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Titel:
Nur ein Regentropfen in der Wüste Autor: Donnfindel
Langsam
und vorsichtig näherte er sich seiner Beute.
Es bewegte sich nicht ein Blatt als er sich zwischen
Buschwerk und Gestrüpp vorbei zwängte. Der
Wind wehte ihm mit einem leisen flüstern ins Gesicht,
er freute sich schon auf die Tafel auf der das Fleisch
dieser gehuften Schönheit, dieser Braut des Waldes,
liegen würde. Obwohl er schon den ganzen Tag ihren
Spuren folgte wurde es ihm nie langweilig. Sie war eine
Meisterin des schnellen Laufes, doch ihn abzuhängen,
hatte sie nicht geschafft. Er war ihr gefolgt wie ein
Bluthund seiner Beute. Alle Sinne nur darauf aus nicht
die Spur zu verlieren. Durch Bachläufe und steinigen
Grund, über Lichtungen kurzen Grases und durch
Gestrüpp, welches fast das Licht aussperrte, ebenso
durch Heidegras und Buschwerk.
Jetzt wurde sie so langsam müde. Sie hielt nun
öfters an, um zu verschnaufen, doch immer, wenn
er sich nah genug an ihr befand, um den tödlichen
Pfeil zu ziehen, sprengte sie wieder davon, und die
Jagd begann von neuem!
Er fragte sich, ob es auch dieses mal so sein würde.
Seine Position war fast perfekt. Er sah sie zwischen
den Zweigen hindurch: fast war sie nur ein kleiner,
brauner Schemen, und doch erkannte er jedes Detail an
ihr. Er blickte zum Boden, der sich drei Schritt unter
ihm befand. Wie gesagt, seine Position war fast perfekt.
Aber in der Eile fand sich nichts anderes als die kräftigen
Äste dieses Baumes. Der Boden war übersät
mit trockenen Blättern, und er wollte kein Risiko
eingehen. `Jetzt versuche ich erneut mein Glück.’
Ohne seinen Blick von der Hirschkuh zu nehmen, zog er
den Pfeil völlig geräuschlos aus seinem Köcher.
Jahrhunderte lange Erfahrung hatte diese Bewegung ebenso
natürlich werden lassen wie das Atmen.
Sein Körper war angespannt; sie hatte ihn noch
nicht bemerkt. Vorsichtig legte er den Pfeil ein und
zog die Sehne durch. Plötzlich hob sie den Kopf
und sein Pfeil verließ mit einem leisen
surren seine Hand. Sie sprengte davon, und sein schon
so sicher geglaubter Schuss verfehlte sie buchstäblich
um Haaresbreite. Er schaute ihr verärgert und ein
wenig enttäuscht hinterher, um dann, kaum einen
Herzschlag, nachdem sein Pfeil den Bogen verlassen hatte,
zu folgen. `Ich lasse dich nicht entkommen, meine schnelle
Schönheit´ dachte er mit einem lächeln
auf den Lippen. Und lief ihr, mit einer Leichtigkeit,
die selbst Seinesgleichen überraschen würde,
über die Äste der Bäume nach. Kein Wunder,
das die Sterblichen sie für Geister oder ähnliches
hielten.
Ungefähr dort, wo sie gestanden hatte, um so
trügerisch auf ihn zu warten, berührten seine
Füße nun wieder den Boden. Donnfindel wollte
ihr folgen, doch etwas in seinem Augenwinkel ließ
ihn zögern. Er wendete den Blick und erkannte den
Grund, warum sein Schuss fehlte. Ihm blieb gerade noch
genug Zeit, um sich unter dem ungestümen Schwerthieb
des Orks zu ducken. Gleichzeitig zog er einen neuen
Pfeil und Schoss ihn dem nächsten heranstürmenden
Ork in die Kehle. Auch der zweite Schuss traf tödlich,
doch begann er sich zu fragen, wie er sie auf Abstand
halten sollte. Es waren ihrer zu viele, und sie kamen
zu schnell auf ihn zu. Schneller, als er schießen
konnte. Seine Waffe war ein Speer, doch zur Jagd in
dichtem Wald war er nicht geeignet, und so befand sich
an seiner Hüfte nur ein Messer. Er bereute bitterlich,
dass er nicht wenigstens einen Langdolch bei sich trug.
Der Elb konnte nicht genau sagen, wie er sich ihrer
doch erwehren konnte. Donnfindel fand sein Ziel, egal
ob mit dem Pfeil oder in höchster Verzweiflung
mit dem Messer. Nach und nach fielen die Orks. Und nur
ein schmerzhafter Hieb, der seine Hüfte streifte
forderte auch Blut von ihm. Der Rest des Blutes, das
seine Kleidung besudelte, stammte von den Entarteten.
Er sah sich mit schnellem Atem die Gefallenen an. Was
hatten sie hier zu suchen? Zumal noch vor dem Untergang
Anors? Gut, es dämmerte, aber normalerweise blieben
diese lichtscheuen Kreaturen solange in ihren Schlupflöchern,
bis sich das Sonnenschiff mit keinem Stahl mehr zeigte?
Nun, seine hart erkämpfte Jagdbeute war verloren.
Aber wenn er sich beeilte, konnte er sie doch noch kriegen.
Er sollte eigentlich nach Imladris zurück und von
diesem Vorfall berichten. Aber andererseits, vor Einbruch
der Nacht schaffte er es wirklich nicht mehr zurück.
Dann konnte er genauso gut noch die Jagd zu Ende bringen.
Er wischte also sein Messer an einem Orkfetzen sauber
und steckte es zurück in die Scheide seines Gürtels.
Bereit zum gehen und schon halb wieder hinter der Hirschkuh
herlaufend drehte er sich um.
Und blickte direkt in das hässliche, schmerzverzerrte
Gesicht eines Orks! Er versuchte, zurück zu springen
und dem Speer, den dieses Geschöpf in Händen
hielt und nun in seine Richtung stieß, nicht begegnen
zu müssen. Rückwärts stolpernd bewegte
er sich von dem Ork weg, der ihm voller Mordlust folgte.
In seiner Verzweiflung griff der Elb nach unten auf
den Boden, um eines der Orkschwerter aufzuheben und
sich damit zu behaupten. Ihn widerte allein der Gedanke
an das krumme Schwert an. Aber was hatte er schon für
eine Wahl? Der Ork stieß erneut zu, und gerade
rechtzeitig konnte der Elb diesen Stoß zur Seite
schlagen. Und noch einmal versuchte der Ork, sich dieses
spitzohrigen, verfluchten Bastards zu entledigen. Er
stieß zu, und geschickt wich der halb am Boden
kniende diesem Schlag aus, so dass nur seine Wange gestreift
wurde. Der Elb spürte deutlich das Brennen in seinem
Gesicht und versuchte, sich nicht vorzustellen welche
schmerzen er gehabt hätte, wenn der Ork sein gewünschtes
Ziel voll getroffen hätte.
Mit einem wuchtigen Hieb schlug er auf den Schaft
des Speeres ein, welcher daraufhin in zwei ungleiche
Hälften brach. Der Ork ließ mit der Rechten
den kurzen Schaft los, der in seiner Hand übrig
geblieben war, und schlug mit ihr dem schwarzhaarigen
Elbenbastard mitten in das hübsche Gesicht. Dieser
wurde von der Wucht des Schlages nach hinten geworfen
und flog hart gegen den Stamm eines Baumes. Der Ork,
seine Chance erkennend, sprang ihm hinterher, den verkürzten
Speer fest in beiden Händen haltend. Der Elb schwang
noch das in seiner Hand befindliche Schwert, doch er
verfehlte die anvisierte Kehle.
Ein die Sinne betäubender Schmerz, der ihm die
Luft aus den Lungen trieb, gesellte sich zu der entstellten
Orkfratze, die höhnisch grinsend direkt vor seinem
Gesicht zum Stehen gekommen war. Er spürte den
Speer in seinem Körper, und er spürte, wie
warmes Blut an Rücken und Brust herunter lief.
Seine Finger wurden taub und das Schwert fiel ihm dumpf
aus der Hand. Der Ork grinste siegessicher und begann,
den Speer in der Wunde des Elben zu drehen.
Donnfindel kämpfte um sein Bewusstsein und mit
dem Schrei der Agonie, der sich in seiner Kehle befand
und bereit war, beim kleinsten Anzeichen von Schwäche
aus ihm heraus zu brechen. Er wollte diesem Vieh nicht
noch diese Genugtuung schenken: „Du wirst mich niemals
schreien hören, Ork!“ Presste er zwischen den Zähnen
hervor.
„Wirklich? Das lässt sich leicht ...“ Der Rest
seiner Worte kam niemals. Behinderte doch ein kleines
Jagdmesser, das in seiner Kehle steckte, ihn am Leben.
Jetzt war es an dem Elben zu lächeln. Ein Lächeln
dem jegliche Wärme fehlte, während der Ork
langsam am Speer zu Boden glitt und sein Leben aushauchte.
Donnfindel betrachtete den Ork, wie er tot am Boden
lag. Dann zerriss ein Schrei die Stille des Waldes.
Donnfindel holte mühsam mehrmals tief und zitternd
Luft. Es hatte gut getan, sich auf diese Weise ein wenig
zu befreien. Doch das änderte nichts an seiner
Situation. Er versuchte nachzudenken. Was musste er
jetzt tun, um am Leben zu bleiben? Er musste nach Imladris.
Sein Herr war dafür bekannt, dass er schon so manch
tot geglaubten wieder ins Leben zurückgeführt
hatte. Und trotz seiner Schmerzen, wusste er eines mit
Sicherheit: Er würde dringend Hilfe brauchen, denn
seine Chancen standen schlecht, auch nur die nächste
Stunde zu erleben. An den Weg zurück dachte er
absichtlich nicht. Donnfindel betrachte voll Abscheu
die Leiche zu seinen Füssen. Diese Kreaturen waren
selbst im tot noch eine Last; denn der stinkende Körper
lehnte schwer gegen den Speer und drückte ihn mit
ganzer Kraft gegen den Baum. Der Elb versuchte, sein
Gewicht ein wenig zu verlagern, um einen Fuß freizubekommen
und mit diesem dann den Ork wegzustoßen. Doch
er brauchte sich nur Ansatzweise bewegen, um vor Schmerz
zu wimmern. Nach mehreren vergeblichen Versuchen gab
er es auf; so groß war seine Selbstbeherrschung
nicht. Er war kein Tier. Er konnte sich nicht selbst
das Bein abbeißen, um frei zu sein. Er konnte
jetzt nur noch hoffen, dass man ihn irgendwann fand,
um die Reste seiner Hülle angemessen zu bestatten.
Ihn schauderte bei dem Gedanken, dass Wölfe an
ihm ihren Hunger stillen sollten. Donnfindel versuchte,
sich mit dem Gedanken anzufreunden, einen anderen Weg
übers Meer zu nehmen als den mit Círdans
Schiffen. Er fand die Vorstellung nicht tröstend,
dass er wohl bald ein paar alte Freunde wieder sehen
würde. Freunde, die vor langer Zeit gegangen waren
und die er immer noch schmerzlich vermisste. So als
wäre es gestern gewesen...
Donnfindel merkte wie er langsam müde wurde.
Das Atmen viel ihm immer schwerer. Immer öfter
ließ sich sein Geist auf die verlockend schmerzfreie
Bewusstlosigkeit ein. Nur Sekunden blieb er dort; das
wusste er; aber die Sekunden wurden schnell länger.
Alles versuchte, sich dem Schmerz zu entziehen. `Festgenagelt
an einem Baum nur einen Tagesmarsch von der rettenden
Heimat entfernt´ dachte er voll Bitterkeit, als
er sich wieder mühsam den Weg in die Wirklichkeit
zurückgekämpft hatte. „Welch’ ein Ende“,
lachte er bitter über sich. Aus dem Lachen wurde
ein tiefes Schluchzen, als er nicht mehr die Kraft fand,
die Hände am Speer zu halten. Er legte den Kopf
in den Nacken und wartete lauschend auf das Ende. Donnfindel
versuchte, sich auf die Geräusche um ihn herum
zu konzentrieren, vielleicht würde es dadurch leichter.
Mit geschlossenen Augen hörte er den sanften Wind
in den Zweigen über sich. Ein paar Mäuse kamen
nach dem Lärm des Kampfes nun wieder aus ihren
Löchern, und natürlich Vögel. Viele Vögel
mit vielen unterschiedlichen Stimmen. Er meinte sogar,
den Ruf eines Adlers gehört zu haben; ganz weit
entfernt. Aber er war sich dessen nicht sicher. Vielleicht
war es aber nur eine Einbildung, die ihn sein verwirrter
Geist hören ließ. Er bildete sich ein, noch
einmal die Schritte der Orks zu hören, wie sie
auf ihn zu gerannt kamen und er; Pfeil um Pfeil verschießend
einen Ork direkt vor ihm getötet hatte. Und wie
dieser Worte voller Hass - „ ...del“ - aus dem blutverschmierten
Maul ihm entgegen geworfen hatte. Worte in seiner furchtbaren
Sprache, die ihm einen schmerzhaften, qualvollen Tod
wünschten, - „Ai, El.....elin, Donn...del......“
- und wie er dann nach seinem Arm greifend, gurgelnd
vor ihm zusammenbrach.
Unsanft wurde er gerüttelt, den Speer in seinem
Körper missachtend. Langsam lernten seine Augen,
zwischen Erinnerung und Wirklichkeit zu unterscheiden.
Er erkannte ein Gesicht direkt vor seinem; ein bekanntes,
besorgtes. Donnfindel hob matt den Kopf und bemerkte,
dass sich irgendetwas unter ihn schob: Etwas Warmes
und einigermaßen weiches, das die Schmerzen allerdings
wieder aufflammen ließ. Seine verschwitzten, langen
dunklen Haare wurden ihm sanft aus dem Gesicht gestrichen.
Er hörte wie Worte gewechselt wurden. Worte
in der Sprache der Elben. Seine Augen nahmen so langsam
die Umgebung war, überrascht noch am Leben zu sein.
Immer noch halb bewusstlos, versuchte er herauszufinden,
wer die Sprecher waren. Ein von hellen, langen Haaren
eingerahmtes Gesicht sah ihm direkt in die Augen; fast
könnte man meinen in die Seele.
Fennhír meinte, sein Herz müsse stehen
bleiben, als er seinen Freund so an den Baum genagelt
vorfand. Er und drei weitere Elben aus Bruchtal waren
aufgebrochen, um zum Düsterwald zu reisen; an den
Hof König Thranduils, um Fennhírs Verwandte
wieder zu sehen. Dann hörten sie aus der Ferne
einen Schrei. Fennhír wusste, dass Donnfindel
jagen gegangen war. Aber er hatte nicht gedacht, dass
er sich so weit von Bruchtal entfernen würde. Donnfindel
war nicht zum ersten Mal alleine jagen gegangen. Er
galt als einer der Geschickteren unter den Bruchtalelben.
Und mit Sicherheit nicht als unerfahren.
Jetzt blickte Fennhír auf seinen Freund, der
mehr tot als lebendig war. Und um diesen herum fast
ein Dutzend Orks. Ein Speer ragte aus Donnfindels Körper,
sein Blut lief auf der Unterseite des Schaftes nach
unten und nässte den Boden. Wenn sie ihn nach Imladris
bringen wollten, so musste sie ihn vom Baum lösen.
„Donnfindel?“
Der Angesprochene blinzelte langsam ins Licht der
untergehenden Sonne. Er versuchte, seine Stimmbänder
zu bemühen, doch es kamen nur unartikulierte Laute
über seine Lippen; weswegen er langsam nickte,
um Fennhír verstehen zu geben, dass er verstand.
Fennhír betrachtete seinen Freund mit Augen,
in denen nicht geringerer Schmerz stand, als in denen
von Donnfindel. Zwei der Begleiter Fennhírs hatten
in der Zwischenzeit die Umgebung gesichert. Man konnte
schließlich nie wissen. Der dritte, Hitheithel,
hatte eines seiner Knie unter Donnfindel geschoben,
sodass dieser nun darauf saß; die Brust entlastend.
Unendlich vorsichtig nahm Fennhír den Ork vom
Speer und diesen langsam aus der Erde. Trotz aller Vorsicht
wandte sich der Verletzte unter Schmerzen. Ellethron
drückte Fennhír einen dickeren, kurzen Ast
in die Hand. Fennhír blickte Donnfindel tief
in die braunen Augen: „Du weißt, was wir tun müssen,
mein Freund?“ Donnfindel schluckte schwer, nickte dann
aber ergeben.
„Vergib mir“ hauchte Fennhír, als er seinem
Freund den Ast zwischen den Kiefer legte, seine Hände
um den Speer schloss und diesen vorsichtig aus dem Baum
zog...
Donnfindel glaubte, den Verstand zu verlieren, als
Fennhír sich daran machte den Speer langsam aus
dem Baum zu hebeln. Er hatte in seinem Leben schon einiges
an Schmerzen erlebt, aber noch nie so etwas! Hatte er
geglaubt der schmerz sei nicht mehr zu steigern, so
wurde er nun eines besseren belehrt. Er spürte,
wie der Speer sich in ihm bewegte und wie jemand erstickt
schrie, Todesqualen erleidend. Wie ein Faustschlag gegen
die Seele, katapultierte der Schmerz ihn in ein Reich,
in dem er pure Agonie mit jedem Herzschlag neu erlebte.
Schon nach wenigen Sekunden wünschte er sich von
allen Dingen in der Welt den Tod am meisten. Erst jetzt,
da das feste Band seiner Seele zerfaserte, registrierte
er, dass der Schrei, der noch immer erklang, sein eigener
war. Das Band lockerte sich ein wenig mehr, und der
Schmerz wurde zu einem dumpfen Pochen. Immer noch heftig,
aber irgendwie leichter zu ertragen.
„Donnfindel? Kannst du mich hören?“
„Ja... ich höre dich, Fennhír“ Kam die
gehauchte Antwort.
„Halte durch, mein Freund, bitte!“ flehte Fennhír.
„Wir sind auf den Weg nach Imladris.“
Diese Worte vernahm Donnfindel schon nicht mehr.
Die Elben hatten ihn in eine eilig improvisierte
Trage gebettet, die sie wiederum zwischen ihre Pferde
gespannt hatten. Fennhír lief dicht daneben und
betrachtete voll Sorge das bleiche, verschwitzte Gesicht
seines Freundes. Sie hatten versucht, die Wunde um das
kurze Speerstück, welches sie hatten stecken lassen,
zu verbinden. Fennhír hatte seine Kleidung, die
er zum wechseln mitgenommen hatte, in Streifen geschnitten
und die Verletzung seines Freundes so fest einbandagiert,
wie es möglich war. Trotzdem ließ sich das
Blut nicht stoppen. Der Verband war jetzt schon durchtränkt.
Und der Weg nach Imladris war noch nicht geschafft.
Fennhír bat Brethilas, nach Imladris voraus zu
reiten. Jede Sekunde, die nicht verschwendet wurde,
half mit Donnfindels Überlebenschancen von `unmöglich´
auf `unwahrscheinlich´ zu erhöhen.
Fennhír ließ seinen beiden verbleibenden
Begleitern kaum die Zeit, alles zusammen zu packen,
als er auch schon zum Aufbruch drängte. Ellethron
nahm ihm nach einiger Zeit schließlich die Zügel
aus den Händen. Er konnte verstehen, das Fennhír
Donnfindel so schnell wie möglich nach Bruchtal
bringen wollte, ihm selbst ging es schließlich
nicht anders. Jedoch war das kein Grund, die Pferde
durch jedes Gebüsch, durch jeden Strauch und auf
einem Schnurgeraden Weg zu ziehen, egal durch was dieser
sie führen würde. Fennhír sah seinen
Freund verständnislos an; er schien nicht begriffen
zu haben, dass er die Pferde damit quälte. Doch
auch als Ellethron die Führung der Pferde übernommen
hatte, beruhigte sich Fennhírs gehetztes Gemüt
nicht, obwohl er sonst alles andere als zu unüberlegtem
Handeln neigte. Schon alleine um Donnfindels Willen
bemühten sich alle, so schnell voranzukommen wie
irgend möglich. Es brauchte niemandes mahnende
Worte, um die Schritte schnell zu halten. Jedoch arbeitete
die Dunkelheit gegen sie. Der Weg wurde immer schwieriger
für die Pferde, und bald konnten selbst die Elben
nur mit Mühe den Weg unter ihren Füßen
erkennen. Fennhír schien keine Schwierigkeiten
im Dunklen zu haben; er durchbrach ebenso geräuschvoll
wie ein Ork die Büsche und zerrte alle anderen
mit sich. Solange, bis Ellethron Fennhír daran
erinnern musste, dass ein Pferd mit gebrochenem Bein
noch langsamer war.
Fennhírs Freunde musterten ihn besorgt, sein
verhalten passte nicht zu dem Elben, den sie sonst zu
kennen schienen. Seine Bewegungen waren fahrig, er konzentrierte
sich auf alles, nur nicht auf seine Umgebung. Er schien
beinahe selbst tödlich getroffen. Auch strauchelte
er des Öfteren, fiel hin und fuhr sich ab und zu
verwirrt über die Augen, so als koste es ihn Mühe,
sich wach zu halten. Auch ging sein Atem schnell; zu
schnell trotz des Tempos. Ihm war anzusehen, dass allein
die Sorge ihn fast umbrachte. Mitleidvoll wurden Blicke
zwischen Ellethron und Hitheithel gewechselt.
Als der Morgen graute, hatten sie bereits das Tal
von Imladris erreicht. Fennhír war froh darüber,
spürte er doch, dass Donnfindel dem Tode bald nicht
mehr widerstehen konnte. Auch er war einem Zusammenbruch
nahe. Brethilas kam ihnen entgegen, und auch ein Heiler
war mit ihm gekommen.
Es war Maladuial; Fennhír kannte ihn nur vom
Sehen. Doch er wusste, dass dieser Elb über eine
gute Auffassungsgabe verfügte. Er bildete sich
selbst für einen Elben langsam eine Meinung. Stand
diese jedoch ohne Zweifel für ihn fest, so fehlte
er selten mit ihr. Schnell verschaffte er sich einen
Überblick. Fennhír traute sich nicht, die
Frage zu stellen. Zu groß war seine Angst, dass
die Antwort ‚nein’ lautete. Er hielt den Blick zur Erde
gerichtet, um nicht auf den blutgetränkten Verband
sehen zu müssen, unter dem sich der Körper
seines Freundes, ja fast schon Bruders, befand.
Donnfindel war während der Reise mehrmals kurz
zu Bewusstsein gekommen; einmal hatte er sogar geklagt,
das er schmerzen in der Brust verspürte. Fennhír
konnte trotz seiner Jahrtausende nur Antworten: “Ich
weiß...“
Der Heiler lief nun wieder zurück, um das Gesehene
weiter zu geben. `Ein Gutes hat dies´, dachte
Fennhír, `er wird sich wohl nicht so eilen, wenn
es gar keine Hoffnung mehr gibt.´ Trotzdem, es
war schwer, nicht das Schlimmste anzunehmen. Schon seit
einigen Stunden lief ein dünner Blutfaden aus Donnfindels
Mund; sie hatten inzwischen aufgegeben, ihn abzuwischen.
Fennhír hoffte, dass sein Freund nur wegen der
blutroten, gerade aufgehenden Sonne so bleich aussah,
wie junger Schnee. Und er fragte sich zum hundertsten
Mal: Warum war dieser noch am Leben? Elben hielten viel,
nach den Maßstäben anderer Rassen, aus. Aber
so eine Verletzung war einfach nur eines, und zwar tödlich!
Es spielte keine Rolle, ob man Elb, Mensch oder Zwerg
war. Er kannte viele die an Geringerem gestorben waren.
Gedanken dieser Art gingen ihm immer wieder durch den
Kopf, auch als sie endlich Imladris erreichten. Fennhír
wollte seinen Freund aufnehmen und die letzten Schritte
in Elronds Obhut tragen. Doch ein Heiler kam ihm zuvor:
Er trug seinen Freund mit sicheren Schritten davon.
Ein anderer Elb sprach ihn an: „Ihr müsst uns ebenfalls
begleiten!“ Fennhír war erstaunt; normalerweise
gestattete es Herr Elrond selten, dass andere außer
jenen, die er für die Heilung benötigte, anwesend
waren. Aber er folgte unverzüglich.
Er wurde in den Raum gebracht, in dem Donnfindel
schon lag. Man entfernte mit geübten Fingern die
notdürftigen Verbände und legte den blutbefleckten
Speerschaft frei. Donnfindel rührte sich nicht;
wie erschlagen lag er da und starrte mit leeren Augen
an die dunklen, reich geschnitzten Balken der Decke.
Fennhír spürte, wie ihm bei dem Gedanken
alles Blut aus dem Gesicht wich. Er wurde am Arm geführt,
und sanft spürte er einen Druck an seinen Schultern,
während seine Augen weiterhin auf der geschundenen
Brust Donnfindels ruhten. Erst als er sich gesetzt hatte,
fiel Fennhír auf, dass in dem Raum noch ein zweites
Bett stand: Er hatte gerade darauf Platz genommen. Sah
er so erschöpft aus? Wie konnte Elrond auch nur
einen Gedanken an jemand anderen verschwenden als an
seinen Freund? Den fragenden Blick wohl spürend
hob dieser nun den Kopf und überließ es den
anderen, Donnfindel rasch zu entkleiden. Fennhír
stand erbost auf und wollte schon seiner Angst in Form
von scharfen Worten Gestalt geben, als er plötzlich
eine unglaubliche Schwäche verspürte. Seine
Knie gaben nach, und er sackte nach vorne. Elrond erreichte
ihn gerade noch rechtzeitig, um ihn zu fangen. Fennhír
fasste sich verwirrt an die Stirn. Was war geschehen?
Dann hörte er ein Echo in sich widerhallen.
Erneut spürte er diese Schwäche, und das Echo
nahm die Gestalt von Worten an. Mit einem Mal wusste
er sehr genau, was er da vernahm. Er hörte, wie
Donnfindel gerufen wurde, gerufen von verheißungsvoller
Stille, dem Versprechen der Schmerzlosigkeit. Mandos
rief nach Donnfindel; er hörte die Worte in seinem
Herzen widerhallen und er spürte mit Entsetzen,
dass sein Freund bereit war, diesem Locken nachzugeben.
Eine ganze, entsetzliche Nacht voller Qualen hatte
er ausgeharrt. Sein Körper war so zerschunden,
dass er, unfähig sich zu wehren, einfach nur da
lag; Alles ertragend was ihm widerfuhr. Gefangen in
einem Gefängnis, dessen Gitter er selbst war. Wie
glühendes Eisen spürte er den Schmerz in jeder
Faser seines Körpers. Ab und zu hörte er die
Stimme Fennhírs. Nur halb bewusstlos konnte er
sogar manchmal deren Inhalt verstehen. Fennhír
versuchte, ihm Mut zu machen. Aber Donnfindel weinte
am Grund seiner Seele... Es war keine Stärke mehr
da. Nichts, was ihn hielt, bis auf dieses eine; dieser
andere Geist, der sich so sanft, ja fast liebevoll,
um ihn gelegt hatte, und der ihm ein Teil seiner Qualen
versuchte zu nehmen, ihm Stärke gab, und sogar
ein wenig Hoffnung. Donnfindel, wusste er starb. Er
starb schon seit Stunden; nichts anderes wünschte
er sich. Alles würde gut sein... danach. Wenn man
ihn doch nur gehen ließe. Wenn dieses furchtbare
Gefängnis endlich aufbrechen würde... Aber
dieser Geist drückte ihn in seinen Körper,
hielt ihn gefangen, ließ ihn nicht los, schweren
gusseisernen Ketten gleich; Und genauso unerwünscht.
Fennhír erkannte, das er der Grund war, warum
Donnfindel noch lebte. Er wollte ihn nicht gehen lassen,
um keinen Preis der Welt, und sei es auch sein eigenes
Leben! Das Hallen der Worte wurde stärker und sanft,
fast zärtlich - ohne Hass - aber bestimmt und nicht
von seinem Weg abgehend, durchaus Verständnis zeigend,
spürte Fennhír, wie man ihm klar machte
...wenn du ihn nicht gehen lässt, wird dies
geschehen…
Fennhír erwachte aus seiner Bewusstlosigkeit
und löste zitternd und bis ins Mark erschreckt
den Klammergriff, mit dem er sich an Elrond fest gehalten
hatte. Seine Beine trugen kaum sein Gewicht, so dass
er von seinem Herrn und einem anderen Heiler gehalten
wurde, während sie ihn auf das Bett legten. Unglaublich
geschwächt nahm er dankbar diese Gelegenheit wahr,
sich hinzulegen. Er fühlte sich, als hätte
er alleine eine ganze Armee geschlagen. Sie mussten
ihn stützen als er sich hinlegte, sonst wäre
er wohl ins Bett gefallen, wie ein Baum auf die Erde.
Noch während er dem Bett entgegen sank, spürte
er wie Donnfindel wieder versuchte, Mandos Ruf zu folgen.
Dieser Geist, er ließ einfach nicht locker.
Donnfindel warf sich mit all seiner Sehnsucht gegen
sein Gefängnis. Und zu seiner Freude merkte er,
wie es ihm gelang, seine Ketten ein wenig aufzustemmen,
diesen Geist zu schwächen. Lange würde er
aber brauchen, sie ganz zu sprengen; soviel Geduld konnte
er nicht aufbringen. Am Rande der Verzweiflung überlegte
er fieberhaft, wie er seinen Qualen ein Ende bereiten
konnte. Es war einfacher, die Ketten zu ignorieren und
nur ihre Verankerung zu lösen, anstatt den Einfluss,
den dieser Geist auf ihn hatte, zu beenden. Donnfindel
fand die Idee gut, und sie würde sicher schnell
zum gewünschten Erfolg führen....
Und wieder spürte Fennhír wie sich sein
Freund gegen ihn warf. Und dieses Mal tat es weh! Fennhír
stieß die Luft aus, als hätte er einen Schlag
in die Magengrube erhalten.
„Was ist geschehen?!“ Elrond musterte ihn überrascht
und besorgt.
„Ich weiß es n.....“ Fennhír erhielt
einen weiteren schmerzhaften Schlag gegen... gegen was?
Er konnte es nicht sagen. „Donnfindel... er will Mandos
folgen...“ Antwortete er atemlos. „Ich lasse dich nicht,
mein Freund!“ presste Fennhír zwischen zusammengebissenen
Zähnen hindurch, als kein Herzschlag später
ein erneuter Schlag folgte.
Elrond sah ungläubig von Fennhír zu Donnfindel
und wieder zurück. Viel mehr als die Frage, wie
Fennhír es geschafft hatte, sich mit Donnfindel
zu verbinden, interessierte es ihn, wie er verhindern
sollte, dass beide starben! „Fennhír, Ihr müsst
Eure Verbindung zu Donnfindel lösen! Hört
Ihr mich? Ihr müsst Donnfindel loslassen.“
„Aber dann...“ ein weiterer Schlag folgte,“ ... STIRBT
er!“ schrie er fast vor Schmerz.
„Das ist richtig. Er hätte schon vor Stunden
sterben sollen. Nur durch Euch lebt er noch. Lasst ihn
los! Lasst ihn gehen.“
„NEIN, NIEMALS! Wie könnt Ihr so etwas von mir
verlangen!“
„Fennhír! Wenn Ihr es nicht tut, werdet auch
Ihr sterben!“
...wenn du ihn nicht gehen lässt, wird
dies geschehen…
„Wollt Ihr das?“ fragte Elrond ihn. Fennhír
schüttelte blind vor Tränen den Kopf. „So
lasst ihn gehen!“
Fennhír konnte nicht... „Ich kann nicht“ flüsterte
er voller Verzweiflung. Genauso gut hätte man von
ihm verlangen können sich selbst das schlagende
Herz aus der Brust zu reißen. Das war unmöglich.
Elrond blickte hinüber zu Donnfindel; Ja, er
war schon tot. Er hätte es sein sollen, aber er
war es doch nicht. Freundschaft fesselte ihn ans Leben.
Seine Heiler kümmerten sich um Donnfindels Wunde,
versuchten seinem zerstörtem Fleisch wieder
eine Gestalt zu geben. Das Laken, auf welchem Donnfindel
lag, war bereits rot von Blut; genauso wie seine Kleidung,
die am Fußende auf dem Boden lag und die nackte,
kaum atmende Brust.
Elrond strich Fennhír sanft über den
Kopf und ließ dann seine Hand an dessen Schläfe
ruhen. „Dann bleibt mir keine Wahl.“
Fennhír sah, wie sich Elronds Blick leerte
und wie sich dessen rechte Hand auf einen Punkt auf
seiner Brust legte.
Fennhír ahnte, was nun kommen würde.
Genügend Gerede gab es in Imladris darüber.
Trotzdem war er auf den plötzlichen Kontakt nicht
vorbereitet.
„Was habt Ihr vor!?“ fragte er voll Angst.
„Versucht, Euch zu entspannen“, bat Elrond leise.
“Ich werde Euch nichts tun.“
Als Fennhír den fremden Geist spürte,
verschloss er von allein, den seinen. Nackte Angst machte
sich in ihm breit. Angst - nicht so sehr um seine Person.
Elrond, so wusste er, hatte die Macht, dieses zerbrechliche
Band, das er unbewusst geschaffen hatte, einfach zu
zerreißen. Und hatte dieser ihm nicht vor wenigen
Minuten befohlen, Donnfindel gehen zu lassen? Fennhír
verschloss seinen Geist, versuchte undurchdringlich
Mauern zu errichten und Dickichte aus Dornen. Er wusste
zwar, dass er gegen seinen Herrn so gute Chancen hatte
wie eine ausgedörrte Wiese gegen den Atem eines
Drachen. Aber er würde kämpfen; auch gegen
alles versengende Feuer. Mit all seiner Macht.
Elrond gab sich Mühe, sanft vorzugehen, obwohl
alles in ihm verlangte, dieser Situation ein Ende zu
bereiten. Fennhír machte es ihm wirklich nicht
leicht. Er hatte aber nicht die Zeit, sein Vorhaben
in allen Einzelheiten zu erklären; Sekunden wurden
zu einem sehr kostbaren Gut. Er brauchte unnötigerweise
Kraft, den widerspenstigen Gedanken entgegen zu wirken;
Kraft, die er, so war ihm bewusst, noch dringend brauchen
würde. Doch er durfte nichts übereilen. Wenn
man zu schnell machte, konnte man furchtbares anrichten,
brechen was man zu halten versuchte oder noch schlimmeres.
Dann war von der heilenden Wirkung nichts mehr übrig,
nein, es glich dann eher einer Folter. Mit unendlicher
Geduld und Vorsicht begann er langsam, Fennhírs
Innerstes selbst zu beeinflussen. Wiegte sein innerstes
zärtlich wie einen vor Angst wahnsinnigen Vogel,
milderte das Grauen und gab neue Stärke und Zuversicht.
Er hatte den gehetzten Blick und die tiefen, dunklen
Schatten, die sich um Fennhírs ganze Person gelegt
hatten, gesehen. Elrond empfand tiefes Mitleid. Er hatte
schon viel Leid in seinem Leben gesehen. Fennhír
war nur drei Jahrhunderte jünger als er selbst.
Aber wenn denen etwas passierte, die einen wirklichen
Platz im Herzen hatten, so spielte Zeit keine Rolle.
Man war der Verzweiflung nahe, und all die Weisheit
der vergangenen Zeitalter nützte nichts. Das hatte
er selbst erfahren müssen. Kein Trost, kein Zuspruch
fand man, ja selbst die vorgelogenen Hoffnungen wurden
zu einem schalen Versprechen, nicht mehr Wert als ein
Regentropfen im Ozean.
Fennhír spürte, wie ganz langsam und
vorsichtig etwas in ihn eindrang; einer scharfen dünnen
Klinge gleich jedoch ohne schmerz, dennoch unangenehm
und absolut unerwünscht. Er stieß keuchend
die Luft aus. Es war sehr unangenehm. Er hatte das Gefühl,
das sein innerstes nach Außen gekehrt wurde und
er nun für jedermann offen und einsichtig auf dem
Bett lag. Je intensiver dieses Gefühl wurde, desto
geringer wurde seine innere Anspannung. Genau so, wie
der Sinne betäubende Schmerz. Seine Last wurde
ihm ganz einfach abgenommen. Und damit auch die Bindung
an seinen Freund. Ein wahnwitziger Gedanke stieg in
Fennhír auf. Sein Herr konzentrierte sich auf
seinen Geist und seine Seele; dabei schien dieser jedoch
vergessen zu haben, dass er sehr wohl noch bei Bewusstsein
war. Wenn er nicht im Geiste Erfolg hatte, dann vielleicht
mit dem Körper?
Unerwartet und scheinbar völlig ohne Grund stieß
Fennhír die Arme Elronds mit aller Kraft zur
Seite. Er wollte sich auf ihn stürzen und mit roher
Gewalt aus der Konzentration bringen. Die Hände
- zu einer Faust geballt - flogen Elrond in weitem Bogen
entgegen und wurden abrupt nur wenige Zentimeter vor
dessen Gesicht gebremst. Fennhír sah erstaunt
auf die Hände, die seine Handgelenke sehr fest,
umschlossen hielten. Sie gehörten seinem Herrn.
Er sah in dessen Augen. Kein Anzeichen gab es dafür,
dass er den Angriff gesehen hatte, denn sie sahen nach
wie vor auf die Stelle, an der Fennhír noch vor
einem Herzschlag lag.
Aufgeschreckt von der plötzlichen Bewegung sahen
die Heiler, die sich um Donnfindels zerstörten
Körper bemühten, herüber. Als sie sahen,
was vorgefallen war, lösten sich zwei von ihrer
furchtbaren Arbeit und eilten auf Fennhír zu.
Ein dritter lief zur Türe und schlug schwungvoll
den schweren nachtblauen Vorhang, der den Blick ins
Zimmer der Genesung verhinderte, zur Seite, um in den
Gängen von Imladris zu verschwinden.
Fennhír versuchte, sich zu befreien. Der sowieso
schon feste Druck um seine Handgelenke wurde daraufhin
unangenehm schmerzhaft. Er konnte nicht verhindern,
dass er gequält aufstöhnte. Dieses scharfe
Stechen brachte ihn jedoch wieder zu Verstand. Entsetz
fragte er sich was er damit wohl erreichen wollte. Er
hörte auf, sich zu wehren und hielt abwartend still,
den Schmerz ignorierend. Der harte Griff löste
sich daraufhin etwas und gab ihn schließlich ganz
frei, als blutverschmierte Hände Fennhír
mit sanfter Gewalt zurück ans Bett drückten
und von dort nicht mehr fortließen. Elronds Hände
gingen wie schlaftrunken, zurück an seine Schläfe
und zu seinem Herzen. Der dritte Heiler betrat wieder
den Raum, und mit ihm drei kräftigere Elben. Sie
nahmen die Plätze der Heiler an Fennhírs
Seiten und Fußende ein.
Fennhírs Körper bäumte sich unter
einem neuerlicher Schlag auf, der unerwartet heftig
ausfiel. Die Griffe der Elben an seinem Bett wurden
kurz härter. Selbst wenn er im Vollbesitz seiner
Kräfte gewesen wäre, hätte er es kaum
geschafft, sich aus ihren Griffen zu befreien. Große
Müdigkeit überfiel ihn. Wessen Einfluss dies
zuzuschreiben war, konnte er nicht sagen. Dann hörte
Fennhír eine Stimme. Hart am Rande des Bewussteins
war sie nicht mehr als etwas, was einem der Wind aus
großer Ferne zuträgt. Und er lauschte gebannt....
.........komm... komm......... ......komm zu mir.......komm.....
.....lass dich tragen. ...komm.....komm zu mir, mein
Kind..
Fennhír Müdigkeit nahm zu, wurde zu einer
tiefen Erschöpfung, und der Gedanke an Schlaf erschien
ihm so verlockend wie nie zuvor ihn seinem Leben. Diese
ganze Folter, die er gerne ertrug; die Reise zurück
mit Donnfindel, ja nur der Entschluss, seinen Herrn
anzugreifen; es machte ihn so unsäglich müde.
Er spürte, wie die Dunkelheit sich um ihn legte;
wie eine warme Decke, willkommen in einer wolkenlosen
rhîwnacht. Er spürte Elronds tastende und
streichelnde Gedanken in seiner Seele und seinem Geist.
Dieser gestattete Fennhír einen kleinen Blick
in sich und lenkte seine Aufmerksamkeit auf die richtigen
Punkte. Und ebenso wie er dadurch wusste, das dieser
seine Angst wahrnahm spürte er in einem verwirrenden
Chaos aus Gedanken und Empfindungen mit einem Mal, dass
dieser NIE daran gedacht hatte, Donnfindel zu töten.
Fennhír fühlte sich schlecht. Wie konnte
er je solche Gedanken hegen? Er hätte nicht zweifeln
sollen, niemals.
...komm zu mir Fennhír... .... komm zu mir...
...bei mir kannst du für immer ruhen...
Das klang verlockend. Sehr verlockend; aber was war
dann mit Donnfindel?
...er wird dich begleiten...komm zu mir ......komm.....
es tut nicht weh.....
Sollte er wirklich gehen? Das Entsetzen, das er verspürt
hatte, als er diese Stimme zum ersten Mal hörte,
war ihm jetzt einfach unbegreiflich. Sie war sanft und
warm. Sie drängte nicht, sie bot nur eine Alternative.
Eine niemals unnötige. Er spürte die unermüdlichen
Schläge von Donnfindel fast gar nicht mehr
...er wird mit dir gehen......du wirst dir keine
Sorgen mehr um ihn machen brauchen...
Tief in seinem Inneren wusste er, dass Elrond diesen
Kampf verloren hatte. Was auch immer dieser zu tun gedachte,
er war gescheitert. Fennhír verspürte keine
Trauer bei diesem Gedanken. Wer konnte schon ahnen,
ob es nicht besser war tot zu sein? Der Last des Lebens
endlich ledig. Vieles hatte er schon gesehen in seinem
Leben; warum es jetzt nicht beenden, auf diese doch
so sanfte weise?
...Und wie vieles hast du noch nicht gesehen? Bist
du den nicht neugierig auf diese Welt die so viel Unentdecktes
zu bieten hat…?
Fennhír zauderte, als er diese Worte vernahm.
Es wäre schön, jetzt zu gehen, doch sein Herr,
der sein innerstes Selbst ansprach, hatte Recht: Des
Lebens müde fühlte er sich nicht.
Er erinnerte sich an seinen Aufbruch aus Bruchtal,
als er mitten durch das Hochmoor ritt, die Luft wie
ein Ertrinkender in seine Lungen sog und sich fühlte
wie am Tage seiner Geburt. So unbeschreiblich lebendig.
...Bedenke auch, wenn du gehst, so wird dich Donnfindel
begleiten. Maßest du dir an, auch über sein
Leben zu entscheiden? ...
In stummem entsetzen gab Fennhír sich selbst
die Antwort. Nein, das würde er niemals wagen.
Er könnte nicht friedlich in Mandos Hallen ruhen,
mit dem Gedanken, dass er Donnfindel ebenfalls dorthin
gezwungen hatte. Fennhír krümmte sich vor
Scham, als er an eine andere Sache dachte die ihn mit
großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls verfolgen
würde. Wie konnte er soweit gehen und seinem Herrn,
der stets freundlich und gerecht war, nur solche Absichten
unterstellen? Ihm Gewalt antun zu wollen, genauso barbarisch
wie ein Ork.
„Verzeiht mir, dass ich Euch schaden wollte.
Bitte versteht, ich dachte Ihr... ich dachte, Ihr wolltet
den Tot Donnfindels“
...komm zu mir... komm...
Es kam ihm eigentlich sinnlos vor, sich zu entschuldigen.
Lag er doch bar jeglichen Schutzes vor Elronds Geist;
durchschaubar wie ein einzelner klarer Tropfen. Jedoch
erleichterte es ihn, seine Tat zu rechtfertigen; grundlos
hatte er schließlich nie gehandelt und würde
es auch nie tun. Statt einer Antwort, die er auf seine
Bitte zu erhalten hoffte, erreichte ihn, mit der sanften
Ungestümheit einer sich brechenden Welle, ein tiefes
Gefühl von Verständnis und das dringende Verlangen,
nun seinerseits eine Bitte zu erhören.
...Komm zurück ins Licht, Fennhír. Komm
zurück zum Leben. Donnfindel wird dich auch hierhin
begleiten...
Fennhír entzog sich nun völlig der wachen
Welt. Zu anstrengend war das verweilen und zu lockend
war die leise Stimme, die ihn rief. Jedoch erwarteten
ihn nicht die schwerelosen Pfade der Träume. Er
sank tiefer hinab als auf diese Wege. Er durchdrang,
wie ein Tropfen die Haut des Wassers, die Barriere die
ein jeder schützend, gleich einem Schild, vor sich
hält...sein ganzes Leben lang. Und fand sich wider;
in völliger Finsternis.
Um ihn herum war alles still. Kein Ton störte
diese Stille, kein Lufthauch bewegte sich hier; nur
tiefe, kalte Nacht ohne Substanz, ohne Körper,
ohne einen Stern, der Hoffnung spendete, und ohne eine
Person, welche diese Leere erträglich machte. Einsamkeit
schlich sich in seine Seele, so als hätte es nie
etwas anderes gegeben, als wäre er schon immer
allein gewesen.
Die Erinnerung an Wärme, an sein Leben, verblasste
mit der Geschwindigkeit eines süßen Traumes.
Ein Traum, den man zwar gerne geträumt hatte, aber
von dem man wusste, das es Zeit war, in langsam abzulegen
um dem neuen Tag zu begegnen.
Diese Stille, diese Leere; keiner, der je mit ihm
gefühlt hatte. War er tatsächlich in seinem
ganzen langen Leben allein gewesen? Noch erinnerte er
sich der Spanne, die seine lange Existenz ausmachte.
Oder war sie doch zu kurz? Gab es da nicht doch jemanden,
der ihn die meiste Zeit begleitet hatte? Irgendjemand?
Verzweifelt suchte er nach einer Antwort auf diese Frage.
Nein, er war schon immer völlig allein.
Nie zuvor hatte ihn dieser Gedanke mehr bedrückt.
Vielleicht, weil es vorher nie notwendig gewesen war,
diese furchtbare Frage zu Stellen? Nach Zuspruch suchend
sah Fennhír sich fröstelnd in diesem Land
des Vergessens und Erkennens um. Jedoch das einzige,
das er bemerkte, welches einen Atem hatte, war er. Fennhír
begann wirklich zu akzeptieren, dass er wohl immer allein
gewesen sein musste; dass in seinem doch erst so kurzen
Leben wohl nur die Träume, die von grünen
Bäumen und Fallendem Wasser kündeten, ihn
vor dem Wahnsinn bewahrt hatten.
Enttäuscht darüber wach und nicht schlafend
zu sein, um zurückzukehren zu diesen wunderbaren
Dingen, die ihn sein Geist sehen lies, wenn er schlief,
setzte er sich auf dem harten, nackten Felsboden der
hier überall präsent zu sein schien. Die Arme
um die angezogenen Knie geschlungen und den Kopf darauf
stützend starrte er in die Leere. Fennhír
versuchte, abzuschätzen, wie lange er wohl laufen
müsse, um etwas anderes zu sehen als das Bild,
das sich ihm von allen Seiten bot.
"Vermutlich Jahrtausende..." sprach er
seufzend aus.
Zu seinem Erstaunen vernahm er plötzlich ein
freudiges Lachen. Neugierig hob er seinen schwer gewordenen
Kopf. Voller Verwunderung übersah er schnell die
endlose schwarze Ebene. Noch immer saß er allein.
Als das Echo dieses Lachens verklungen war, kam ihm
langsam wieder in den Sinn, wo er es gehört hatte:
Er war ausgeritten. Im großen Grünwald...deutlich
roch er die lebendige Erde; jemand ritt mit ihm - eine
Frau mit einem Kleid in der Farbe des Herbstes.
Er erinnerte sich.
Deutlich sah er das Gesicht dieser Schönheit
in seinem Geist vor sich lachen. Was hatte er getan,
dass sie heller strahlte als die Sonne? Er...Tränen
traten Fennhír in die Augen... er hatte sie gefragt,
ob sie den Bund mit ihm eingehen wollte.
Lächeln saß Fennhír mitten im Nichts;
sie hatte ‚ja’ gesagt. Und plötzlich stand sie
vor ihm, seine Liebste, glücklich wie an jenem
Tag; wie an diesem wundevollstem aller Tage: Nur wenige
Schritt von ihm entfernt und so schön, so unendlich
zart und rein wie nie zuvor. Sie schien geradezu von
einem inneren Licht erleuchtet zu sein. Sie war so wunderschön...
Fennhír spürte einen leichten schmerz
in seiner Brust. Er verzehrte sich nach dieser Frau!
Er brauchte sie wie ein Fisch das Wasser zum Atmen brauchte,
wie ein Baum die Erde brauchte um zu erstarken; er konnte
nicht ohne sie sein.
Sie streckte die Hände zu ihm nach unten aus,
eine halbe Armlänge näher, und Fennhír
hätte sie fühlen können. Sie winkte mit
ihren schlanken, zarten Fingern, und Fennhír
zwang seinen so unpassend müden Körper, aufzustehen
und ihr zu folgen. Sie lächelte ihn stolz an, warf
ihm einen gehauchten Kuss zu und lief leichtfüßig
davon. Fennhír versuchte zu folgen, doch mit
dem Verlassen seiner Frau schien auch seine Kraft davon
zusprengen. Er bemühte sich, mit seinen scharfen
Augen seine Liebste zu erkennen; sie würde doch
hoffendlich warten, wenn sie bemerkte, dass er nicht
nach kam? Sonst wäre er doch wieder völlig
allein; an Land geworfen und entwurzelt, sterbend in
einer bereits toten Welt.
Zu seinem Erstaunen erkannte er in der Ferne ein
helles Licht, einem Stern gleich. Es sah für ihn
so aus, als läge dieser auf der Erde - schwach,
fast verbraucht. Jedoch gewann der Stern mit einem mal
eine solche Kraft, das sein Licht ausreichte, hinter
Fennhír einen starken Schatten zu zeichnen. Und
als Fennhír in dieses Licht blickte, da war es
ihm, als wäre er zum ersten Mal in seinem Leben
sehend. Kein Gefallener Elbereths sah er, sondern einfach
einen Elben. Doch so groß war das Licht, das diesen
erfüllte, dass er nicht sagen konnte, wer es war,
den er in seiner ganzen Macht dort stehen sah. Ein König
von großer Macht vielleicht oder doch jemand,
den er kannte? Er bemühte sich, etwas zu erkennen,
und langsam, sehr langsam, erkannte er in einem überirdischen
Licht stehend seinen Herrn wieder.
Zögernd begann er, sich zu nähern, so als
wüsste er nicht, ob dies der richtige Weg sei.
Als er jedoch begann - in Vertrauen darauf, von ihm
nicht Fehl geleitet zu werden - entschlossener auszuschreiten,
schlug Fennhír ein mächtiger Sturm entgegen.
Und der Wind hatte eine Stimme....
...KOMMT, MEINE KINDER…
War Mandos Ruf vorher noch wie ein Flüstern
leicht zu ignorieren, war es nun unmöglich, ihm
kein Gehör zu schenken. Der Sturm drückte
Fennhír zu Boden, er fiel auf die Knie nicht
mehr in der Lage sein Gewicht zu tragen. Keuchend vor
Entsetzten blieb er kniend und wartete einen Augenblick
mit der Hoffnung, dass der Sturm sich nicht über
ihm entlud und weiterzog.
„Der Sturm ...wird bleiben, Fennhír...“ flüsterte
es nah an seinem Ohr. Er sah sich über die Schulter
und blickte direkt in die müden, fast leblosen
Augen Donnfindels.
„DONNFINDEL!??!!“ schrie Fennhír vor Überraschung.
Der erkannte lächelte schwach.
„Natürlich, du Tor. Wen hättest du... denn
sonst erwartet?“ Fennhír versuchte, Donnfindel
hastig von seinem Rücken zu ziehen, und ihm ein
weicheres Lager für seinen geschundenen Körper
zu bereiten. Aber irgendetwas hielt Donnfindel, ohne
auch nur eine Handbreit nachzugeben, bei ihm. Er sah
an sich herunter. Schwere Ketten waren um ihre beiden
Körper geschlungen, Ketten, die im dumpfen Gleichklang
von Fennhír Herz schlugen und schmerzhaft weiß
glühten, als wären sie gerade eben gegossen
worden.
.....KOMMT ZU MIR.... HIER GIBT ES KEINE SCHWERE...
... Fennhír komm..... zum Licht... wisperte
es leise.
Fennhír sah zu seinem Herrn, der aus lauterem
Licht zu bestehen schien, dann zum Himmel, in dem noch
immer völlig Geräusch aber nicht Kraftlos
der Sturm tobte. Und dann zu seinem Freund, dessen Kopf
schwer auf seiner Schulter lag. Donnfindel sah ihn aus
Augen an, die bar jeglicher Hoffnung waren. Hatte er
sich auch wieder gefunden in einer einsamen Welt? Donnfindel
war nicht verheiratet. War Fennhír für ihn
das Erinnern, das Erkennen oder noch mehr als er jetzt
erfahren konnte? Der Weg zum Licht war weit, sehr weit.
Voller spitzer, scharfer Steine. Das einzige was die
Eintönigkeit dieser Landschaft unterbrach. Der
Weg, der hinter ihm lag, so wusste Fennhír, war
eben. Als er in diese Richtung sah stellte er fest das
sich die Welt die hinter ihm lag gewandelt hatte. Nach
nur wenigen Meilen sah er frisches, grünes, junges
Gras. Es bewegte sich in einem lauen Lüftchen,
und dahinter nach nur wenigen Wegstunden über dieses
wundervolle grüne Stückchen Erde sah er wie
sich der Boden langsam hob, sich aufzutürmen begann
und eine gewaltige fast senkrechte Wand schuf. Hallen
durchzogen dieses Felsmassiv. Erleuchtete von vielen
Gestalten belebte Hallen deren gewachsene Säulen
und Wände mit bunten, sich sachte bewegenden Stoffen
zahlreich geschmückt waren.
Mit der Unverrückbarkeit einer Festungsmauer
machte dieses Massiv durch seine bloße Anwesenheit
klar das dort, in diesen Hallen, Fennhírs Weg
enden würde.
Fennhír blickte höher, weit hinter die
Hallen der Ruhe... schwarze stille sternenlose Leere,
die sich vom linken bis zum rechten Horizont erstreckte.
Ein Ort zum vergessen, wenn man es wünschte.
Fennhír sah zum Licht. Scharfe Steine, angsteinflößende,
lebendige Schatten und ein Weg, der durch nichts unterbrochen
stetig nur geradeaus zu gehen schien, beherrschten hier
das Bild. Ebenso ein Nachthimmel, wie er in den ersten
Nächten der Elben gewesen sein musste. Und deren
ungetrübter Glanz von einst, als die Elben dieses
Licht erblickten, welches sie am meisten lieben sollten,
verblasste bei der Erinnerung an Fennhírs lachendes
Glück, seine Aeloth.
Fennhír lenkte seine Schritte unsicher, und
mit dem Orkan gegen sich, diesem seinem Leben entgegen.
„Lass mich hier, bitte.“ Flüsterte Donnfindel
flehend. „Ich ertrage nicht mehr.“
Fennhírs Augen füllten sich mit Tränen,
als Donnfindel flüsternd fortfuhr: „Der Weg ist
zu lang.“
Donnfindel erinnerte sich in so unerwünschter
und unpassender Weise mit einem Mal daran, wie er Fennhír
zum ersten Mal begegnet war. Das war in Doriath gewesen.
Er war mit Verwandten aus Dor-lomin angereist. Die zwei
jungen Elben hatten sich auf Anhieb verstanden und in
den zwei Monaten, in denen er mit seiner Familie blieb,
stellten die beiden den halben Palast Thingols auf den
Kopf.
Drei Jahrtausende später kämpften sie gemeinsam
gegen Sauron. In unterschiedlichen Armeen, aber doch
durch lange Jahre währende Freundschaft zusammen.
Als sich dann auch diese Wirren gelegt hatten und Imladris
zu dem gemacht wurde, was es heute ist, hatte Fennhír
gebeten, bei Elrond zu bleiben. Fennhír hatte
sein Herz einer Bruchtalelbenfrau geschenkt und Thranduil,
bei dem er nun am Hof lebte, die Erlaubnis abgerungen,
ihr in ihre Heimat zu folgen. Donnfindel war überglücklich
seinen nur so selten gesehenen Freund nun im gleichen
Tal zu haben das auch er schon länger bewohnte.
Aber jetzt wurde diese Freundschaft zu Last. Er wünschte
sich getrennt von ihm und in diese ruhigen Hallen die
er schon seit dem Untergang der Sonne, des vergangenen
Tages, zu betreten wünschte.
...Gibt es den nichts anderes das du wünschst?
...
Kurz erschrak er wegen diesen unerwarteten Worten.
Jedoch wandelte sich das erschrecken in Wut und maßlose
Verzweiflung. Nicht noch jemand gegen der er kämpfen
musste, nicht noch einer der alles tat nur nicht den
schmerz lindern der in verbrannte, Stück für
Stück, langsam und genüsslich quälend.
Donnfindel flehte Fennhír stumm an, ihn endlich
gehen zu lassen.
„Selbst wenn ich wollte, ich kann dich nicht frei
geben!“ erwiderte Fennhír auf diesen Blick. Die
Ketten glühten sanfter bei seinen Worten, schwächer.
„Ich wusste schon immer..... dass du der Sturere
von uns beiden bist,.... Fennhír. Aber heute...
übertriffst du selbst... einen graubärtigen
Zwerg!“ Flüsterte Donnfindel erbost.
Fennhírs erster Schritt endete stolpernd,
abgelenkt durch Donnfindels Worte, über einen Stein
von dem er sich eigentlich sicher war das er vor einem
Augenblick noch nicht seinen Füssen im Weg lag.
Fennhír versuchte, wieder auf die Beine zu
kommen. Sobald er sich jedoch erhob, brach der Sturm
mit noch größerer Gewalt über die beiden
herein.
„Warum machst du es uns so schwer?“ brüllte
Fennhír ins wehende Nichts hinaus.
...WEIL DAS LEBEN KEINE LEICHTE SACHE IST... kam
es grollend aus den Tiefen des Orkans zurück.
„Fennhír...“
„So lass es mich wenigstens versuchen! Gib uns eine
Chance!“ schrie er wieder den Orkan entgegen.
...DER LEBENSWEG IST LANG... fast gleichzeitig sagte
Donnfindel
„...dieser Weg ist zu lang für mich.“
Fennhír sah zu Elrond. Die Strecke, die nun
zwischen ihm und seinem Herrn lag, hatte sich vervielfacht.
Musste er vorher nur einen Weg gehen der der Breite
des Ozeans entsprach, so mussten seine Füße
nun die Welt umrunden.
Mit vor entsetzen geweiteten Augen überblickte
er diese nicht zu schaffende Strecke. Wie konnten sie
sich entfernt haben mit den Hallen Mandos im Rücken?
Narrten ihn seine Sinne? Oder liefen sie immer nur im
Kreis?
„Fennhír?“ wagte Donnfindel zaghaft zu fragen.
„Ja, mein Freund“ gab der Angesprochene tonlos zurück
noch immer über schwarzes Land sehend.
„Ich habe Schmerzen. Ich kann nicht gehen...“
„Ich weiß. Ich werde für dich gehen.“
Sagte Fennhír und begann, unter der Last seines
Freundes und mit den stürmischen, wachsamen und
mitleidigen Augen des Todes den Weg zum Licht.
Die Heiler hatten alle Mühe, Donnfindel zu versorgen.
Sie mühten sich mit all ihrem Wissen, all ihrem
Können. Als Maladuial eilig mit der Nachricht um
Donnfindels Verletzung nach Imladris zurückgekehrt
war, hatte niemand; auch Elrond nicht; geglaubt, dass
er noch so lange leben würde. Erst, als er von
dieser anderen unglaublichen Sache berichtet hatte,
gab der Herr von Bruchtal so etwas wie Hoffnung zu erkennen.
Maladuial schüttelte ergeben den Kopf. Selbst
ihm fiel es so langsam schwer, sich zu Konzentrieren.
Den anderen an Donnfindels Lager sah man die Stunden
auch bereits an. Doch sie durften sich bald erholen.
Ja, diese Art Arbeit war sehr kräftezehrend. Doch
jetzt war sie getan, sie konnten nicht mehr leisten,
es lag jetzt bei Donnfindel und Fennhír, ob sie
sich umsonst gemüht hatten.
Er wusste, dass selbst Elrond machtlos war, wenn
sich eine Person wirklich entschlossen hatte zu sterben.
Wie sonst wäre es zu den tragischen Liebesgeschichten
gekommen, in denen ein Paar sich ewige Liebe versprochen
hatte, und nach dem Scheiden des Partners diesem in
den Tod folgte. Auch in diesen Geschichten gab es Heiler,
die versucht waren, dies zu verhindern, meist mit deren
Eltern im Nacken.
Maladuial legte gerade mit aller Vorsicht die Verbände
um Donnfindels Brust. Der Hieb an seiner Hüfte
brauchte keine derartige Aufmerksamkeit. Er würde
auch so heilen. Mit einem Nicken entließ er seine
Helfer. Sie räumten Schüsseln mit blutigem
Wasser, rote Lacken, die sanft unter dem Bewusstlosen
hervor gezogen wurden, und ...diverse andere Dinge aus
dem Zimmer. Er selbst deckte Donnfindel vorsichtig bis
zum Bauch zu. Ein Blick zu den Elben am Nachbarlager
zeigte ihm, dass sich nicht viel verändert hatte.
Noch immer saß sein Herr auf der Bettkante, noch
immer waren diejenigen anwesend, die ein Ausbrechen
seitens Fennhír verhindern sollten. Und noch
immer lag Fennhír in tiefer Bewusstlosigkeit
danieder. Nur eines war anders, er verkrampfte sich
nicht mehr alle paar Herzschläge. Maladuial konnte
nur spekulieren, was Fennhír widerfahren war.
Er hatte seine eigene Vermutung, doch keine Gelegenheit
gehabt, diese zu äußern. Maladuial schickte
einen der Elben von Fennhírs Lager zu Donnfindel
hinüber und setzte sich dann an dessen Stelle.
Behutsam tupfte er mit einem feuchten Lappen die schweißbeperlte
Stirn des Bewusstlosen ab. Jetzt hieß es, geduldig
sein und warten.
Plötzlich kam ihm eine Idee. Maladuial sprang
auf und lief aus dem Zimmer. Kaum hatte sich der Vorhang
hinter ihm geschlossen, sah er sie schon. Freunde und
Verwandte versuchten, ihr Beistand zu geben, sie zu
trösten. Fennhírs Frau, die einzige, die
er hatte und die er je haben würde. Die beiden
waren selbst nach dieser langen Zeit noch so verliebt
wie am ersten Tag.
„Würdet Ihr bitte mit mir kommen, Aeloth? Euer
Gemahl braucht Euch.“ Maladuial war sich seiner Sache
nicht ganz so sicher, wie er gehofft hatte. Doch versuchte
er die Unsicherheit aus Gebaren und Stimme zu verscheuchen.
Es würde ihn ewig verfolgen, würde die Hoffnung,
die er in den Augen dieser Frau hatte aufglimmen sehen,
mit Fennhír sterben. Aber es war eine Möglichkeit,
Elrond genau das zu geben, was er brauchte, um diese
Sache zum Guten zu wenden.
Beide betraten den Raum, in dem alle Hoffnung lag.
Aeloth schritt gemessen an die Seite ihres Gemahls.
Langsam ging sie neben ihm in die Knie und Maladuial
sah, wie die Fassade der Beherrschung langsam von ihr
zu bröckeln begann. Feucht schimmerten die Tränen
in ihren Augen, nur mühsam konnte die Elbenfrau
sich zurück halten.
Leicht beugte sich Maladuial zu ihr und flüsterte
so sanft, wie es eben ging: „Ihr könnt für
ihn Wegweiser sein. Sprecht mit ihm und geleitet ihn
durch seine Finsternis.“
Mit tränenden Augen nickte Aeloth. Vorsichtig,
fast schüchtern, streichelte sie Fennhírs
Stirn. Ihre sanft geschwungenen Lippen berührten
fast sein Ohr, als sie leise zu flüstern anfing.
Sie erzählte von der Zeit in der er ihr den Hof
gemacht hatte, wie sie sich mit klopfenden Herzen an
die Wand ihres Gemachs gedrückt hatte als er für
sie draußen, manchmal an den unmöglichsten
Orten verbergend, Lieder gesungen hatte. Sie erzählte
von kleinen Geschenken, die er ihr gebracht hatte, nicht
Wertvoll aber unendlich kostbar. Von Sonnenuntergängen
und dem Wandern unter Sternen. Von Vertraulichkeiten,
eigentlich nicht bestimmt für die Ohren dritter.
Und von dem Tag, an dem er sie so glücklich machte
wie nie zuvor.
Sie war mit ihrem Vater zu dem erst wenige Jahre
im Amt befindlichen König Thranduil gereist. Fennhír
hatte sie in aller Frühe, noch vor dem Erscheinen
Anors, buchstäblich aus ihrem Gemach entführt.
Hinab in die Ställe. Dort hatte sie ein Pferd aufgesäumt
vorgefunden, wie es seine Majestät nicht schöner
haben könnte. Nicht mit goldenem Schmuck oder kostbaren
Juwelen behängt. Blumen schmückten dieses
Pferd! Hunderte mussten es sein, alle so frisch, als
wären sie gerade erst geschnitten worden. Fennhír
hatte sie in die fast lichtlose Tiefe des Grünwaldes
ausgeführt. Den ganzen Tag verbrachten sie zusammen
und als die Sonne sich an ihrem höchsten Stand
befand, hatten sie bereits unter dem schützenden
Dach des Waldes eine kleine Mahlzeit eingenommen.
Sie flüsterte ihm zu, dass ihr aufgefallen war,
dass er das Essen verschmähte und wie sie schon
den ganzen Tag gewartet hatte, dass er sie etwas Bestimmtes
fragte.
Irgendwann war er dann endlich aufgestanden, mit
ihr in den Händen. Sie beide hatten in einem fast
senkrechten Lichtstrahl gestanden, der seinen Weg nach
unten gefunden hatte. Umtanzt von kleinen flauschigen
Sämchen. Und Fennhír hatte sie endlich gefragt.
Überglücklich hatte sie ‚ja’ gesagt und
es nie bereut!
Fennhír fing mit Mühe den Sturz ab, der
ihn schon wieder auf die Knie zwang. Das Gewicht Donnfindels
lag schwer auf ihm. Jedes mal kam er mühsamer wieder
auf die Beine. Der Wind oder Mandos Widerstreben, sie
gehen zu lassen, wie Fennhír vermutete, zerrte
an ihren Kleidern. Mit schwerem Atem sah er zurück.
Noch immer lag dort Mandos Halle, einladend...
.....kommt zurück zum Licht...
.....Ja, er musste weiter; Aeloth wartete doch auf
ihn. Während er sich umdrehte, stürzte er
erneut über einen Stein. Gerade noch so konnte
er verhindern, dass sein Gesicht ebenfalls Bekanntschaft
mit dem scharfkantigem Untergrund machte. Seine Arme
fühlten sich taub durch den Sturz an. Jedoch war
kein Blut zu sehen. Seine Haut war heil obwohl sie es
eigentlich nicht hätte sein sollen.
Wieder wurde das Glühen der Ketten kaum merklich
schwächer. Das war bis jetzt jedes Mal geschehen,
wenn er strauchelte. Sie schienen nur noch leicht rötlich,
Fennhír war oft gestrauchelt bis jetzt.
„Lass uns rasten. Nur einen Augenblick.“ bettelte
Donnfindel leise.
Fennhír schüttelte wütend den Kopf.
Wenn er sich jetzt nieder ließ, würde er
sich nie wieder erheben.
Auch dieses Mal schaffte er es aufzustehen. Nur um
gleich darauf zusammen zu brechen. Dieses Mal blieb
er liegen. Seine Haare wehten ihm ins Gesicht und Donnfindel
lag schwer auf seinem Körper. Er fand nicht mal
mehr die Kraft, dessen Strähnen aus den Augen zu
blinzeln.
„Donnfindel?“
„Ich bin hier.“
... kommt zurück zum Licht...
„Was muss ich tun?“
„Einfach liegen bleiben. Der Rest folgt alleine.“
Fennhír nickte. Tränen stiegen ihm in
die Augen und nässten den dunklen Boden, als er
Aeloth in weiter Ferne aufschreien hörte.
Die Ketten erkalteten im Wind. Haarfeine Risse bildeten
sich mit leisen knistern auf deren Oberfläche...
Aeloth erzählte weiter von schönen Augenblicken,
als aus Fennhír Kehle unerwartet ein leiser Seufzer
entfloh und aus seinem Körper jegliche Art von
Anspannung wich.
„Nein! Fennhír. Bitte verlass mich nicht!
Verlass mich nicht! Fennhííír.“
Elronds Hände flogen den Bruchteil einer Sekunde
vorher an Fennhírs Kopf und umschlossen ihn im
Nacken; so als wolle er ihn zwingen, seine leeren
offenen Augen auf sich zu richten, den Oberkörper
hatte er ein wenig mehr zum Liegenden geneigt.
Maladuial konnte Fennhírs Frau kaum zurück
halten. Sie wand sich in seinem Griff und schlug wie
von Sinnen auf ihn ein. Er versuchte, sie mit sanften
leisen Worten zu beruhigen, während er sie fest
umschlungen hielt. Er hatte es schwer sie zu halten,
wollte er ihr doch nicht schaden und sie dennoch nicht
zu ihrem Gemahl lassen. Sie würde Elrond jetzt
nur behindern. Erst nach einigen Minuten gab sie es
auf und weinte an seiner Schulter.
Maladuial riskierte einen Blick zu Donnfindel, auch
er lag wie gegossen im Bett. Wie Fennhír atmete
auch er nicht mehr.
Er sah wieder zu seinem Herrn. Jetzt begann das,
wozu nur wenige in der Lage waren. Er hätte sich
gewünscht, dass es erst gar nicht so weit gekommen
wäre. Nicht nur wegen der weinenden Elbenfrau in
seinen Armen. Maladuial mochte Donnfindel und Fennhír
sehr gut leiden.
Fennhír lag weiterhin auf dem Boden dieser
toten Welt. Bald würde er zu ihr gehören.
Aeloth hatte angefangen zu weinen. Er hörte sie
ganz deutlich. Der Wind trug ihre Stimme zu ihm.
Donnfindel lag nach wie vor, unfähig sich zu
rühren, auf Fennhírs Rücken. Für
diesen waren alle tröstenden Worte schon lange
verstummt. Er spürte, dass das Leben aus seinem
Freund wich. So wie schon bei sich selbst, doch dann
schlangen sich diese Ketten um ihn. Es tat ihm Leid.
Er kam sich schuldig vor an dieser Situation. Warum
hatte Fennhír ihn nicht einfach zugesehen wie
er starb? Wie konnte er sich nur erdreisten für
ihn zu bestimmen was richtig war und was nicht, was
er zu tun hatte und was nicht, ob er leben sollte oder
nicht! Donnfindel verschüttete die aufkommende
Wut mit dem befriedigenden Gedanken dass es dieses Mal
keinen gab, der ihn zurückhalten konnte. Endlich
würden die Schmerzen enden. Mit einem sehnsüchtigen
Blick betrachtete Donnfindel die Hallen, die sich hinter
der Grenze aus jungem Gras und Schmerz befand. Er sah
Elben wandeln in den großzügigen Hallen von
Mandos. Seine Augen noch einmal anstrengend besah er
sich die Elben genauer. Dieses Gesicht kannte er doch
irgendwo her? Und das daneben auch! Ja! Seine ehemaligen
Freunde standen dort. Sie warteten auf ihn. Und es waren
ihrer nicht wenige.
Leise, nicht einmal für Fennhír hörbar,
flüsterte er: „Ich komme bald, meine Freunde.“
Seine scharfen Augen sahen wie sich auf den Lippen seiner
Freunde ein wehmütiges Lächeln ausbreitete.
Die Zeit verging, Jahrhunderte folgten Donnfindels
Worten und zogen über die beiden hinweg. Ließen
sie mal vor Frost erstarren wenn der Winter in unheimlicher
schnelle über diese Land hereinbrach mal vor sengender
Hitze fast verglühen. Tage und Nächte brachen
herein. So schnell das man ihnen kaum hinterher sehen
konnte. Manchmal quälten sie Erinnerungen. Sie
sahen Freunde und Feinde gleichermaßen schnell
wieder verschwinden wie sie gekommen waren. Ewigkeiten
lagen sie dort, jegliches Zeitgefühl verloren.
Ihr ganzes Leben schien nur darin zu bestehen zu liegen
und sich zu erinnern.
Schritte näherten sich den beiden, seltsam langsam
in dem unendlichen Strom von Tag und Nacht. Leichte
Schritte, unter denen kleine Steine verschwanden, gefolgt
von gleißendem, warmem Licht das selbst in der
alles versengenden Helligkeit der Sonne noch Schatten
warf. Fennhír und Donnfindel spürten, wie
sie von der schwarzen nackten Erde hochgehoben wurden.
Und wie mit dieser Geste der Fluss der Zeit wieder mit
normalem Tempo der Ewigkeit entgegen trieb.
Teilnahmslos beobachtet Fennhír, wie sein
Herr sie mühevoll vom Boden zog. Er fragte sich
warum dieser den so eine Anstrengung auf sich nahm.
Schwer lag sein Kopf auf dessen warmer Schulter.
.... Aeloth würde dich vermissen, Fennhír.
Hörst du nicht ihr weinen? ... hörte Fennhír
Elrond in seinem Geist.
Fennhír lauschte in den Sturm. Ja, er hörte
sie schluchzen, immer noch... Bildlich konnte er sich
ihr hübsches Gesicht vorstellen, ganz nass von
ihren salzigen Tränen.
Ein Zittern ging durch Fennhírs leblosen Körper.
Die Umstehenden sahen wie, sich zuerst langsam und zögerlich,
dann immer gleichmäßiger, der Atem von Fennhír
erneut regte. Aeloth schlug sich vor Freude die Hände
vor den Mund. Leise schluchzend kniete sie sich wieder
ganz nah an ihren Geliebten. Unendlich vorsichtig, so
als fürchte sie, ihre Berührung würde
seine Seele verscheuchen, wie einen Schmetterling den
man von der Blüte zu holen versucht, nahm sie seine
Hand in die ihre.
Maladuial gestattete sich noch nicht aufzuatmen.
Elrond hatte anscheinend Fennhír erreicht. Doch
Donnfindel lag noch immer ohne ein Lebenszeichen in
den Kissen. Die beiden waren nach wie vor miteinander
verbunden. Und der Heiler sah dass sein Herr schnell
ermüdete.
Fennhírs Knie fanden mit einem Mal nicht nur
die Kraft sich zu strecken, sondern auf noch die Stärke
Donnfindel zu tragen.
Er konnte es einfach nicht ertragen sie weinend zu
wissen.
„Ich komme Aeloth. Ich komme!“ Fennhír wusste
nicht, woher er die Kraft nahm seine Gestalt aufzurichten.
Neue, schon längst versiegt geglaubte Energie durchströmte
ihn.
„Warum... tut ihr mir das an?“ Flüsterte Donnfindel
anklagend.
Fennhír wollte schon zu einer Antwort ansetzen,
verstummte aber zuletzt da er wusste das sie nie die
unglaubliche Qual rechtfertigen könnte die sein
Freund schon die ganze Zeit durchlitt. Er starrte nur
weiter gerade aus, bemüht nicht in die vorwurfsvollen
Augen zu blicken die er doch so deutlich spürte.
... wir machen dies nicht um dich zu quälen.
Er tut dies doch, nur weil er dich mehr schätzt
als alle anderen und ich helfe ihm dabei, denn alleine
schaffte er es nicht zurückzukehren...
„Wohl kaum mehr als alle anderen!“ stieß Donnfindel
verächtlich aus.
Nichts war Fennhír lieber als seine Frau.
Kein Schatz der Welt, keine Versprechen und erst recht
keine Jugendfreundschaft die sich irgendwann einmal
durch Zufall ergeben hatte…
Fennhír liebte Aeloth aus der tiefsten Tiefe
seiner Unsterblichen Seele. Das wussten alle.
Die Risse der Ketten wurden tiefer. Elrond hörte
mit Beunruhigung das haarfeine Geräusch von leise
brechendem Metall. Nicht mehr viel Zeit blieb.
.....er hat viel auf sich genommen für dich.
Mehr als er je von dir verlangt hätte. Und er wird
nie zurückfordern was er für dich tut, du
weißt das....
Donnfindel sah zu Fennhír, sein Gesicht hätte
aus Stein gemeißelt sein können. Er wusste
Elrond sprach die Wahrheit. Fennhír hatte ihm
immer bedingungslos vertraut. Er hatte ihm eine Familie
angeboten, seine Familie! Ohne je etwas zu fordern,
ohne je einen Hintergedanken zu haben.
Aus den Augenwinkeln sah er in Mandos einladende
Hallen.
Aus den Augenwinkeln sah er den Sternenhimmel hinter
dem sich sein Leben verbarg wie die Sonne hinter Regenwolken.
War es beim Erwachen so gewesen? Die Wahl zu Haben
zwischen leidvoller Existenz oder leerem Nichtsein?
Jetzt stand er vor der Wahl. Erneut. Denn er dachte
eigentlich, sich schon entschieden zu haben. Donnfindel
hatte Angst. Er wollte nicht zurück. Dort hinter
dem Horizont aus Licht würden nur schmerzen auf
ihn warten. Furchtbare Schmerzen. Er hatte schon eine
Kostprobe davon erhalten als er nach Imladris gebracht
wurde. Eine Nacht, die längste seines Lebens hatte
er verbracht in schmerz. Er spürte wie Fennhír
vor Anstrengung zu zitterten begann. Wie mühevolle
musste für ihn das alles sein. Zu seinem eigenen
Gewicht auch noch einen Verletzten zu tragen. Und sein
Herr? Donnfindel versuchte Elrond aus dem Augenwinkel
anzusehen. Auch er konnte sie nicht ewig halten, vor
allem nicht hier.
Seine Angst nahm zu; Wasser gleich, das zu einer
Flutwelle wächst. Er wollte schreien, so sehr fürchtete
er sich. `Oh, du großer Jäger. Blickst dem
wildesten Eber ohne Furcht in sein hässliches Gesicht,
aber bei so etwas Simplem benimmst du dich wie ein kleiner
Junge, der zu seinem Vater gerufen wird, wenn er weiß,
das er etwas getan hat´, versuchte er sich mit
Sarkasmus mutiger zu machen, als er im Moment war.
Donnfindel holte noch einmal Luft und fragte dann
mit all seinem Mut: „Fennhír...?“
„Ja, Donnfindel?“ gab Fennhír fast flüsternd
zurück.
„Was machst... du noch hier!“ Donnfindel schluckte
schwer. Er hatte Angst, aber, bei Elbereths Sternen!
Er war weder ein Feigling, noch war er allein.
„Was meinst du?“ fragte Fennhír verwundert.
Mit einem erleichterten Schmunzeln sah Elrond die
abgrundtiefe Verwirrung in Fennhírs Gesicht.
Er schien nicht zu begreifen.
„Ich meine... dass Aeloth meinen Körper in den
Wald schleift, um die Wölfe zu füttern, wenn
ich dich heute mitnehme!“
„Ich gehe nicht ohne dich!“ Er sagte diese Worte
mit mehr Entschlossenheit, als er sich selbst zugestand.
Donnfindel seufzte: “Ich weiß. Nun geh´
schon; Aeloth wartet doch auf dich! Glaubst du, wir
werden leichter, wenn wir hier noch länger verweilen?“
Fennhír glaubte seinen Ohren nicht zu trauen.
Er setzte sich erfreut in Bewegung, einen Arm um Elronds
Schultern geschlungen. Jedoch knickte er nach wenigen
Metern wieder ein; sein Herr stütze sie, und die
Ketten zeigten keine neuen Risse.
Vom Nachbarbett hörte Maladuial ein gequältes
Stöhnen. Als er sich herumdrehte, sah er, wie sich
Donnfindel mit gefletschten Zähnen und deutlich
hervortretendem Kiefermuskel gegen die Laken presste.
Jeder neue zittrige Atemzug schien ihn unglaublich zu
quälen. Sein ganzer Köper war mit einem dünnen
Schweißfilm überzogen, und jeder Atemzug
kam begleitet von einem leisen Stöhnen. Der Elb
an seinem Bett wusch fürsorglich mit einem Tuch
über die klamme Stirn. Jetzt konnte es nicht mehr
lange dauern, bis eine Entscheidung gefällt wurde.
Langsam, wirklich nur sehr langsam, kamen sie voran.
Die Entschlossenheit mit der Fennhír zuerst ausschritt
war schon nach den ersten hundert Schritten verschwunden.
Jetzt quälten sie sich voran, einen wankenden Fuß
vor den anderen setzend. Elrond konnte bis jetzt, durch
pure Willenskraft, verhindern dass sich die Ketten weiter
lösten, denn Fennhír schien alle Kraft zu
brauchen sich nur auf den Beinen zu halten.
Fennhír hielt auf einmal inne. Schwer keuchend
hielt er sich an Elrond fest und dieser gewährte
nur widerstrebend eine Pause.
`Meine Kräfte schwinden...Donnfindel hatte recht,
der Weg ist zu lang, zu schwierig und zu ...anstrengend.
Wie konnte ich nur so dumm sein und glauben ich sei
dieser Aufgabe gewachsen. Wie konnte ich glauben ich
würde dies alleine schaffen, wir schaffen es ja
nicht einmal zusammen! ´ verzweifelt blickte er
auf den Weg der noch vor ihm lag. So lang, so unendlich
lang. Die Ewigkeit schien keine angemessene Zeitspanne
zu sein um diesen Weg zu bewältigen.
Und wieder hörte Maladuial einen scharfen Atemzug,
dieses Mal jedoch von Elrond. Sein Gesicht war eine
Maske der Konzentration. Und der Heiler konnte deutlich
sehen wie sein Herr seine Kiefer immer mehr aufeinander
presste. Sorgenvoll teilte er die Blicke der anderen
Elben. Sie wussten alle dass sie ihm dabei nicht helfen
konnten, schon lange hatte er die Pfade verlassen die
auch für sie zugänglichen waren.
Ein kleines Stückchen Metall und fiel überlaut
zur Erde. Wie der Beginn des Unausweichlichen lag das
Fragment vor ihren Füßen. Sanft bewegte es
sich im Sturm, begleitet von Aeloths Stimme, die Fennhír
Mut machen sollte.
Kurz darauf stiegen Füße darüber
hinweg. Elrond legte ohne Rücksicht auf Fennhír
und Donnfindel einen schnellen Schritt an. Fennhír
konnte kaum folgen, und so kam es, dass der Herr von
Imladris die beiden mehr hinter sich herschleifte, als
dass sie selber gingen. Je näher sie den Sternen
kamen, desto lauter wurde die rufende Stimme, die in
diese Welt immer wieder die gleichen, wegweisenden Worte
hinein echote.
...hört meine Stimme, kommt zurück zum
Licht....
Und desto beanspruchender wurden die Schmerzen in
Donnfindels Brust. Als er auf dem Boden lag, waren sie
kaum mehr zu spüren gewesen; eben etwas Unangenehmes,
wie der Stich eines Insekts, aber nicht mehr. Jetzt
waren sie kaum mehr auszuhalten, und mit jedem torkelnden
Schritt, den sie zurücklegten, wurden sie stärker.
Und es war noch eine sehr weite Strecke die sie zu bewältigen
hatten. Er hatte schon fast wieder dieses Gefühl
des `durchbohrt Seins´, obwohl er wusste, dass
er noch weit von seinem Körper und damit von einer
klaffenden Wunde entfernt war. Tiefe Erschöpfung,
wie er sie noch nie in seinem Leben gekannt hatte, beherrschte
jeden seiner trägen Gedanken. Auch er hörte
Aeloths Stimme und die Stimme seines Herrn. Doch auch
diese Wegweiser gaben nicht genügend Kraft, um
das schon Geleistete wieder aufzuwiegen. Sie näherten
sich alle der Grenze ihrer Erschöpfung. Manche
erreichten sie früher, manche später. Donnfindel
lächelte ironisch, er wusste, dass er sich schon
längst jenseits von dem befand, was er zu leisten
in der Lage war. Er hatte sich eigentlich immer für
stark gehalten; stärker als die Menschen und ja,
auch stärker als Fennhír. Mit einem mitleidigen
Blick auf ihn, erkannte er, dass sein Freund ebenso
erschöpft war wie er. Doch er hielt sich auf den
eigenen Füßen. Fast bedauerte er es, doch
nicht zurückzukehren; nicht um seiner Selbst Willen.
Er hatte erkannt, was er wünschte; das Ende der
Schmerzen; und er wusste, wo er dies erreichen konnte.
Er bedauerte es nur, weil es auch Fennhírs Ende
sein würde; noch dazu ein so völlig unnötiges.
Ja, wie viel war unnötig gewesen. Auch seine Art
zu sterben empfand er als nicht angebracht.
…Noch bist du nicht tot, und wenn es in meiner Macht
liegt, werde ich das verhindern…!
Er hatte keine Frau, keine Familie; eigentlich niemanden,
der Verwandtschaft mit ihm aufweisen konnte. Er war
allein, er brauchte nicht zurückkehren. Wozu? Aber
Fennhír hatte Aeloth, diese bezaubernde Elbenfrau
mit ihrem nachtschattenfarbigen Haar. Fennhír
hatte einmal eine ganze Nacht damit verbracht, ihm zu
schildern, wie es war. Den Morgen darauf hatte er mit
Spekulationen darüber verbracht, wie es sich wohl
anfühlen würde, und den darauf folgenden Tag,
wie es wohl roch. Denn er hatte es noch nicht gewagt,
so nah an diese unglaubliche Elbenfrau zu treten. Ab
und zu hatte der Noldor neckend nachgefragt, ob Fennhír
sich sicher sei, und sein Freund wurde einfach nicht
müde, durch endlose Litaneien diese Frage noch
einmal und noch einmal und noch einmal zu beantworten.
Donnfindel hatte ihm nur zugehört und mit gemischten
Gefühlen geschwiegen. So glücklich hatte er
Fennhír selten gesehen. Und auch Aeloth schien
lebendiger, als Fennhír in Imladris weilte. Sie
gaben sich gegenseitig alles, was sie brauchten. Die
wenige Nahrung, die sie zu sich nahmen, wurde, wenn
sie vereint waren, zu etwas, auf das sie gänzlich
verzichten konnten; gerade so, wie Pflanzen auf
Licht verzichten konnten, wenn der Schnee sich über
sie legte.
„Bitte, wartet …einen kleinen Augenblick“, bat Fennhír
außer atemlos. Nur sehr widerstrebend gestattete
Elrond diese Pause. Er verbot es ihnen allerdings, sich
nieder zulassen.
Jetzt war Aeloth nicht bei ihm. Er hörte nur
ihre Stimme, aber anscheinend war das für ein liebendes
Herz nicht genug. Nur ganz kurz fragte er sich, was
mit Aeloth passieren würde, wenn Fennhír
nicht zu ihr zurückkehren würde. `Sie würde
wie eine Rose im Winter sein: wunderschön doch
tot.´
„Fennhír?“
„Ja, … was kann ich…für dich tun?“ keuchte Fennhír.
„Weißt du noch wie Aeloths Haar aussieht?“
„Natürlich…wieso sollte…ich das vergessen.“
„Beschreibe es mir!“ bat Donnfindel. Er fragte nicht
ohne Grund.
„Das ist ein schlechter Zeitpunkt…Könnte ich
das nicht auf später verschieben?“
„Nein, beschreibe es mir jetzt, bitte…“
Fennhír schüttelte den Kopf. So eine
Frage zu so einem Zeitpunkt konnte nur diesem einen
Elben einfallen. Er musste schmunzeln, weil auch er
sich an die Tage erinnerte, an denen er Donnfindel mit
der Beschreibung Aeloths Haar zu Tode gelangweilt hatte.
„Es ist… es hat die Farbe von…es ist wie…“ Fennhír
stockte und erschrak. ‚Welche Haarfarbe hatte Aeloth.
Sie war eine Noldor… aber war ihre Haarfarbe dadurch
zwangsläufig dunkel? Hatte es nicht da auch Ausnahmen
gegeben? War sie eine? Wie sah sie aus?’ fragte er sich
verzweifelt.
Fennhír versuchte, sich ihre Gestalt ins Gedächtnis
zu rufen. Jedoch was da vor seinem geistigen Auge auftauchte,
war gerade einmal mit Mühe und Not als Elbenfrau
zu erkennen.
Auf einmal hörte Fennhír Donnfindel,
wie er mit genießerischer Stimme erzählte:
„Ihre Haare sind wie ein Reigen aus angenehmer Dunkelheit.
Wenn sie geht, bewegt es sich leicht zu ihren zarten
Schritten, die kaum den Boden berühren. Wenn sie
aus dem Schatten tritt, zeigt sich für einen kurzen
Augenblick ein goldbrauner Glanz darauf, und die Sonne
scheint sie fast mit ihrem eigenen Licht zu krönen;
Licht, das doch so finster im Gegensatz zu ihrem Lächeln
und dem Leuchten ihrer Augen wirkt. Kannst du dich nicht
mehr an den Blick erinnern, mit dem sie dich betrachtet?
Dieser Blick, der so anders ist als der anderer Frauen?
Mit dem sie dich jedes Mal in ihre helle Seele schauen
lässt und dich geblendet und versengt zurück
lässt? Mit welchem sie dir immer wieder aufs Neue
verspricht, dass nichts euch trennen kann? Und du trotz
dem Schmerz, sie eines Tages vielleicht zu verlieren,
dich immer wieder jeden Tag, freudig an sie bindest
und Eintritt in ihr Leben verlangst, damit sie dich
wieder mit ihrer Reinheit versengen kann.“
Fennhír quälte sich weiter und hörte
zu. Er hörte zu, wie Donnfindel Aeloth beschrieb,
und langsam sah er sie wieder, so wie sie war und wie
sie immer sein würde. Er konnte sie fast riechen;
fast fühlen, wie ihre Hand zärtlich über
seine Stirn glitt. Und mit jedem Stück, das sich
zu seinen so lückenhaften Erinnerungen dazu gesellte,
kam auch Stückchen Kraft zurück. Als Donnfindel
aufgehört hatte, schloss Fennhír seine Augen
und seufzte: “Ich sehne mich nach Aeloth.“ Und aus seiner
Stimme sprach das ganze Bedauern, nicht bei ihr sein
zu können.
…Das weiß ich. Dein Sehnen hat bald ein Ende.
Sieh...
Fennhír hob den Kopf und starrte fassungslos
auf eine Wand aus samtiger Schwärze. Jedoch war
es nicht jene, die den Weg beendete; es war das Gegenstück.
An ihr hingen die Sterne wie Juwelen aufgereiht und
sangen förmlich von kühlem Wind unter klarem
Himmel, von Späßen mit Freunden, Musizieren
und Dichten, vom Ausreiten und Bogenschießen.
Fasziniert streckte Fennhír seine Hand nach
einem Stern aus, der ihm in die Augen funkelte. Seine
Hand glitt ohne Widerstand durch die Dunkelheit, konnte
jedoch das helle Leuchten nicht erfassen. Genauso gut
hätte er in einer wolkenlosen Nacht, auf dem Rücken
liegend, versuchen können, mit dieser einfachen
Geste einen Stern vom Himmel zu holen. Sie waren am
Ziel - endlich! Wie lange waren sie doch gewandert.
Als Fennhír an diesen unendlich langen Weg
und an die furchtbare Einsamkeit, aus der Aeloth ihn
gerettet hatte, zurückdachte, war er einfach nur
dankbar. Er hatte fast vergessen, was ihm am wichtigsten
war; wichtiger als alles. Und jetzt; nur einen einzigen
Schritt mit der lebendigen Erinnerung an diejenige,
für die er ausnahmslos alles tun würde - was
auch immer sie verlangen würde - entfernt; war
er sich sicher: „Ich könnte niemals ohne sie sein…“
Donnfindel antwortete nur: “Ja, ich weiß… wie
du dich fühlst. Ich weiß es.“ Und senkte
traurig den Blick. Fennhír merkte auf, als er
das Bedauern in der Stimme seines Freundes hörte
und er begriff!
Und dann geschah etwas, was nur einer der drei von
Anfang an gefürchtet hatte: die Ketten brachen…und
Donnfindel fiel von Fennhírs Rücken.
Und wieder wurde die Aufmerksamkeit der Elben zu
ihrem Herrn gelenkt. Elrond hob leicht den Kopf in den
Nacken und Maladuial sah, wie der Elb seine Konzentration
noch zu steigern versuchte.
Schweißperlen traten auf dessen Stirn, und
die Anwesenden hörten das leise Geräusch von
knirschenden Zähnen. Tiefste Konzentration begleitete
jeden von Elronds Atemzügen, die für die Anwesenden
zu unregelmäßig kamen. Maladuial erhob sich
aus seiner knienden Position und trat hinter seinen
Herrn. Besorgt berührte er die Stelle an dessen
Hals, an der das Leben ganz besonders deutlich zu spüren
war. Er schrak fast zurück, als er den rasenden
Herzschlag unter seinen Fingern spürte. Jedoch
konnte er sich noch rechtzeitig daran erinnern, dass
Aeloth anwesend war. Sie streichelte nach wie vor zärtlich
über die Stirn ihres Geliebten, aber sie beobachtete
ihn dennoch sehr genau. `Auch sie hat begriffen, dass
es nicht gut steht´, stellte er, nachdem er seine
Hand auf Elronds Schulter hatte sinken lassen, fest.
Besorgt lauschte er dessen Atem; auch Fennhírs
ging schwerer; und Donnfindel? Maladuial sah zu ihm
herüber. Seine Brust hob und senkte sich; und wieder
hob und senkte sie sich - langsam aber regelmäßiger.
Er wandte den Kopf wieder zu Elrond und sah entsetzt,
wie er in diesem Augenblick langsam seine Zähne
entblößte und seine Augen schloss. Und genau
wie bei Donnfindel folgte auch bei ihm kein erneutes
Einatmen. Gebannt beobachteten die Elben, was weiter
geschah. Maladuial zählte in Gedanken die Herzschläge
mit und hoffte, bei jedem Trommeln seines Herzens auf
den erlösenden Atemzug. Er zwang sich zur Ruhe
und die andern Elben mit strengem Blick zum Verharren,
auch wenn es ihm selbst schwer genug fiel, nichts zu
tun und abzuwarten. Er zählte weiter und näherte
sich langsam aber unaufhaltsam den Zahlen, bei denen
Elrond ihm beigebracht hatte, dass derjenige, der leben
wollte, atmen musste! Er hatte nicht vor, seinen Herrn
sterben zu lassen; auch wenn es auf die Kosten zweier
Freunde ging. `Genug Zeit ist verstrichen; ich kann
nicht länger warten. Jetzt ist Zeit zum Handeln!
´ Er trat näher an Elrond heran, bereit,
ihn; falls möglich; aus der Dunkelheit zu befreien,
die ihn so gefangen nahm.
Donnfindel lag rücklings auf dem Boden. Erst
jetzt sah Fennhír, der sich noch immer an seinem
Herrn festhielt, die Wunde, die auch in dieser Welt
Gestalt angenommen hatte, und das Blut, welches die
Kleidung seines Freundes durchtränkte und ihn wie
ein geschlachtetes Tier aussehen ließ; ebenso
den wissenden Blick - wissend um die Augen einer Frau,
deren Berührungen er niemals spüren würde.
Er war fassungslos. “Wieso hast du nie etwas gesagt?“
stieß er dann schließlich doch hervor Fennhír.
„Was hätte ich denn sagen sollen? Dass ich Neid
auf dein Glück empfinde?“ antwortete Donnfindel
mit Blick in den sturmschwangeren Himmel. „Dass
ich wünschte, es wäre anders? Das wäre
schlicht gelogen, denn ich würde niemals etwas
neiden, was Aeloth glücklich macht. Ich würde
nie wollen, dass sich etwas ändert. DU bist derjenige
der sie strahlen lässt, nicht ich. Ich bin es nicht…
und jetzt geh! Auf mich warten andere. Und wehe dir,
ich erfahre irgendwann, dass du sie enttäuscht
hast. Bei Elbereths Sternen! Wenn es einen Weg zurückgibt,
werde ich ihn zu finden wissen.“
Fennhír starrte nur weiter auf Donnfindel.
Er rührte sich auch nicht, als sich dieser qualvoll
erhob. Tausend Gedanken durchzogen seinen Geist. Erst
als Donnfindel ihnen den Rücken kehrte und einen
erschreckend mühelosen Schritt zurück in Namos
Arme machte, reagierte Fennhír endlich: “Warte!“
Er wollte Donnfindel folgen, doch Elrond hielt ihn mit
eisernem Griff an Ort und Stelle und schüttelte
bedauernd den Kopf.
…Fennhír, du kannst nicht mehr folgen. Zumindest
nicht ohne zu bleiben…
„Was ist denn noch? Ich dachte, es wäre alles
geklärt. Ich habe keine Geduld mehr; so lass mich
doch endlich ziehen.“
„Nein, bitte komm zurück.“ Verzweifelt suchte
er nach einem Argument, das er vorbringen konnte. „Du
wirst doch jetzt nicht aufgeben wollen, nicht war? Nicht
so nah am Ziel. Es gibt doch so vieles, was du nicht
gesehen hast. Glaubst du nicht, dass es noch andere
Elbenfrauen gibt, die du lieben lernen könntest?“
Im gleichen Moment, da er dies ausgesprochen hatte,
bemerkte er den Fehler.
Donnfindel liebte nicht irgendeine; Donnfindel liebte
seine!
Verbitterte ging dieser zwei schmerzhafte Schritte
weiter. Er hatte genug gehört.
„Leb wohl, Fennhír. Danke, dass du mich begleitet
hast.“ Und das war ehrlich gemeint.
Fennhír sah zu Elrond; hoffend, dass ihm irgendetwas
einfiel, was Donnfindels Meinung ändern könnte.
So durfte es nicht enden! Doch dieser schüttelte
den Kopf.
…Lass ihn ziehen…
Atemloses Schweigen herrschte, als Maladuial zitternd
seine Hände auf Elronds Nacken legte. Als der Herr
von Imladris plötzlich wieder tief Luft holte und
sich sichtlich entspannte, ging ein erleichtertes Aufatmen
durch die Reihen der Wartenden. Auch Maladuial gestattete
sich, kurz die Augen zu schließen und im Stillen
allen guten Mächten zu danken, die er benennen
konnte. Sein Herr hatte alleine zurück gefunden;
dafür war er mehr als nur dankbar, denn wenn ihn
jemand gefragt hätte, so wäre er doch sehr
im Zweifel gewesen, ob er die Kraft gehabt hätte,
das zu vollbringen, woran sein Herr und Mentor gescheitert
war. Er umrundete Elrond und betrachtete eingehend sein
Gesicht. Erschöpfung war in seinen nun wieder offenen
Augen zu lesen - und Trauer. Er brauchte nicht zur Lagerstatt
Donnfindels zu sehen, um den Grund für diese Trauer
zu erfahren, denn Fennhír weinte zwei Tränen
in stummer Qual über den Verlust seines Freundes.
Ergeben senkte Fennhír den Kopf, und als er
es schaffte, ihn wieder tränenschwer zu heben,
sah er seinen Freund; ähnlich wie seinen Herrn.
Ein inneres Leuchten erhellte auch ihn, jedoch schien
dieses Licht langsam zu verblassen - wie eine Kerze,
der das Wachs nicht mehr genügend Nahrung bieten
kann. Leise und bedauernd flüsterte Fennhír:
“Lebe wohl, Donnfindel. Ich werde dich nie vergessen…“
und bevor er sich abwandte fügte er hinzu, “Aeloth
wird dich auch vermissen“, er flüsterte diese Worte
eigentlich mehr zu sich selbst. `So unglaublich nah
sind wir dem Ziel gekommen. Und jetzt muss ich es doch
alleine durchschreiten…´
Fennhír schloss seine Augen. Elrond machte
sich bereit, mit Fennhír eben jene samtige Schwärze
zu durchdringen, um wieder in das Leben aufzusteigen,
als sie beide hinter sich die hoffnungsschwere Frage
hörten.
„Tut sie das wirklich?“
Fennhírs Kopf schnellte in die Höhe.
Und etwas, was er schon tot geglaubt hatte, regte sich
in ihm; erwünscht und herbeigesehnt, verehrt wie
ein Regentropfen in der Wüste.
Hatte er wirklich Hoffnung in der Stimme seines Freundes
gehört? Hoffen auf was? Donnfindel musste wissen,
dass Aeloth ihn nie erhören würde. Sie hatte
nur ein Herz, und das hatte sie ihm bereits geschenkt.
Fennhír drehte sich zu Donnfindel. Seine Augen
spiegelten Sehnsucht und tiefstes Bedauern wieder. Scheinbar
vergessen war aller durchlittener Schmerz, denn nichts
war mehr davon zu sehen. Anscheinend war ein Leben an
ihrer Seite und neben Fennhír besser als eine
Ewigkeit ohne sie.
Ohne Antwort auf seine schon fast schüchterne
Frage wandte sich Fennhír aus den Armen Elronds.
Jetzt war Zeit zum Handeln und nicht zum Erklären.
Und er brauchte dieses Mal all die Schnelligkeit seiner
Rasse. Fennhír schnellte zu Donnfindel vor, packte
ihn am Arm, während er selbst buchstäblich
mit den Fingerspitzen seiner anderen Hand immer noch
Elronds ausgestreckte Arme berührte. Dieser fragte
sich im selben Moment stumm, ob Fennhír
sich nun doch noch entschieden hatte, seinen Freund
zu begleiten, bis er erkannte, was dieser vorhatte.
Und im selben Augenblick, als Fennhír Donnfindels
Arm fest umschloss, und dieser ihn erleichtert anlächelte,
legte der Herr von Imladris all seine Kraft körperlicher,
geistiger und seelischer Natur in sein Handeln und zog
beide zurück in seine Arme, um mit ihnen den aufgleißenden
Sternenhimmel zu durchstoßen; zurück ins
Licht der Abendsonne von Imladris.
Maladuial hatte sich schon damit abgefunden, einen
Freund zu Grabe tragen zu müssen, als er völlig
überraschend von dem Elben an Donnfindels Lager
gerufen wurde. Schon als er sich umdrehte, bemerkte
er die Veränderung an dessen Leib. Das Licht der
Sonne war nicht das einzige, was ihm Farbe gab und,
ihn lebendiger aussehen ließ, als er im Moment
wohl war. Noch bevor er sich selbst die Frage stellen
konnte, was es mit dieser Veränderung auf sich
hatte, durchbrach ein leiser Aufschrei von Aeloth die
Stille. Sehr zur Freude aller blinzelte Fennhír
ein paar Mal, so als hätte er während den
ganzen Stunden, die Aeloth nun schon an seiner Seite
verbracht und um sein Leben gebangt hatte, nichts anderes
getan, als selig zu schlafen. Seine Frau kniete wie
versteinert neben dem Bett. Schließlich wagte
sie es, den Namen ihres Geliebten zu hauchen. Fassungslose
Freude klang deutlich in ihrer leisen Stimme mit und
brachte Fennhír dazu, seinen Kopf ihr entgegen
zu drehen. Ein seliges Lächeln lag auf seinen Lippen,
als er ihr zuflüsterte: “Ich habe dich gehört.“
Ihre leise Antwort ging jedoch in einem weiteren überraschenden
Laut unter. Donnfindel tat einen Atemzug; tief und sehr
schmerzhaft. Schon dieser eine trieb ihm den Schweiß
auf die Stirn, genauso wie diejenigen die folgten. Maladuial
sah zu Elrond; dieser zog gerade seine Hände wieder
zu sich. Auch er hatte den Weg zurück gefunden.
Stolz und Bewunderung für die gerade vollendete
Tat spiegelte sich deutlich auf den Gesichtern aller
Anwesenden wieder. Jedoch konnte auch die Verehrung
und Dankbarkeit von allen nicht verhindern, dass die
Anstrengung ihren Tribut einforderte. Elrond begann
von der Bettkante zu gleiten. Die Elben waren sofort
bei ihm und fingen ihn auf, bevor ihr Herr die Zeit
hatte, diese Bewegung weiter auszuführen.
Maladuial war praktisch sofort an seiner Seite. Er
schalt sich selbst einen Einfallspinsel, dass er nicht
an Elronds Seite geblieben war, obwohl er doch wusste;
vermutlich als einziger von allen; wie sehr die Kräfte
seines Herrn aufgezehrt worden waren. Er hielt ihn fest
und wartete, bis er sich sicher war, dass sein Herr
zumindest alleine sitzen konnte. Anschließend
entließ er fast alle Anwesenden bis auf Aeloth
und zwei seiner Heiler, die sich weiterhin um Donnfindels
und Fennhírs Wohl kümmern sollten. Er selbst
nahm ebenfalls die Hilfe von einem der anderen Elben
in Anspruch. Er sollte mit ihm Elrond in sein Gemach
bringen. Die beiden legten sich jeweils einen seiner
Arme um den Nacken und brachten ihn; mehr tragend, als
dass ihr Herr selbst in der Lage war zu laufen; so aus
diesen Räumlichkeiten. Vor der Türe wurden
sie bereits von einer kleinen wartenden Gruppe erwartet:
Aeloths Freunde und Verwandte waren immer noch anwesend,
bereit sich um die Aufgaben zu kümmern, die man
ihnen erteilen könnte. Und auch Elronds Berater
waren unter den Wartenden. Erleichterung und die letzten
Spuren von Stundenlanger Sorge zeichneten sich in ihren
Augen ab; ebenso in den Augen von Elronds Kindern: Als
sie ihren Vater, zwar über die maßen erschöpft
aber zufrieden, ihnen entgegen schauen sahen, konnte
Maladuial fast den Stein der Erleichterung hören,
der von ihnen und den Beratern Elronds fiel. Im Stillen
beschloss er, ihnen erst sehr viel später mitzuteilen,
wie weit sich ihr Vater, Freund und Herr wirklich vorgewagt
hatte. Er bat Erestor, die Stelle seines Heilers einzunehmen,
und schickte diesen schon mit den Kindern voraus, Elronds
Gemach herzurichten. Auf diese Weise hatten sie etwas,
was sie von ihrem Vater, der zwischen ihnen hing, ablenken
würde. „Wir bringen Euch in euer Zimmer; dort könnt
ihr dann ruhen“, beeilte er sich zu versichern, nachdem
er Elronds fragend Blick bemerkte, als Maladuial begann,
ihn in sein Gemach zu bringen. Dieser nickte kaum merklich.
Er war froh, dass er jemand hatte, der ihn stützte,
wohingegen doch selbst das Heben seines Kopfes ihn fast
überforderte. Maladuial und Erestor brachten ihn
auf dem allerkürzesten Weg in sein Gemach. Erleichtert
stellte Elrond fest, dass er sich um nichts mehr kümmern
musste. Maladuial übernahm diese Aufgabe für
ihn. Er zweifelte sehr daran, dass er selbst noch Anweisungen
gleich welcher Art geben konnte. Überrascht stellte
er fest, dass in seinem Gemach sowohl frische Kleidung
als auch eine Karaffe sowie auch ein wenig zu Essen
bereit stand. Es war nicht das erste Mal, dass er so
erschöpft ein Krankenlager verließ, dennoch
erschreckte es Elrond, dass er überhaupt nichts
von dem Gang in sein Gemach bemerkt hatte. Er musste
wohl weggenickt sein; nur für eine kleine Weile.
Seine beiden Träger brachten ihn vor sein Schlaflager.
Und nur Erestors festem Griff war es zu verdanken, dass
er sich nicht darauf fallen lassen konnte.
Elrond hörte, wie sich seine Kinder nach seinem
Befinden erkundigten und wie Maladuial statt ihm selbst
die Antwort gab. Es dauerte eine Weile, bis er die kühle
Hand, die sich auf seine Wange gelegt hatte, bemerkte,
und diese ihn, nachdem er eine Reaktion zeigte, kurz
streichelte. Wie von weiter Ferne hörte er die
mühsam beherrschte Stimme Elladans, die diese Hand
wieder von ihm rief. Irgendwie brachte er es fertig
zu sagen: „Ich bin nicht zu Schaden gekommen. Ich bin
nur furchtbar müde. Mach dir keine Sorgen, Arwen.“
Seine Stimme klang nicht nur in seinen Ohren dünn.
Elrond sah seine Kinder entschuldigend an. Nur zu gern
würde er ihnen besser bestätigen, dass ihm
nichts fehlte. Jedoch wagte er es nicht. Zu groß
würde diese Anstrengung sein, und er wollte verhindern,
vor ihren Augen zusammen zu brechen. Das würde
seine Worte nur Lügen strafen. Arwen versuchte
zu lächeln, als sie von ihren Brüdern in die
Mitte genommen wurde und sie den Raum verließen.
Elrond sah ihnen hinterher und bemerkte dabei, wie Faelon
ihnen wie ein Schatten folgte. Auch dafür war also
gesorgt. Er würde sich ihrer annehmen. Erleichtert
dankte er gedanklich diesem Elben dafür. Er wollte
nur noch eines: schlafen - einen langen möglichst
traumlosen Schlaf. Und dank derjenigen, die mit ihm
lebten, würde dieser auch sehr sorglos werden.
Er spürte mehr, als dass er sah, wie ihm führsorgliche
Hände die Schärpe, die seine Kleidung zusammen
hielt, lösten und wie man ihm aus seinen Gewändern
half. Er war weit jenseits davon, etwas anders zu tun
außer zu stehen. Und selbst das schaffte er nur
noch mit Hilfe. Hände, die vor wenigen Stunden
noch mit Blut besudelt waren, wuschen ihm jetzt den
gröbsten Schweiß von seinem Körper.
Das warme Wasser erfrischte ihn; half ein wenig, die
Anstrengung zu verscheuchen, sodass Stehen nicht mehr
an Unmöglichkeit grenzte. Neue Kleidung legte sich
schließlich um seine Schultern und wurde sorgsam
geschlossen. Und als der Herr von Imladris müde
auf sein Lager sinken durfte, hatte der Schlaf ihn schon
nach einem Atemzug fest in seinen Händen.
Nachdem er seinen Herrn versorgt und letzte Anweisungen
erteilt hatte, kehrte Maladuial zu Donnfindel
und Fennhír zurück. Sehr zu seiner Überraschung
war Fennhír wach. Er streichelte versonnen seine
neben ihm schlafende Frau. Donnfindel war nicht wach.
Und wenn das Schicksal gnädig war, würde er
auch in den kommenden Tagen nicht erwachen. Maladuial
setzte sich neben Fennhír: “Wie geht es Euch?“
fragte er ihn leise.
„Ich bin müde“, lautete die knappe Antwort.
Der Heiler lächelte ihn an: „Dann schlaft. Oder
wollt Ihr etwas, damit Ihr leichter dem Wachsein entfliehen
könnt?“
Fennhír dachte einen Augenblick nach, schüttete
dann aber den Kopf. Er sah zu seinem Freund und fragte
unsicher: „Er wird leben?“
„Ja, das wird er, dank Euch!“
„…Ich kann mich an fast alles, was geschehen ist,
erinnern. Wird er es denn auch noch wissen?“
„Das weiß ich nicht. Ich denke aber, dass dies
nicht der Fall sein wird…Wollt Ihr es ihm Erzählen?“
„Ich würde ihm nichts sagen, was er nicht schon
weiß.“ Fennhír ließ seine Augen wieder
zur Decke wandern.
„Warum stellt sich dann für Euch die Frage,
wenn es nicht von belang ist, ob er die Geschehnisse
von Euch erfährt.“
„Ich würde gerne erfahren, ob das, was er mir
an diesem…Ort… mitteilte, der Wahrheit entsprach.“
Maladuial wurde nachdenklich. Er wusste nicht, was
vorgefallen war, aber über ein Sache war er sich
im Klaren: „Fennhír, Ich weiß nicht, was
er Euch sagte. Aber eines darf ich Euch mitteilen; er
sprach nicht mit den Lippen. Er sprach mit dem Herzen!
Und das Herz kann nicht Lügen - ganz egal wo es
spricht.“
Fennhír sah den Heiler lange schweigend an.
Vor seinem Geist sah und hörte er noch einmal jedes
Wort und jede Geste Donnfindels. Schließlich nickt
er langsam. Und dabei schwor er sich, nie wieder ein
böses Wort über die Menschen zu verlieren,
die manchmal so langsam das offensichtliche feststellten.
Er war nicht schneller als sie.
Dankbar sah er den Heiler an und während dieser
den Raum verließ zog Fennhír seine Frau
ein wenig mehr in seine Arme und genoss ganz einfach
sie zu spüren; mit all seinen Sinnen.
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