Titel: Kleine Helden: Krieger haben keine Angst
Autor: Lady of Gondor



Dunkle Wolken thronten über dem Düsterwald und vertrieben jeden Sonnenstrahl. Je weiter der Tag voranschritt, umso mehr gewannen die Vorboten des Gewitters die Oberhand. Ein rauher Wind ließ die Blätter der Bäume erzittern und nahm viele von ihnen mit sich. Schon grollte das erste Donnern von fern heran und Blitze erhellten den Himmel. Die meisten Bewohner des Düsterwaldes hatten die Wärme ihrer Häuser der Ungemütlichkeit des Wetters vorgezogen und hörten nur das ferne Grollen oder den pfeifenden Wind.

Nur eine einzelne Gestalt verließ den Palast des Königs und sah sich in dem großzügig angelegten Garten um. Es schien beinahe so, als würde diese Gestalt etwas suchen und Sekunden später gefunden haben. "Legolas.....bald wird uns das Unwetter erreicht haben und dann wird der Garten kein Platz mehr für einen kleinen Prinzen sein." Ein blonder Schopf schaute bei diesen Worten aus einem kleinen Baumhaus heraus. "Aber Celondil....ich bin nicht klein...ich bin schon ein großer Krieger und jeder Ork hat vor mir Angst." Der Berater des Königs musste lachen und zog eine Augenbraue hoch. "Natürlich mein Prinz. Aber ich fürchte, über einen nassen, kleinen, schmollenden Prinzen würden sie nur lachen."

Geduldig blieb der blonde Elb unter dem Baumhaus stehen, dass in einer geringen Höhe auf einem jungen Baum errichtet wurde. Er musste auch nicht lange warte, denn der kleine Legolas kletterte wenige Sprossen runter und ließ sich dann einfach in seine Arme fallen. "Ich bin nicht klein und regnen tut es auch nicht." Wie zur Bestätigung fielen die ersten dicken Tropfen zu Boden und auf Legolas' Nase und Sekunden später erhob der Himmel seine Stimme zu einem Grollen. Legolas erschrak und presste sich ängstlich an Celondils Brust. Dieser lächelte nur und strich dem Jungen beruhigend über den Rücken. "Das ist nur Donner Legolas...vor so etwas hat doch kein großer Krieger Angst." "Das ist kein Donner....das sind Trommeln...sie kommen....." Ganz verschreckt klammerte sich Legolas an den älteren Elben und zitterte inzwischen wie die wiegenden Blätter im Wind. Er hatte die Augen geschlossen und bekam so nicht mit, dass sich Celondil vom Baumhaus entfernte.

Erst, als sie fast schon am Palast waren, fiel dem Jungen ein, dass er seinen Bogen und auch seine Kuschelente im Baumhaus vergessen hatte. Bevor Celondil reagieren konnte, hatte sich der junge Prinz aus seinen Armen gewunden und rannte mitten durch den Regen, der immer stärker wurde. Er rief ihm hinterher, aber Legolas verschwand schließlich bald in einem kleinen Waldstück. Kopfschüttelnd folgte ihm der Berater und hörte, wie sich der nächste Donnerschlag mit einem leisen Schrei vermischte. Leise auf den kleinen Elben fluchend folgte er dem Geräusch und fand Legolas auf dem Bauch liegend mitten in einer Pfütze. Tränchen flossen ihm übers Gesicht und Celondil sah, dass er wohl über einen Ast gestolpert war.

Als der Berater seinem Schützling aufhalf, weinte dieser noch mehr. "Londil? Ich seh nichts mehr....." Ganz verzweifelt versuchte der kleine Legolas nach dem älteren Elb zu tasten, bis er schließlich schützende Arme um seine Taille spürte. Celondil lächelte und wischte dem blonden Wirbelwind Matsch aus den Augen, so dass er wieder problemlos sehen konnte. "Wo wolltest Du denn wieder hin Legolas?" Er hob den Jungen bei diesen Worten wieder auf seine Arme und suchte nach möglichen Verletzungen, die er aber nicht fand. Legolas zappelte weiterhin und wollte wieder auf den Boden. "Ich hab Findel und Kuschelwarg vergessen...sie haben bestimmt Angst und ihnen ist kalt....wollte sie holen...der Ast....gestolpert." Seine Worte sprudelten nur so aus ihm heraus, doch Celondil verstand deren Sinn. Leise seufzend kämpfte er sich mit dem Kleinkind auf seinem Arm zurück zu dem Baumhaus. Sofort war Legolas die wenigen Sprossen hinaufgeklettert und kam Sekunden später mit seinem Holzbogen und der blauen Plüschente wieder zurück.

Augenblicke später stand Legolas lächelnd vor Celondil, der ihn wieder auf den Arm nahm. Inzwischen war der Regen stärker, der Wind zu einem halben Sturm geworden und auch das Gewitter schien näher zu kommen. Also beeilte sich der Berater, den Sohn seines Herrn in Sicherheit zu bringen. Doch solange kein Donner die Luft erschütterte, schien Legolas das nichts auszumachen. Mit einem hellen Lachen hielt er dem blonden Elb seine Ente vor die Nase. "Guck Kuschelwarg hat Angst.....es riecht die bösen Orks." Celondil blickte die Ente an und fragte sich erneut, warum Legolas ihr diesen Namen gegeben hat...denn weder sah das Kuscheltier wie ein Warg, noch besonders gefährlich aus.

Aber er beschloss, dass nicht offen zu fragen, sondern lächelte den kleinen Jungen auf seinem Arm freundlich an. "Kuschelwarg hat Angst, obwohl ein großer Krieger mit seinem gefährlichen Bogen bei ihr ist?" Sofort erhellten sich die Augen von Legolas und vor lauter Aufregung hätte er die Ente fast fallen lassen. "Hast Du gehört Kuschelwarg.....ich bin ein großer Krieger und Findel meine gefährliche Waffe." Fröhlich plapperte er weiter und bemerkte gar nicht wirklich, dass sie den Palast schon erreicht hatten. Erst als Celondil ihn langsam herunterließ, begriff er, wo sie sich befanden.

"Meinst Du Ada hat Zeit für mich?" Mit hoffnungsvollen, großen Augen blickte Legolas den hoch gewachsenen Berater an und senkte traurig seinen Kopf, als Celondil ihm tröstend über die Haare strich. "Er hat heute noch einen Rat mit anschließendem Abendessen. Ich muss daran leider auch teilnehmen, sonst hätte ich aus Deinem großen Buch vorgelesen. Tut mir leid mein Kleiner." Legolas nickte nur und versuchte die Tränchen zu unterdrücken, die bei der Aussicht auf einen einsamen Abend in seinem Zimmer in seine Augen stiegen.

Er ließ den Tränen erst freien Lauf, als Celondil sein Zimmer verlassen hatte. Während sich draußen inzwischen wirklich ein Unwetter zusammengebraut hatte, saß Legolas traurig am Fenster und blickte hinaus. Er snüffte immer wieder leise und hielt seine Plüschente fest an sich gedrückt.

Ein erneuter Donner ließ ihn zusammenschrecken und ein leiser Schrei löste sich von seinen Lippen. Nein....er mochte Gewitter nicht, sie machten ihm Angst. Er erinnerte sich daran, wie er früher immer auf dem Schoß seines Adas saß und dem Klang seiner beruhigenden Stimme zugehört hatte. Da waren die Gewittert nicht so bedrohlich gewesen und außerdem war dann auch noch ein mutiger Krieger in seiner Nähe. Denn in solchen Momenten wie diesen fühlte sich Legolas nicht wirklich wie ein Krieger, sondern eher wie ein kleines, hilfloses Kind.

Da fiel ihm plötzlich sein Pony ein, das nun bestimmt auch ganz alleine im Stall stand und Angst hatte. Und in seinem Kopf reifte eine Idee und er beschloss, dass sie zu zweit längst nicht soviel Angst hatten, wie jeder für sich. Also rutschte er von seinem Bett und holte einen zerknautschten Umhang unter dem Bett vor. "Naja Kuschelwarg....so ganz wie ein Krieger seh ich wohl nicht aus....und so furchtlos bin ich gerade auch nicht....aber wir können ja immer noch weglaufen." Mit diesen Worten schnappte er sich seine Plüschente, seinen Bogen und streckte seinen Kopf zur Türe heraus.

Im Gang war es still, alle schienen bei dem großen Abendessen zu sein...alle außer er selbst. Er verdrückte wieder ein Tränchen bei diesem Gedanken und tapste umso entschlossener zum Balkon am Ende des Flurs. Auch dort war niemand, so dass Legolas völlig ungesehen den Palast verlassen konnte. Für ein paar Sekunden bereute er seine Entscheidung, denn es blitzte hell und donnerte nur einen Atemzug später heftig. Doch er war ein Krieger und Krieger waren, so wie sein Ada mutig.

Es dauerte nicht lange und Legolas war bis auf die Haut durchnässt und trotzdem wollte er nicht aufgeben. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, seinen Kuschelwarg an die Brust gepresst und den Bogen in der anderen Hand, lief er tapfer weiter.

Mittlerweile hatten sich durch den Regen Pfützen gebildet und wie kleine Kinder nun mal so sind, musste Legolas in eine jede Pfütze springen. Das lenkte ihn wenigstens von der Angst ab und so bemerkte er auch nicht, dass der Wind stärker und der Regen heftiger wurde. Auf dem weiteren Weg zum Stall wurde von ihm keine Pfütze verschont und es war ein Wunder, dass nicht auch sein Kuschelwarg oder Findel der Bogen hinein fielen. Denn seine Schuhe waren schon einem Matschloch zum Opfer gefallen, aber das machte dem jungen Elben nichts aus. Fröhlich von Pfütze zu Pfütze hüpfend setzte er seinen Weg barfuß fort.

Als er dann schließlich am Stall ankam, erinnerte nichts mehr an den kleinen Elbenprinzen, der er war. Die Hose, sowie seine Tunika und auch der Umhang waren von oben bis unten vollgespritzt, während die bloßen Füße voller Schlamm waren. Selbst seine Haare waren wirr und schmutzig, einzig der Bogen und seine Kuschelente waren beinahe sauber. Langsam betrat Legolas den Stall und war sofort von dem Schnauben der Pferde beruhigt. Trotzdem machten ihm einige der großen Tiere Angst und so beeilte er sich zu dem Stall seines Ponys zu kommen.

Kaum erreichte er diesen, streckte sein Pony schon seinen Kopf über die Tür. Mit strahlenden Augen streichelte Legolas über das schwarzbraune Fell und redete beruhigend auf es ein. Ein weiterer Donner ließ die Luft erbeben und beide zuckten zusammen. "Keine Angst Balrog....Du kommst jetzt mit zu mir, dann sind wir nicht alleine und beschützen uns gegenseitig." Das Pony hob begeistert seinen Kopf und wieherte leise, als der junge Elb ihm ein leichtes Halfter anlegte und es dann herausführte.

Diese Begeisterung verschwand aber bald, als sich Pony und Elb durch den peitschenden Regen quälten. Ganz fest hielt Legolas die Leine umfangen und drückte gleichzeitig seinen Kuschelwarg und seinen Bogen an sich. Schritt für Schritt mühten sich die beiden voran und wurden immer wieder von den stürmischen Windböen zurückgetrieben. Der junge Elb ging jetzt ganz dicht neben seinem Pony und versuchte mit beruhigenden Worten gegen den Wind anzukommen.

Inzwischen kämpfte Legolas bei jedem Donnerschlag mit den Tränen und achtete gar nicht mehr auf die lustigen, großen Pfützen, die seinen Weg säumten. Mit jeder Sekunde wurde der Regen stärker und nach einer halben Ewigkeit hatten die beiden es schließlich geschafft.

Völlig durchnässt, voller Schlamm und kaum als Elbenjunge und Pony wiederzuerkennen, flüchteten sie über den Balkon in den Palast. Auch jetzt herrschte hier noch eine gespenstische Stille. Diese wurde jedoch von einem lauten Donnern durchbrochen, gefolgt von einem ängstlichen Wiehern und einem Aufschrei. Legolas drückte sich ganz fest an sein Pony und dachte nach. Er hatte zuviel Angst, um jetzt in sein Zimmer zu gehen, also beschloss er einfach, seinem Ada einen Besuch abzustatten. Sicher hatte niemand etwas dagegen, wenn er ganz still in einem Eckchen saß und mit Balrog spielte.

Fest entschlossen tapste der kleine Prinz zusammen mit seinem Pony dem großen Saal entgegen. Dabei hallten seine nackten Füßchen sowie Balrogs Hufe auf dem marmornen Boden wieder. Wenige Augenblicke später klopfte der junge Elb an die schwere Tür und schob sie mit aller Kraft auf. Und mit einem hellen Lachen auf den Lippen betrat er den Saal und zog sein Pony hinter sich her.

Alle Augen starrten auf den kleinen Prinzen und das Pony, die nicht mehr als solche zu erkennen waren. Nass bis auf die Haut und von Schmutz und Schlamm gezeichnet, standen die beiden mitten in der Halle und für einen Augenblick war nur das Geräusch der Tropfen zu hören, die von Legolas Kleidung und Balrogs Fell auf den Boden fielen. Doch Legolas störte das nicht, er lief unbeirrt auf seinen Ada zu. "Ada.....Balrog und ich haben Angst." Mit großen Augen blickte Legolas seinen Ada an und zuckte zusammen, als erneut ein Donner zu hören war. Dieser verschluckte auch das Husten von Glorfindel, der bei der Nennung des Namens von Legolas’ Pony wohl mit schlechten Erinnerungen kämpfte.

Während die Gäste des Königs nicht wussten, ob sie über diesen Elbling und sein Pony lächeln oder schimpfen sollten, wurde der Gesichtsausdruck Thranduils weich. Er blickte seinen Sohn an, der wirklich hilflos und ängstlich wirkte und erinnerte sich an sich selbst, als er noch ein junger Elb war. Auch ihn ängstigten Gewitter damals sehr.

Schließlich nickte er Celondil zu und erhob sich. Lächelnd ging er auf seinen Sohn zu und schloss ihn erst einmal in seine Arme. Es war dem König dabei egal, dass der Elbling seine Robe beschmutzte oder seine Gäste miteinander tuschelten. Er ließ es sich auch nicht nehmen, dass Pony seines Sohnes zu tätscheln und ihm einige beruhigende Worte ins Ohr zu flüstern.

"Du brauchst doch keine Angst haben mein kleiner Krieger und Balrog ebenfalls nicht. Niemand wird Dir hier etwas tun, schließlich müsste er erst einmal an mir vorbei und das lasse ich nicht zu." Liebevoll streichelte Thranduil über das nasse Haar seines Sohnes und dachte nach. Für einen Augenblick sah er zu seinem Berater und nickte dann unmerklich.

"Celondil....ich vertraue Dir meine Gäste an. Mein Sohn, Balrog und ich werden die bösen Dämonen bekämpfen, damit Legolas wieder ruhig schlafen kann." Er lächelte bei diesen Worten und war beruhigt, den erleichterten Ausdruck in Celondils Augen zu sehen. Scheinbar hatte der Berater genau so etwas erhofft.

"Ada...dürfen Kuschelwarg und Findel auch mit?" Erneut verschluckte sich Glorfindel, während einige andere Gäste verhalten kicherten.

Große Augen sahen zu Thranduil auf und der König konnte nur nicken. Er hob seinen Sohn auf den Rücken von Balrog und entschuldigte sich bei seinen Gästen für diese Unterbrechung. Wenig später verließ er den großen Saal und machte sich auf den Weg zu dem Baderaum. Dort befreite er Legolas und auch Balrog sorgfältig von Schmutz und Schlamm, bevor er seinen Sohn in ein kuscheliges Handtuch einwickelte und in sein Zimmer brachte.

Dort blieben sie aber nicht, denn Thranduil steckte den kleinen Elben in warme Kleidung und holte Decken, eine Kleinigkeit zu Naschen sowie das große Märchenbuch des Jungen. "Und nun mein Sohn wirst Du einen der Geheimgänge des Palasts kennenlernen, der uns direkt in den Stall führen wird." Voller Freude und Neugier strahlten ihn die blauen Augen seines Sohnes an, während er das Pony durch den von Fackeln erhellten Gang führte.

Wie versprochen kamen durch eine verborgene Tür zum Stall und Legolas fragte seinen Ada nach Sinn und Zweck dieses Ganges aus. Geduldig beantwortete Thranduil die Fragen, während er Legolas von Balrogs Rücken hob.

Ein Palast ist kein Ort für ein Pony, auch für den tapferen Balrog nicht. Aber das weiche Lager eines Stalles kann auch zum Ruheort von Elben werden. Ein kleines Abenteuer schadet niemanden von uns...also übernachten wir hier und ich erzähle Dir ein paar kleine Geschichten, damit Du nie wieder Angst vor dem Donner hast und auch einschlafen kannst." Lächelnd führte er Balrog in seinen Stall und ließ sich in das duftende Heu sinken. Legolas kuschelte sich an seinen Ada, der sorgfältig eine Decke über seinen Sohn legte und begann schließlich aus dem großen Buch vorzulesen.


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