesicht, wenn sich dahinter Güte und Freundlichkeit
verbargen? Inzwischen war es auch hell genug, ein paar
Schritte weit zu sehen, und so folgten sie ihm sicheren
Schrittes. Arbael schlug immer wieder Haken und ging
mal in südliche, mal in östliche Richtung,
dann wieder ein Stück nach Norden. Der traurige
Elb schwieg, aber die Hobbits fühlten, dass sie
in seiner Nähe nicht in Gefahr waren.
Der Marsch
dauerte einige Stunden. Vor Arbael tat sich auf wunderbare
Weise ein Weg auf, den ein unwissender Wanderer nicht
hätte erkennen können. Weder Äste noch
Dornenranken schlugen den Hobbits entgegen, keine Luftwurzeln
griffen nach ihren Füßen, um sie zum Straucheln
zu bringen. Dennoch war der Marsch anstrengend, denn
der Elb schritt kräftig aus und schien unermüdlich
zu sein. Die Sonne stieg höher, und auch wenn es
im Wald sehr schattig blieb, so schien auf dem geheimen
Pfad die Sonne nicht selten durch die Kronen. Die Hobbits
schwitzten, folgten aber ihrem Führer unbeirrt.
Sie waren so außer Atem, dass keine Gespräche
mehr zustande kamen, und sich der Zug schweigend durch
den Wald bewegte. Pippin war nur froh, dass der Weg
sie ungefähr nach Osten führte, also auf die
Hügelgräberhöhen zu.
Plötzlich
lichtete sich der Wald und vor ihnen erhob sich eine
steinerne, raue Felswand, die den großen Elb um
das vierfache überragte. Es war ein felsiger Ausläufer
der Hügelgräberhöhen, die nun querab
im Osten lagen. Wie ein langer, unregelmäßiger
Dorn ragte die Felsformation von den Höhen in den
Alten Wald hinein.
"Folgt mir!", sagte
der Elb und stieg die fast senkrechte Felswand hoch,
als sei er ein Salamander. Die Hobbits waren sehr verwundert.
"Wie
sollen wir das denn schaffen?", fragte Borko, der
immer noch sehr eingeschüchtert durch die Gegenwart
eines Elben war. Es war der erste, den er je sah.
Hoch
über dem weichen Waldboden verschwand Arbael. Dann
tauchte sein zernarbtes Gesicht wieder auf und sah über
einen Vorsprung hinunter. Er musste auf einem Sims oder
ähnlichem angekommen sein. Die Hobbits starrten
die Felswand an. Wie war der Elb ohne Leiter oder Stufen
hinaufgelangt?
"Geht
näher an den Felsen heran", rief Arbael den
Hobbits zu. Sie traten vor, standen jetzt nur noch zwei
Schritte vor der Felswand und erkannten immer noch nicht,
wie der Elb sein Kletterkunststück vollbracht hatte.
"Erkennt
ihr die dünne Ader Glimmerstein im Felsen?",
kam die Elbenstimme von oben.
Pippin
und seine Gefährten näherten die Augen der
Felswand bis auf einen halben Schritt. Tatsächlich
erkannten sie eine daumendicke Spur des glänzenden
Gesteins in der ansonsten dunkelgrauen Wand. Sie tasteten
sie mit den Händen ab. Die Spur führte lotrecht
nach oben.
"Links
und rechts davon findet ihr kleine Spalten, die ebenfalls
mit Glimmerstein gefüllt sind. Sie helfen euch
nach oben."
Und wirklich,
als die Hobbits die regelmäßige Folge der
Griffe und Tritte entdeckten, erschien wie aus dem Nichts
ein bequemer Klettersteig nach oben. So war der Aufstieg
leicht zu bewältigen. Pippin kletterte voran, die
beiden anderen Hobbits folgten.
Oben
angekommen stellten sie fest, dass Arbael nicht einfach
auf einem schmalen Sims stand, sondern vor dem Eingang
in eine natürliche Höhle. Er führte seine
kleinen Gäste hinein, und die waren erstaunt. Die
Wände bestanden fast ausschließlich aus Glimmerstein
und warfen das Feuer, dass Arbael auf geheimnisvolle
Art zum Brennen brachte, warm zurück.
Die Höhle
war überraschend geräumig und heimelig eingerichtet
mit verschiedenen Sitzmöbeln. Im hinteren Bereich
standen sogar einige Bettlager, was nicht nur Pippin
verwunderte. Nahe dem Eingang und beim Feuer stand ein
fester Tisch, auf dem Arbael bereits ein Mahl aus frischen
Pilzen und Früchten des Waldes zubereitete.
Die Hobbits
nahmen ihre Rucksäcke ab, stöhnten vor Erleichterung
und ließen sich nahe bei Arbael auf gemütlichen
Hockern aus Birkenästen nieder.
"Sagt,
trauriger Elb, für wen sind die vielen Lager in
Euer Höhle?", konnte Merry seine Neugier nicht
mehr im Zaum halten.
"Ihr
drei seid nicht die ersten verirrten Wanderer, die in
die Nähe meines Zuhauses kommen. Manche habe ich
hereingebeten. Manche, wie die Ostlinge, nicht."
Die Hobbits
mochten sich nicht vorstellen, was er mit Leuten gemacht
hatte, die auf der Seite derer gekämpft hatten,
die seine Sippe ausgelöscht hatten.
"Nennt
mir Eure Namen!", forderte er sie auf.
Pippin
erhob sich.
"Peregrin
Tuk aus dem Auenland, hocherfreut." Nach einer
Verbeugung setzte er sich wieder.
"Meriadoc
Brandybock aus dem Auenland, zu Euren Diensten, Herr
Arbael." Auch Merry war höflich aufgestanden.
Nun war
Borko an der Reihe, stand auf und errötete.
"Stolzfuß,
Borko Stolzfuß"
Der Elb
nahm die Vorstellungen höflich dankend entgegen.
An Pippin und Merry gewandt, sagte er:
"Ich
habe Eure Namen nach der Ringschlacht gehört. Von
Euch wurde sehr ehrenvoll berichtet. Also kann ich Euren
Gefährten ebenfalls als Ehrenmann betrachten."
Borko
wusste nicht, ob er das als Kompliment auffassen sollte
oder nicht. Es machte großen Eindruck auf ihn,
dass die beiden Hobbits, die er bisher als Aufschneider
bezeichnet hatte, von einem solch berühmten Helden
ehrenvoll behandelt wurden.
"Wohin
wart ihr des Wegs, als diese Beutel- und Halsabschneider
aus dem Osten euch überfallen wollten?", fragte
der Elb.
"Wir
waren auf dem Weg nach Bree, um einem alten Freund Guten
Tag zu sagen", antwortete Pippin.
"Wir
wussten nicht, dass sich noch soviel böses Volk
herumtreibt", warf Merry ein.
"Die
Zahl der Ostlinge war sogar noch größer,
als ich mich hier niederließ," sagte Arbael.
"Etwa ein Dutzend hat einmal versucht, tief in
den Wald einzudringen. Ihnen bin ich nicht beigestanden
und habe sie den Schatten des Alten Waldes überlassen.
Seitdem habe ich hier meine Ruhe vor ihnen."
Den Hobbits
schauderte es.
"Was
Euch betrifft: Was gedenkt ihr jetzt zu tun?"
Arbael
hatte es während des Gesprächs geschafft,
ein reichliches Mahl zu bereiten. Auf den Tellern befanden
sich geschmortes Gemüse mit Pilzen und kalter Braten.
Aus einem Steinkrug goss Arbael ihnen frisches Quellwasser
in die Becher. Die Hobbits machten sich schmatzend und
fingerleckend darüber her.
"Wenn
wir uns dank Eurer Güte gestärkt haben, möchten
wir durch die Hügelgräberhöhen nach Bree
gelangen. Auf der Oststraße treiben sich zu viele
Halunken herum, darum müssen wir sie umgehen",
sagte Pippin.
"Wie
ihr zu den Höhen gelangt, ist leicht zu erklären."
Arbael machte eine Pause. "Ich nehme an, Ihr wisst
Bescheid über die Gräber?"
"Oh
ja", antwortete Pippin. "Ohne den alten Tom
Bombadil wäre es uns einmal schlecht ergangen."
Arbael
nickte.
"Schlaft
Euch aus und geht morgen bei Tagesanbruch los. Am Fuße
dieses Felsens geht ihr nach Westen. Ihr werdet noch
vor Einbruch der Dunkelheit den Waldrand erreichen.
Rastet dort, denn ihr müsst die Höhen ohne
Pause durchqueren. Die Zahl der Geister in den Gräbern
ist sehr groß geworden. Die Alten sind erschrocken
über so viele Ankömmlinge nach den Schlachten
des Ringkrieges. Und die Grabunholde geben immer noch
keine Ruh."
Wenn
möglich, wurde der Ausdruck seiner Augen bei dieser
Rede noch trauriger. Er stand auf und blickt auf die
Hobbits herab.
"Geht
unter keinen Umständen in ein Grab. Hütet
Euch in der Nacht vor Verlockungen. Geht früh morgens
los, dann könnt er ihr es schaffen, die Hügelgräberhöhen
noch bei Tageslicht zu verlassen."
Er sah
erst Merry und Pippin streng an, dann verweilte sein
Auge etwas länger bei Borko. Er sprach aber zu
allen, als er sagte:
Lasst
Euch nicht von der Aussicht auf Gold und Schätze
in die Irre führen."
Borko
errötete, als sei er bei einem verbotenen Gedanken
ertappt worden.
"Schlaft
jetzt!", forderte Arbael sie auf, und die Hobbits
merkten wie müde sie nach der durchwachten Nacht
und dem langen Marsch waren. Auch die reichliche Mahlzeit
drückte schwer auf die Augenlider.
Die Lager
waren erstaunlich bequem und es dauerte nur kurze Zeit,
bis alle drei Hobbits schliefen. Merry und Pippin schlummerten
ruhig und friedlich. Schneller, als es ihnen bewusst
war, hatten sie sich wieder an das Leben unterwegs gewöhnt.
Es war, als hätten sie nach ihren letzten Abenteuern
nur eine etwas längere Pause eingelegt.
Borko
Stolzfuß warf sich unruhig hin und her. Der traurige
Elb ging in den hinteren Teil der Höhle und beugte
sich über den Hobbit. Lange sah er ihn an, erforschte
seine Träume und schüttelte langsam den Kopf.
Hinter Borkos Augen entstanden Bilder von Grabkammern,
reich gefüllt mit Gold und Juwelen, wertvollen
Waffen und Kronen längst vergessener Fürstentümer.
Er sah sich auf einem verzierten Thron in einem
goldenen Palast sitzen. Oder war es eine Höhle?
Mit seinen unermesslichen Schätzen war er der Herr
über das Auenland. Richtend hob er die Hand über
zwei Hobbits, die ehrfürchtig vor ihm standen.
Arbael
berührte mit den Fingerspitzen Borkos Schläfen.
Der Hobbit hörte auf, sich herumzuwälzen,
sein schwerer Atem wurde leichter. Den Rest der Nacht
schlief Borko traumlos und erholsam.
Bei Sonnenaufgang
weckte Arbael die Hobbits auf. Sie hatten den Rest des
Tages und eine ganze Nacht geschlafen. Der Duft heißen
Tees aus vielen bekannten und unbekannten Kräutern
half den verschlafenen Wanderern auf die Beine. Arbael
hatte auch frisches Brot bereitet. Es war rund und flach,
denn der Elb hatte es auf einem heißen Stein gebacken.
Die Butter dazu hatte er mit frischen Kräutern
vermengt und gesalzen. Ein solches Frühstück
mundete den Hobbits vorzüglich.
"Wie
können wir Euch für Eure Gastfreundschaft
danken, Herr Arbael?", wollte Pippin wissen. Auch
Merry und Borko hatten aufgegessen und sahen den Elben
an.
"Wenn
ihr Elben seht, erzählt ihnen, Arbael der Traurige
hat seinen Platz und seinen Frieden gefunden",
erbat er nach kurzem Nachdenken.
Die Hobbits
versicherten ihm, davon und von seiner Gastfreundschaft
zu berichten.
"Nun
macht euch reisefertig. Ihr habt einen langen Weg vor
euch, bis ihr an den Rand des Waldes kommt."
So packten
die Hobbits ihre Rucksäcke. Pippin sorgt dafür,
dass Borkos große Pfanne fest verzurrt war.
"Diesmal
wird uns Dein Kochgerät keine Angst bereiten, Borko
Stolzfuß", lachte er.
Borko
reckte sich und stöhnte. Der ungewohnt lange Marsch
des Vortages hatte ihm einen schlimmen Muskelkater beschert.
"Ich
kann Euch nicht begleiten, aber ich werde über
euch wachen. Ich wünsche euch einen guten Weg!"
Damit entließ Arbael die drei Hobbits, die ihren
Dank wiederholten und sich mit höflichen Verbeugungen
verabschiedeten.
Inzwischen
war es auch hell genug, die Stiege im Felsen zu erkennen.
Pippin machte den Anfang mit der Kletterei und kam sicher
unten an. Merry folgte eilig und übersprang die
letzten drei Stiege. Er landete mit seinen behaarten
Füßen nur knapp neben Pippin.
"Hoppla!",
sagte er und Pippin stieß ihn an. "Wir sind
noch gar nicht losgegangen, Herr Brandybock. Und schon
wirst du unvorsichtig."
Ein großer
Rabe, dessen Gefieder blau in der Morgensonne glänzte,
flog in der Nähe auf und begann über der Klippe
zu kreisen. Dabei schimpfte er krächzend über
die Störung. Merry grinste ihm hinterher.
"Wenn
ich schon so früh aufstehen muss, sollen die anderen
Waldbewohner es auch tun."
Pippin
blickte nachdenklich drein.
"Wer
weiß, was das für Waldbewohner sind. Herr
Arbael hat nicht gesagt, dass er alles Gezücht
aus dem Wald vertrieben hat."
Borko
kam endlich unten an, und wie um Pippin zu bestätigen,
sah Arbael vom Höhlensims hinunter und rief:
"Bleibt
immer in der Nähe des Felsens. Geht nicht zu tief
in den Wald."
Damit
verschwand er in seiner Wohnhöhle und die Hobbits
wandten sich nach Westen.
Am Fuß
des Felskeils zu wandern war nicht so beschwerlich wie
der Marsch in der letzten Nacht mitten durch den Wald.
Bäume und Gestrüpp hielten Abstand zum Felsen.
Borkos Muskelkater ließ nach einigen Halbstunden
nach. Allerdings fanden alle drei Hobbits es bedrückend,
linker Hand immer die hohe Felswand zu haben, die ihnen
keinerlei Ausweichmöglichkeit ließ. Der Wald
zur Rechten war dicht und dunkel. Die Geräusche,
die aus ihm drangen, waren zwar leiser als in der Nacht.
Aber es waren keine vertrauten Geräusche, wie die
Hobbits sie aus den Wäldchen und Hainen des Auenlandes
kannten. Da sie aber gut vorankamen, blieben sie guter
Dinge.
Schon
kurze Zeit nach dem Aufbruch hatte Pippin gemerkt, dass
sie verfolgt wurden. Ein großer Rabe saß
manchmal auf Zweigen in der Nähe des Felsen und
flatterte mit seinen bläulich glänzenden Flügeln.
Ab und an verschwand er in die Richtung, aus der sie
gekommen waren. Bald war er wieder da und wurde so zu
einem ständigen Begleiter der drei Hobbits.
Um die
Mittagszeit befahl Pippin eine kurze Rast. Sie wagten
nicht, ein Feuer zu entfachen, aus Angst, unliebsame
Aufmerksamkeit zu erregen. Die Hobbits begnügten
sich mit Wasser und den flachen Broten, die Arbael ihnen
mitgegeben hatten. Es war zwar kein Lembas, aber es
schmeckte noch genauso frisch wie am Morgen. Ein paar
Äpfel aus dem Auenland machten die Mahlzeit komplett.
"Wir
werden verfolgt", sagte Pippin, als sie sich nach
dem Essen über die schon nicht mehr so runden Bäuche
strichen. Borko sprang vor Schreck auf und sah sich
mit wilden Kopfbewegungen um.
"Beruhige
dich, Borko, es ist ein Vogel, der uns folgt",
sagte Merry und zeigte auf den großen Raben, der
in der Nähe auf dem Boden hockte und darauf wartete,
sich über ihre Krümel herzumachen.
"Das
ist doch der gefiederte Bursche, den ich heute morgen
aufgeschreckt habe", sagte Merry. "Er folgt
uns also schon seit Arbaels Höhle."
"Ach
was, ein Rabe sieht doch wie der andere aus", meinte
Borko.
Die überwundene
Gefahr der letzten Nacht, die Ruhe in Arbaels Höhle
und das gute Vorankommen am Tag hatten ihn wieder mutig
gemacht. Schließlich war den ganzen Vormittag
lang nichts ungewöhnliches geschehen. Die Sonne
schien durch die Baumwipfel, der Felsen warf die Wärme
zurück.
"Benimm
Dich nicht wie ein Hasenfuß, Herr Brandybock."
"Nicht
vor dem Raben sollten wir uns fürchten, sondern
vor der Gefahr, wegen der Herr Arbael ihn uns mitgesandt
hat. Er hat schon einmal versucht uns zu warnen, wie
du vielleicht weißt", gab Merry zu bedenken.
"Arbael
hat versprochen über uns zu wachen. Ich bin mir
fast sicher, dass der Rabe sein Späher und Bote
ist", sagte Merry.
Borko
verstand nicht, wie ein Vogel Bericht erstatten oder
gar jemand herbeirufen könne. Die Hobbits diskutierten
noch eine Weile, dann drängte Pippin zum Aufbruch.
Bald waren die Wanderer wieder im Tritt. Ihre Gespräche
schliefen schnell ein, und im Laufe des Nachmittags
begannen ihre Kräfte nachzulassen. Borko fing als
erster an zu stöhnen und zu grummeln. Immer öfter
zerrte er an den Gurten seines Rucksacks, um sich für
einen Moment Erleichterung zu verschaffen.
Die Sonne
sank immer tiefer und verfärbte sich ins Orange.
Borko, der an diesem Tag zum ersten Mal zu spüren
bekam, was es hieß, zu laufen, so lang die Sonne
Licht gab, wurde immer stiller. Auch Merry und Pippin
machten sich Sorgen, ob sie, wie Arbael gesagt hatte,
dem Wald vor Sonnenuntergang den Rücken würden
kehren können. Schließlich blieb Borko stehen,
ließ sich mit einem Plumps zu Boden fallen und
streckte seine behaarten Füße aus.
"Ich
kann nicht mehr. Der Elb hat die Wegstrecke sicher nach
seinem Schritt bemessen. Wir werden es heute nicht schaffen.
Da können wir genauso gut jetzt Rast machen."
Merry
und Pippin blieben ebenfalls stehen, setzten sich aber
nicht.
"Wenn
Arbael gesagt hat, wir schaffen es, dann ist das auch
so. Hoch mit Dir, alter Stolzfuß. Mach deinem
Namen Ehre!", versuchte Pippin ihn zu ermuntern.
Borko
deutete mit der Hand nach Osten.
"Der
Wald wird nicht lichter, sondern immer dichter. Der
Felsen wird immer höher. Es kann noch lange dauern,
bis wir hier herauskommen", jammerte er und machte
keine Anstalten aufzustehen.
Pippin
war ebenfalls müde und hatte keine Lust zu streiten.
"Ich
denke nicht, dass du alleine im Wald bleiben willst,
wenn es dunkel wird. Wenn es sein muss, kann man an
einem einzigen Tag noch viel weiter gehen, nicht wahr
Merry?", sagte er, drehte Borko den Rücken
zu und ging weiter.
Merry
fühlte sich an den schrecklichen Marsch mit den
Orks über die weiten Ebenen Rohans erinnert
und nickte. Er bot Borko die Hand, die diese ergriff
und zog ihn hoch. Schweigend gingen sie hinter Pippin
her.
Rabe
und Krähe
Zu ihrer
großen Überraschung brauchten sie nur noch
wenige Schritte gehen, bis sie den Waldrand erreichten.
Borko hatte zwar recht, dass der Wald dichter wurde:
Es war das Unterholz an seinem Rand, mit dem er sich
vor Blicken und Eindringlingen zu schützen suchte.
Die Hobbits
hatten es schwer, sich durch einen großen Ginsterbusch
zu kämpfen, der bis dicht an die Felswand reichte
und sie von dem offenen Land vor den Hügelgräberhöhen
trennte. Merry, der einige Zweige mit dem Schwert weghacken
wollte, bekam einen dicken Zweig ins Gesicht, stolperte
und fiel auf den Hosenboden. Borko lachte hämisch
auf, aber auch ihm erging es nicht besser. Ständig
schnellten neue Zweige und Äste in die Lücke,
die sie gerade erst geschnitten hatten. Es war, als
wolle der Alte Wald die Hobbits nicht entweichen lassen.
Schließlich spuckt er sie förmlich aus. Der
Ginsterbusch gab nach, und die drei Hobbits stolperten
ins Licht der zur Hälfte untergegangenen Sonne.
Vor ihnen,
gegen Osten, erstreckte sich das weite Hügelland.
Die Sonne, die gerade noch über die Baumwipfel
schien, tauchte die ineinander übergehenden Linien
der flachen Kämme in ein gelbliches Schimmern.
Die Oststraße war im Zwielicht nicht zu sehen,
musste sich aber irgendwo im Norden befinden. Das Licht
behagte Pippin nicht. Anders als im Auenland tauchte
die untergehende Sonne die Landschaft nicht in eine
goldene Wärme. Das gelbliche Licht bedeckte das
Land wie ein ungesunder Schleier, beinahe wie ein Schimmelpilz
verdorbene Speisen überzieht, die vor Wochen in
der Speisekammer vergessen worden waren.
Auf den
Kuppen waren vereinzelt grasüberwachsene, runde
Erhebungen zu sehen. Borko Stolzfuß starrte hinüber.
Für einen Moment glaubte Pippin, einen gierigen
Gesichtsausdruck in seinem Gesicht zu sehen. Dennoch
waren die Hobbits froh, den langen Weg durch den Alten
Wald geschafft zu haben. Nachdem sie seine Gefahren
und düsteren Geheimnisse hinter sich gelassen hatten,
erschienen ihnen selbst die Hügelgräberhöhen
einladend.
"Bei
Tageslicht sehen die Höhen fast freundlich aus",
sagte Merry. "Aber wenn ich daran denke, wie im
Nebel die Grabwichte aus den Hügelgräbern
kamen und uns schnappten, wird mir ganz seltsam zumute."
Pippin
nickte.
"Wir
gehen noch ein paar Schritte. Seht ihr, wo auf halbem
Wege zwischen Waldrand und dem ersten Anstieg der kleine
Bachlauf glitzert?"
Merry
und Borko folgten mit den Augen Pippins ausgestrecktem
Arm und nickten.
"Dort
wollen wir für die Nacht unser Lager aufschlagen.
Nicht zu nahe am Wald aber auch noch nicht zu nah an
den Hügelgräbern. Packt Euch die Arme voll
Holz, dann können wir über Nacht ein Feuer
brennen lassen."
Die Hobbits
sammelten am Waldrand auf, was an Brennbarem herumlag.
Dann gingen sie das letzte kleine Stück und begannen
das Nachtlager herzurichten. Die letzten Sonnenstrahlen
erhellten ein trügerisch friedliches Bild: An einem
kleinen, klaren Bachlauf inmitten von grünem, stoppeligen
Gras, zwischen Waldrand und einer sanft ansteigenden,
ebenfalls grasgrünen Hügelflanke lagerten
die drei kleinen Gestalten um ein gemütliches Feuer.
Die Reisegefährten
fühlten sich aber gar nicht richtig wohl. In der
beginnenden Dämmerung rückten die Umrisse
der Hügelgräberhöhen und der düstere
Rand des Alten Waldes bedrohlich nahe. Auch dass der
Wald sich gewehrt hatte, als sie ihn verlassen wollten,
gab den Hobbits noch zu denken.
Da ihre
Wasserflaschen schon halb leer waren und noch ein anstrengender
Tag auf sie wartete, tranken sie nur wenig. Dabei hatte
sie der lange Marsch durstig gemacht, und der Kampf
gegen den Ginsterbusch hatte sie noch einmal erhitzt.
Sie trauten sich aber nicht, Wasser aus dem Bach zu
trinken, der womöglich im verhexten Wald entsprang
oder im Norden einem Hügelgrab zu nahe kam.
Plötzlich
flatterte etwas großes, schwarzes über ihnen
herum. Die Hobbits zuckten zusammen und griffen nach
ihren Schwertern.
"Es
ist wieder der Rabe, der uns nun schon den ganzen Tag
folgt und dem wir auch an der Brandyweinbrücke
und beim ersten Nachtlager begegnet sind", sagte
Borko.
Er griff
nach einem halb verkohlten Ast, der aus dem Feuer ragte
und wollte ihn nach dem Vogel werfen, der sich inzwischen
in den kleinen Wasserlauf auf einen glattpolierten Kiesel
gestellt hatte. Pippin hielt Borkos Arm fest.
"Warte!"
Der Rabe
beugte mehrmals seinen Schnabel ins Wasser und trank.
Dazwischen sah er sie aus schwarzen Knopfaugen an, als
wolle er eine Aufforderung aussprechen.
"Arbael
wacht seit der Brücke über uns und tut es
immer noch. Daran glaube ich jetzt ganz fest",
sagte Pippin, stand auf und ging mit seinem Trinkbecher
an den Rand des Wasserlaufes.
Er tauchte
seinen Becher in das klare, kühle Wasser, während
der schwarze Vogel, der nur einen Schritt beiseite gehüpft
war, zu nicken schien. Pippin nahm einen tiefen Schluck.
"Herrlich
frisch. Es schmeckt so, wie frisches Quellwasser schmecken
muss", rief er und trank seinen Becher leer.
Der Rabe
sah im Wechsel Borko und Merry an. Als die beiden sich
erhoben, ihre Becher füllten und ebenfalls tranken,
nickte er nochmals und flatterte endlich davon.
Nachdem
sich die Hobbits dermaßen erfrischt hatten, spießten
sie ein paar Würste, Zwiebeln und Tomaten aus den
Rucksäcken auf saubere Stecken und hielten sie
übers Feuer. Mit der Aussicht auf eine warme Mahlzeit
waren sie wieder guter Dinge, plauderten und sangen
vor sich hin.
Als die
Spieße heiß genug waren, begannen sie zu
knabbern. Borko fragte endlich, was ihm schon lange
auf der Zunge brannte.
"In
den Hügelgräbern ist wirklich Gold zu finden,
sagtet ihr?"
Die Geschichte
von Tom Bombadil und wie sie zu ihren Schwertern gekommen
waren, hatten Merry und Pippin oft im "Grünen
Drachen" zum besten gegeben. Borko hatte aber wohl
nur zugehört, als es um Gold und Edelsteine ging.
Den Nebel, die Stimmen aus dem Boden, die Grabunholde
hatte er wohl vergessen.
"In
den Hügelgräbern warten nicht allein Gold
und Geschmeide, sondern auch böse Gefahren. Die
Grabunholde bannen dich in ewigen Schlaf. Wie Tote,
in Leichenhemden und mit Grabschmuck behangen, lagen
wir dort. Ohne Herrn Frodo und Tom Bombadil würden
wir vielleicht heute noch dort liegen", sagte Merry.
"Hüte
Dich vor Stimmen aus dem Nebel. Ich hoffe, wir bleiben
diesseits des Baches vom Nebel verschont. Aber folgt
man den Stimmen, endet man in einem Hügelgrab und
wacht nicht mehr auf."
"Glaubt
ihr, es gibt keine Möglichkeit, die Schätze
ohne Gefahr zu bergen? Stellt euch nur vor, was wir
damit in Hobbingen anstellen könnten." Borko
ließen die Verlockungen des Goldes nicht los.
"Ich
für meinen Teil hoffe, dass wir heute Nacht und
morgen vom Nebel verschont bleiben. Wenn wir die Sonne
sehen, finden wir besser durchs Hügelland und müssen
dort keine Nacht zubringen. Reich zu sein wäre
schön, aber dieses Gold kann mir gestohlen bleiben."
Merry
war zum Schluss eindringlich geworden, um Borko die
Flausen aus dem Kopf zu treiben.
Die vollen
Bäuche und das frische Wasser hatten die Stimmung
der Hobbits gehoben. Sie plauderten noch eine Weile
munter und fragten sich, was sich in Bree wohl verändert
haben mochte. Merry und Pippin schwärmten von den
riesigen Krügen frischen Gerstenbieres, die im
"Tänzelnden Pony" ausgeschenkt wurden.
Als es Schlafenszeit wurde, vereinbarten sie, Borko
solle die erste Wache übernehmen. Merry würde
folgen, Pippin hatte die letzte Wache.
Die beiden
altbefahrenen Hobbits kuschelten sich in ihre Decken
und schliefen auf der Stelle ein. Borko blieb beim Feuer
sitzen und warf ab und an ein paar Äste nach. Er
betrachtete die Sterne und dachte über die Reichtümer
nach, die in den Gräbern warteten. Aus seinem Rucksack
holte er die Feldflasche mit dem Gebrannten und ließ
das scharfe Zeug die Kehle hinunterrinnen. Die Träume
von Gold und Edelsteinen erschienen nach wenigen Herzschlägen
noch blumiger und farbiger. Die Augen wurden ihm schwer
und er wehrte sich nicht mehr gegen den Schlaf.
Borko
wusste nicht, dass er schon eingenickt war, als er sich
inmitten von goldenen Schätzen, Karfunkelsteinen
und anderen Juwelen in seiner Höhle sitzen sah.
Er brauchte nicht mehr selbst Garten und Äcker
bestellen, sondern konnte Knechte großzügig
dafür bezahlen. Abends, im "Grünen Drachen",
war er der Mittelpunkt der Unterhaltung, denn eine Runde
nach der anderen ging auf ihn.
Er schrak
hoch und öffnete die Augen, schüttelte den
Kopf. Wie lange er geschlafen hatte, konnte er nicht
sagen, aber im Lichtschein des Feuers war nichts bedrohliches
zu erkennen. Er lauschte in die Nacht und sah zum Himmel
hoch. Die Sterne waren nicht mehr klar zu erkennen,
den ein dunstiger Schleier hatte sich wie ein Totenhemd
über das strahlende Funkeln gelegt.
Ein Rauschen
und Flügelschlagen ließ ihn hochfahren. Aber
es war wieder nur der schwarze Vogel, der sie schon
so lange begleitete, meinte Borko zu erkennen. Der Vogel
hatte sich auf der anderen Seite des Baches, näher
am Ausläufer der beginnenden Hügel, niedergelassen.
Er schien Borko etwas größer geworden zu
sein. Sein Gefieder glänzte auch nicht mehr so
wie am Tage, sondern war matt, beinahe wie lehmverschmiert.
Das Tier
sah Borko mit fast dem selben auffordernden Ausdruck
an, wie am vergangenen Abend bei der Wasserprobe. Der
schwarze Vogel hüpfte ein par Schritte auf die
Hügel zu, flatterte zurück, hüpfte wieder
weg. Borko stand auf und beobachtete den Vogel. Das
ist der Vogel des Elben, redete er sich ein. Arbael
will uns einen Weg zu den Schätzen zeigen.
Borko
tastete nach seiner Feldflasche und nahm einen weiteren
kräftigen Schluck Gebrannten. Immer noch voll ängstlicher
Hoffnung ging er auf den Vogel zu und machte einen großen
Schritt über den Bach. Seltsamerweise war es auf
dieser Seite kälter und er begann zu frösteln.
Der Vogel hüpfte vor ihm her, und Borko folgte
ihm, bis der Boden leicht anzusteigen begann. Er sah
vor seinem inneren Auge wieder Berge von Gold, die bald
ihm gehören würden, als vor ihm eine Gestalt
aus dem Boden wuchs.
Die Gestalt
bildete sich aus dem Nichts, war zunächst durchsichtig
und nahm immer festere Gestalt an. Sie ähnelte
einem großen Menschen, gewandet in einen lehmigen,
verwitterten Umhang. Eine Kapuze verbarg das Gesicht.
Die wie gehauchte aber sehr eindringliche Stimme konnte
Borko nur in seinem Kopf hören.
Kalte
Schauer liefen dem Hobbit den Rücken hinunter.
Er kannte die Sprache nicht, verstand aber dennoch,
wozu ihn die Gestalt aufforderte. Eine Hand wurde Borko
entgegengestreckt. Ein goldenes Schmuckstück, eine
Brosche, besetzt mit Perlen und Bergkristallen, lag
darin.
Wie befohlen
ging er auf das Wesen zu, das über dem kurzen Gras
zu schweben schien. Er griff nach der Brosche und der
Grabunhold hob den Kopf. Zwei fahle Lichter starrten
Borko aus einem Gesicht an, das Jahrhunderte Zeit gehabt
hatte, einzufallen. Die Augen spiegelten das Licht des
Mondes wider, schienen aber viel weiter entfernt
als der Himmelkörper.
Im Bann
dieser kalten Augen griff Borko nach der Brosche und
berührte dabei die Hand des Grabunholdes.
Merry
und Pippin waren von dem langen Marsch durch den Alten
Wald so erschöpft, dass sie erst mit dem morgendlichen
Vogelgezwitscher aufwachten. Beide hatten sie ihre Wache
verschlafen.
"Pippin,
wach auf! Wo ist Borko?", rief Merry.
Aber
beide hatten eine Ahnung von dem, was in der Nacht geschehen
war.
"Rucksack,
Schwert und Gehstock sind noch da", stellte Pippn
fest. "In den Wald wird er nicht allein gegangen
sein. Also muss er sich in die Hügel aufgemacht
haben, dieser Verrückte!."
"Oder
etwas hat ihn hineingelockt", gab Pippin zu bedenken.
Eilig
packten die beiden das Nachtlager zusammen. Selbst das
Frühstück musste sich auf einen eilig
verschlungenen Apfel beschränken. Pippin hängte
sich seinen eigenen und Borkos Rucksack über je
eine Schulter. Merry schnalle die große Pfanne
an seinen Rucksack und nahm Borkos Schwert. So waren
die Lasten gleichmäßig verteilt. Obwohl die
Sonne bereits wärmende Strahlen aussandten, zitterten
die Hobbits vor Aufregung und Angst um den Kameraden.
Mit geschulterten
Rücksäcken überquerten sie den kleinen
Bach und spürten sofort die Kälte auf der
anderen Seite. Fußspuren waren nicht zu entdecken,
aber am Fuße des beginnenden Hügels war das
Gras niedergedrückt. Das platte Gras bildete eine
breite Spur, die mitten in die Hügelgräberhöhen
hineinführten.
Merry
und Pippin sahen sich an. Merry zuckte mit den Schultern.
"Wir
müssen sowieso durch die Hügel. Die Spur führt
nach Osten, die Richtung stimmt also auch. Folgen wir
der Spur. Wir können den alten Stolzfuß schließlich
nicht alleine lassen, auch wenn er sich bisher nur als
Maulheld erwiesen hat."
Pippin
nickte.
"Sicher
liegt er schon in ein Totenhemd gekleidet und mit kaltem
Gold geschmückt in einem der Gräber. Wenn
er nur noch lebte!"
Ein Stolzfuß
wird bescheiden
Sie marschierten
schnellen Schrittes. Solange die Schleifspur deutlich
war, fielen sie sogar ins Laufen. Die Kuppen mit den
runden Grabhügeln oder den einsamen Steinen umgaben
sie schließlich, ohne dass das umliegenden Land
zu sehen war. Wie vor Jahren kamen die stummen Steine
den Hobbits wie zur Mahnung erhobene Zeigefinger vor,
als warnten sie ahnungslose Wanderer vor namenlosen
Schrecken.
Sie mussten
sich schon mitten im Hügelland befinden, als die
Schleifspur einen Hügel hinaufführte. Bisher
waren die Hobbits nur durch die flachen Senken und Tälchen
geführt worden. Die Sonne stand, die zwar
noch nicht im Zenith stand, brannte ausgesprochen heiß,
die Luft stand still und war unangenehm feucht.
Oben
angelangt erkannten Merry und Pippin, dass eine dunstige
Glocke über den Hügelgräberhöhen
lag. Die dunkle Linie des Waldes war gerade noch zu
erkennen. So wussten die Hobbits zumindest wieder, wo
Westen war und konnten sich orientieren. Mehr war vom
Land um die Höhen nicht zu erkennen. Durch den
Dunst schimmerten allenfalls helle und dunkle Flecken.
Die Spur
endete vor einem kleineren Hügelgrab, das sich
halbrund, wie ein ungesundes Grasgeschwür, auf
dem flachen Hügel erhob. In die Kuppe war ein ehemals
rechtwinkliger Türrahmen aus grob behauenem Stein
eingelassen. Der linke Pfosten und die Tür hatten
dem Druck der Erde nachgegeben und waren zum Teil im
Boden versunken. Der obere Balken war schräg nach
links geneigt. Die Tür selbst bestand aus einem
Stück Stein, in dem unbekannte Runen kaum noch
zu erkennen waren.
"Dahinter
liegt unser Borko, von einem Grabunhold verschleppt",
stellte Pippin unnötigerweise fest.
"Was
sollen wir denn jetzt machen?" Merry stemmte sich
mit der Schulter gegen die steinerne Tür. Die bewegte
sich nicht auch nur ein Stück, selbst als Pippin
mithalf.
"Tom
Bombadil hat eine Flanke des Grabhügels einfach
eingerissen. Als das Licht hineinfiel, floh der Unhold",
erinnerte sich Pippin.
"Aber
wir haben nicht die Macht des alten Tom", warf
Merry ein.
"Es
reicht vielleicht aus, ein kleines Loch zu graben, so
dass Licht ins Innere fällt. Wenn Borko noch lebt,
könnte das den Grabunhold aufhalten, bis uns etwas
besseres einfällt." sagte Pippin.
"Du
hast recht. Schließlich sind wir Hobbits im Graben
nicht ganz unerfahren."
Merry
und Pippin hatten natürlich keine Schaufeln dabei.
Daher zogen sie ihre Schwerter und begannen linker Hand
neben dem Torpfosten die Grassoden wegzureißen.
Als das Gras, das mit seinem Wurzelwerk den Boden zusammenhielt,
weggeschafft war, kamen sie besser voran.
Die Hobbits
knieten schon zur Hälfte in einem hüfthohen
Loch, als sie auf Stein stießen. Merry schrie
vor Schmerz auf, als seine Klinge auf einen riesigen
Findling schlug. Die beiden Abenteurer sahen sich mit
lehmverschmierten Gesichtern verzweifelt an.
"Oh
je! Ich glaube, den alten Borko kriegen wir nicht wieder
ans Licht", jammerte Merry.
Pippin
kroch in das Loch und tastete den Stein ab.
"Ich
glaube, ein paar Handbreit weiter rechts hört er
auf. Zwischen Stein und Torrahmen muss eine Lücke
sein, die nur mit Lehm gefüllt ist."
Er schaute
sich um und bemerkte den Schreck in Merrys Gesicht.
Die Sonne näherte sich unaufhaltsam dem Horizont.
In ihrem Eifer, den Kameraden zu befreien, hatten die
Hobbits Stunde um Stunde gearbeitet, geschwitzt und
sich über und über mit Lehm und Erde beschmiert,
ohne zu merken, wie die Zeit verging.
Da flatterte
plötzlich der Rabe Arbaels heran. Hätte Borko
ihn sich am Vortag genauer angesehen, hätte er
gemerkt , dass er nichts mit der Unglückskrähe
gemein hatte, die ihn in die Falle gelockt hatte. Der
Vogel blieb reglos in der Nähe sitzen, so als wolle
er sie nicht ablenken.
Die Hobbits
machten mit doppelter Anstrengung weiter. Sie hieben
und stießen mit den Schwertern in die lose Erde
und den festen Lehm. Hinter ihnen bildeten sich Haufen
losen Erdreichs und schließlich fiel Merry nach
vorne, als sein Schwert keinen Widerstand mehr fand.
Er stieß sich den Kopf an dem teilweise freigelegten
Findling, der in den Wall eingefügt worden war,
um die Erdmassen zu stützen.
"Aua!"
rief er und drehte sich weg.
In diesem
Moment war aus dem Inneren ein langgezogenes tiefes
Heulen zu hören. Das Heulen endete in einem Aufseufzen
Jahrhunderte langer Unruhe, die nun Erlösung im
Nichts fand. Pippin sah durch das kopfgroße Loch,
wie Licht auf eine große dunkle Gestalt ohne Gesicht
fiel. Der Umhang des Grabunholds, zerschlissen und lehmverschmiert,
fiel in sich zusammen. Der unruhige Geist verschwand
für immer vom Antlitz Mittelerdes.
Die Sonne
hatte den Horizont inzwischen erreicht und ging langsam
unter. Merry und Pippin stießen erschöpft
aber glücklich die letzten Lehmbrocken beiseite,
die sie am Zugang in die Grabkammer hinderten. Durch
die schmale Öffnung zwängten sie sich ins
Innere.
In der
Mitte der Kammer lag Borko, in ein Leichenhemd gewandet
und mit goldenem Stirnreif und zahlreichen Ketten und
Armreifen geschmückt. Als der Unhold im Licht der
Sonne entschwand, wich auch der Bann von seinem Opfer.
Borko öffnete langsam die Augen und blickte sich
um.
"Wo
bin ich? Mir ist kalt", sprach er mit sehr leiser
Stimme.
"Du
liegst in einem der Hügelgräber," sagte
Pippin. "Aber sei unbesorgt, der Grabunhold ist
verschwunden."
Merry
hatte Borkos Kleidung gefunden, und gemeinsam halfen
sie dem Kameraden, sich aufzurichten und anzuziehen.
Den goldenen Schmuck nahmen sie Borko in der Eile nicht
ab, aber Merry und Pippin sahen sich um und betrachteten
die reichen Grabbeigaben, das Geschmeide, die Gemmen
und anderen Edelsteine, goldene Trinkgefäße,
wertvolle Waffen. Alles war in Truhen und Körben
verstaut, die offen standen und einen atemberaubenden
Anblick boten. Staunend besahen die Hobbits die Schätze,
nahmen hier einen Prunkbecher auf, probierten hier eine
Kette oder einen Ring.
Plötzlich
hallte das Grab von Flügelschlagen und Gekrächze
wider. Arbaels Rabe war durch den Spalt gehüpft,
flog laut kreischend im Rund und trieb die Hobbits förmlich
aus der Grabhöhle hinaus. In der Nähe der
immer noch geschlossenen Pforte staken Fackeln in rostigen
Haltern. Pippin und Merry griffen sich jeder eine und
zwängen sich dann hinaus. Borko trottet wie im
Schlaf hinter ihnen her. Er verstand die Aufregung und
Eile gar nicht.
Pippin
hatte es beim Kreischen des aufmerksamen Raben geahnt.
Die Sonne war fast untergegangen, nur noch eine schmaler
Rand stand über dem Horizont. Der Mond war schon
am dunkel werdenden Himmel zu erkennen und Pippin prägte
sich ein, wie sie sich an ihm nach Westen orientieren
konnten. Gleich würde die Sonne vollends untergehen,
und dann sollten sie schnellstmöglich aus dem Hügelland
verschwinden. Denn nach dem Sonnenuntergang würden
die Grabunholde emporsteigen.
"Das
schaffen wir nicht, das können wir gar nicht schaffen!"
Merry wollte fast verzweifeln. Borko stand wie betäubt
daneben, hatte doch auch er die Macht der Geisterwelt
erfahren.
"Merry,
schnell, schlag Feuer und zünde eine Fackel an.
Nur eine, hörst Du?", Pippin sprach schnell,
konnte aber die Ruhe bewahren. Borko stand dagegen die
nackte Angst in den Augen.
"Hier!",
forderte Pippin die beiden anderen auf und riss Streifen
aus einem Leinentuch, in das einmal ein Brot eingeschlagen
war. "Stopft euch das tief in die Ohren. Schnell!"
Die beiden
nahmen die Fetzen entgegen und begannen Pfropfen daraus
zu rollen. Ihre Blicke galten dabei immer wieder
dem Horizont, über dem nur noch eine schmale Sichel
eine rotglühenden Sonne zu erkennen war.
Als der
letzte Sonnenstrahl verblasste, wanderten drei erschöpfte,
schmutzige und verängstigte Hobbits Richtung Westen
durch das Hügelland. Sie konnten sich kaum noch
auf den Beinen halten, blieben aber nicht stehen, aus
Angst, einzuschlafen und dann von den Grabunholden geholt
zu werden.
Diesen
Marsch sollten sie nie in ihrem Leben vergessen. Schemenhafte,
große Gestalten, lichtlose Schatten, kamen auf
sie zu. Verzerrte, eingefallene Gesichter mit
kalten, leblosen Augen bewegten die Münder, beschworen
die Gefährten. Aber die Hobbits konnten die Bannsprüche
nicht hören, denn ihre Ohren waren mit dicken Pfropfen
aus Tuch verschlossen.
Die Grabunholde
versuchten immer wieder sie aufzuhalten, getrauten sich
aber nicht, in den Lichtkreis der Fackel zu treten und
der heißen Flamme zu nahe zu kommen. Arme mit
klauenbewehrten Händen griffen durch die Luft und
wurden zurückgezogen, als Fackelschein auf sie
fiel. Fordernde, ziehende Gedanken wollten sich in die
Köpfe der Hobbits drängen, aber sie widerstanden
und wichen nicht von ihrer Richtung ab. Unbeirrt marschierten
sie nach Westen.
Nebel
quoll aus den offenen Pforten der Gräber, umgab
sie, konnte aber nicht die Sicht auf den Mond versperren,
an dem sie sich orientierten. Schritt für Schritt
zogen sie sich gegenseitig weiter. Borko stürzte
einmal vor Schwäche und musste eine Weile durch
die Finsternis gezerrt werden. Und immer wieder näherten
sich vermummte Gestalten, schwebend und mit grausigen
Gesten, um sie in ihren Bann zu ziehen.
Die zweite
Fackel war nahezu abgebrannt, als der Nebel langsam
lichter wurde. Das Gelände wurde flacher, immer
häufiger tauchten Büsche und Gruppen zunächst
dürrer, verkrüppelter Kiefern aus der Dunkelheit
ins Licht der spärlichen Flammen. Selbst als der
Fackelstumpf nur mehr glühte, hielt Pippin ihn
noch hoch, während die Hobbits sich im Mondlicht
vorwärts quälten.
Schließlich
erreichten sie einen Trampelpfad, der von Süden
kam und nach Norden zur Oststraße führte.
Händler und Schmuggler gingen auf ihm auch des
Nachts, wie sie wussten, ungefährdet von den gequälten
Seelen der Hügelgräber. So erschöpft
sie waren, so erleichtert waren sie, den Gefahren der
Hügelgräberhöhen entronnen zu sein. Die
Hobbits legten sich in das Heidekraut und fielen, mit
aufgeschnallten Rucksäcken, in tiefen Schlaf.
Es war
schon später Vormittag, als Pippin erwachte. Seine
Muskeln schmerzten vom nächtlichen Gewaltmarsch
und sein Rücken tat weh, da er krumm auf dem Rucksack
gelegen hatte. Er blinzelte in den Himmel, dessen Blau
nur von wenigen Wolken durchsetzt war.
Irgend
etwas stimmte nicht. Der Wind rauschte nicht in den
Bäumen, die Vögel zwitscherten nicht. Es war,
als läge eine bleierne Stille über dem Land.
Pippin hob den Kopf und rief:
"Merry,
Borko! Wacht auf!"
Er erkannte
seine eigene Stimme nicht, die dumpf und ohne Klang
war. Dann fiel es ihm endlich ein und er pulte die Stopfen
aus seinen Ohren, schmiss die Fetzen weit von sich.
Jetzt drangen die Geräusche des Windes und der
Vögel auf ihn ein, und er brauchte ein paar Herzschläge
Zeit, sie zu ordnen. Voller Erleichterung schüttelte
er den Kopf, als er die Welt wieder klar und rein vernahm.
Ächzend
vor Schmerzen setzte er den Rucksack ab und reckte sich
vorsichtig. Es zog und zerrte in allen Gliedern. Dann
stieß er Merry und Borko an, die ihn mit verwirrtem
Gesichtsausdruck anblinzelten. So musste er gerade selbst
ausgesehen haben. Er tippte sich mit dem Zeigefinger
ans Ohr und sein beiden Gefährten begriffen. Auch
sie zogen die Pfropfen aus den Ohren. Borko blieb still,
während Merry sofort losplapperte.
"Ich
dachte, wir schaffen es nicht. Wenn die Fackel im Hügelland
ausgegangen wäre, hätten die Unholde uns erwischt.
Stellt euch vor, wir wären eingeschlafen..."
Sein
Redefluß wurde gestoppt, als er versuchte, seinen
Rucksack abzunehmen. Die Schmerzen ließen Merry
zusammenzucken und er begann, sich ganz langsam zu dehnen
und zu strecken.
Borko
nahm ebenfalls seinen Rucksack ab, verzog aber keine
Miene. Er war so in Gedanken, dass er das Reißen
in Muskeln und Knochen nicht spürte. Die goldenen
Armreifen rutschten hervor und klingelten leise. Verwundert
betrachtete der Stolzfuß seine Handgelenke, tastete
nach dem Stirnreif, der ihm wie eine Torque um den Hals
hing.
Ein Schatten
erschien in seinem Gesicht, seine Gedanken galten den
Schrecken der letzten Nacht.
Dann
fasste er sich, streifte die Armreifen ab und zog den
Stirnreif über den Kopf. Beides hielt er Merry
und Pippin hin, die das Gold verwundert entgegen nahmen.
"Ich
habe das Gold nicht verdient, nehmt es. Ich war es,
der uns alle in Gefahr gebracht hat. Anscheinend tauge
ich nicht für Abenteuer. Nichts sehnlicher wünsche
ich mir, als in meiner warmen, gemütlichen Höhle
zu sitzen." Er machte eine Pause, Merry und Pippin
schwiegen still. " Auch Thain will ich nicht werden.
Am Ende muss ich die Auenländer selbst ins nächste
Abenteuer führen. Nein danke! Und ich gelobe, ab
sofort die Finger vom Gebrannten zu lassen. Wenn der
mir noch mal den Kopf umnebelt, lasse ich mich vielleicht
noch einmal auf eine Unternehmung wie diese ein."
Nach einer kurzen Pause sagte er noch einmal. "Nein,
danke!"
Merry
und Pippin waren nicht wenig erstaunt über einen
derartigen Sinnenwandel. Nach der letzten Nacht stand
ihnen der Sinn aber nicht nach Hohn und Spott. So klopften
sie Borko freundschaftlich auf den Rücken, denn
als Freunde betrachteten sie einander fortan. Merry
gab ihm den Stirnreif wieder.
"Behalte
ihn als Andenken an diese Nacht und an diese Reise,
Borko."
Der nahm
in mit einem leise Danke an. So besaßen Merry,
Pippin und Borko einen Teil des Goldes, das sie am Abend
erbeutet hatten und waren gar nicht unzufrieden.
"So
können wir alle glücklich sein über den
Ausgang des Abenteuers. Und jetzt wird gefrüh-stückt!",
sagte Pippin.
Merry
stand stöhnend auf, um Feuerholz zu suchen, Borko
trug ein paar Steine für die Feuerstelle zusammen,
Pippin sortierte die Vorräte. Bald saßen
die drei Hobbits mit einem heißen Becher Tee zufrieden
um das Feuer. Für jeden war ein halbes Brot und
ein ordentliches Stück Hartwurst übriggeblieben.
Äpfel und Birnen vervollständigten die einfache
Mahlzeit, die ihnen wie das köstlichste Sonntagsessen
mundete.
Pippin
zwinkerte Merry zu. Auch der erinnerte sich an den letzten
Abend in ihrer Höhle, als sie sich über den
Geschmack des Bieres nach der letzten Reise nach Bree
unterhielten. Mit diesem Frühstück war es
ganz genau so. Mit dem Essen wurden die Hobitts fröhlich.
Der Schrecken der Nacht in den Hügelgräberhöhen
verblasste schon und auch das Ziehen und Reißen
in den Knochen ließ nach.
Die Mittagszeit
war schon längst vorbei, aber ein wenig Ruhe gönnten
die drei Gefährten sich noch. Pippin schätzte,
es sei nicht einmal mehr ein halber Tagesmarsch nach
Norden zur alten Oststraße. Dort würden sie
noch einmal ein Nachtlager aufschlagen.
"Ich
glaube nicht, dass sich die Ostlinge so nahe an Bree
herantrauen." sagte er. "Außerdem haben
sie nach so vielen Tagen sicher die Lust verloren, weiter
nach uns zu suchen."
Am nächsten
Tag würde man Bree erreichen. Bis dahin sollten
auch die letzten Vorräte noch reichen.
"Es
wird aber auch Zeit, Herr Tuk, dass Du uns endlich Bree
führst", spottete Merry. "Wir wollten
doch nur ein kleine, gemütliche Reise machen und
uns nicht mit Strauchdieben herumschlagen, traurige
Elben aufsuchen und in den Hügelgräbern umkommen."
"Du
hast wohl recht, Herr Brandybock, mit so vielen Hindernissen
habe ich nicht gerechnet."
Borko
grinste und nickte dazu. Auch er hatte die gute Laune,
die einem satten Hobbit zukommt, wiedergefunden.
"Ist
dies der Grünweg, der uns direkt nach Bree führt?"
Pippin
schüttelte den Kopf.
"Der
Grünweg liegt noch weiter im Osten. Dieser Weg
hier ist nicht mehr als ein Trampelpfad. Aber
er wird uns bestimmt zur Oststraße bringen."
Gomfour
Katzengold
So brachen
sie wieder auf, mit Rucksäcken, die um ein gutes
Maß leichter waren als beim Aufbruch von Hobbingen.
Als die Hügelgräberhöhen außer
Sicht kamen, zeigte Borko auf einen weit entfernt fliegenden,
schwarzen Vogel, der auf den Alten Wald zuhielt.
"Der
Elb scheint auch zu glauben, wir bräuchten keinen
Wächter mehr."
Das machte
die Hobbits um so froher, und sie schritten munter voran.
Die Sonne stand noch ein gutes Stück über
dem Horizont, als der Trampelpfad breiter wurde und
kurz darauf auf die Oststraße stieß. Die
Hobbits schlugen sich vorsichtshalber in ein dichtes
Gebüsch und beobachteten von dort die Straße.
Aber kein Ostling zeigte sich und auch sonst kein Reisender.
Im Westen
war wieder der Alte Wald als dunkle Linie zur linken
der Straße zu erkennen. Im Osten zog sich die
Straße durch Riedlandschaft, die mit Buschgruppen
durchsetzt war. Bree war nicht zu sehen, die Hobbits
schätzten, dass sie es bis zum Einbruch der Dunkelheit
nicht schaffen konnten. Daher beschlossen sie, an Ort
und Stelle das Nachtlager aufzuschlagen, die restlichen
Vorräte zu vertilgen und am nächsten Tag bis
zum Mittagessen in Bree zu sein. Die Müdigkeit
steckte den Hobbits noch in den Beinen, und kurz nach
Einbruch der Dunkelheit waren Merry und Pippin eingeschlafen.
Borko wurde noch einmal die erste Wache anvertraut.
Diesmal
verlief die Nacht ohne Zwischenfälle. Zur verabredeten
Stunde weckte Borko Pippin. Merry, der die letzte Wache
hatte, schlief zwar kurz vor Tagesanbruch ein, wurde
aber wenig später, wie die beiden anderen auch,
vom Klang einer Flöte und dem Gesang tiefer, rauer
Stimmen geweckt.
Die Reisegefährten
rappelten sich auf und blickten nach Osten, von wo sich
eine Gruppe Zwerge, etwa ein Dutzend, näherte.
Sie hatten ein struppiges Pony bei sich, dass einen
Karren mit Handelswaren zog.
...von
den Auenlanden kommen wir
und
in Bree trinken wir bald unser Bier
Dort
erfüllen wir alle Wünsche,
zahlt
man uns mit barer Münze...
hörten
sie Hobbits die Zwerge singen. Eine Flöte pfiff
dazu eine fröhliche Melodie, die die Hobbits an
ein anderes Lied erinnerte, dass von den Blauen Bergen
handelte. Die bunten Kapuzen der sich nähernden
Zwerge leuchteten rot, blau, grün und gelb in der
aufgehenden Sonne.
Die drei
Hobbits traten auf die Strasse. Der Gesang verstummte
zwar, doch die kleine Karawane kam langsam näher,
begleitet vom Klang der Flöte. Vor den Hobbits
hielten sie an und auch die Flöte verstummte. Der
Zwerg mit dem längsten Bart, dessen Enden in einem
goldenen Gürten steckten, trat vor und verbeugte
sich knapp.
"Gomfour
Katzengold, zu Euren Diensten. Was kann ich für
Euch tun?", grüßte er formvollendet.
Auch Pippin verbeugte sich.
"Peregrin
Tuk, ebenfalls zu Diensten. Dies sind meine Begleiter
Meriadoc Brandybock und Borko Stolzfuß aus dem
Auenland."
Pippin
wies mit der offenen Hand auf die beiden, die sich ebenfalls
verbeugten. Nun stellte Gomfour Katzengold die Mitglieder
seiner Karawane vor. Die Namen konnten sich die Hobbits
nicht merken, nur dass sie alle, ob sie nun Gürtel
aus echtem oder falschem Gold trugen, zur Sippe der
Katzengold gehörten. Gomfour war der Vater der
einen und der Oheim der anderen. Seine nächsten
Worte erschreckten die Hobbits.
"Oh,
aus dem Auenland seid ihr. Von dort kommen wir gerade,
wie ihr vielleicht unserem kleinen Lied entnommen habt.
Nichts Gutes gibt es von dort zu berichten."
Merry
und Pippin traten näher.
"Erzählt!"
forderte Pippin.
Borko, der in den wenigen Tagen
ihrer Reise nach Ostlingen, Elben und Grabunholden nun
auch noch den Führer einer Zwergensippe kennen
lernte, hielt sich im Hintergrund, beugte sich
aber auch gespannt vor.
"Wir
wollten im Auenland Handel treiben, aber in Hobbingen
geht zur Zeit kaum jemand seinen regelmäßigen
Geschäften nach. Ein knappes Dutzend Halunken und
Strolche hat sich in der Dorfschänke breit gemacht.
Sie behaupten, drei Hobbits hätten an der Oststraße
zwei ihrer Kameraden erschlagen. Für diese fordern
sie jetzt Wergeld."
Gomfour
beäugte die drei. Seine Augen blieben auf den Schwertern
und den arg zerschrammten Wanderstöcken haften.
"Ihr
habt nicht zufällig etwas damit zu tun?",
fragte er, wartete eine Antwort aber nicht ab. "Euer
Dorf ist in heller Aufruhr, denn die Ostlinge wollen
das Wirtshaus nicht verlassen. Sie essen und trinken,
bis dem armen Wirt die Speisekammer und der Keller geleert
ist. Keiner der Auenländer ist mutig genug, die
Beutelschneider hinauszuwerfen. Sie drohen, sich Höhle
für Höhle vorzunehmen, wenn man sie nicht
verpflegt und entschädigt."
Die drei
Hobbits sahen sich an.
"Zwei
von ihnen wollten uns ausrauben, da haben wir sie niedergestreckt
und uns in Sicherheit gebracht. Aber die zwei Halunken
waren kurz danach wieder munter", erklärte
Pippin. "Haben Euch die Ostlinge nichts getan,
Herr Zwerg?"
Gomfour
Katzengold warf sich in die Brust.
"Diese
halbverhungerten Vagabunden legen sich vielleicht mit
einem Dorf führerloser Hobbits an. Aber nicht mit
einem Dutzend braver Zwerge, die gut geschliffene Äxte
bei sich tragen."
Gomfour
legte seine Hand auf die beachtliche Waffe an seiner
Seite.
"Und
da keine Geschäfte zu machen waren, sind wir weitergezogen."
schloß er.
Die Hobbits
waren sich schnell einig, einmal mehr den Weg nach Bree
unterbrechen zu müssen. Pippin wandte sich an den
Führer der Katzengold-Sippe.
"Wir
werden diese Halsabschneider aus dem Auenland
verjagen. Wir sind aber nur zu dritt und brauchen Hilfe."
Gomfour
wiegte langsam den Kopf von links nach rechts.
"Der
Abstecher ins Auenland hat uns bereits Verlust beschert.
Jetzt umkehren hieße, unseren Verlust noch zu
vergrößern."
"Wenn
die Ostlinge fort sind, könnte ihr von neuem versuchen,
Handel mit den Auenländern zu treiben", meldete
sich Merry zu Wort.
Gomfour
war nicht überzeugt.
"Unsere
Waren werden wir auch in Bree los, ohne auf dem Weg
zurück noch mehr Zeit zu verlieren."
Pippin
dreht dem Zwergenführer den Rücken zu, nahm
seinen Rucksack ab und holte einen der goldenen Reife
heraus. Der geschäftstüchtige Zwerg sollte
von den anderen Stücken nichts zu sehen bekommen.
Der Sippenführer bekam glänzende Augen, als
Pippin ihm den Armreif zeigte.
"Ein
seltenes und altes Stück", gab Gomfour zu.
Auch seine Söhne und Neffen waren neugierig näher
gekommen. "Eine hervorragende Arbeit. So etwas
findet man heute kaum noch", sagte der Fachmann.
"Dieses Stück ist ein guter Preis für
die Dienste, die ihr erbittet."
Als die
Zwerge sich erst einmal entschlossen hatten, gingen
sie nach Zwergenart tatkräftig zur Sache. Sie wendeten
den Wagen und wollten sofort losmarschieren. Pippin
hielt sie auf.
"Wartet
noch. Wir wollten heute nach Bree wandern und unsere
Vorräte ergänzen. Unser Proviant ist beinahe
komplett aufgebraucht. Führt ihr vielleicht ...?"
Gomfour
wurde jetzt sogar großzügig.
"Wir
haben ausreichend Brot, gut abgehangenen Schinken und
sogar ein ansehnliches Fässchen gemalztes Bier
bei uns. Ihr werdet unsere Gäste sein."
Er schlug
Pippin auf den Rücken, so dass dieser einen kleinen
Satz nach vorne machte.
Nachdem
diese wichtige Frage geklärt war, beeilten sich
die Hobbits, die Reste des Nachtlagers abzubrechen.
Die letzten Hartwürste und Brotkanten aßen
sie aus der Hand, während sie den Zwergen und ihrem
Karren hinterher eilten.
Die Zwerge
marschierten ausdauernd und ohne Pause. Auch die Hobbits
waren wieder soweit bei Kräften, dass sie bis weit
in den Nachmittag hinein durchhielten.
"So
hatte ich mir unsere kleine Reise aber auch nicht vorgestellt",
nörgelte Merry.
"Schon
wieder ein Mittagessen, das ausfällt", bestätigte
Borko. "Ich sage es noch einmal: Nie wieder Abenteuer
..."
Pippin
war unbemerkt auf die hintere Ladekante des Karrens
gesprungen. So konnte er ein wenig die Beine baumeln
lassen. Er verkniff sich das Gejammer und sah neugierig
unter die Plane, die die Handelswaren bedeckte. Der
Wagen war hauptsächlich mit Hausrat und Werkzeugen
beladen, schönen Zwergenarbeiten aus Eisen, Kupfer
und Messing. Am vorderen Ende stand noch eine große
Truhe mit schwerem Deckel. Pippin konnte nicht soweit
hineinlangen, um diesen zu heben. Er gab seinen bequemen
Platz frei und Borko und Merry balgten sich kurz darum,
wer als nächster sitzen durfte.
Pippin
holte zu Gomfour auf, der an der Spitze ging. Hinter
ihm liefen seine Söhne und Neffen, die sich munter
unterhielten. Ihnen schien der Marsch und die Aussicht
auf einen womöglich blutigen Kampf nichts auszumachen.
"Habt
ihr schon einen Plan, wie wir die Ostlinge vertreiben,
Herr Tuk?", fragte der würdige Zwerg ihn.
"Ich
denke schon seit einiger Zeit darüber nach. Aber
sagt mir doch, Gomfour Katzengold, was ihr auf dem Karren
habt, das uns helfen könnte."
"Werkzeuge
und Küchengerät, gute, unverwüstliche
Arbeiten, aber helfen wird das kaum."
"Und
was habt ihr in der großen Truhe?", wagte
Pippin zu fragen.
"Diese
Hobbits sind aber auch zu neugierig", griente der
Zwerg. "Einen Stock Beornsbienen", rückte
er dann aber doch heraus.
"Beornsbienen?",
fragte Pippin ungläubig.
"Ich
dachte, diese Art sammelt ihren Honig nur für die
Pelzwandler. Jeder andere wird von ihnen böse zerstochen.
Sie sollen so groß wie Spatzen sein."
"Nun,
das stimmt wohl", gab Gomfour zu. "Und mein
Neffe Dandeir musste auch zwei Wochen lang getragen
werden, als er ihrem Stock zu nahe kam. Wir fanden ihn
in der Nähe einer seltsamen, verlassenen Hütte
jenseits des Nebelgebirges. Als ich meinem Neffen zu
Hilfe eilte, rauchte ich gerade ein gemütliches
Pfeifchen mit dem Kraut, das ihr Halblinge so vortrefflich
anbaut. Zu unser aller Erstaunen ließen die Bienen
sofort von Dandeir ab, als sie durch den Qualm
des Pfeifenkrauts flogen. Sie beruhigten sich und flogen
nur noch träge und ohne Angriffslust um uns herum."
Pippin
nickte. In seinem Kopf begann eine Idee Gestalt anzunehmen.
Sie schafften
es, bei Einbruch der Dämmerung des folgenden Tages
den Brandywein zu erreichen. Glücklich hatten sie
den Alten Wald passiert und marschierten noch so weit,
bis sie eine guten Platz für ein Nachtlager gefunden
hatten. Nach einer üppigen Mahlzeit auf Kosten
der gastfreundlichen Zwerge legten sie sich müde
zum schlafen hin.
Am nächsten
Morgen erzählte Pippin den anderen, was er vorhatte.
Pippin hatte diesen Plan zusammen mit Gomfour ausgedacht
und nun berieten sie sich, bis alle zustimmten. Sie
mussten den Karren zurücklassen, denn sie wollten
nicht weiter auf der Oststraße nach Hobbingen
gehen. Sicher hatten die Ostlinge Wachen postiert. Zwei
der Zwerge wurden als Wachen abgestellt und sollten
beim Wagen bleiben. Sie würden später geholt
werden. Dann holten sie mit vereinten Kräften die
schwere Truhe herunter.
Es war
mittlerweile wieder Nachmittag geworden, als die zehn
Zwerge, drei Hobbits und das Pony die Oststrasse verließen
und querfeldein auf das Anwesen von Bauer Maggot trafen.
Sie hatten beschlossen, Hobbingen auf dem Umweg durch
Waldende und die Ausläufer des Grünberglandes
zu erreichen, so, wie sie vor Tagen zur Brandywein-Brücke
gegangen waren. Eine erste Rast wollten sie bei Bauer
Maggot einlegen und nach Möglichkeit die kleine
Truppe verstärken.
Es war
inzwischen stockfinster geworden, denn der Mond wurde
von einer langsam wandernden Wolkendecke verhüllt.
Die Gruppe hatte den Weg noch nicht zur Hälfte
zurückgelegt, als eine kräftige Stimme erscholl.
"Halt,
ihr Halsabschneider! Macht von mir aus Hobbingen unsicher,
aber bleibt von meinen Feldern fern!"
Sechs
kräftige Hobbits, mit Sensen und Hackbeilen bewaffnet,
waren als Schemen vor den hellen Feldern zu erkennen.
Pippin trat vor.
"Wir
sind nicht die Ostlinge. Wir sind gekommen, diese Halunken
zu vertreiben, Bauer Maggot."
Eben
der stand mit seinen Söhnen und Knechten da, bereit,
sich mit den Ostlingen anzulegen, sollten sie seine
geliebten Felder und Gärten verwüsten wollen.
"Sieh
mal einer an", entgegnete der Bauer. "Wo ein
Gemüsedieb ist, müssen doch noch zwei weitere
von dieser Sorte sein, wenn ich mich recht erinnere."
"Bauer
Maggot, lasst uns ein anderes Mal darüber reden.
Sagt lieber, wie es kommen konnte, dass die Strolche
sich hier festsetzen konnten", forderte Pippin
ihn auf.
Bauer
Maggot war vernünftig genug, angesichts der Lage
den letzten Gemüseraub hintan zu stellen.
"Die
Hasenfüsse im Dorf wollten ohne die hochberühmten
Herren Tuk und Brandybock nicht kämpfen. Auch mir
und meinen Knechten wollten sie nicht helfen. Für
uns allein war es aussichtslos zu kämpfen, also
beschlossen auch wir zu warten."
Inzwischen
waren die Zwerge um Gomfour Katzengold herangekommen.
Auch die tüchtigen Knechte des Bauern hatten ihre
Posten verlassen und beäugten neugierig die Zwerge,
die ihre mächtigen Äxte mühelos über
die breiten Schultern trugen. Pippin stellte die Herren
einander vor. Auch mitten in der Nacht, auf freiem Feld
und kurz vor einem Scharmützel musste dafür
Zeit sein. Nach zahlreichen Verbeugungen und "Zu
Diensten" erklärte Pippin Bauer Maggot den
Plan.
"Über
die letzten Diebereien unterhalten wir uns noch, Herr
Tuk", sagte der Bauer. "Bis dahin verfüge
über meine Knechte und mich. Ich denke, während
der Nacht solltet ihr auf meinem Hof übernachten."
Und das
taten sie dann auch. Maggots Frau richtete für
die zehn Zwerge und die drei Hobbits Lager auf jedem
freien Plätzchen ein, das zu finden war. Die Hälfte
der Zwerge musste sogar im Heuschober schlafen, der
aber trocken und wohlgefüllt war.
"Auf
unseren Reisen haben wir schon oft schlechter geschlafen".
sagte Gomfour und war es zufrieden.
Auch
Borko Stolzfuß war sehr froh, endlich wieder in
einem richtigen Bett zu schlafen. Als Pippin und Merry
aber am nächsten Morgen alle sehr früh aufweckten,
war er keineswegs so knurrig und übel gelaunt,
wie sie es an den ersten Tagen ihrer Reise erlebt hatten.
Tatkräftig packte er seine Siebensachen, nahm ohne
zu Murren ein schnelles Frühstück im Stehen
ein und bedankte sich artig bei der Bäuerin. Schließlich
ging es um sein geliebtes Hobbingen. Und auch wenn er
nicht beabsichtigte, sich weiterhin um das Thainsamt
zu bemühen, wollte er alles daran setzen, die Strolche
aus seinem Dorf zu vertreiben.
Die regelrechte
Truppe war marschfertig noch bevor die Sonne aufging.
Pippin war sehr zufrieden. Ihre kleine Armee bestand
nun aus zehn Zwergen und neun kräftigen, tüchtigen
Hobbits. Pippin und Gomfour, der eine dicke Taurolle
über die Schulter trug, führten den Zug an.
Wie vor ein paar Tagen durchquerten sie das freundliche
Waldende, übernachteten unter freiem Himmel, kurz
bevor sie das Grünbergland erreichten und durchquerten
dann das sanft gewellte Hügelland. Sie legten ein
mächtiges Tempo vor, denn die Angst um ihre Höhlen
und den "Grünen Drachen", um die Nachbarn
und Freunde wuchs mit jedem Schritt.
Bauer
Maggot, der Borko Stolzfuß kannte und nicht besonders
zu schätzen gelernt hatte, wunderte sich über
die Wandlung des alten Nörglers.
"Borko,
ich sehe, diese beiden Gemüsediebe haben Dir endlich
Benehmen und Handfestigkeit beigebracht. Wie haben die
das geschafft?"
Merry
verwandte sich für Borko.
"Laß
mal gut sein, Bauer Maggot. Der gute Borko hat eine
Menge Abenteuer erlebt, Ostlinge verhauen, ist dem traurigen
Elben Arbael begegnet und hat vor allem die Hügelgräber
überlebt. Wenn er sich zum Besseren verändert
hat, dann ist das allein sein Verdienst."
Borko
sah Merry dankbar an, und Bauer Maggot klopfte Borko
anerkennend auf den Rücken.
Spät
abends an diesem Tag erreichten sie Wasserau. Kein Hobbit
war auf den Wegen zu sehen. Selbst die Fenster der Höhlen
und Hütten waren verhangen, so dass kein Lichtschein
nach außen drang. Auf Zehenspitzen ging die kleine
Armee hindurch und war bald nur noch ein paar Hundert
Schritt vom Grünen Drachen entfernt. Leise und
in geduckter Haltung näherten sie sich schließlich
der Schänke.
Eine
kleine Armee
Etwa
zwanzig Schritte vor dem Eingang, hinter zwei Bäumen
und ein paar Büschen, die links und rechts des
Weges standen, suchten sie Deckung. Merry, Borko und
Pippin gingen alleine weiter, wobei sie nun doch weiche
Knie bekamen. Sie hatten ihre Pfeifen gestopft und hielten
vorsichtig die Glut in Gang. Zwischen sich trugen sie
die Truhe der Zwerge, die beinahe zu schwer für
sie war. So gingen sie schnurstracks auf den "Grünen
Drachen" zu, in dem sich die Ostlinge breit gemacht
hatten.
Lärm
war durch die offene Tür und die beiden zerschlagenen
Fenster zu hören. Gegröle und schrecklich
falsche Gesänge drangen heraus. Ab und zu hörte
man, wie tönerne Becher zerschlugen und schwere
Bänke umkippten. Die Hobbits blieben zwei Schritte
vor dem Eingang stehen. Pippin sah Borko und Merry an.
Jetzt wurde es ernst. Sie gingen durch die offene Tür
und die Augen aller Strolche und Halunken wandten sich
ihnen zu. Dreckige, bärtige Gesichter drehten sich
nach ihnen um, verschlagene Augen blitzten ihnen entgegen,
Münder voller schwarzer Ruinen öffneten sich.
Einer, offensichtlich der Anführer, stand auf.
"Drei
kleine Halblinge mit einer Truhe", grölte
er. "Ist das wohl unser Wergeld? Wehe Euch, wenn
nicht! Unsere Geduld geht langsam zu Ende."
Für
diese Beutelschneider musste ein Hobbit wohl wie der
andere aussehen, denn sie erkannten die Hobbits, die
zwei von ihnen schon einmal eine Abreibung verpasst
hatten, nicht wieder. Borko zog den Kopf zwischen die
Schultern, als so viele grausame Gesichter sie aus nächster
Nähe musterten. Tapfer hielt er aber sein Ende
der Truhe fest.
Die drei
Reisegefährten trugen die Truhe bis ans hintere
Ende des Schankraumes und stellten sie unsanft auf den
Boden. Es rumpelte laut, als der Bienenstock im Inneren
einen Satz machte.
"Was
wollt ihr uns anbieten, damit wir eure Gastfreundschaft
nicht länger in Anspruch nehmen, hä? Zeigt
her, ihr kleinen Ratten!", forderte der Hauptmann
der Strauchdiebe, ein bulliger Mann mit einer Narbe
auf der Stirn.
Pippin
nickte seinen beiden Mitstreitern zu. Merry stieß
Borko an, der beinahe vergaß, tüchtig an
seiner Pfeife zu ziehen und zu paffen.
"Wir
haben etwas ganz Besonderes für euch", kündigte
Pippin an und hob mit einem Ruck den Deckel der Truhe.
Die Beornsbienen
kamen mit einem wütenden Brummen hervor. Zu lange
waren sie eingesperrt gewesen und nun auch noch unsanft
durchgerüttelt worden. Zu ihrer Erleichterung sahen
die Hobbits, dass die Bienen so schnell wie möglich
aus dem Rauch des Pfeifenkrauts flogen, um dann um so
wütender die Ostlinge anzugreifen. Nach wenigen
Sekunden glich das Innere der Schänke einem Tollhaus.
Die Halunken kamen nicht mehr dazu, ihre Schwerter und
Dolche zu ziehen, sondern versuchten verzweifelt, mit
rudernden Armen die Bienen abzuwehren.
Die waren
wirklich so groß wie junge Spatzen. Ihre Stachel
fuhren den Beutelschneidern tief ins Fleisch. Das Gift
der Bienen brannte und schmerzte, dicke Beulen bildeten
sich auf den Armen und Beinen und auch in den Gesichtern
der Gestochenen. Die Ostlinge schrieen vor Pein, sprangen
durcheinander, suchten Erlösung, aber fanden keine.
Die drei
Hobbits standen dicht nebeneinander mit dem Rücken
zur Wand und beobachteten das Spektakel. Eine dichte
Rauchwolke hatte sich um sie gebildet, und sie zogen
weiter kräftig an ihren Pfeifen und pafften. Der
Anführer der Ostlinge schaffte es irgendwie, durch
das Durcheinander von wirbelnden Beinen, schlagenden
Armen und böse summenden Beornsbienen auf die Hobbits
zuzukommen.
"Das
wird Euch noch leid tun, ihr kleinen Ratten!",
schrie er und heulte sogleich auf, als er einen Stich
in sein rechtes Augenlid bekam. Er zog den Krummsäbel
und wollte ihn auf die Hobbits niederfahren lassen.
Die sprangen auf ein Zeichen Pippins nach vorne und
unterliefen den Schlag. Auf seiner von dem Stich ins
Auge blinden Seite stoben sie an dem Strolch vorbei
und auf die Tür zu. Die anderen Halunken bemerkten
sie erst, als ihr Hauptmann laut "Hinterher!"
brüllte.
Mit Glück
erreichten Pippin, Merry und Borko die Tür und
stürzten ins Freie, immer noch ohne Stich. Die
Beornsbienen griffen weiter die Strauchdiebe an, die
kurz hinter den Hobbits ins Freie gelangten.
Der Vorsprung
reichte den Hobbits, um ein ordentliches Stück
vor den Ostlingen bei den Bäumen zu sein, hinter
denen sich die Zwerge und Maggot mit seinem Gefolge
verbargen. Pippin bemerkte eine ruckartige Bewegung,
und ein Seil, zweifach um jeden Baumstamm gewunden,
spannte sich über den Weg. Gomfours und Maggots
Leute hielten die Enden mit aller Kraft fest, eine Seite
wurde von dem braven Pony unterstützt, das sein
ganzes Gewicht in die Fallstricke legte.
Merry,
Borko und Pippin rannten johlend vor der wütenden
Horde von Ostlingen her und setzten über die Seile.
Die Halunken bemerkten das Seil nicht oder viel zu spät
und rannten mit voller Wucht hinein. Vor Schreck und
Schmerz brüllend endete das Dutzend Ostlinge in
einem wirren Haufen verknäuelter Gliedmaßen.
Zwei von ihnen blieben für immer liegen, denn sie
hatten sich bei dem Sturz Schwerter und Dolche selbst
in den Leib gestoßen.
Als die
anderen Halunken aufsahen, waren sie von zehn grimmigen,
breitschultrigen Zwergen und neun ungewöhnlich
kräftigen Hobbits umzingelt. In ihren Augen stand
wilde Entschlossenheit, die erhobenen Schwerter, Äxte
und Sensen zu gebrauchen.
Die Strolche
verhielten sich plötzlich sehr kleinlaut. Nur ihr
Anführer stand auf, griff nach seinem Schwert und
wollte Gomfour Katzengold angreifen, der ihm am nächsten
stand. Der ließ nicht lange mit sich handeln,
schwang die schwere Streitaxt und spaltete den Halunken
von der Schulter bis zum Gürtel mit einem einzigen
Hieb. Sofort hob er die Axt wieder und funkelte die
neun verbliebenen Halunken an.
"Bitte,
wer ist der nächste?", sagte er mit ausgesuchter
Höflichkeit. Die anderen Zwerge traten einen Schritt
vor und hoben ihre Waffen höher. Aber als ihr Anführer
wie ein Sack Mehl auf sie fiel, warfen seine Kumpane
ihre Waffen fort. Der Rest war ein leichtes. Die Ostlinge
wurden mit Stücken des Fallseils gebunden und in
einen kleinen Schuppen mit festem Tor gesperrt, der
der Schänke als Vorratsraum gedient hatte.
Als auch
diese Arbeit erledigt war, brachen Hobbits und Zwerge
in lautes Jubelgeschrei aus und hieben sich gegenseitig
auf die Schultern. Die Hobbits begannen sogar im Kreis
zu tanzen, die Zwerge sangen ein Siegeslied dazu.
Die Beornsbienen
aber, die den Beutelschneidern nach draußen gefolgt
waren, hatten Blüten und Blumen entdeckt, die reichen
Nektar versprachen. So ließen sie von den ohnehin
in die Flucht geschlagenen Ostlingen ab und verlegten
sich aufs Honigsammeln. Gomfour schickt zwei seiner
Neffen mit brennenden Pfeifen los, um die Truhe mit
dem Stock auf den Hügel oberhalb des "Grünen
Drachen" zu tragen. Seitdem gab es in Hobbingen
den besten Honig und den süffigsten Met im ganzen
Auenland.
Der fröhliche
Jubel, der nicht von den fremden Halsabschneidern stammen
konnte, lockte endlich auch die anderen Hobbits des
Dorfes zum "Grünen Drachen". Gesichter
erschienen hinter kleinen Höhlenfenstern, Nasen
wurden vorsichtig durch Türspalte gesteckt, aber
nur tanzenden Zwerge und Hobbits, unter ihnen Meriadoc
Brandybock, Peregrin Tuk und Borko Stolzfuß, waren
auf dem Weg zu sehen.
So versammelten
sich mehr und mehr Hobbits aus Hobbingen und auch Wasserau
in ihrer Dorfschänke. Die Erleichterung war bei
jedermann groß, als zu hören war, dass die
Südländer besiegt und eingesperrt waren.
Viele
Hobbits mussten vor der Schänke stehen bleiben
und spekulieren, was im Inneren besprochen wurde. Wilde
Gerüchte und Geschichten machten die Runde und
alles plapperte aufgeregt und erleichtert durcheinander.
Die Zwerge,
Maggot und seine braven Söhne und Knechte und vor
allem Merry, Pippin und Borko bekamen Ehrenplätze
nahe beim Feuer. Ein neues Fass wurde angestochen und
Borko war der erste, der einen Trinkspruch ausbrachte:
"Auf
unseren Anführer Peregrin Tuk, den zukünftigen
Thain des Auenlandes!", rief er und nahm einen
tiefen Zug Gerstenbier, das ihm so gut wie nie zuvor
schmeckte.
Der Trinkspruch
wurde nach draußen weitergegeben, und alle ließen
Pippin hochleben. Natürlich wurden die Hobbits
umso neugieriger, weil ausgerechnet Borko Stolzfuß
diesen Spruch ausgebracht hatte. Pippin stand auf und
verbeugte sich dankend in Richtung Borko. Nun war es
an ihm, den nächsten Spruch auszubringen.
"Auf
Meriadoc Brandybock und Borko Stolzfuß, die sich
in den letzen Tagen als tapfere Hobbits und brave Gefährten
erwiesen haben, alle beide."
Wieder
jubelte es zuerst im Inneren der Schenke, kurz darauf
auch davor. Das ging eine schöne Weile so weiter
als Merry die Zwerge, Borko die Maggots und Bauer Maggot
die Gemüsediebe hochleben ließen.
"Erzählt!",
wurden die Abenteurer dann lautstark aufgefordert.
"Aber
von vorne!", forderten viele Stimmen.
Pippin
setzte sich inmitten seiner Kampfgefährten zurecht.
Auch die Zwerge waren auf eine gute Geschichte gespannt,
auch wenn sie den Schluss schon kannten.
"Unsere
Reise war ein kompletter Fehlschlag ...", begann
Pippin, und sofort hoben die Stimmen an und stellten
Fragen nach dem Warum. Verwunderung machte sich breit.
"...
denn wir haben es nicht geschafft, nach Bree zu kommen",
fuhr Pippin fort. "Und das kam so ..." Es wurde
eine sehr lange Nacht für die Bürger von Hobbingen
und Wasserau. Gomfour und seine Zwerge, Bauer Maggot
und seine Knechte und Söhne und alle Hobbits lehnten
sich zurück oder machten es sich vor dem "Grünen
Drachen" gemütlich. Irgendwie gelang es dem
Wirt und seinen Helferinnen, alle mit Bier zu versorgen
und es wurde bald mucksmäuschenstill. Gemeinsam
hörten sie bis zum Morgengrauen die Geschichte
der drei Hobbits, die nicht nach Bree kamen.
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