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Titel: Wie
ein Blatt im Wind Autor: FaramirsWife
1. Kapitel: Thorongil
Im Jahre 2975 des dritten Zeitalters beschloß
Adrahil, der Fürst von Dol Amroth, den Truchseß von Gondor, einen Besuch
abzustatten. Zu dieser Zeit regierte Ecthelion II. in Gondor. Er wollte das alte
Bündnis zwischen Dol Amroth und Minas Tirith wieder festigen. Adrahil
fürchtete um die Sicherheit der schönen Hafenstadt, die auf der Halbinsel
Belfalas lag. Immer wieder drangen Korsaren in die Bucht vor ,überfielen
unschuldige Händler und raubten sie aus. Jetzt war es an der Zeit, Verstärkung
aus Minas Tirith anzufordern. Ecthelion musste ihm unbedingt helfen.
Adrahils Begleitung bestand aus einer Abteilung Schwanenritter und seinen
Kindern. Der Fürst liebte seine beiden Kindern abgöttisch. Die fünfzehnjährige
Finduilas war eine Schönheit, wie sie lange nicht mehr in Gondor gesehen ward.
Sie hatte rotblondes Haar, welches im Süden eine Seltenheit war. Ihr
wundervolles, dichtes Haar reichte ihr bis zu den Hüften. Und ihre Augen waren
von einem klaren Seeblau. Adrahil bewachte sie wie seinen Augapfel. Doch er sah
auch die vielen jungen Männer, die seiner Tochter hinterherblickten. Er wusste,
dass er sie nicht ewig halten konnte. Aber er hoffte, es würden noch einige
Jahre sein, die sie bei ihm bliebe. Seine Frau Alphiriel war im vergangenen Jahr
gestorben und seitdem war es stiller geworden in seinem Schloß am Meer.
„Vater, wann sind wir endlich in Minas Tirith?“, fragte der elfjährige
Imrahil ungeduldig. Adrahil lachte und fuhr seinem Sohn durch das dunkle
Haar. „Nur Geduld, mein Sohn“, meinte er wohlwollend. „Um die Mittagszeit
wirst du vielleicht schon den Weißen Turm sehen“. Finduilas war ebenso
aufgeregt wie ihr jüngerer Bruder, doch sie ließ sich nichts anmerken. Sie
lächelte versonnen vor sich hin und dachte darüber nach, wie die Weiße Stadt
wohl aussehen mochte. „Finduilas, laß uns ein Stück um die Wette reiten!“,
schlug Imrahil plötzlich vor. Das Gesicht des Vaters wurde schlagartig
ernst. „Nein, mein Sohn, das halte ich für keine gute Idee. Euch und den
Pferden könnte etwas zustoßen“. „Ach Vater, wir reiten nur bis zu dem
Wäldchen da vorne“, setzte sich Finduilas für ihren Bruder an. Adrahil
seufzte: wer konnte diesen bittenden, blauen Augen etwas abschlagen.
„Meinetwegen“, sagte er schließlich. „Aber nur bis zu dem Wäldchen,
verstanden?“ Seine Kinder jubelten. „Ich gebe das Kommando“, schrie
Imrahil überschwänglich. „Fertig – los!“ Die beiden Kinder ließen ihre
Pferde losgaloppieren. Finduilas’ weiße Stute Nimloth war ein edles Tier, das
von den Mearas abstammte. Sie wusste, dass Nimloth auf jeden Fall gewinnen
würde, wenn sie der Stute die richtigen Anweisungen gab, doch sie wusste auch,
wie enttäuscht der kleine Imrahil war, wenn er verlieren würde. Der Fürstensohn
ritt auf einem schwarzen Wallach namens Lothos, der fast noch ein bisschen zu
groß für den Jungen war. Imrahil überholte Finduilas kurz vor dem Ziel.
„Ich habe gewonnen!“, verkündete der Junge strahlend. „Du bist nur Zweite,
Schwester“. Finduilas tat so, als ob sie sich ärgere. „Das ist gemein,
jetzt habe ich schon wieder verloren“.
Ihr hättet aber leicht gewinnen können, edle Jungfrau“, sagte plötzlich ein
Männerstimme hinter ihnen. Finduilas und Imrahil, die von den Pferden
abgestiegen waren, drehten sich erschrocken um. Ein junger Krieger in
gondorianischer Rüstung trat zwischen den Bäumen vor. Er führte einen
dunkelbraunen Hengst am Zügel. Finduilas betrachtetete den jungen Mann
erstaunt. Er hatte ein schmales, fast asketisch wirkendes Gesicht, und doch
wirkten die Züge edel. Seine Augen waren von einem klaren Blau und seine Haare
waren rabenschwarz. „Ihr kennt Euch wohl mit Pferden aus, was?“, meinte sie
hochmütig. „Wer seid Ihr überhaupt?“ „Man nennt mich Thorongil und ich bin
Feldhauptmann von Gondor“, erklärte der Angesprochene. „Ich bin Finduilas,
Fürstentochter von Dol Amroth, und das ist mein Bruder Imrahil, der zukünftige
Fürst“, sagte sie etwas freundlicher. „Ihr habt ein edles Roß, Herrin“,
sagte Thorongil anerkennend. „Sie stammt von den Mearas ab. Das sehe ich auf den
ersten Blick. Normalerweise kann man so ein Pferd nicht überholen“. „Unser
Vater hat Nimloth in Rohan gekauft“, platzte der kleine Imrahil heraus. „Er
musste König Tengel ziemlich viel Gold dafür geben“. „Imrahil!“, tadelte
Finduilas ihren kleinen, vorlauten Bruder. Thorongil schmunzelte. Das
Lächeln macht ihn richtig hübsch, dachte Finduilas und errötete ein wenig.
Jetzt erreichten Adrahil und seine Eskorte das Wäldchen. Der Fürst blickte
besorgt, als er seine Kinder mit dem fremden Soldaten zusammenstehen sah. Doch
dann erkannte er die gondorianische Rüstung und seine Miene entspannte sich.
„Seid gegrüßt, Feldhauptmann von Gondor!“, sagte Adrahil freundlich.
Thorongil verneigte sich ehrbietig. „Fürst Adrahil, ich grüße Euch!“
„Werdet Ihr uns nach Minas Tirith begleiten?“, fragte der Fürst. „Nein,
Ecthelion schickt mich mit einem Auftrag nach Pelargir“, erwiderte Thorongil und
lächelte etwas gequält. „Dann wollen wir Euch nicht länger aufhalten,
Feldhauptmann“, meinte Adrahil und nickte ihm förmlich zu. Seine Kinder
stiegen wieder auf ihre Pferde und es ging weiter. Finduilas drehte sich kurz um
und warf Thorongil einen letzten wehmütigen Blick zu. „Du hast dich in ihn
verliebt“, lästerte Imrahil frech grinsend. „Ach was, du siehst Gespenster“,
fuhr Finduilas ihren Bruder empört an. „Ich bin sicher, dass ich ihn niemals
wieder treffen werde“. Sie wusste nicht, dass sie sich gewaltig täuschen
sollte.
Kapitel 2: Die Halle des Weißen Turms
Am frühen Nachmittag ritten
sie durch das Tor der riesigen Felsenstadt. Den beiden Geschwistern aus Dol
Amroth blieb der Mund vor Staunen offen stehen. So eine imposante Stadt hatten
sie noch nie gesehen. Adrahil blieb gelassen. Er war schon oft genug in Minas
Tirith gewesen, deswegen kam ihm die Stadt auch gar nicht mehr so besonders
wuchtig vor. „Nun kommt schon, Kinder“, drängte er Finduilas und Imrahil.
„Wir müssen alle sieben Festungsringe noch heute durchqueren“. „Was, bis
ganz hinauf zum Turm werden wir reiten?“, fragte Imrahil mit glänzenden Augen.
„Von dort kann man bestimmt bis nach Dol Amroth sehen“. Adrahil lachte:
„Nein, so weit kann man nicht sehen. Aber man kann den Verlauf des Anduin
weit überblicken und die alte Hauptstadt Osgiliath besichtigen.“ Finduilas
kam der Weg zur Zitadelle ewig lang vor. So schön die Stadt war, so erdrückend
kam sie ihr auch vor. Ein unerbittlicher Koloß aus Stein. Im sechsten
Festungsring mussten sie von den Pferden steigen. Es war nicht erlaubt, in den
letzten Festungsring zu reiten. Die Wachsoldaten ließen sie in den Hof der
Zitadelle. „Vater, was ist mit diesem Baum passiert?“, fragte Finduilas
verwundert. „Er ist ja tot“. „Das ist der Weiße Baum von Gondor“, erzählte
Adrahil seiner Tochter geduldig. „Schon seit einigen Zeitaltern ist er verdorrt.
Als die Herrschaft der Könige in Gondor zu Ende ging, ist auch der Weiße Baum
abgestorben.“ „Aber vielleicht gibt es irgendwann einmal wieder einen
König“, rief Imrahil begeistert. „Dann blüht der Weiße Baum bestimmt wieder“.
„Wirst du wohl still sein“, mahnte Adrahil seinen Sohn halb schmunzelnd,
halb ernst. „Der Truchseß könnte uns hören. Er ist bestimmt nicht begeistert von
der Idee, dass ein König den Thron wieder einnehmen könnte“. „Aber der
Truchseß ist nur der Statthalter des Königs“, warf Finduilas ein. „Er muß seinen
Platz räumen, wenn einer von königlichem Blute seinen Anspruch gelten macht“.
„Isildurs Haus ist so gut wie ausgelöscht“, erklärte Adrahil nachdenklich.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gondors Königsthron jemals wieder besetzt
wird“.
Finduilas hatte plötzlich eine Vision:
Sie sah den Weißen
Baum in Blüte stehen. Der Hof der Zitadelle war voller Menschen. Ein alter Mann
in einem weißen Gewand setzte einem dunkelhaarigen Mann, der vor ihm kniete, die
Krone Gondors auf. Der Mann drehte sich langsam um und Finduilas’ Herz blieb
fast stehen: es war Thorongil. Deutlich älter, aber er war es. Sie erkannte ihn
sofort an seinen leuchtend blauen Augen. Der König schritt an seinem Volk
vorbei. Finduilas erblickte einen jungen Mann mit rotblonden Locken und blauen
Augen in vorderster Reihe. Das war der Truchseß von Gondor – und sie wusste,
dass es ihr Sohn war.
Finduilas fiel ohnmächtig in die Arme ihres
Vaters.
Als sie wieder erwachte, lag sie in einem Bett in den Häusern
der Heilung. Eine junge Frau mit dunklem Haar beugte sich besorgt über sie.
„Sie kommt wieder zu sich, Fürst Adrahil“, sagte die Frau, die eine Heilerin
zu sein schien. „Danke, Ioreth“, erwiderte Adrahil erleichtert und ging an
Finduilas’ Bett. „Euere Tochter ist eine sehr zarte Person und nicht
besonders widerstandsfähig“, raunte Ioreth ihm zu. „Gebt gut auf sie acht! Sie
ist wie ein Blatt im Wind, das leicht hinfort geweht werden kann." „Vater,
ich hatte etwas geträumt, bevor ich ohnmächtig wurde“, sprudelte Finduilas
eifrig heraus. „Ich sah den Weißen Baum wieder blühen, den König und den
Truchseß, der mein Sohn war“. „Was für ein verrückter Traum“, meinte der
Fürst milde lächelnd. „Vergiß das Ganze am besten“. Finduilas setzte sich im
Bett auf. „Wart ihr schon bei Herr Ecthelion?“ „Nein, noch nicht“,
beruhigte sie ihr Vater. „Wir warten, bis du dich wieder erholt hast“. „Mir
geht es wieder gut“, versicherte Finduilas und warf Ioreth einen ängstlichen
Blick zu. „Wenn Ihr Euch tatsächlich wieder gut fühlt, Herrin, dann könnt
Ihr natürlich die Häuser der Heilung verlassen“, nickte die junge Heilerin.
Adrahil machte sich große Sorgen wegen Finduilas und vor allem wegen ihres
Traumes. Auch er neigte zu ahnungsvollen Träumen, und was er darin sah, trat oft
in naher Zukunft dann ein. „Vergiß diesen Traum“, sagte er noch einmal
nachdrücklich zu seiner Tochter. Imrahil, der draußen auf einer Bank
gewartet hatte, umarmte glücklich seine Schwester. „Zum Glück fehlt dir
nichts, liebe Finduilas. Ich hatte so Angst um dich“. Lächelnd strich ihm
das junge Mädchen über seinen dunklen Schopf.
Adrahil hatte ein Geschenk
für Ecthelion, dem Truchseß, dabei. Es war bester Weinbrand aus Dol Amroth. Er
wusste aus Erfahrung, dass der alte Mann einen guten Tropfen aus dem Süden zu
schätzen wusste. Ein Bediensteter öffnete ihnen das Portal zur Halle des
Weißen Turms. Staunend sah sich Finduilas in der riesigen Halle um. Überall
standen Statuen der einstigen König und ganz am Ende der Halle stand der
verwaiste Thron Gondors. Auf einem schwarzen Stuhl aus Marmor am Fuß des Throns
saß Ecthelion. Sein gelocktes Haar war eisgrau und sein Bart ebenso. Er war ganz
in schwarz gekleidet und hielt in seinen Händen den weißen Truchseß-Stab.
Finduilas fröstelte, als sie diesen Mann erblickte. Er war ihr auf Anhieb
unsympathisch. „Ah, Besuch aus Dol Amroth“, sagte Ecthelion und lächelte
schief. Sein Blick lag gierig auf der kleinen Truhe, die Adrahil in seinen
Händen hielt. Er schien zu ahnen, was sich darin befand. „Dol Amroth erweist
Euch seine Ehrerbietung, edler Truchseß Ecthelion“, erwiderte Adrahil zum Gruß
und neigte sein Haupt. „Ich grüße Euch auch, Fürst“, sagte Ecthelion und
begutachtete Finduilas von Kopf bis Fuß. Das Mädchen errötete und senkte den
Kopf. „Ist das Euere Tochter, Adrahil?“, fragte Ecthelion neugierig. „Sie
ist fast eine Frau“. „Sie ist noch ein Kind“, sagte Adrahil schnell. „In
Gondor heiraten bereits viele Mädchen in diesem Alter“, meinte der Truchseß
spöttisch grinsend. „Passt auf, dass Ihr Euere Tochter nicht zu einer alten
Jungfer macht.“ Adrahil lag eine empörte Antwort auf der Zunge, aber er
verbiß sie sich, denn er war eigentlich aus einem ganz anderen Grund hier.
„Ich habe ein Anliegen an Euch, Herr“, sagte er schließlich.
„Laßt
uns zuerst einmal speisen“, meinte Ecthelion ausweichend. „Es ist Zeit für das
Nachtmahl geworden“.
Kapitel 3: Denethor
Ein Bediensteter erschien, um den drei Gästen
aus Dol Amroth ihre Schlafgemächer zu zeigen. Sie lagen im linken Flügel der
Festung. Finduilas hatte ein Zimmer, das nach Südosten zeigte. Sie stand auf dem
Balkon und genoß die wärmende Abendsonne. Dabei spielte sie mit ihrer Kette
herum, die sie um den Hals trug – ein Andenken ihrer Mutter Alphiriel. Plötzlich
zerriß die dünne Kette und der Anhänger fiel den Balkon herunter. Finduilas
stieß einen gedämpften Schrei aus. Wenn sie Pech hatte, dann fand sich der
Anhänger nie wieder. Plötzlich sah sie einen Mann in Rüstung durch den Hof
gehen, der etwas aufhob. „Gehört das Euch?“, fragte er Finduilas freundlich.
„Ja, das ist mein Anhänger“, rief sie erfreut aus. „Wartet, ich bringe
ihn Euch hinauf“, sagte der Soldat.
Finduilas wartete aufgeregt an der
Tür. Endlich kam der Soldat auf sie zu. „Hier ist Euer Anhänger, edle Dame“,
sagte der Mann und lächelte. Finduilas lächelte zurück und bedankte sich.
Der Soldat hatte edle Gesichtszüge und freundliche grau-grüne Augen. Sein Haar
fiel in dunklen Locken über die Schultern. Es war schwer zu schätzen, wie alt er
sein mochte. Sein Gesicht wirkte noch jung, doch seine Augen verrieten, dass er
schon etwas älter sein musste. Er ist bestimmt ein reinblütiger Númenorer,
so wie dieser Throrongil, dachte Finduilas erstaunt. „Dieser Anhänger
bedeutet mir sehr viel“, begann sie zu erzählen. „Er gehörte meiner verstorbenen
Mutter. Wie ist Euer Name, Herr?“ „Ich bin Denethor, Ecthelions Sohn“, sagte
der Soldat lächelnd. „Ich bin der Heermeister des Weißen Turms“. Erst jetzt
fiel Finduilas das große Horn auf, das er am Gürtel trug. Es war das berühmte
Horn Gondors, das immer die ältesten Truchseß-Söhne von ihren Vätern bekamen.
Sie verneigte sich errötend. „Verzeiht mir, Herr Denethor, dass ich Euch
meinen Anhänger bringen ließ“, sagte sie kleinlaut. „Ich wusste nicht, wer Ihr
seid“. „Das ist schon in Ordnung“, erwiderte Denethor atemlos. „Einer so
schönen Dame wie Euch erweise ich gerne einen Gefallen. Doch muß ich Euch leider
nun verlassen, da ich mich noch für das Nachtmahl umziehen muß“. „Dann sehen
wir uns ja gleich wieder“, strahlte Finduilas.
Während sie sich für das Nachtmahl vorbereitete, dachte sie wieder an ihren
Traum. Wenn diese Vision irgendwann eintraf, bedeutete das wohl eine Heirat mit
Denethor. Finduilas wurde es ganz seltsam zumute, als sie daran dachte. Der
Truchsessen-Sohn war ein attraktiver Mann. Aber vielleicht war er auch schon
verheiratet. Finduilas schüttelte rasch diese Gedanken ab.
Eine
Viertelstunde später begleitete sie ihren Vater und Bruder in die Halle zum
Essen. Ecthelion hatte dort eine Tafel mit köstlichen Speisen herrichten lassen.
Denethor stand neben seinem Vater und seine hellen Augen leuchteten auf, als er
Finduilas erneut erblickte. Er trug jetzt eine rote Tunika mit einem
pelzbesetzten Wams darüber. Finduilas konnte kaum den Blick von ihm abwenden.
Als er intensiv zu ihr hinschaute, errötete sie schließlich. Ecthelion
eröffnete das Mahl mit einer kurzen Rede. Finduilas hörte gar nicht richtig hin.
Immer wieder sah sie heimlich zu Denethor hinüber. „Was glotzt du denn so?“,
fragte der kleine Imrahil leise und grinste dabei. „Ich glotze gar nicht,
ich schaue nur“, erwiderte Finduilas ungehalten und versetzte ihrem Bruder einen
angedeuteten Rippenstoß. Adrahil räusperte sich leicht und warf seinen
Kindern einen missbilligenden Blick zu. Finduilas kannte diesen warnenden Blick
ihres Vaters und sie senkte sittsam das Haupt. Dann vertiefte sich der Fürst
wieder mit dem Truchseß in ein Gespräch über den Korsarenkrieg im Süden. Dann
und wann sagte auch Denethor etwas dazu. Als das Mahl vorüber war, schlug
der Truchseß Adrahil vor, in sein Jagdzimmer zu gehen und eine Pfeife zu
rauchen. „Und ihr, Kinder, geht am besten zu Bett“, meinte Adrahil zu seinen
Sprösslingen. Imrahil machte ein langes Gesicht, aber er gehorchte
schließlich seinem Vater. „Ich möchte noch ein wenig an die frische Luft
gehen, Vater, darf ich?“, bat Finduilas. Adrahil nickte. „Du bist ja
schließlich fast kein Kind mehr, Tochter“. Finduilas huschte freudig hinaus.
Sie spazierte an der Mauer des siebten Festungsrings entlang und genoß
die Aussicht. Der Mond war inzwischen aufgegangen und beleuchtete fahl den
Pelennor. Der Anduin glitzerte in seinem Licht. „Gefällt es Euch hier,
Herrin?“, sagte plötzlich eine Stimme hinter Finduilas. Sie drehte sich
erstaunt um und gewahrte Denethor, der an einem Baum lehnte. „Minas Tirith
ist eine wunderschöne Stadt, aber noch besser gefällt es mir in meiner Heimat am
Meer“, erwiderte sie wahrheitsgemäß. „Fürwahr“, nickte Denethor. „Das Meer
soll seinen eigenen Zauber haben, ebenso wie die Küste von Dol Amroth. Ich kenne
wundervolle Erzählungen darüber.“ Sie gingen ein wenig zusammen weiter und
unterhielten sich. Denethor interessierte sich sehr für Finduilas’ Heimat.
„Ich muß gestehen, dass ich nie südlicher als bis Pelargir gekommen bin“,
meinte er schließlich bedauernd. „Dann müsst Ihr uns unbedingt einmal in Dol
Amroth besuchen“, schlug Finduilas eifrig vor. Denethor lächelte. „Ich
würde gerne einmal Euer Schloß besichtigen.“ Er ergriff Finduilas’ Hände.
Sie standen ein Stück schweigend zusammen und sahen sich an.
Am Tor der
Zitadelle wurde die Wache abgelöst. Der Lärm, der dabei entstand, brach den
Zauber der romantischen Stimmung und Finduilas ließ irritiert Denethors Hände
los. Seine Hände waren groß und kräftig, ihre dagegen klein und zart. „Ich
werde mich jetzt zurückziehen, Herr Denethor“, sagte das junge Mädchen errötend.
Denethor begleitete sie noch ein Stück bis zu dem Gebäude, wo die Gäste aus
Dol Amroth untergebracht waren.
Kapitel 4: Rückkehr ans Meer
Am nächsten Morgen wurden Finduilas und
Imrahil früh geweckt. „Eilt Euch!“, sagte die Bedienstete drängend. „Euer
Vater will bald aufbrechen“. Finduilas rieb sich erstaunt den Schlaf aus den
Augen. „Aber wohin will er denn? Wir sind doch erst gestern angekommen“.
„Ich weiß nichts genaues“, erwiderte die Frau ungehalten, „Euer Vater will
jedenfalls so schnell wie möglich nach Hause reiten“. Finduilas erschrak:
der Fürst hatte seinen Kindern gesagt, sie würden eine Woche in Minas Tirith
verbringen. Was war nur vorgefallen? Das junge Mädchen warf einen Umhang
über und lief so schnell wie möglich zu den Räumen ihres Vaters. Der Fürst
legte gerade sein Reisewams an, als sie aufgelöst in sein Zimmer trat.
„Stimmt das, was Ninde sagt – wir reisen heute ab?“ „Allerdings, mein
Kind“, erwiderte Adrahil ernst. „Ich hatte mit dem Truchseß eine gravierende
Meinungsverschiedenheit. Ecthelion versagte mir die Unterstützung im
Korsarenkrieg. Angeblich braucht Gondor seine Soldaten selbst“. „Das
verstehe ich nicht“, murmelte Finduilas kopfschüttelnd. „Gondor hat doch ein
riesiges Heer“. „Der Truchseß sagte, Dol Amroth ist zu unwichtig“, fuhr
Adrahil bitter lächelnd fort. „Ich denke, du verstehst jetzt, warum wir so
schnell abreisen. Ich bin empört“.
Finduilas eilte in ihre Gemächer
zurück und zog sich rasch an. Sie wollte unbedingt mit Denethor sprechen. Er war
ein vernünftiger junger Mann, der bestimmt Verständnis für ihre Lage haben
würde. Statt zum Frühstück zu gehen, suchte sie nach Denethor in der
Zitadelle. Sie hatte Glück und fand den Heermeister in der Küche, wo er sich
gerade Verpflegung geben ließ für einen Ausritt. „Denethor, ich muß mit Euch
sprechen, es ist ganz wichtig!“, stieß sie atemlos hervor. Der Heermeister
sah sie erstaunt an, ging aber mit ihr schnell in eine leere Kammer. „Was
gibt es?“, fragte er mit gedämpfter Stimme. Finduilas erzählte ihm rasch,
was geschehen war. Denethor erschrak, als er hörte, dass sein Vater Dol Amroth
dem Feind preisgeben wollte. „Das werde ich zu verhindern wissen“, versprach
er dem jungen Mädchen. „Danke, Denethor“, sagte Finduilas überglücklich und
umarmte ihn stürmisch. Der Heermeister sah sie verblüfft an und sie wurde
knallrot. „Ich muß zu meinem Vater“, murmelte sie hastig und lief davon.
Adrahil und Imrahil waren bereits mit dem Frühstück fertig, als
Finduilas auftauchte. „Wo bist du gewesen?“, fragte der Fürst ungehalten.
Er hatte zwar viel Geduld mit seinen Kindern und übte auch viel Nachsicht,
doch Unpünktlichkeit schätzte er ganz und gar nicht. „Ich war bei Denethor,
dem Sohn des Truchsessen“, erklärte Finduilas errötend. „Er wird mit seinem
Vater noch einmal reden“. Adrahil warf verärgert die Serviette auf seinen
Teller. „Mir scheint, du gehst eigene Wege“, sagte er erzürnt zu seiner
Tochter. „Ich dulde solch ein Verhalten nicht. Geh auf dein Zimmer und warte
dort, bis wir abreisen. Das Frühstück fällt für dich aus“. „Aber ich wollte
doch nur helfen, Vater“, rief Finduilas bestürzt aus. „Du bist viel zu jung,
um dich in die Politik einzumischen - und außerdem bist du nur ein Mädchen“,
erwiderte Adrahil streng. Finduilas traten die Tränen in die Augen und sie
verließ wortlos das Speisezimmer.
Eine Stunde später reiste die
Fürstenfamilie mit ihrem Gefolge ab. Vergeblich hoffte Finduilas, Denethor noch
einmal zu sehen. Doch er ließ sich nicht blicken. Vermutlich hatte ihr Vater
doch Recht gehabt. Als Minas Tirith ein Stück hinter ihnen lag, ritt
Finduilas nach vorne zu ihrem Vater. „Es tut mir leid, Vater“, sagte sie
kleinlaut. „Ich hätte das nicht tun dürfen. Gondor wird uns wohl nicht helfen“.
Adrahils Blick wurde milder. „Gut, dass du einsichtig bist, meine
Tochter. Ich hoffe, dass du dich in Zukunft aus meinen Amtsgeschäften
heraushältst“. „Ich verspreche es“, gelobte Finduilas. Der Fürst
lächelte jetzt.
Zwei Tage später erreichten sie das Schloß am Meer.
Finduilas beschloß, Denethor und Minas Tirith so schnell wie möglich zu
vergessen, doch es gelang ihr nicht. Immer wieder spukte der Heermeister in
ihrem Kopf herum.
Kapitel 5: Unverhofftes Wiedersehen
Nur wenige Wochen später geriet die
Stadt Dol Amroth in arge Bedrängnis. Viele Korsarenschiffe waren an der Küse
gesichtet worden und es war zu befürchten, dass die Stadt bald von den Piraten
erobert wurde. In Strömen verließen die Einwohner Dol Amroth, um sich in
Sicherheit zu bringen. Besorgt sah der Fürst dieser Entwicklung zu. Er
versammelte sein kleines Schwanenritter-Heer um sich. Er wusste, dass sie viel
zu wenige waren, um die Stadt wirksam zu verteidigen. Aber er konnte nicht
untätig zusehen, wie sein Fürstentum von den Korsaren eingenommen wurde.
„Vater, laß mich mitreiten!“, bettelte der zehnjährige Imrahil. „Ich kann
auch schon kämpfen“. Adrahil lächelte wehmütig. „Wenn du ein paar Jahre
älter wärest, dann würde ich dich auf jeden Fall mitnehmen, aber du musst
hierbleiben und auf deine Schwester aufpassen, hörst du?“ „Jawohl, Vater,
wie du es wünscht“, sagte der Junge folgsam.
Finduilas sah besorgt zu,
wie ihr Vater mit seinen Rittern aufbrach. Sie bezweifelte, dass er lebend
zurückkommen würde. Zusammen mit ihrem Bruder stand sie auf dem höchsten
Turm und blickte hinunter auf die Stadt, wo erbitterte Kämpfe tobten. Dann
hörten die beiden Geschwister plötzlich Hörnerklang. „Gondor kommt!“, rief
Imrahil begeistert und zeigte auf das Heer, das sich der Stadt näherte. Auch
Finduilas erkannte das Truchsessen-Banner.
Fürst Adrahil war mit
seinen Rittern schnell in arge Bedrängnis in der Stadt geraten. Er wusste, dass
alles verloren war, wenn nicht ein Wunder geschah. Dann hörte auch er den
Hörnerklang und den Schlachtruf: „Gondor für Dol Amroth! Gondor zu Fürst
Adrahil!“ Die Korsaren erstarrten schier, als sie das große Heer nahen
sahen. Sie ergriffen rasch die Flucht. Doch den Soldaten aus Gondor gelang es
noch viele von ihnen zu töten. Erleichtert ging der Fürst nach der Schlacht
zum Heerführer Gondors, um ihm seinen Dank auszusprechen. Denethor nahm
seinen Helm ab. „Wir waren auf einem Kriegszug im Süden unterwegs“, erzählte
er, „und da hörten wir, dass Dol Amroth in großer Not sei“. „Ich hoffe, Euer
Vater straft Euch nicht für Euer Verhalten“, meinte Adrahil besorgt. „Ich würde
mich freuen, wenn ich Euch als Gast in mein Schloß einladen dürfte“.
Denethor lächelte: „Von Herzen gerne“.
Finduilas war heilfroh,
ihren Vater unversehrt wieder zu sehen. Aber als sie Denethor an seiner Seite
sah, machte ihr Herz einen Sprung. Auch Denethor war erfreut, Finduilas zu
erblicken. „Ihr seid in den letzten Wochen noch viel schöner geworden“,
flüsterte er ihr zu. Finduilas errötete, als sie das hörte. Adrahil
entging das Verhalten seiner Tochter nicht und er runzelte nachdenklich die
Stirn.
Während des Nachtmahls beobachtete er Denethor und Finduilas
scharf. Immer wieder tauschten die beiden heimliche Blicke aus und lächelten
sich an.
Nach dem Essen gingen die jungen Leute in den Gärten spazieren.
„Es ist wirklich wunderschön hier am Meer“, meinte Denethor anerkennend, als
er zusammen mit Finduilas die Aussicht auf die Küste genoß. Er ergriff
Finduilas Hand und streichelte sie sacht. Finduilas Herz schlug ganz laut vor
Aufregung und sie hoffte, dass Denethor es nicht hörte. Ist das Liebe?,
dachte sie atemlos. Bin ich jetzt verliebt?
Fürst Adrahil beobachtete
die beiden von seinem Fenster aus und er machte sich große Sorgen um seine
Tochter.
Kapitel 6: Ein ernstes Gespräch
Wenige Tage später musste Denethor
mit seinem Heer wieder aufbrechen. Sein Vater rief ihn zurück nach Minas Tirith.
Adrahil hatte dafür gesorgt, dass der Heermeister in diesen Tagen nicht mehr
allzu oft seiner Tochter über den Weg lief. Finduilas war verärgert darüber,
dass ihr Vater ständig Denethor für sich beanspruchte und ihn in lange Gespräche
vor dem Kamin verwickelte.
Am Morgen der Abreise kam Denethor zu
Finduilas in den Garten, wo sie auf einer Bank an einer Näharbeit saß. „Ich
muß nun wieder fort“, sagte er traurig. Finduilas legte ihre Näharbeit
beiseite und stand auf. „Ich werde Euch vermissen, Herrin“, fuhr er fort.
„Ich Euch auch, Denethor“, erwiderte Finduilas schließlich. Es geschah
das Unvermeidliche: Denethor nahm sie in seine Arme und küsste sie. Als sie
merkten, das jemand in den Garten kam, ließen sie schnell voneinander. „Ich
werde dir schreiben, meine Blume“, versprach Denethor hastig. Dann ging er
rasch zu seinen Männern.
Als er fortgeritten kam, bat der Fürst seine
Tochter zu sich. Finduilas hatte irgendwie eine ungute Vorahnung. Mit hochrotem
Kopf betrat sie die Amtsstube ihres Vaters. „Es gibt etwas wichtiges zu
besprechen“, begann Adrahil enst. „Ich habe gemerkt, dass du und der
Truchsessen-Sohn, nun ja – dass ihr euch nicht unwichtig seid“. „Ich glaube,
ich habe mich in ihn verliebt“, gestand Finduilas kleinlaut. „Du bist noch
viel zu jung“, meinte Adrahil kopfschüttelnd. „Weißt du überhaupt, wie alt
Denethor ist? Er ist so alt wie ich: fünfundvierzig Jahre.“ Finduilas
erschrak ein wenig, als sie das hörte. „In ihm fließt rein das Blut von
Númenor“, fuhr Adrahil fort. „Daher altert er nur langsam. Er ist kein Mann für
dich, mein Kind“. „Wärest du nicht stolz, wenn mich der künftige Truchseß
von Gondor ehelicht?“, fragte Finduilas trotzig. „Jeder Vater in Gondor wäre
stolz, wenn seine Tochter diese Ehre hätte“, erwiderte der Fürst tonlos. „Aber
ich nicht. Du gehörst nicht nach Minas Tirith. Die Felsenstadt ist kalt und
trostlos. Du brauchst Wärme und Liebe. Denethor wird keine Zeit haben, dir das
zu geben, was du benötigst. Du bist wie eine zarte Pflanze, die im warmen
Sonnenschein an der Küste wächst und gedeiht, aber dort würdest du auf Dauer
eingehen.“ „Denethors Liebe wird mich über Dol Amroth hinwegtrösten“,
versicherte Finduilas. „Ich meine es nur gut mit dir“, sagte Adrahil
bedrückt. „Deine Gesundheit ist nicht die Allerbeste. Allzu oft warst du in den
letzten Jahren krank. Die Mauern von Minas Tirith werden dir nicht gut bekommen.
Ecthelion ist ein unfreundlicher, barscher Mann: erwarte von ihm keine Güte. Du
hast dort nur Denethor, und sonst niemanden“.
Nachdem die Korsaren
zurückgeschlagen worden waren, brachen in Gondor friedlichere Zeiten an und
Denethor konnten nun Finduilas den Hof machen, so wie es sich ziemte. Sehr oft
kam er zu Besuch nach Dol Amroth und brachte seiner Geliebten Geschenke. Der
Fürst sah das junge Paar in den Gärten miteinander turteln und er brachte es
nicht übers Herz, seiner Tochter dies zu verbieten.
Kapitel 7: Die Hochzeit und ihre Folgen
Ein halbes Jahr später hielt
Denethor um die Hand von Finduilas beim Fürsten an. Adrahil wollte dem Glück
seiner Tochter nicht im Wege stehen und er gab schließlich die Zusage für die
offizielle Verbindung der beiden . „Wenn du Denethor aufrichtig liebst, und
er dich, dann seid ihr wohl füreinander bestimmt“, sagte Adrahil schweren
Herzens zu Finduilas.
Kurz nach Finduilas’ sechzehnten Geburtstag fand
die Hochzeit in Minas Tirith statt. Die junge Braut strahlte vor Glück, ebenso
wie ihr Bräutigam. Nur der alte Truchseß starrte finster vor sich hin. „Ich
hoffe, du schenkst dem Hause Húrin bald einen Erben“, sagte er lakonisch zu
seiner frischgebackenen Schwiegertochter. Adrahil hatte für seine Tochter
als Hochzeitsgeschenk einen wertvollen Mantel aus dunkelblauen Samt nähen
lassen, dessen Säume mit silbernen Sternen bestickt waren. Er wurde zu ihrem
liebsten Kleidungsstück.
Zunächst war Finduilas der Abschied vom Meer
nicht schwergefallen. Denethors Liebe schien auszureichen, um die Sehnsucht nach
Dol Amroth nicht aufflammen zu lassen. In den Wochen nach der Hochzeit
verbrachte das Paar viel Zeit miteinander und Denethor reiste mit seiner jungen
Frau durch Gondor, um ihr das Reich, das er irgendwann regieren würde, zu
zeigen. Am besten gefiel es Finduilas in Ithilien, dem Grenzland zu Mordor,
mit seiner wild-schönen Natur. Denethor brachte sie auch nach Emyn Arnen, wo
seine Vorfahren einst residiert hatten. Finduilas strich durch die
verlassenen, halb eingestürzten Gebäude. „Ein schöner Platz ist das
hier“,meinte sie bedauernd. „Schade, dass niemand in Emyn Arnen wohnt. Könnten
wir nicht hier leben?“ „Ich wünschte, ich hätte einen älteren Bruder, der an
meiner statt das Truchseß-Amt übernehmen würde“, seufzte Denethor bedrückt.
„Mein Vater wird jetzt alt und schwach. Als sein Nachfolger ist es mir
auferlegt, ihn zu unterstützen, wo ich nur kann. Wir müssen also leider in Minas
Tirith weiterhin wohnen“.
In diesen Tagen kehrte Thorongil nach Gondor
zurück. Er war wieder in Rohan gewesen, wo er Tengel gedient hatte. Er war
erstaunt, als er hörte, dass Denethor inzwischen verheiratet war. Finduilas
war erfreut, ihn wieder zu treffen. „Da ist ja der Pferdekenner aus dem
Norden“, meinte sie lächelnd. Denethor wurde fast ein wenig eifersüchtig,
als er hörte, dass Finduilas Thorongil bereits kannte. Sie berichtete ihm
von dem Pferderennen mit ihrem Bruder und dass Thorongil sofort gemerkt hatte,
dass ihr Pferd Nimloth viel schneller war als das ihres Bruders. Denethor
musste schmunzeln, als er das hörte.
Ecthelion schickte seinen Sohn und
Thorongil zu einem Kriegszug nach Ithilien. Jetzt war Finduilas alleine mit dem
alten Truchseß in der Zitadelle. Das war die Zeit, in der sie zum ersten Mal
Heimweh nach Dol Amroth bekam. Ecthelion zeigte sich ihr gegenüber
ungehobelt und mürrisch. Finduilas konnte es ihm einfach nicht recht machen. Am
schlimmsten war es für sie, wenn sie mit ihm gemeinsam die Mahlzeiten einnehmen
musste. Schon bald brachte sie fast keinen Bissen mehr herunter.
Als
Denethor zurückkehrte, erschrak er, wie dünn sie geworden war. „Du bist ja
mager wie ein Spatz, meine Liebe. Das müssen wir ändern“. Zu ihrer
Überraschung unternahm er mit ihr eine kurze Reise nach Dol Amroth. Finduilas
blühte am Meer sichtlich auf. Adrahil gefiel der Zustand seiner Tochter
jedoch nicht. „Du musst auf sie besser Acht geben, Schwiegersohn“, mahnte er
Denethor. „Noch nie habe ich sie so blaß und mager gesehen. Sie schwindet ja
schier dahin“. „Ich war lange weg auf einem Kriegszug“, berichtete Denethor
schuldbewußt. „Ich werde Finduilas bestimmt nicht mehr so lange alleine lassen.
Ich verspreche es“. Der Fürst lächelte zufrieden und schlug dem jungen
Heermeister auf die Schulter. „Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen
kann, Denethor“.
Kapitel 8: Boromir
Im folgenden Jahr wurde Finduilas endlich schwanger.
„Ich hoffe, es wird ein männlicher Nachkomme“, murrte der alte Ecthelion.
„Mädchen gelten in diesem Hause nichts“. Diese Worte trafen die junge Frau
sehr. Dass im Hause des Truchsessen Frauen nichts wert waren, hatte sie schon
lange gemerkt. Für Ecthelion waren Frauen nur dazu da, um den Fortbestand der
Linie zu sichern, die schon über tausend Jahre zurückging. Die Schwangerschaft
bekam Finduilas nicht gut: sie musste viel liegen und litt unter heftigen
Rückenschmerzen, ganz besonders zum Schluß hin. Denethor hatte nicht viel Zeit,
sich um sie zu kümmern, den der alternde Truchseß übertrug immer mehr Ämter auf
seinen Sohn.
Finduilas war froh, ihre Kammerzofe Maruwyn, die aus Rohan
stammte, um sich zu haben. Sie war ihre einzige Freundin und Vertraute in dieser
schweren Zeit. Maruwyn saß oft an ihrem Bett und erzählte vom neuesten Klatsch
in Minas Tirith. Sie kämmte ihr das lange rotblonde Haar und massierte ihre
geschwollenen Füße. Finduilas wünschte sich verzweifelt, sie wäre am Meer ,
wo ihre Heimat war. Manchmal bildete sie sich ein, Möwen schreien zu hören. Aber
es war nur der kalte Wind, der durch die Korridore der Zitadelle fauchte. Sie aß
nur wenig. Eigentlich hatte sie überhaupt keinen Appetit, aber um des Kindes
willen musste sie etwas zu sich nehmen.
An einem milden Herbsttag
brachte Finduilas einen kräftigen Jungen zur Welt. Denethor war außer sich vor
Stolz und zeigte das Baby sofort seinem greisen Vater Ecthelion. „Ihr
solltet ihm den Namen Ondoher geben“, meinte der Truchseß bestimmend. Doch
Denethor wollte diese Entscheidung nicht ohne seine Frau treffen. „Was
hältst du von dem Namen, meine Liebe? Es ist ein Name von alten Königen, die
früher Gondor regiert haben.“ „Ich wolle lieber einen Namen aus dem Quenya
oder Sindarin haben“, flüsterte Finduilas müde. Die Geburt hatte die junge Frau
sehr mitgenommen. Ioreth machte sich große Sorgen um sie. „Gut, dann soll
der Junge Boromir heißen“, beschloß Denethor. „Der Name stammt aus dem Quenya
und königlich ist er auch“. Ecthelion zeigte sich von der Namenswahl nicht
begeistert, aber der alte Mann hatte nicht mehr die Kraft dazu, sich mit seinem
Sohn, der zusehends die Macht in Gondor übernahm, herumzustreiten.
Finduilas litt lange unter den Folgen der Geburt. Sie hatte nicht die
Kraft, das Kind selbst zu säugen, sondern brauchte eine Amme dazu. Denethor sah
besorgt zu, wie seine Frau zart und schwach im Bett lag. Erst nach einem halben
Jahr war sie wieder einigermaßen gesund.
„Ihr dürft kein weiteres Kind
haben, Herrin“, riet ihr Ioreth ab. „Die nächste Geburt könnte Euer Tod sein. Um
Boromirs willen müsst Ihr Euch schonen“.
Finduilas unterhielt sich mit
Denethor an jenem Abend, nachdem sie das Gespräch mit Ioreth geführt hatte, über
das Thema Kinder.
„Boromir ist der perfekte Sohn, den ich mir immer
gewünscht habe“, sagte der Heermeister stolz. „Er ist groß und kräftig für sein
Alter. Ich weiß, dass er einmal ein großer Krieger und Heerführer in Gondor sein
wird. Aber ich möchte so gerne noch eine Tochter haben: ein Mädchen, das so zart
und wunderschön wie du ist, meine Liebe“.
„Vielleicht sollten wir ein
wenig damit warten“, meinte Finduilas, die Denethor nichts von Ioreths Warnung
erzählen wollte.
Boromir wuchs heran und wurde ein schöner Junge: er
hatte das rotblonde Haar seiner Mutter geerbt und die grünen Augen seines
Vaters.
Als Boromir seinen vierten Geburtstag feierte, merkte Finduilas,
dass sie wieder schwanger war.
Kapitel 9: Faramir
Denethor war außer sich vor Freude, als er von der
Schwangerschaft seiner Frau hörte. Der alte Ecthelion bekam davon nicht mehr
viel mit: er hatte einen Schlaganfall erlitten und war seitdem bettlägrig.
Sprechen konnte er auch nicht mehr richtig: er gab nur noch unartikulierte Laute
von sich .
„Ich weiß, dass es dieses Mal ein Mädchen wird“, sagte
Denethor freudig. „Irgendwie ahne ich es.“ Doch Finduilas hatte eine andere
Ahnung: sie fühlte sich genauso hundeelend wie vor Boromirs Geburt. Selbst
Ioreth glaubte, dass sie wieder einen Jungen bekommen würde.
„Ich hatte
Euch doch von einer weiteren Schwangerschaft abgeraten,“ sagte die alte Heilerin
kopfschüttelnd. „Nun ja, vielleicht seid Ihr doch stärker, als ich glaube“.
Denethor suchte bereits fleißig Namen aus. Er blätterte in alten Büchern
und Dokumenten deswegen.
„Wie wäre es mit Orodreth oder Melian?“, fragte
er eifrig seine Frau. „Wir müssen uns aber auch einen Jungennamen
überlegen“, riet Finduilas ihm besorgt. „Würde dir Faramir gefallen?“
„Meinetwegen“, winkte Denethor ab. „Aber es wird ein Mädchen, ganz sicher.“
„Ich will einen Bruder haben,“ krähte der kleine Boromir dazwischen. „Einen
Bruder, mit dem ich dann kämpfen und auf die Jagd gehen kann.“ Finduilas
lachte herzlich. „Da siehst du es, mein lieber Denethor: dein Sohn will
einen Bruder.“ „Ach was,“ meinte er kopfschüttelnd. „Er wird eine kleine
Schwester genauso gerne haben.“
Ab dem sechsten Monat bekam Finduilas
große Probleme und sie musste fast ununterbrochen das Bett hüten. Eines Nachts
träumte sie wieder den Traum, den sie einst als Vision im Hof der Zitadelle
gehabt hatte. Sie sah den Weißen Baum in Blüten stehen, Thorongil als König und
ihren Sohn, der erst noch geboren wurde, als Truchseß. Dieses Mal ging der
Traum noch weiter. Sie sah eine Frau neben ihrem Sohn stehen. Sie war sehr schön
und hatte langes blondes Haar. Finduilas wusste, dass ihr Sohn dieser Frau ihren
geliebten blauen Mantel geschenkt hatte. Sie erwachte plötzlich.
Dann bin ich also schon tot, wenn der König nach Gondor zurückkehrt,
dachte sie wehmütig lächelnd. Und was war mit Boromir? Ihn hatte sie in
ihrem Traum nicht gesehen, auch Denethor nicht. Würden sie alle früh sterben?
An einem stürmischen Mittwoch begannen die Wehen. Drei Wochen zu früh.
Denethor stand zusammen mit dem kleinen Boromir auf dem düsteren Korridor. Sie
sahen zu, wie Ioreths Gehilfinnen geschäftig ein und aus liefen. Denethor
erschrak, als er eine der Frauen mit blutigen Tüchern sah. Endlich trat
Ioreth zu Denethor. Ihre Miene war sehr ernst.
„Es steht nicht gut um
Euere Gemahlin und dem Kleinen, Herr. Der Junge wurde zu früh geboren und wir
wissen nicht, ob wir ihn durchbringen. Euere Gemahlin hat viel Blut verloren und
ist sehr schwach.“
Denethor war den Tränen nahe. Ioreth ließ ihn jetzt
nicht zu Finduilas. „Ich lasse Euch rufen, wenn sie ansprechbar ist.“
Denethor ging mit Boromir in seine Privatgemächer. „Ich habe also einen
Bruder?“ fragte der Kleine immer wieder eifrig. Doch Denethor hörte ihm kaum
zu. „Ein Junge also,“ murmelte er vor sich hin. „Und ich wollte doch so
gerne eine Tochter haben.“
Erst am nächsen Tag durfte Denethor zu
Finduilas. Wie ein durchscheinende, ätherische Gestalt lag sie in dem Bett. Die
Geburt hatte ihr fast alle Kräfte geraubt. Denethor nahm ihre zarte Hand.
„Meine liebe Finduilas,“ flüsterte er den Tränen nahe. Sie öffnete halb
die Augen. „Wo ist der Kleine?“, hauchte sie. „Er befindet sich in den
Häusern der Heilung,“ erklärte Denethor mit einem verzerrten Lächeln. „Wenn du
willst, werden wir ihn Faramir nennen. Das wolltest du doch, oder?“
Finduilas nickte schwach. „So sei es.“ Denethor saß fast Tag und
Nacht an Finduilas’ Bett, bis die größte Gefahr gebannt war. „Wollt Ihr
nicht einmal nach Euerem neugeborenen Sohn sehen, Herr?“ fragte Ioreth erstaunt.
„Er wird von Tag zu Tag kräftiger. Ich denke, er wird einmal so wie Boromir
werden.“ „Ich will nur, dass meine Frau wieder gesund wird“, murmelte
Denethor leise.
Kapitel 10: Finduilas’ Tod
Auch in Dol Amroth machte man sich große
Sorgen um Finduilas. Der Fürst war bekümmert, vom Zustand seiner Tochter zu
hören. Aber er freute sich, dass er nun einen zweiten Enkel bekommen hatte. Da
er sich selbst auch nicht so wohl fühlte, schickte er seinen Sohn Imrahil, der
inzwischen neunzehn Jahre alt war, nach Minas Tirith. Der junge Mann
erschrak, als er seine Schwester erblickte. Sie war nur noch Haut und Knochen.
Sie lag verloren in dem riesigen Bett mit den weichen Kissen und starrte ins
Leere. „Ich wünschte, ich wäre am Meer, lieber Bruder,“ flüsterte sie.
Sie tat sich hart beim Sprechen. Es schien sie viel Kraft zu kosten. „Am
Meer würde ich schneller wieder gesund werden.“ „Soll ich dir von zuhause
erzählen,?“ fragte Imrahil lächelnd. Finduilas richtete sich ein wenig auf
und ihre Augen leuchteten. „Oja, bitte, erzähle mir bitte vom Meer, den
Möwen, dem Strand und den Fischerdörfern.“ Imrahil tat ihr den Gefallen und
erzählte ihr, was ihm so einfiel. Finduilas schlief inzwischen wieder ein. Mit
Tränen in den Augen beobachtete er seine Schwester. Eine Amme trat leise ins
Zimmer. In den Armen hielt sie den kleinen Faramir. „Herr, wollt Ihr Eueren
Neffen sehen?“ Imrahil wischte sich verstohlen die Tränen weg und ging zu
der Amme. Vorsichtig ließ er sich den Kleinen auf den Arm legen. Er strich sacht
über den rotblonden Schopf. Faramir rührte sich nicht: er schlief tief und fest.
In diesem Moment kam Denethor zur Tür herein. Er schien gar nicht zu
bemerken, dass sein Schwager anwesend war. Er eilte sofort an Finduilas’ Bett
und setzte sich an ihre Seite. „Sei gegrüßt, Schwager!“, rief Imrahil ihm
freundlich zu. Denethor stand etwas verwirrt auf. „Verzeih, Junge, ich
hatte dich gar nicht bemerkt.“ „Ist er nicht ein Prachtkerl?“ fragte der
junge Mann ihn lachend und deutete auf Faramir. Denethors Miene verzog sich.
„Er ist schuld, dass es Finduilas so schlecht geht. Ich will ihn gar nicht
sehen.“ Schockiert legte Imrahil den kleinen Faramir in die Arme der Amme
zurück, die daraufhin wieder das Gemach verließ. „Was hast du da gesagt –
habe ich richtig gehört?“ „Du hast schon richtig gehört, Imrahil,“ sagte
Denethor fast grimmig. „Faramirs Geburt kostete meiner geliebten Frau fast das
Leben. Niemand weiß, ob sie jemals wieder vollständig gesund wird. Wie kann ich
so ein Kind lieben?“ „Aber der Kleine kann doch nichts dafür,“ erwiderte der
junge Mann bestürzt. „Du weißt doch selbst, dass ein Kind viel Liebe braucht.“
„Ich möchte, dass du mich jetzt mit meiner Frau alleine lässt,“ befahl
Denethor ungehalten. Imrahil sah ihn kopfschüttelnd an und verließ das
Gemach. Auf dem Korridor begegnete ihm der kleine Boromir. „Hast du
eigentlich schon deinen Bruder gesehen, junger Mann?“ fragte Imrahil lächelnd.
„Nein,“ sagte Boromir traurig. „Kannst du mich zu ihm bringen, Onkel
Imrahil?“ „Na, dann komm,“ meinte Imrahil und nahm den Jungen an die Hand.
5 Jahre später:
Finduilas erholte sich nie wieder richtig von Faramirs
Geburt. Jeder Windstoß, der durch Minas Tirith wehte, schien sie auf das
Krankenlager zu fesseln. Denethor, der inzwischen Truchseß geworden war,
verzweifelte, weil er nur untätig zusehen konnte, wie seine geliebte Frau von
Tag zu Tag dahinschwand. Auch Ioreth war mit ihren Heilkünsten längst am
Ende. Sie wusste längst, dass Finduilas nicht mehr lange leben würde. Die junge
Fürstin hatte keine Widerstandskraft mehr. Das Einzige, was sie noch am Leben
hielt, war die tiefe Liebe ihres Mannes und ihre zwei Söhne, die prächtig
gedeihten. Sie war traurig darüber, dass Denethor Faramir links liegen ließ
und nur Boromir beachtete. Soweit es in ihren Kräften stand, versuchte sie,
Faramir die Liebe zu geben, die er verdiente und brauchte.
An einem
stürmischen Wintertag war es dann soweit: Finduilas hatte sich erkältet, und die
Erkältung war dann zu einer schweren Lungenentzündung geworden. Ioreth
teilte schweren Herzens dem Truchseß die bittere Wahrheit über den Zustand
seiner Frau mit. „Es ist soweit, Herr Denethor,“ sagte sie nur. Der
Truchseß wusste genau, was sie meinte. Er nickte nur und verließ den Thronsaal.
Dann rief er seine beiden Söhne zu sich. Boromir führte den kleinen Faramir an
der Hand. Ein herzerweichender Anblick, doch Denethor sah, wie immer, nur auf
Boromir. „Euere Mutter wird von uns gehen, Kinder,“ sagte er mit erstickter
Stimme. „Wohin geht sie denn?“ fragte der fünfjährige Faramir erstaunt.
Denethor hob die Hand zu einer Ohrfeige, weil er sich über diese törichte
Frage ärgerte, aber dann dachte er daran, dass es ein kleiner Junge einfach
nicht besser wissen konnte, und er ließ seine Hand langsam sinken. „Du wirst
bald merken, wohin sie geht, junger Mann,“ erwiderte Denethor tonlos. Er
schob seine Söhne in das Sterbezimmer seiner Frau. Finduilas hob schwach die
Hand, als sie ihre Familie erkannte. Die zwei Jungen stellten sich sittsam an
ihr Bett und betrachteten sie bekümmert. Selbst der kleine Faramir schien jetzt
zu ahnen, was mit seiner Mutter geschah. Denethor kniete vor dem Bett nieder und
legte Finduilas’ knochige Hand an seine Wange. „Du weinst, mein Geliebter?“
fragte sie mit kaum hörbarer Stimme. „Du wirst wieder gesund, meine
Liebste,“ beteuerte Denethor. Finduilas lächelte: er war schon immer ein
schlechter Lügner gewesen. „Ich bin froh, dass ihr in meiner letzten Stunde
bei mir seid“. Sie sah zu Boromir hinüber: der zehnjährige Junge mit den
grünen Augen war groß und kräftig für sein Alter. Er würde einst ein mächtiger
Krieger werden, aber in der Schlacht fallen. Finduilas ahnte es: Boromir würde
nicht alt werden. Dann blickte sie zu Faramir: seine großen, blauen Augen
hatten sich mit Tränen gefüllt. Der arme Junge, er würde viel in seinen Leben
leiden müssen. Aber irgendwann würde sich auch alles für ihn zum guten wenden.
Ihr letzter Blick galt Denethor: es machte ihr Angst, was sie in seinen
Augen sah. Trostlosigkeit und Leere. Er würde Faramir für ihren Tod büßen
lassen. Im Stillen hoffte sie, dass es nicht so sein würde. Denethor war
eigentlich ein guter Mensch, doch diesen Schicksalschlag würde er nicht
verkraften. Der Palantír von Anor würde ihn gänzlich in den Wahnsinn treiben.
Finduilas wollte ihn warnen, doch sie brachte keinen Laut mehr hervor. Sie
tastete nach Denethors Hand. Als sie seine Wärme spürte, starb sie
schließlich mit einem wehmütigen Lächeln auf den Lippen.
Denethor ließ
erschrocken nach Ioreth rufen. Doch die Heilerin konnte nur Finduilas’ Tod
feststellen: „Sie ist davongeflogen, wie ein zartes Blatt im Wind.“
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