Titel: Entscheidungen des Herzens - Teil 13 - 17
Autor: Eldalia


13

Der Wachmann lächelte vielsagend und entspannte sich, um die Berührungen seines Geliebten ganz in sich aufzunehmen. Dabei viel sein Blick kurz auf das Fläschen Öl, welches sie in der Nacht zuvor benutzt hatten. Es war umgefallen, und der ganze Inhalt hatte sich auf dem, mit Stroh bedecktem Boden verteilt.

„Ähm..nin bain...“, setzte Haldir atemlos an, denn Legolas’ Lippen hatten sich mittlerweile bis zu den Lenden vorgearbeitet und seine Zunge kreiste fordernd um äußerst empfindliche Stellen am Körper des Elbens aus Lorien. Der Wachmann musste sich extrem konzentrieren, damit er nicht vergaß, was er seinem Geliebten eigentlich mitteilen wollte.

„Le..go...las...“, presste er hervor.

Als Antwort bekam er ein Grummeln, und nur widerwillig hob der Prinz den Kopf, um seinen Geliebten fragend anzuschauen. Dieser hielt das leere Ölfläschen hoch.

„Ich hoffe, du hast an Nachschub gedacht.“

Legolas schaute einen Augenblick sehr nachdenklich, und Haldir hatte schon etwas Angst vor der Antwort auf seine Frage. Aber der Elbenprinz löste sich kurz darauf von seinem Gegenüber und krabbelte zu seinen Sachen. Mit einem triumphierenden Lächeln zog er ein neues Fläschen heraus.

„Wunderbar...“, gab der Wachmann zurück, doch sofort wurde ihm der Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss verschlossen. Als sich ihre Lippen voneinander lösten, blickte der Elb aus Lorien in ein gespielt strenges Gesicht.

„Ich dulde jetzt keinerlei Ablenkungen mehr.“, sagte Legolas mit einem hungrigen Glänzen in den Augen.

„Du gehörst mir, Haldir von Lorien!“

Der Wachmann konnte nur noch nicken. Kurze Zeit darauf war er gefangen in der Präsens seines Geliebten. Nie wurde Haldir so zärtlich und zugleich so fordernd geliebt, wie an diesem Morgen. Als Legolas ihm erschöpft in die Arme sank, wähnte er sich im Paradies, bis das schlagen von Hufen auf dem Waldboden die atemlose Stille zerriss.

Der Prinz hob den Kopf und lauschte.

„Das muss Narion sein. Nur er weiß, dass wir hier sind.“, entgegnete er seinem zustimmend nickenden Gegenüber.

Schnell zogen sie sich an, um dem Diener entgegen zu gehen, doch als sie nach draußen traten, erkannten sie nur ein reiterloses Pferd, das auf sie zu galoppierte. Von Narion war weit und breit nichts zu sehen.

Unsicher trat Haldir auf das Tier zu. Es war bepackt mit Leinenbeuteln, in denen sich Proviant befand, aber der wunderschöne braune Hengst war erschöpft, seine Haut schweißüberströmt. Fragend schaute der Wachmann seinen Geliebten an, der nun ebenfalls neben ihnen stand.

„Das ist Narions Pferd, aber...“.

Legolas brach ab, denn entsetzt fiel sein Blick auf einen schwarzgefiederten Pfeil, der in einem der beiden Proviantbeuteln steckte.

„Oh Gott...Haldir...!!!“, rief er.

Der Wachmann war sofort bei seinem Geliebten und traute seinen Augen kaum.

„Orks!!!..Hier..?!“, presste er mühsam hervor.

In Legolas Augen standen plötzlich Angst und Wut. Ohne dass Haldir eine Chance zu einer Reaktion hatte, rannte der Prinz in den Stall zurück, um sein Pferd zu holen. Seine Sorge um Narion ließ ihn die Gefahr vergessen, die auf ihn wartete, sobald er das Reich seines Vaters wieder betrat. Aber seinem Geliebten war sie in diesem Moment mehr als klar.

„Legolas...was hast du vor?“, fragte er besorgt. „Du weißt, was uns der König angedroht hat, sollten wir jemals zurückkehren.“

Der Prinz nickte, aber sein Entschluss war unumstößlich.

„Narion ist...“, der Waldelb stockte. „....verletzt. Er braucht Hilfe, und nur wir wissen, wohin er unterwegs war.“ Nach einem kurzen Moment fuhr er fort. „Er hat sich für uns in Gefahr begeben, und er ist mein Freund. Ich lasse ihn nicht allein.“

Haldir nickte, hielt aber weiterhin Legolas Pferd fest.

„Du hast recht.“, antwortete er. „Ich werde mit dir kommen.“

„Nein, Haldir! Das ist zu gefährlich. Ich will dich nicht verlieren.“

Der Prinz versuchte sein Pferd auf den Weg zu bringen, aber der Elb aus Lorien ließ sich nicht beirren und pfiff nach seinem Reittier, das auch sofort zu ihm kam.

„Ich will dich auch nicht verlieren!“, sagte der Wachmann sanft. „Du wirst mich hier nicht zurücklassen. Und Narion ist auch mein Freund. Ich lasse dich nicht allein gehen, nicht noch einmal.“

Legolas Absicht zum Protest verrauchte, als er in die Augen seines Geliebten blickte, und er nickte.

So schnell es ging, machten sie sich auf den Weg, zu Narion und zurück in das Reich des Waldelbenkönigs.


14

Als Legolas am folgenden Morgen erwachte, waren Haldirs Augen, das erste, was er erblickte. Glücklich lächelnd schaute sein Geliebter ihn an. Der Prinz versuchte sich zu erinnern, wann er das zum letzten Mal erlebt hatte. So oft hatte er morgens die Augen aufgeschlagen und der Platz neben ihm war leer gewesen. Legolas wurde sanft aus seinen Gedanken gerissen, als Haldirs Lippen sanft die seinen berührte.

„Wie geht es dir, nin bain?“, fragte der Wachmann leise.

„Mhmm...wundervoll.“, antwortete der Prinz, während er sanfte Küsse über Haldirs Brust verteilte.

„Wann wollte Narion uns hier treffen.“, hakte Haldir zärtlich flüsternd nach.

Legolas’ Schulterzucken konnte er nur erahnen.

„Ich weiß es nicht, aber er klopft sicher vorher an.“

Als die zwei Elben die Grenze zu Thranduils Reich erreichten, stoppte Legolas plötzlich und schaute sich verwirrt um. Nirgendwo waren Wachen zu erkennen. Die Stille die diesen Ort umgab, war fast erstickend. Haldir versuchte irgendwelche Geräusche auszumachen, was ihm allerdings nicht gelang. Mit ungutem Gefühl überschritten sie die Nordwestgrenze des Düsterwaldes.

Sie waren nicht lange unterwegs, als die scharfen Augen des Wachmannes von Lorien eine Gestalt ausmachte, die unweit von ihnen auf dem Waldboden lag. Noch immer war niemand anderes zu sehen oder zu hören. Legolas trieb sein Pferd an. Sein Magen verkrampfte sich, als er die reglose Person erkannte.

„Narion...!“

Es war mehr ein Flüstern, als dieser Name seinen Mund verließ.

Als die Elben näher kamen, wurden immer mehr Einzelheiten deutlich, Einzelheiten, die auch Haldir die Kehle zuschnürten. Der Diener des Könighauses lag vor ihnen, niedergestreckt von drei schwarzgefiederten Pfeilen. Legolas kniete sich neben seinen langjährigen Freund und griff diesen an den Schultern, wohl wissend, dass er für Narion nichts mehr tun konnte.

Minuten vergingen, ohne das einer der beiden Elben ein Wort sagte. Zu sehr war jeder für sich damit beschäftigt, das vor ihm liegende zu verarbeiten.

„Ich hätte seinem Vorschlag nicht zustimmen sollen, uns noch einmal zu treffen.“, unterbrach Legolas die Stille. „Ich bringe nichts als Verderben.“

Haldir zog den Prinzen in seine Arme.

„Du weißt, dass das nicht stimmt. Narion hätte sich nie davon abbringen lassen.“, antwortete er sanft. „Aber all das wäre nicht passiert, wenn ich dir geglaubt hätte, was deinen Vater angeht.“, fügte der Elb aus Lorien traurig hinzu.

Sein Geliebte hob den Kopf, die blauen Augen voller Trauer. „Jetzt habe ich nur noch dich.“, gab Legolas zurück und sein Gegenüber konnte nichts weiter tun, als seinen Liebsten tröstend zu küssen.

Doch plötzlich zerriss die erdrückende Ruhe um sie herum. Deutlich vernahmen sie Kampfgeräusche. Sie waren noch weit entfernt, und kamen aus dem Herz des Düsterwaldes.

Die zwei Elben sprangen auf. Haldir konnte die Absichten seines Geliebten deutlich in dessen Augen sehen.

„Wir sollten keine Zeit verlieren.“, sagte er mit fester Stimme. „Dein Volk braucht jetzt jeden, der bereit ist, zu kämpfen.“

Legolas nickte mit entschlossenem Gesicht, auch wenn sie nun in die Höhle des Löwen zurückkehrten und die Gefahr für sie beide immer größer wurde. Doch der Prinz war immer noch Teil dieses Landes und Mitglied dieses Volkes. Er würde für das kämpfen, möge sein Vater tun, was er wollte. Mit einem letzten elbischen Abschiedsgruß wandten sie sich von Narion ab. Sie würden später die schönste Stelle des Reiches suchen, um ihm eine letzte Ruhestätte zu geben. Dann preschten sie davon, dem Getöse entgegen.

Schon bald stolperten die beiden Elben über die ersten Orkleichen, aber auch Mitstreiter waren unter den Opfern. Der Gegner musste in großer Zahl gekommen sein, den die Spur des Todes führte immer weiter in die Richtung des Herrscherhaus.

‚Hoffentlich ist noch nicht alles verloren.’, schoss es Legolas durch den Kopf und er spornte sein Pferd noch ein wenig mehr an. Haldir konnte dem Prinz kaum folgen. Immer deutlich wurde die Blutspur. Als sie durch das nächste Gestrüpp brachen, waren sie plötzlich mittendrin.

Sofort wurde Legolas von seinem Geliebten getrennt. Nur kurz dachte er daran, einen Pfeil zu ziehen. Der Gegner hatte ihn vom Pferd gerissen, bevor der Thronfolger überhaupt wusste, wo in der Schlacht er sich befand. Haldir reagierte prompt und schoss den Angreifer nieder. Diese kurze Ablenkung brachte nun ihn in Schwierigkeiten, und nur mit Mühe brachte der Wachmann Loriens seinen Gegner zur Strecke. Als er sich umsah, war Legolas zwischen den Fronten verschwunden. Aber für Panik hatte Haldir keine Zeit. Neben ihm fiel ein Verteidiger des Königs. Die Chancen standen nicht gut. Immer weiter trieb das Orkheer die Elbentrupps ins Innere ihres Reiches. Der Elb Loriens griff 3 Gegner gleichzeitig an und nur der Überraschungeffekt rettete ihm das Leben, denn er hatte die Koordination dieser Kreaturen etwas unterschätzt. Mit schnellen Hieben wurde Haldir der Situation dann doch Herr. Verzweifelt suchten seine Augen danach das Antlitz seines Geliebten. Sein Herzschlag setzte aus, als er ihn nicht erspähte.

Der Prinz war schnell sehr tief in die eigenen Linien getrieben wurden und stand nun regelrecht mit dem Rücken zur Wand. Zwei seiner Mitstreiter fand den Tod, als sie ungläubig aufblickten und ihren Thronfolger erkannten. Mit ungeahnten Kräften rächte Legolas ihren Tod auf der Stelle. Ziemlich bald merkte er, wie aussichtslos die Lage schien. Seine eigenen Leute waren sehr zerstreut, während die Orks noch immer als Einheit agierten. Der Prinz versuchte eine Presche in die gegnerischen Linien zu schlagen um sich und seine wenigen Verbündeten aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Allerdings hatte er nicht mit einer so starken zweiten Riege gerechnet. Bevor er eine Chance zur Verteidigung bekam, durchzuckte ein heftiger Schmerz seine Brust. Der Ork vor ihm hatte noch die Hand an dem Dolch, der Sekundenbruchteile zuvor seinen Weg durch Legolas Rippen gefunden hatte. Nur noch dumpf hörte er den Ausruf des Schreckens seines Nebenmannes, der die Gunst der Minute nutzte, um den Angreifer des Prinzen die Elbenklinge spüren zu lassen. Haldir fuhr herum. Er hatte keinen Blickkontakt zum Thronfolger des Düsterwaldes gehabt, aber stark waren plötzlich die Schmerzen in seinem Herz. Und wie von einer dunklen Hand gesteuert, eröffnete sich plötzlich das Sichtfeld des Wachmannes, so dass er sah, wie Legolas mit einem Orkdolch in der Brust zusammenbrach.


15

Wie in einem Rausch schlug sich Haldir zu seinem Geliebten durch, der umringt war von den Kriegern seines Volkes. Erst das Erscheinen des Lorien-Elben erinnerte sie daran, dass sie sich in einem Gefecht befanden. Vorsichtig hob Haldir den Prinzen hoch und suchte Schutz hinter einer nahegelegenen Baumgruppe. In seinem Gesicht stand die pure Panik, als der Elb auf Legolas blickte. Wie in Trance drückte Haldir den leblosen Körper fest an sich und redete immer wieder auf seinen Geliebten ein. Aber nichts geschah.

Vorsichtig zog der Wachmann Loriens den Dolch aus der Brust des Prinzen und riss ein Stück Stoff aus seinem Umhang, um die Blutung zu stillen. Dabei spürte er, wie dessen Herz leicht gegen seine Hand schlug. Haldir schrie auf. Noch war nicht alles verloren. In seinem Kopf begann es zu arbeiten. Ihm war klar, dass Legolas schnellstens Hilfe brauchte. Bis in den goldenen Wald würde es der Prinz nie schaffen. Der Lorienelb wusste, dass es nur eine Chance gab - das Haus des Königs von Düsterwald.

‚Thranduil würde seinen Sohn nicht einfach sterben lassen’, schoss es Haldir durch den Kopf. ‚Das konnte er nicht tun.’

Der Lorienelb hob Legolas vorsichtig hoch, bedacht, ihm nicht noch mehr Schmerzen zuzufügen. Haldir stieg auf das nächstbeste Pferd, bettete Legolas sicher in seinen Armen und galoppierte dem Palast entgegen.

Auf dem Weg dahin, nahm er besorgt zur Kenntnis, wie nah der Feind dem Königshaus schon war, aber Haldir verdrängte es. Notfalls würde er es mit seinem Leben verteidigen, nur damit der Thronfolger eine Chance hatte, zu überleben.

Am Palast versperrten die Wachen zunächst Haldirs weiterkommen, aber als sie den Elben erkannen, der leblos in dessen Armen lag, wichen sie zurück und gaben den Weg frei.

Im Thronsaal wurden letzte Vorbereitungen getroffen, dem Ansturm der Orks standzuhalten. Als der Elb Loriens eintrat verstummten alle Anwesenden und Thranduils Augen starrten ihm wütend entgegen.

„Wie können Sie es wagen...“, zischte der König, aber als Haldir ihm den leblosen Körper seines Sohnes vor die Füße legte, wich die Wut größter Angst.

„Legolas..“, flüsterte er kaum hörbar, als er neben dem Prinzen auf die Knie sank.

Die zitternden Hände des Königs strichen sanft über Legolas Haare und fast in Panik schrie er nach den Heilern seines Hauses. Haldir vernahm hoffnungsvoll die Wandlung des unnahbaren Königs zum besorgten Vater.

In diesem Moment knallte es dumpf an der Palasttür. Der Feind war gekommen.

„Retten Sie ihren Sohn!!!“, sagte der Lorienelb, bevor er die Waffen zog und dem Gegner entgegen ging.

Thranduil hob Legolas vorsichtig hoch und eilte in dessen Privatgemächer, die sich auf der anderen Seite des Hauses befanden. Mit einem väterlichen Blick überließ er den Prinzen den Heilern , zog sein Schwert und folgte seinen Wachen in den Kampf.

Dort wurde Haldir langsam klar, dass die Verteidiger ein Wunder brauchten. Etwas traf den Elben hart am Kopf, so dass er gegen die Palastmauern taumelte. Im letzten Moment fand sein Schwert den richtigen Weg. Benommen lehnte der Wachmann für einen Augenblick an der Wand. Nur verschwommen nahm er daher mit, wie ein relativ großer Elbentrupp dem Feind in den Rücken fiel. Bestärkt von neuer Hoffnung nutzte Haldir die kurze Verwirrung der Orks und schnell fielen einige der Klinge Loriens zum Opfer. Das Blatt wendete sich und die wenigen noch lebenden Angreifer flohen in die Dunkelheit des Waldes.

Thranduil konnte den Sieg nicht genießen. Er ließ sein Schwert fallen und eilte in die Räume des Thronfolgers. Legolas Wunden waren versorgt, aber sein Zustand hatte sich nicht geändert.

„Mehr können wir für ihn nicht tun, mein König.“, sagte einer der Heiler leise.

Der Herrscher nickte und setzte sich schweigend auf das Bett seines Sohnes. Er wollte schreien, aber Angst schnürte ihm die Kehle zu. Voller Schmerz schaute er auf seinen Sohn. Bilder formten sich in seinem Kopf, Bilder seiner Frau, als sie ihm genommen wurde. Leise verließ der König das Zimmer.

Als er den Thronsaal erreichte, hatten sich dort bereits die Palastwachen eingefunden, in ihrer Mitte stand Haldir. Eine Blutspur zeichnete sein Gesicht. Unsicher trat der Herrscher vor sein Gefolge. Jeder erwartete, dass er nun zu seinem Wort stand und Haldir hinrichten ließ. Thranduil wusste aber auch genau, dass er in gleichen Moment auch das Todesurteil für seinen Sohn unterschreiben musste. Der König brauchte Zeit, um seine Gedanken zu ordnen.

„Haldir von Lorien ist unter Arrest zu stellen. Führt ihn in eines der Gästezimmer.“

Das Herz des Wachmanns setzte einen Moment aus.

„Wie...wie geht es Legolas?“, fragte er. „Ist er am Leben???“ Haldirs Stimme überschlug sich beinahe, aber der König gab ihm keine Antwort. Dessen Wachen ergriffen den Lorienelben und führten den Befehl ihres Königs aus.


16

Die Elben des Königs führten Haldir in das gleiche Zimmer, in dem er auch schon bei seinem ersten Aufenthalt geweilt hatte. Immer wieder fragte er, ob einer seiner Aufseher wusste, wie es dem Prinzen ging, aber keiner konnte oder wollte ihm etwas sagen. Schwer fiel die Tür ins Schloss und ließ den Wachmann mit seiner Angst allein.

Haldir lief im Zimmer auf und ab. Nicht zu wissen, wie es seinem Liebsten ging, trieb ihn in den Wahnsinn. Er wollte die Mauern um sich herum einreißen, zu sehr spürte der Elb, dass sein Legolas ihn brauchte.

Vorsichtig schaute der Wachmann Loriens aus dem Fenster. Die Gemächer des Prinzen lagen 6 Räume rechts von ihm. Die Bäume  waren an dieser Stelle günstig gewachsen. Haldir wusste, dass es ein Fehler war, als er vom Fenstersims auf den nächstliegenden Ast sprang.

‚Nur einen Augenblick...kurz seine Hand halten...’, dachte der Wachmann, ‚Niemand würde es merken...’

Vorsichtig kletterte Haldir auf den Ast vor Legolas Fenster. Es stand weit offen. Der Raum war bis auf den Prinzen leer. Da lag er und Haldir spürte den Kampf, den sein Geliebter ausfocht. Behend und lautlos waren die Bewegungen des Elben aus Lorien, als er den Fuß in die Gemächer des Thronfolgers setzte. Schnell war der Wachmann bei seinem Geliebten, der immernoch bewusstlos war. Zärtlich nahm er dessen Hand in die seine, um mit der anderen zärtlich über die Haare des Prinzen zu streichen. Alle Gefahren waren vergessen, als Haldir sacht seinen Kopf auf Legolas Brust bettete.

Ein leises Stöhnen ließ ihn aufsehen. Die Finger des Prinzen schlossen sich spürbar um die Hand des Wachmannes von Lorien. Zärtlich haucht Haldir seinem Prinzen einen Kuss auf die Stirn, als dieser die Augen aufschlug. Der Elb aus Lorien konnte sein Glück kaum fassen. Unsicher schaute sich Legolas um. Es dauerte einen Augenblick, bis ihm klar wurde, wo er sich befand.

‚Meine Gemächer....zu Hause....mein Geliebter ist hier bei mir?’.

Die Gedanken des Prinzen wirbelten durcheinander . War alles gut? Hatte sein Vater...?

Weiter kam er nicht, denn Haldirs Lippen legten sich sanft auf die seinen.

In diesem Moment flog mit einem Schlag die Tür auf und der König trat herein.

‚Sein Sohn war wach, alles würde gut werden.’

Haldirs entsetztes Gesicht verriet Legolas, dass sein Geliebter keine Erlaubnis hatte, bei ihm zu sein. Thranduils Augen waren eiskalt. Jetzt konnte er seinen Sohn nicht wieder gehen lassen, deswegen tat er nun etwas, was er eigentlich nicht wirklich wollte.

„Nun wenn der Elb aus Lorien es nicht zu schätzen weiß, dass ich ihm für seinen Arrest ein Zimmer meines Hauses zur Verfügung stelle, dann sollte ich andere Seiten aufziehen.“, presste der König sich mühsam beherrschend hervor. „Wachen!!!! Bringt ihn in den Kerker und lasst ihn Düsterwalds Ketten spüren.“

Legolas fuhr auf.

„Haldir..!!!“

Das Gefolge Thranduils griffen nach dem Wachmann Loriens, dessen Augen auf seinem Geliebten ruhten.

„Ich liebe dich, nin bain!“, flüsterte er kaum hörbar, aber der Prinz vernahm es.

Legolas konnte nicht fassen, was sich da vor seinen Augen abspielte

„Haldir...nein!!!“

Aber sein Geliebter wurde brutal von ihm weggezogen.

Das nächste was der Prinz spürte, waren die Hände seines Vaters, die ihn sanft aber bestimmt zurück in die Kissen drücken wollten.

„Ruhe dich aus Legolas, du musst zu Kräften kommen..“, sagte Thranduil in besorgtem Ton, doch der Blick, der den König traf, waren wir tausend Giftpfeile. Wütend schlug der Prinz die Hände des Herrschers von seinen Schultern und funkelte ihn an.

„Meine Brüder hatten recht.“, erwiderte Legolas kalt. „In deiner Brust schlägt kein Herz. So ist es kein Wunder, dass du nicht weißt, was es heißt zu lieben.“

Es schien Legolas, als würde ihm der Kopf zerspringen, als Thranduil ihm hart ins Gesicht schlug.

„Zügle deine Zunge, du weißt nicht was du sprichst.“, entgegnete der König. „Du hast keine Ahnung, wie sehr ich deine Mutter geliebt habe, und sie mich. Du kannst dir nicht im geringsten vorstellen, wie es ist, wenn man diejenige Person verliert, die einem alles bedeutet.“

Thranduil hatte Mühe seine Fassung zu bewahren.

„Oh doch Vater.“, antwortete der Prinz fest. „Genau das tust du mir gerade an.“

Diese Worte trafen den Herrscher wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht. Ungläubig starrte er auf seine zitternden Hände. Er holte Luft, um seinen Sohn anzuflehen, aber dieser drehte ihm den Rücken zu. Alles was Thranduil vernahm war:

„Ich habe dir nichts mehr zu sagen, Vater.“

Wie in Trance verließ der König das Zimmer. Unsicher traten die Leibwächter zur Seite, doch ihr Herrscher bemerkte sie nicht. Sein Weg führte ihn nach draußen in seine Gärten, und als hätte eine höhere Macht ihn geführt, stand er plötzlich vor dem Grab seiner Frau. Jahre war er nicht mehr an diesem Ort gewesen, doch nun war er da, mit der Erkenntnis alles verloren zu haben. Unter ihm gaben seine Beine nach und seine Wachen sahen mit Entsetzen, wie der König vor ihren Augen in sich zusammensank.

Für Haldir brach eine Welt zusammen, als sich der kalte Stahl um seine Handgelenke schloss. Er war sicher, Legolas nicht wiederzusehen und nie wieder seine Liebe spüren zu können. Tränen rannen über sein Gesicht, so dass selbst die Blicke der Wachen Mitleid zeigten.

Zu gleichen Zeit lag der Thronfolger vor sich hin starrend in seinem Bett. Noch niemals hatte er sich so leer gefühlt. Ihm war nichts mehr geblieben. Er verweigerte Essen, Trinken und die Versorgung durch die Heiler des Hauses.


Der König hingegen kniete vor dem Grab seiner Frau. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Immer wieder hallten die Worte seines Sohnes in seinem Kopf. Erst als die Nacht hereinbrach, erhob sich Thranduil schwerfällig, um in seine Gemächer zu gehen. Doch auch dort fand er keine Ruhe. Der Herrscher des Reiches wusste, dass es kein Zurück in das Herz seines jüngsten Sohnes gab. Wie sehr hat er verhindern wollen, dass Legolas das Gleiche durchmachen musste, wie er. Und nun war es der König, sein Vater, selbst gewesen, der ihm das antat.

Die Dunkelheit schien eine Ewigkeit über dem Düsterwald zu hängen. Als die Sonne endlich ihren Weg auf den Himmel fand, machte sich der König auf den Weg zu seinem Sohn.

Dieser lag wach in seinem Bett. Er sah kurz auf, um sich dann sofort wieder abzuwenden.

Minuten vergingen ohne ein Wort.

„Legolas...“, begann Thranduil leise.

Doch sein Sohn war nicht bereit, ihm irgendwelche Aufmerksamkeit zu schenken.

„Lass mich in Ruhe, Vater.“, entgegnete er schwach.

Der König senkte den Kopf, aber er wollte nicht aufgeben, jedenfalls nicht bevor er gesagt hatte, was er sagen wollte.



17

„Ich habe deiner Mutter..“, begann er erneut.

Legolas fuhr funkelnd herum.

„Ich sagte, LASS MICH IN RUHE!!!!“, schrie er den Herrscher an. „Ich will nichts mehr hören. Verlasse meine Räume. SOFORT!“

Thranduil schreckte zurück, aber das hier war doch seine letzte Chance.

„Nein...Legolas, hör mir bitte zu...“

„Es wurde  alles gesagt, GEH!“.

Tränen der Verzweiflung stiegen dem Prinzen in die Augen.

„Bitte...mein Junge..“

„Nenn mich nicht ‚mein Junge’. Ist es das, was du wolltest? Ist das alles der Dank dafür, dass ich blieb, als alle anderen gingen? Soll ich genauso leiden, wie du?“

„Nein ..Legolas“

„Ich hätte mit meinen Brüdern verschwinden sollen, dann hätte ich jetzt noch so etwas wie eine Familie.“

Thranduil war nicht mehr in der Lage, seine Fassade des Unnahbaren zu erhalten. Ungehemmt ließ er seinen Gefühlen freien Lauf. Legolas war erschrocken über das Bild seines Vaters, dass sich ihm offenbarte. Bis jetzt hatte er den Herrscher des Düsterwaldes noch nie weinen sehen. Vielleicht gab er deswegen dem Bitten des Königs nach.

„Ich gebe dir eine Minute, Vater.“, sagte der Prinz leise.

Dieser setzte sich dankbar auf das Bett seines Sohnes. Dabei war es ihm egal, dass Tränen sein Gesicht überströmten.

„Ich habe deiner Mutter vor langer Zeit etwas versprochen.“, begann er.

„Und was war das?“, fragte Legolas leicht resigniert.

„Dass ich alles tun werde, um meine Söhne glücklich zu machen.“

Ein bitteres Lachen unterbrach ihn.

„Und das ist also deine Vorstellung davon?“

„Nein..“, der König stockte. „Ich habe mein Wort gebrochen. Ich habe mich schuldig gemacht, gegenüber der Elbin, die ich mehr als alles geliebt habe. Aber das ist nicht das Schlimmste. Ich hatte eine zweite Chance. Du warst es, der immer zu mir stand und ich habe dich verletzt. Wunden habe ich dir zugefügt, die nicht der ärgste Feind verursachen könnte. Und das ist noch eine viel größere Schuld, die auf mir lastet.“ Der Herrscher brach ab. Seine Stimme wollte ihm kaum noch gehorchen, als er fortfuhr. „Ich weiß, dass es für mein Handeln keine Vergebung geben kann. Meiner Schuld ist es zu verdanken, dass ich nun zum zweiten Mal die Person verloren habe, die mir alles bedeutet.“

„Aber noch ist es nicht zu spät.“, fuhr der König fort. „Noch kann ich etwas tun, was ich von Anfang an hätte tun sollen.“

Thranduil drehte sich herum, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und rief mit versucht fester Stimme nach seinen Wachen.

„Lasst Haldir von Lorien frei. Er darf sich in diesem Haus bewegen, wie es ihm beliebt.“

Legolas konnte nicht glauben, was gerade passierte und er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Er blickte in die Augen seines Vaters, die ihn voller Schuld ansahen. Der Prinz spürte, dass dieser noch etwas sagen wollte, aber dennoch schwieg.

„Vater..“, setzte der Thronfolger an, doch der König winkte ab.

„Nein Legolas. Sag nichts. Verschwende nichts an einen Elben, der nicht davor zurückschreckte, seinem Sohn weh zu tun.“ Thranduil wandte sich ab und ging zur Tür. Noch einmal drehte er sich um. Alles war gesagt, alles getan.

In diesem Moment erreichte Haldir das Zimmer des Prinzen. Der König nickte ihm zu und verließ den Raum, im Glauben, seinen Sohn das letzte Mal gesehen zu haben.

Der Elb aus Lorien war mit einem Satz bei Legolas und schloss ihn fest in die Arme, aber er spürte, dass etwas nicht stimmte.

„Was ist mit dir, nin bain.“, fragte er leise.

Legolas nahm das Gesicht seines Gegenübers zärtlich in beide Hände und küsste seine Lippen sanft. So sehr hatte er sich danach gesehnt, und dennoch, wirkliches Glück fühlte sich anders an. Langsam erzählte der Prinz seinem Geliebten, wie es zu dessen Freilassung gekommen ist. Haldir verstand nun Legolas Verhalten, denn er wusste, wie sehr dieser an seinem Vater hing, wie wichtig er war im  Leben des Prinzen. Lange lagen sie einander in den Armen, redeten und spürten die Anwesenheit des anderen.

Als Haldir am Morgen danach erwachte, stand sein Liebster auf schwachen Beinen an der Tür. Sofort sprang der Elb aus Lorien auf.

„Was tust du da, Schatz?“, fragte er spöttisch, wohl wissend, was der Prinz vorhatte.

„Nenn mich verrückt...., aber ich muss zu meinem Vater,“, begann Legolas, aber Haldir legte ihm sanft einen Finger auf den Mund.

„Ich weiß, nin bain. Aber in diesem Zustand wirst du es kaum allein bis zu den Gemächern des Königs schaffen.“

Der Thronfolger lächelte und hauchte seinem Gegenüber einen Kuss auf den Mund, als dieser einen seiner Arme um die Hüfte des verletzten Elben legte und ihm half, den Weg zu Thranduil zurückzulegen.

Der König machte ein ungläubiges Gesicht, als plötzlich sein Sohn in seinem Zimmer stand, gestützt von dem Elben, den dieser liebte.

„Du solltest nicht aufstehen.“, meinte der Herrscher des Düsterwaldes schwach, beschämt, dass ihm in diesem Moment nichts besseres in den Sinn kam. „Setz dich wenigstens hin.“ Thranduil deutete auf einen nahestehenden Stuhl. Legolas nahm das Angebot nur allzu gern an, da seine Verletzung nun doch sehr starke Schmerzen verursachte. Haldir geleitete ihn vorsichtig.

„Ich warte vor der Tür.“ sagte er leise, bevor er den Raum verließ.

Wieder folgte eine unangenehme Stille, die durch den König beendet wurde.

„Ich habe dich nicht noch einmal hier erwartet.“, sagte er leise. Legolas schaute den Herrscher an. Er schien um Jahre zu gealtert.

„Vater, ich...“, setzte der Prinz an.

„Nein, Legolas.“, unterbrach ihn Thranduil. „Seit du hierher zurückgekehrt bist, habe ich dir nichts als Schwierigkeiten bereitet. Geh fort von hier. Lebe dein Leben, werde glücklich.“ Der König dachte einen Moment nach. „Ich habe nie verstanden, warum du überhaupt hier geblieben bist, als deine Brüder diese Gefilde verließen.“

„Weil ich meinen Vater geliebt habe.“, antwortete Legolas fest. „Weil er alles war, was ich noch hatte.“

Schmerz durchflutete Thranduils Herz. „Und ich habe dich von mir gestoßen.“

Wieder kämpfte der Herrscher mit sich, und erneut verlor er diesen Kampf.

„Bei den Valar, warum bist du noch immer hier, du solltest mich längst verlassen haben?“

„Weil...du...wir sind eine Familie, und Vater, ich liebe dich und ich will dich nicht verlieren.“ Legolas Stimme zitterte.

„Nein, ich habe alles zerstört.“, warf Thranduil ein. „Ich verdiene deine Liebe nicht. Ich verdiene niemandes Liebe oder Vergebung.“

„Aber...ich vergebe dir.“

„Das kannst du nicht tun, Legolas.“, flüsterte der Herrscher schwach.

„Doch das kann ich, und das tu ich.“

Der König setzte sich neben seinen Sohn. Sanft strich er über dessen Haare, kaum begreifend, was für einen Engel er vor sich hatte. Langsam zog er Legolas in seine Arme und nur zu gern nahm der Prinz dies an. Als sie sich trennten, sah der Thronfolger in die mit Tränen gefüllten Augen seines Vater.

„Du bist wahrlich wie deine Mutter.“, meinte dieser schwach. „Du hast ihr Herz in deiner Brust.“

Legolas lächelte den König an.

„Vater..“, begann der Prinz. „Ich weiß, dass du Haldir nicht sofort als verlorenen Sohn in die Arme schließen kannst.“

Thranduil lachte leise. „Legolas, ich...“

„Ich liebe diesen Elben über alles, bitte gib ihm eine Chance.“

Der König sah gütig auf den Prinzen.

„Ja, das werde ich tun.“

Mit diesen Worten ging er zur Tür und rief den Wachmann Loriens in seine Gemächer. Unsicher trat Haldir ein, aber Legolas Lächeln beruhigte ihn ein wenig.

„Willkommen im Düsterwald.“, sagte der König mit einem ehrlichen Lächeln.


~ Ende ~


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