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Titel:
Abschied Autor: Lady
of Gondor
Regentropfen fielen unaufhörlich auf die Straßen nieder und
ließen Minas Tirith grau und eintönig wirken. Trotzdem der Mittag weit voran
geschritten war, waren die Straßen verlassen. Niemand schien dem Regen und dem
Wind gewachsen zu sein. Einsam und verlassen tanzte die Flagge des Königreichs
Gondor im Wind...schwarz und weiß, doch selbst der Baum und die Sterne wirkten
verblasst. Ja....auch der Himmel weinte, begleitet von dem traurigen Lied des
Windes.
Doch ein einsamer Reiter kämpfte sich durch Wind und Regen.
Leise hallten die Hufschläge auf dem Steinboden wieder. Er hatte die Kapuze
tief in sein Gesicht gezogen und trotzdem strahlte er Traurigkeit und Schmerz
aus. Sein Umhang sowie das weiße Fell des Pferdes waren von der Reise
gezeichnet. Für einen kurzen Moment blickte er auf und atmete tief ein.
Zielstrebig lenkte er sein Pferd schließlich auf die Häuser des Königs zu. Auch
hier herrschte Stille und er spürte die Trauer, die überall auf den grauen
Steinen lastete. Ein junger Mann lief ihm entgegen und verbeugte sich, als er
sein Pferd zügelte.
Lange war es her, dass er Luinir begegnet war und erst jetzt
wurde er sich bewusst, wie lange er diese Stadt schon nicht mehr betreten
hatte. „Mein Herr Legolas...ihr werdet schon erwartet.“ Die Stimme des
Stallburschen war leise und er wagte es nicht, dem Elben in die Augen zu sehen.
„Es steht nicht gut um ihn...Arwen ist an seiner Seite, aber sein Geist scheint
nur auf euch zu warten, bevor er diese Welt verlässt.“ Legolas unterdrückte die
Tränen und stieg ab. Er berührte Luinir leicht an der Schulter und dankte ihm
auf elbisch, eine Sprache, die der junge Mann liebte.
*****
Langsam betrat er die Wohnstätte seines Freundes und spürte
die Ketten um sein Herz, die mit jeder Sekunde enger wurden. Seine Schritte
wurden immer schwerer, je näher er den Gemächern seines Freundes kam. Alles
hier schien im fremd zu sein, obwohl er schon so oft Gast in diesem Hause war.
Legolas fühlte sich hier, wo alles von Menschenhand geschaffen wurde, zum
ersten Mal nicht wohl, sondern wie in einem Gefängnis. Es fiel ihm schwer,
weiterzugehen und doch wusste er, dass dieser Weg beschritten werden musste.
Seine Gedanken tauchten in die Vergangenheit ein und verweilten
dort....flüchteten vor der grausamen Realität, die so greifbar nah war.
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Ihre Wege hatten sich vor langer Zeit gekreuzt und seit
diesem Tag nannten sie sich Freunde. Er der Prinz aus dem Düsterwald und Estel,
dessen Schicksal das eines Königs war. Stunden von Glück, Freude aber auch
Trauer und Leid erlebten sie zusammen und nie trübte etwas ihre Freundschaft.
Die dunklen Pfade zum Zwecke der Ringvernichtung bestritten sie Seite an Seite.
Mehr als einmal war diese Mission knapp vor dem Scheitern und eine falsche
Entscheidung hätte sie ins Verderben geführt. Doch selbst in dieser dunklen
Zeit zweifelte Legolas nicht an seinem Freund und dessen Führung. Oftmals war
es nur das Wissen, den anderen an seiner Seite zu haben, das Zweifel und
Finsternis in ihnen niederkämpfte. Der junge Prinz wäre damals für Aragorn in
den Tod gegangen, denn sein Schicksal galt es zu beschützen. Er liebte den
Menschen wie einen Bruder und hatte stets ein Auge auf ihn, so wie auch Aragorn
den Elben nie aus dem Blick verlor. Nur ihm vertraute Aragorn das Geheimnis an,
welches in seinem Herzen wohnte.
*****
Legolas hatte es jedoch schon längst geahnt, denn Augen
waren das Tor zur Seele und für ihn war Aragorn fast schon ein offenes Buch. Er
sah die Liebe in ihnen, die sein Freund empfand. Aber es war nicht die Liebe zu
Arwen, die dem zukünftigen König ihr Herz geschenkt hatte. Nein...es war die
tiefe Zuneigung zu dem Krieger aus Gondor, der ebenfalls mit ihnen aufgebrochen
war. Die gegenseitige Verachtung war eine schützende Fassade, die in der
anhaltenden Dunkelheit von Moria zerbrochen war. Was ihr Denken verleugnete,
ihr Herz jedoch seit der ersten Begegnung wusste, wurde ihnen dort offenbart.
Sie verloren sich in der tiefen Liebe zueinander und wollten alle Wege
gemeinsam überstehen. Doch das Schicksal hatte andere Pläne mit ihnen.
Über Boromirs Herz legte sich ein dunkler Schatten, der den
Krieger oftmals zweifeln ließ....an sich selbst, der Mission und nicht zuletzt
an dem, den er liebte. Die Angst um sein Volk machte sich der Feind zur
Verbündeten und langsam schlich sich das Verlangen nach dem Ring in seine
Seele. Selbst in Lorien kam der blonde Mann aus Gondor nicht zur Ruhe und die
Liebe zwischen ihm und Aragorn wurde auf eine harte Probe gestellt. Des Feindes
Wille hatte Zwiespalt zwischen ihnen gesät, aus dem eine Auseinandersetzung
entstand, die das geteilte Vertrauen erschütterte. Damals war Legolas
unfreiwillig Zeuge dieses Streits und schon damals hätte er ihn als Vorbote für
das Unglück sehen müssen.
*****
Ihr Aufenthalt in Lorien sorgte jedoch dafür, dass auch
Boromir für kurze Zeit zur Ruhe kam. Trotzdem ging er oft eigene Wege und nicht
einmal die Hobbits konnten seine Sehnsucht nach Aragorn für Augenblicke
vergessen machen. Doch die Valar wollten den Gondorianer noch einmal lächeln
sehen, bevor sich sein Schicksal erfüllen würde. Eine sternenklare Nacht ließ
all den Streit zwischen Boromir und Aragorn schwinden und sie liebten sich im
Angesicht der Sterne. Als sie am nächsten Morgen zum Lager zurückkamen, musste
Legolas keine Fragen stellen, denn ihre Augen sprachen mehr als 1000 Worte.
Nichts schien mehr ihre Liebe, oder den gemeinsam zu gehenden Weg zu
durchkreuzen.
Hatte sich das Schicksal für diese Zeit zum Guten gewendet,
schien der Anduin sie in die Dunkelheit zu führen. Erneut fielen zwischen den
beiden Menschen harte Worte und Aragorn suchte Trost in der Nähe von Legolas,
während Boromir mit seinen Zweifeln alleine war. In diesem Moment wurde die
Freundschaft zwischen dem Elbenprinz und Aragorn auf eine harte Probe gestellt.
Legolas wollte Boromir helfen, denn er sah in der Liebe der beiden Menschen das
Licht für die verdunkelte Seele des Kriegers und somit seine Rettung. Doch er
entschied sich dagegen und spendete Aragorn Trost. Ein Fehler...denn niemals
kam ein Wort des Bedauerns über die Lippen der Menschen. Misstrauen und Wut
hatten die Stimme des Herzens geknebelt und den Kampf gegen die Liebe gewonnen.
An diesem Tag schlug das Schicksal hart zu und während
Boromir sein Leben im Kampf ließ, brach mit dem letzten Atemzug des Kriegers
Aragorns Herz. Erst jetzt erkannte der zukünftige König, dass die einem
gegebene Zeit so genutzt werden sollte, dass man keine Sekunde davon bereute.
Doch es war zu spät....die Worte waren gesprochen, Verletzungen zugefügt und im
Streit hatten sie sich getrennt, nichts konnte die verlorene Zeit wieder
zurückholen. Legolas sah den Schmerz in Aragorns Augen und wusste, dass sich
seine Seele mit der von Boromir auf den Weg in die Hallen der Menschen machen
würde.....dort auf immer vereint, bis auch Aragorns Schicksal sich erfüllen
würde.
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Auch jetzt erinnerte sich Legolas an diese dunkle Stunde,
über die sein Freund nie hinweg gekommen war. Elben starben an einem
gebrochenen Herzen, doch er war ein Mensch und konnte dem überwältigenden
Schmerz bis an sein Lebensende nicht entkommen. Selbst in den letzten Jahren
führten Aragorns Wege in die Einsamkeit und trotzdem er Arwen geheiratet hatte,
war sein Herz nicht bei ihr. Einen Teil hatte Boromir damals mit auf den Weg in
die Hallen seiner Väter mitgenommen. Und nun schien es so, als würden sie
wieder zueinander finden....der Krieger und der König. Unbemerkt hatte sich
eine einsame Träne über Legolas‘ Wange gestohlen und er fürchtete sich vor dem
Augenblick, von dem er nur noch wenige Schritte entfernt war. Wieder würde er
mit ansehen müssen, wie ein guter Freund die Welt verließ, während er immer
noch hier weilte. Doch es gab kein zurück....ihre Freundschaft hatte Krieg und
Zerstörung überdauert und Legolas war es Aragorn schuldig, im Moment des Todes
in seiner Nähe zu sein.
Leise klopfte er an die schwere Holztüre und wartete auf
eine Reaktion. Es dauerte einen Augenblick, bis ihm geöffnet wurde. Legolas
erschrak, als er in das Antlitz seines Gegenübers blickte. Die Augen, sonst
strahlend schön, wirkten erschöpft und fast leblos, während ihre frühere Anmut
und Schönheit dem Kummer zum Opfer gefallen waren. Unnatürlich blass war ihre Haut
und die Haare schienen sämtlichen Glanz verloren zu haben. Der Abendstern, hell
und strahlend, verbarg sich vor dem Leid der Welt. Ohne ein Wort zu sagen, nahm
er Arwen in die Arme und drückte somit mehr aus, als mit jeder gesprochenen
Silbe möglich war. Legolas spürte das Zittern ihres Körpers und wusste von den
Tränen, die ihr Herz wie auch ihre Augen vergossen. Sanft streichelte er der
Elbin über den Rücken. Wie damals mit Boromir ein Teil von Aragorn starb, würde
jetzt auch ein Teil von Arwen zerbrechen. Nie wieder würden die Völker
Mittelerdes den Glanz des Abendsterns sehen. Aber auch er selbst spürte, wie er
an diesem Leid zerbrach.
*****
Legolas zog Arwen behutsam mit sich und schloss leise die
Tür. Der Raum war abgedunkelt und der Wind spielte mit den Vorhängen, da ein
Fenster geöffnet war. „Er hat das Geräusch des Regens immer geliebt....“ Arwens
Stimme brach bei diesen Worten und Legolas verstand. Sie wollte ihm noch einmal
ermöglichen, die fallenden Regentropfen zu hören. Wie Tränen klangen sie, als
sie auf den Steinboden trafen. Langsam schritt Legolas auf das große Bett zu,
dass im Schein einiger Kerzen lag. Tränen rannen über die Wangen des Elben, als
er vor dem Bett kniete und seine Augen über die Gestalt seines Freundes gleiten
ließ. Alt war der König von Gondor geworden, doch strahlte er selbst jetzt noch
etwas aus, dass Legolas immer fasziniert hatte. Stolz und Stärke vereinigten
sich in seinem Blut und die grauen Augen hatten selbst auf dem Sterbebett ihren
Glanz nicht verloren.
Langsam griff er nach der Hand des Freundes, der in seinem
Leben einen wichtigen Platz eingenommen hatte. Ihre Blicke trafen sich und
Legolas sah in den weisen Augen des Königs ein Lächeln....ein Lächeln, dass von
Herzen kam. „Mein alter Freund....lange wandelten wir auf demselben
Weg...doch....meine Zeit...sie ist vorüber, ich spüre es. Du und mein
Abendstern....ihr...ich habe keine Angst, wenn ihr an meiner Seite seid. Es war
mein letzter Wunsch....“ Ein tiefer Atemzug unterbrach Aragorns Worte und
Legolas spürte, wie sich die rauhen Finger des Menschen an seine klammerten.
Arwen war nun auch an das Bett getreten und streichelte sanft eine graue
Strähne aus Aragorns Gesicht. „Wir sind bei Dir Estel...Hoffnung der Menschen.“
Ihre Stimme war von Tränen erstickt, denn auch sie spürte, dass nicht mehr viel
Zeit blieb. Stille trat ein, die nur von den schweren Atemzügen des Königs von
Gondor unterbrochen wurde.
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Erschöpft schloss Aragorn seine Augen. Das Atmen fiel ihm
immer schwerer und doch lächelte sein Herz. Die beiden Geschöpfe, die ihm am
meisten am Herz lagen....von denen, die den Krieg überlebt hatten....waren an
seiner Seite und würden ihn halten, bis sein letzter Atemzug vollbracht wurde.
Diese Erkenntnis nahm ihm viel Angst und nur die Sorge um seinen Abendstern und
Legolas blieb. Er spürte die Nähe der beiden....fühlte die zarten Berührungen
von Arwens Fingern und die Geborgenheit vermittelnde Hand von Legolas. Für
einen Moment hatte er das Gefühl, einen längst vermissten Blick auf sich ruhen
zu haben. Leise Worte drangen plötzlich an sein Ohr. „Mein König....mein
Geliebter. Die Zeit ist gekommen, in der unsere Seelen sich wieder vereinen.
Hab keine Angst, ich werde Deine Hand nehmen und Dich nie mehr alleine lassen.
Zu jeder Zeit habe ich über Deinen Weg gewacht und auf Dich gewartet.“ Verwirrt
öffnete Aragorn seine Augen und konnte die Träne auf seiner Haut spüren, die
langsam über seine Wange lief. Diese Stimme war so nah und plötzlich sah er
ihn. Ein heller Glanz umgab den Menschen, der neben seinem Bett stand und ihn
anlächelte. Die Wunden des Krieges waren von seinem Antlitz verschwunden und
die grünen Augen strahlten wie in ihrer letzten gemeinsamen Nacht. Er war
schöner, als er es zu Lebzeiten je war und Aragorn konnte seinen Blick nicht
von ihm abwenden. Er war gekommen....gekommen um ihn auf seinem letzten Weg zu
begleiten. Eine weitere Träne stahl sich aus seinen Augen. „Er ist
hier...Boromir, er ist gekommen.“
Legolas sah überrascht auf und blickte sich im Raum um.
Außer Arwen war niemand mehr anwesend und doch spürte der Elb, dass Aragorns
Worte wahr waren. Er sah Arwen an, die verwirrt auf ihren Ehemann blickte. Der
Elb lächelte leicht vor sich hin...endlich würden die beiden Liebenden wieder
zusammenfinden. Durch Tod getrennt und durch den Abschied des Lebens wieder
vereint. Er wusste, dass sein Freund auch mit Arwen glücklich gewesen war, aber
nie hatten seine Augen so sehr gestrahlt, wie sie es bei Boromir vermocht
hatten.
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Besorgt hatte sich Arwen neben ihn gesetzt und küsste die
Tränen von des Königs Wangen. Aragorns Finger berührten langsam die warme Haut
und streichelten über das Gesicht der Elbin. Er wollte ihre alterslosen Züge
ein letztes Mal unter seinen Fingerspitzen spüren und sie in Erinnerung
behalten. Ihre Augen waren voller Schmerz und der leichte Schimmer, der sie
immer umgab, war fast erloschen....es tat Aragorn weh, sie so zu sehen. Seine
Hand glitt hinab und verharrte über ihrem Herzen. Der König über Gondor spürte
den Herzschlag und lächelte schwach. Für ihn war Arwen immer der hellste Stern
am Himmel gewesen, nachdem Boromir gefallen war. Sie hatte ihm die verlorene
Kraft gegeben, die Trauer und Krieg mit sich genommen hatten. Es gab nie einen
Augenblick, in dem er seine Frau nicht geachtet oder geliebt hatte....und nun
sollte er sie hier zurücklassen, gefangen in Trauer und Schmerz.
Still beobachtete Legolas die zärtliche Geste. Für einen
Moment war er versucht, die Gemächer zu verlassen und den beiden noch ein wenig
Zeit alleine zu geben. Doch der Blick seines Freundes hielt ihn davon ab.
„Bleib Legolas.....ich will auch Dich an meiner...meiner Seite wissen.“
Sein Griff um Legolas‘ Hand wurde fester....er wollte seinen
treuen Weggefährten nicht gehen lassen. Zu kurz war die Zeit, die ihm noch
blieb und er wollte keine Sekunde davon verschenken. Arwen...sein kleiner
Abendstern...sie würde am meisten leiden und das hatte sie nicht verdient. Für
ihn hatte sie ihre Unsterblichkeit gegeben und jetzt konnte er sie nicht mehr
in seinen Armen halten....ihr Trost in dunklen Stunden geben oder von ihrer
Liebe erfüllt werden. Aragorn wollte seine Frau in dieser schweren Stunde nicht
allein lassen und er wusste, dass Legolas da wäre, um sie vor dem Abgrund
aufzufangen.
*****
Eine plötzliche Berührung, zart und kaum wahrnehmbar, ließ
ihn aufsehen. Sanfte Hände streichelten durch sein Haar, über sein Gesicht und
fast war es so, als hätte jemand die Zeit zurückgedreht. Aragorn war wieder in
Lorien und atmete den vertrauten Geruch seines Geliebten tief ein. Starke Arme
hielten ihn in einer liebevollen Umarmung gefangen, während eine sanfte Stimme
Wörter der Liebe in sein Ohr flüsterte. Auch jetzt war Aragorn erstaunt, wie
zärtlich und sanft der eigensinnige Krieger aus Gondor sein konnte. War er
sonst stolz und stark, gab er sich in seiner Nähe verletzlich und empfindsam.
Trotzdem liebte er mit der Intensität, die er auch im Kampf einsetzte. Tief in
seinem Inneren wusste Aragorn, dass diese Zeit, dieser Ort nur ein
verzweifelter Wunsch seines Herzens war und doch wollte er nicht zurück in
seine Gemächer, wo er den Tod finden würde. Boromir schien diese Gedanken zu
spüren, denn er legte Aragorn einen Finger auf die Lippen. „Shhhhhht...mein
König. Es ist nicht nötig, das auszusprechen, was Dein Herz weiß. Wie gerne
würde ich Dich hier zurücklassen, aber Deine Zeit ist gekommen Aragorn. Man muss Abschied nehmen können, wenn man
weitergehen will und Dein weiterer Pfad ist vor Dir ausgebreitet.“ Boromirs
Stimme war leise und Tränen verschleierten den Blick des Kriegers, als er
Aragorn anblickte. Er kannte den Schmerz, wenn man einen geliebten Menschen
zurück ließ und der einen selbst im Angesicht des Todes nicht losließ. „Und man
muss loslassen können, denn dann hat man beide Hände frei und kann seine Flügel
ausbreiten.“ Er hauchte Aragorn einen Kuss auf die Stirn und entließ ihn aus
seinen Armen.
Einen Augenblick später
befand sich Aragorn wieder in seinem Bett. Er vernahm seinen Namen und ihm
entging der panische Ton der Stimme von Arwen nicht. Müde schlug er seine Augen
auf und blickte die Elbin an. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er für einen
Moment in einen Zustand der Bewusstlosigkeit geglitten war. „Ich...wir...wir
hatten Angst...“ Sie vollendete ihren Satz nicht und barg ihren Kopf auf der
Brust des Königs. Noch vernahm sie seinen Herzschlag, doch er war schwach und
langsam. Aragorns Blick fand den von Legolas und er erkannte auch in dessen
Augen Tränen. Sie wussten es...sie wussten es genauso, wie er es auch selbst
wusste. Seine Zeit unter den Sternen Mittelerdes war vorüber und er konnte nur
noch Abschied nehmen. Erneut fiel Aragorns Blick auf Boromir, dessen Augen vor
Trauer verdunkelt waren. Langsam strich der König über das Haar von Arwen und
nahm schließlich ihre Hand. „Verliere nie Dein Leuchten schönster Stern von
allen. Ich habe...habe Dich immer geliebt und werde Dich immer in meinem Herzen
tra...tragen.“ Bei diesen Worten sah Arwen auf und führte die Hand ihres Mannes
an ihre Lippen, bevor sie ihm einen zärtlichen und letzten Kuss schenkte. Die
Zeit schien in diesem Moment stehen zu bleiben und doch konnte er nicht ewig
dauern. Langsam löste sich die Elbin von Aragorn und senkte ihr Haupt. Aragorn
spürte die Tränen, die seine Tunika durchnäßten und fühlte ihre Trauer tief im
Herzen.
*****
Ohne seine Frau loszulassen,
wandte sich der König an Legolas. Er drückte die Hand des Freundes noch einmal
und lächelte ihn schwach an. „Hannon le, mellon nîn.“ Es bedurfte nicht mehr
Worte zwischen ihnen, denn Legolas verstand die Botschaft. Er kämpfte die
Tränen nieder, die sein Herz weinte und hauchte Aragorn einen Kuss auf die
Stirn. „Leb wohl Elbenstein...mögen die Valar über Dich wachen.“
Doch Aragorn vermochte
dies nicht, denn Tränen rannen über seine Wangen. Er bemerkte, wie Boromir
näher an das Bett herantrat und spürte die sanften Liebkosungen. Wie zart die
Hände eines Kriegers im Angesicht der Liebe sein konnten. „Es ist Zeit mein
König. Die Sterne warten auf uns.“ Ein trauriges Lächeln lag bei diesen Worten
auf Boromirs Lippen und er blickte Arwen und Legolas an. Er schätzte sie beide
und doch nahm er ihnen jetzt den Menschen, der in ihren Herzen wohnte. Langsam
beugte er sich über Aragorn und streichelte eine graue Haarsträhne aus seinem
Gesicht. Obwohl der frühere Waldläufer alt geworden war, strahlte er immer noch
Schönheit, Wissen und Stolz aus. Alles erinnerte an den Mann, der er einst
gewesen war....nur der Glanz seiner Augen erlosch langsam. Der Gondorianer
lächelte sanft und fuhr mit seinen Fingern die Züge Aragorns nach. „Du bist so
schön Estel...selbst jetzt.“ Sekunden später schloss Boromir seine Augen und
berührte mit seinen Lippen die des Königs. Ein heller Lichtstrahl durchzuckte
Aragorn, als sich ihre Lippen berührten und sich in einer Geste der Liebe
vereinten....einer Liebe, die über den Tod hinausging. Noch einmal spürte
Aragorn die haltende Hand von Legolas und fühlte die Tränen seiner Königin auf
seiner Haut. Wärme erfüllte ihn und er wusste instinktiv, dass diese Wärme von
Boromir kam. Seine Sinne nahmen nur noch den sanften Kuss wahr, der ihm Flügel
schenkte. Alles andere...Arwen, Legolas und sein Gemach versank langsam in
einer tiefen Dunkelheit. Aragorn wollte umdrehen, doch Boromir hielt seine Hand
und führte ihn dem Licht entgegen. Hell und strahlend war es....das Gegenteil
der verschlingenden Dunkelheit hinter ihm. Licht und Dunkelheit gehörten
zusammen, so wie Leben und Tod unüberbrückbar zusammengehörten und nun
verschmolz dies in der Ewigkeit.
In diesem Augenblick
vernahm Arwen, deren Kopf immer noch an der Brust des Königs verweilte, den
letzten Herzschlag Aragorns. Verzweifelt sah sie auf und erkannte das Lächeln
auf Aragorns Lippen. Seine Augen waren geschlossen und er sah fast so aus, als
ob er nur schlafen würde. In einer Geste aus unendlicher Traurigkeit
streichelte die Elbin zärtlich über das vom Alter geprägte Gesicht und beugte
sich zu ihm hinab, um seine Lippen noch einmal zu berühren. Tränen benetzten
sein friedliches Gesicht und Arwens Trauer war nicht länger zurückzuhalten.
Legolas senkte seinen
Kopf und spürte, wie ihm die Hand von Aragorn entglitt. Auch er konnte die
Tränen nicht mehr zurückhalten. Schließlich stand er auf und führte seine
rechte Hand zu seinem Herzen. „Ruhe in Frieden...Sohn Gondors, Hoffnung der
Menschen und geliebter Elbenstein.“ Wie sehr hatte Legolas diesen Moment
gefürchtet und nun war er gekommen. Wortlos griff er nach Anduril und legte das
Schwert dem König in die Hände. Ehrfürchtig verbeugte er sich „Hiro hon hîdh
ab'wanath” und trat dann zu Arwen,
deren Tränen dem Regen glichen. Sanft nahm er die Elbin in den Arm und
streichelte ihr behutsam die Tränen von der Wange. Doch kein Wort kam über
seine Lippen, zu groß war die Trauer um Aragorn. Sie hielten einander fest und
teilten so den Schmerz über diesen Verlust....ein Verlust, der den Glanz aus
den Augen der beiden Elben gestohlen hatte.
Nur das Wissen, dass
Aragorn nun durch den Tod mit Boromir vereint war, ließ Legolas traurig
lächeln. Ja...der Krieger aus Gondor war gekommen, um den König zu holen...ihn
in die Hallen ihrer Väter zu begleiten. Dort würde ihre Liebe auf ewig vereint
sein, so wie die beiden Liebenden. Und zurück blieb Arwen, die am Schmerz des
Todes schwinden würde und er selbst, in der ständigen Qual gefangen, die die
ihm am Herzen lagen durch den Tod zu verlieren, während er unsterblich war.
Das Los der
Unsterblichkeit...Geschenk und gleichzeitig Qual
** Hiro hon hîdh ab'wanath
= Möge er Frieden finden nach dem Tod ** Hannon le, mellon nîn = Danke, mein Freund.
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