Titel: Über den Tod hinaus
Autor: Elia


Der Tod hinterließ seine Früchte reichlich auf diesem Feld. Grausam offenbarte sanftes Morgenlicht das Ausmaß dieser Schlacht und deren Ende. Unzählige Leiber, viele verstümmelt, bedeckten den grauen Stein des Grundes und begruben den mühsam errungen Sieg unter sich. Und doch suchten die Frauen von Edoras nach überlebenden des Kampfes. Doch nur selten wurden sie fündig und so erstarb die Hoffnung mit der Zeit. Viel Wehklagen begleitete sie und so manch eine von ihnen brach über den Leichnam eines gefallenen Mannes zusammen. Ströme von Tränen mischten sich mit den Strömen von Blut, das hier vergossen wurde.

Sie besaß keinen Tränen, auch wenn ihr das Leid der anderen Frauen schmerzte. Denn niemand den sie näher kannte lag hier begraben. Den Blick sorgsam nach unten gerichtet schritt sie durch die Leiber um nicht doch noch irgendwo einen Funken von Leben zu erhaschen. Doch nur allzu oft war dieser erloschen und so blickte sie nur in das Gesicht eines Toten.
Hier hatte die Schlacht besonders grausam gewütet, denn nicht nur unzählige der Monster Sarumans hatten hier ihr Leben verloren, sondern auch das Volk der Elben ließ hier viele seiner Männer. Sie hatte noch nicht viele Elben in ihrem kurzen Leben gesehen, aber das reichte um sie für das schönste und edelste Volk zu halten, das auf dieser Welt wandelte. Eine seltsame Traurigkeit über den Verlust dieser Wesen schlich sich in ihr Herz und ließ es so schwer schlagen, als währe es zu Stein geworden.

Da erspähte sie plötzlich ein paar graue, wunderschöne Augen und sie blieb stehen. Der leere, kummervolle Blick in ihnen rührte sie zutiefst und langsam stieg sie die Treppe hinab, an dessen Anfang sie halt gemacht hatte.
Er war so schön. Schöner als alle andere Männer, die sie bis jetzt gesehen hatte. Sein stattlicher Leib war blutbesudelt und das silberblonde Haar hing strähnig seinen Kopf hinab. Aber das beraubte ihm keinesfalls seiner Anmut. Ihr Herz begann schneller zu schlagen und je näher sie kam, umso mehr schnürte ihr etwas die Kehle zusammen. Nahm ihr Atem und Kraft. Sie verlor sich völlig in seinen Augen und nahm nichts mehr um sich war. Sie blieb vor dem Leichnam stehen und betrachtete entzückt und auch wehmütig das starre Gesicht. Nie wieder würde es lachen oder sprechen. Nie wieder fühlen.
Langsam beugten sich ihre Knie, als sie zu Boden glitt und den schmalen Platz neben seinen Körper einnahm. Noch langsamer hob sich eine Hand von ihr und näherte sich seinem Gesicht. Die Haut fühlte sich kühl unter ihren Fingerspitzen an, aber keineswegs unangenehm. Sie war weich und geschmeidig. Ihre Finger glitten über die schön geformte Nase und über die sachten Schwünge der Augenbrauen. Fasziniert betrachtete sie ihn. Was für ein Elb er wohl gewesen war? Seiner Rüstung nach zu Urteilen, die er trug ein General vielleicht. Ob er Frau und Kinder hatte? Würde sein Tod betrauert werden? So jemand wir er war doch bestimmt kein Junggeselle. Wie er wohl geliebt hatte? Unwillkürlich errötete sie bei dem Gedanken und sie musste kichern. Fast schämte sie sich ein wenig ihrer Gedanken wegen, so was dachte man doch in ihrem Alter nicht. Sie war ja grade mal siebzehn geworden.

Diese Gedanken verflüchtigten sich schnell wieder, als ihre Augen seine trafen. Er hatte keine Angst gehabt, als er starb, das sah sie sofort. Er schien eher traurig gewesen zu sein, so als hätte er etwas vor seinem Tod gesehen, was ihn zutiefst bekümmert hatte.
Sie spürte plötzlich ein seltsames Kribbeln in ihren Fingerspitzen und rasch zog sie diese fort. Sie wusste nicht was sie da traf, aber egal was es auch war, es sollte hoffungslos sein. Denn Hoffnung gab es für diesen Elben nicht mehr.
Und obwohl er nichts tat, als einfach nur da zu liegen, nahm er dennoch einfach ihr Herz und trug es mit sich fort. In eine Welt, die sie niemals würde betreten können.
Bittere Tränen der Trauer befeuchteten da ihre Wangen und drückten ihr die Kehle zu. Stumm ließ sie diese gewähren. Sie zeugten von einem inneren Schmerz, der ihr unbegreiflich war. Und doch war er da, tobte in ihr und erschwerte ihre Seele. Diese Qual nicht mehr aushaltend, hob sie wieder Ihre Hand und ließen sie zu seinen Augen gleiten. Sanft schloss sie diese und mit einem leisen Seufzen, das tief aus ihrer Brust zu kommen schien, stand sie auf. Mit einem letzten bedauerlichen Blick über die Schulter verließ sie dann diesen Ort. Sie wusste, das sie nie würde ihn vergessen können. Auch wenn sie nicht mal den Namen des Elben kannte. Sie erfuhr diesen auch nie, es war ihr auch nicht wichtig. Aber sie nahm das Bild von ihm, so wie er da lag mit sich und schloss es in ihr Herz. Ihr ganzes Leben erinnerte sie sich an diesen kurzen, für sie sehr innigen Moment und nie sollte sie den traurigen Blick in den grauen, leblosen Augen vergessen.


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