Titel: Kleine Helden: Krieger im Sand
Autor: Lady of Gondor



Es war ein schöner, sonniger Tag in Eryn Lasgalen und die Bewohner nutzten ihn, um vielerlei Dinge im Freien  zu tun. Denn der erste wirklich warme Frühlingstag war immer etwas Besonderes. Und so sah man König Thranduil mit seinen Beratern und den hohen Gästen aus Lothlorien durch die königlichen Gärten spazieren, um in einem abgelegenen und sonnendurchfluteten Pavillon die alltäglichen Dinge zu besprechen. Alle Türen und Fenster des Schlosses waren geöffnet, so dass die Sonne und der erfrischende Wind auch bis in das Innere vordringen konnten.

Natürlich konnte auch Legolas dann nicht in seinem Bettchen bleiben. Der kleine Prinz schlug seine Decke zurück und sprang heiter ans Fenster, um die Sonne mit einem Lachen zu begrüßen. Normalerweise würde er jetzt erst einmal auf die Suche nach seinen geliebten Schokokeksen gehen, die er jeden Morgen von der Köchin des Palasts bekam. Doch heute wollte er lieber so schnell wie möglich hinaus und durch den Garten toben. Also rannte der kleine Prinz zu seinem Schrank und zerrte Beinlinge, Tunika und Schuhe heraus. Das Chaos, das er dabei hinterließ, kümmerte ihn wenig. Wenige Minuten später betrachtete er sich voller Stolz im Spiegel. Denn dies war das erste Mal, dass er selbst Kleidung aussuchte. Sonst hatte dies nämlich immer Anoriel, sein Kindermädchen getan. Aber es war noch zu früh am Morgen und wahrscheinlich schlief die junge Elbin auch noch.
 
"Echte Krieger können sich auch alleine anziehen, nicht wahr Orky."
Ernst sah er den kleinen quietschgelben Plüschelch bei diesen Worten an. Denn Orky war sein treuer Freund, der ihn in jede Schlacht und in jeden Kampf begleitete. Doch er war nicht nur sein Freund, sondern auch sein zuverlässiges Streitross. Mir dem Plüschelch und seinem Holzschwert Gandy im Arm, stürmte der Elbling schließlich aus seinem Zimmer.
Dabei rannte er direkt in die Arme von Thalaron, der wohl gerade auf dem Weg zum König war.
"Na wen haben wir denn da? Einen kleinen Prinzen, der nicht auf der Hut ist."
Lächelnd sah der ältere Elb auf Legolas hinab und zog eine Augenbraue hoch.
"Hat Dir Anoriel heute keine Kleidung bereitgelegt?"
Vorsichtig hob Thalaron den jungen Prinzen hoch und ging mit ihm wieder zurück zu dessen Gemächern. Denn so konnte er Legolas nicht aus dem Haus lassen... erst recht nicht, da in Eryn Lasgalen zurzeit Besuch aus Lothlorien verweilte. Der Elbling hatte nämlich eine hellgrüne Leggins an, die wohl im untersten Eck seines Schrankes lag, den Knitterspuren zu urteilen. Dazu trug er eine dunkelblaue Tunika und passend zu Orky gelbe Gummistiefel.
"Nein, aber ich bin ein Krieger und Krieger können sich doch selbst einkleiden Thal. Gefällt es Dir etwa nicht?"
 
Mit großen Augen sah Legolas den Berater seines Vaters an. Dieser dachte angestrengt darüber nach, was er auf diese Frage erwidern konnte. Denn verletzen wollte er den kleinen Prinzen nicht.
"Natürlich gefällt es mir, mein kleiner Held. Aber draußen scheint die Sonne... da sind Gummistiefel zu warm, ebenso die Beinlinge."
"Oh... da hast Du natürlich recht."
Erleichtert setzte Thalaron den jungen Elben auf dessen Bett und zog ihm erst einmal Stiefel und Beinlinge aus. Dann öffnete er den Schrank, um eine passende Leggins herauszusuchen. Doch dies bereute er gleich wieder. Denn kaum hatte er die Türen geöffnet, kamen ihm sämtliche Kleidungsstücke entgegen.
"Was ist denn hier passiert?"
Mit strengem Blick drehte er sich zu Legolas um, der mit großen, unschuldigen Augen auf dem Bett saß und mit den Füßen baumelte.
"Das war nicht ich. Das war eine böse Katze. Sie hat sich in meinem Schrank versteckt und alles durcheinander gebracht."
Bei dieser Antwort verschwand Thalarons strenger Blick und er musste lächeln.
"So eine böse Katze. Aber Anoriel räumt das bestimmt auf."
Ohne noch weiter auf dieses Chaos einzugehen, holte der Berater eine Leggins aus dem Kleiderberg, die den gleichen Farbton wie Legolas' Tunika hatte. Lächelnd hielt er diese dem blonden Elbling hin. Wenig später zog Thalaron ihm noch braune Wildlederstiefel an und betrachtete zufrieden sein Werk. Auch Legolas gefiel sich und so dauerte es nicht lange und die beiden Elben verließen die Gemächer des Prinzen wieder.
 
Auf dem Weg in den Garten kreuzten zwei weitere Elblinge ihren Weg. Legolas erkannte die beiden natürlich sofort und lief ihnen fröhlich lachend entgegen.
"Rumil... Orophin. Schön euch zu sehen. Habt ihr Lust mit mir spielen zu gehen?"
Die beiden Elben aus Lorien ließen sich das natürlich nicht entgehen. Hier in Eryn Lasgalen war ihnen nämlich sehr oft langweilig, da ihre Eltern Erwachsenendinge zu erledigen hatten. Da störten die beiden Zwillinge nur. Und Haldir hatte meist auch nie Zeit für sie, da er heimlich den Kriegern des Königs beim Schwerttraining zusah. Darum nickten sie begeistert und bevor Thalaron etwas sagen konnte, waren die drei Wirbelwinde im Garten verschwunden.
 
Er war sogar erleichtert, denn die drei jungen Elblinge waren schwerer zu hüten, als eine ganze Horde von Elblingen und sie hatten nur Blödsinn im Kopf. Wahrscheinlich würden sie irgendwann an diesem Tag wieder voller Schlamm, aber selig lächelnd vor dem König stehen und erklären, warum der Thronsaal voller Schlammspritzer war. Aber diesmal wäre er nicht darin verwickelt gewesen, denn Thranduil verlangte nach ihm.
 
Und während der Berater seinen König aufsuchte, hatten die drei Elblinge einen perfekten Platz zum Spielen gefunden. Nicht weit von einem der Spielpavillons des kleinen Prinzen, hatte man ein wenig Sand aufgeschüttet. Wahrscheinlich waren dies Vorbereitungen, um den kleinen Bach daran zu hindern, die Kräuterbeete zu zerstören. Aber dies war den kleinen Elben natürlich egal.
 
Und während Legolas aus seinem Pavillon einige Spielsachen holte, schöpften die Zwillinge Wasser aus dem Bach und tränkten damit den Sand. Denn wenn eines für Elblinge lustig war, so war dies nasser Sand. Damit konnte man schöne Dinge formen und sich auch noch bewerfen.
Als Legolas mit einer ganzen Kiste Spielzeug zurückkam, war er begeistert von der Idee der beiden Zwillinge. Sorgfältig stellte er die Kiste neben das Sandloch und nahm Anlauf.
 
Mit einem lauten Platsch ließ er sich einfach in den nassen Sand fallen und in Windeseile herrschte ein kleiner Matschsandkampf zwischen den drei Elblingen. Doch dieser dauerte nicht lange an, da Orophin viel zu neugierig war, was in der Kiste versteckt war.
"Sind da auch Kekse drin?"
Er sah Legolas beinahe bittend an und dieser nickte fröhlich.
"Und Spielsachen... Schaufeln und Eimerchen... Förmchen aus der Küche."
Mit einem Lächeln zog Legolas die Kiste näher und packte die genannten Dinge aus. Auch einen kleinen Wagen mit Holzpferd holte er hervor und stellte das Spielzeug stolz neben die Kiste auf den Boden.
"Den hat mir Ada geschenkt."
"Ohhhh das ist aber süß. Da können wir Sand transportieren."
Ganz begeistert nahm Rumil den Gegenstand in die Hand und packte ein wenig Sand in die Ladefläche des Wagens. Doch in Orophins Augen standen schon Tränchen.
 
Besorgt sah Legolas seinen Freund an.
"Was ist los Oro?"
"Ich habe... habe Hunger. Haldir hat mir meine Kekse geklaut."
Nun sah auch der kleine Prinz bedrückt aus und kramte noch ein wenig in der Kiste herum. Schließlich hatte er ein kleines Beutelchen in der Hand, aus dem er einen Schokokeks herausholte.
"Hier für Dich. Die hat mir Ada mal aus der Küche stibitzt."
Nun lächelte Orophin wieder und umarmte den kleinen Prinzen, bevor er glücklich in den Keks biss.
"Der ischt leckscher", plapperte er darauf los, während auch Rumil einen Keks bekam und Legolas sich selbst einen nahm.
 
Und nachdem sich die drei Elblinge gestärkt hatten, wurde erst einmal der Sand geformt. Kleine Rechtecke bildeten Teile des Palastes, während Rumil dafür sorgte, dass sogar ein kleiner Graben mit Wasser ausgefüllt wurde. So bauten sich Rumil, Orophin und Legolas eine eigene kleine Welt auf. Als sie dann schließlich fertig waren, setzten sie den kleinen Pferdewagen vorsichtig zwischen die Sandhäuser.
"Oh schaut mal... kleine Holzkrieger."
Begeistert holte Rumil ein paar Holzfiguren aus der Tiefe der Kiste hervor, die alle mit Schwertern bewaffnet waren.
"Schau Legsch... was Rumi da hatsch."
Auch Orophin freute sich so sehr über diese Entdeckung, dass er den Keks in seinem Mund ganz vergaß.
 
Legolas suchte unterdessen drei Holzkrieger aus und stellt sie in der Nähe der Sandstadt auf. Die anderen fünf tauchte er zuerst in den Schlamm und stellte sie dann gegenüber auf.
"Wir sind ganz tapfere Helden und verjagen jetzt die bösen Uruks."
"Ja... tapfere Krieger... da haben die Orkse Angst vor uns."
Orophin grinste bei seinen Worten und steckte sich den nächsten Schokokeks in den Mund.
 
Plötzlich fiel jedoch ein Schatten auf die drei kleinen Krieger und sie erschraken erst einmal. Mit einem leisen Schrei versteckte sich Rumil hinter Legolas, während Orophin den Keksbeutel beschützend an sich drückte.
"Orkkkkksssss........." schrie der kleine Rumil, doch Sekunden später atmete er erleichtert auf. Denn es waren keine Orks, sondern nur Haldir, der zu ihnen getreten war.
"Was macht ihr denn da?"
"Wir haben unsere eigene Stadt aufgebaut und spielen jetzt Helden von Mittelerde", sprudelte es nur so aus Legolas heraus, während Orophin seinem älteren Bruder einen Keks in die Hand drückte.
"Willscht Du auch mitmachen", fragte der Jüngste und kaute schon wieder genüsslich auf einem Keks.
Dies lies sich Haldir natürlich nicht zweimal sagen. Begeistert kletterte er zu den drei Elblingen in die Sandmatschgrube. Und da fiel sein Blick natürlich sofort auf den kleinen Holzpferdewagen.
 
"Der ist aber wirklich schön", flüsterte er und hob ihn vorsichtig zwischen den Sandhäusern hervor.
"Ja. Den hat mir mein Ada gemacht."
Mit stolzen Augen streckte Legolas seine Ärmchen aus und wollte ihn wieder zurück haben. Doch Haldir sah den kleinen Prinzen nur verständnislos an. Ohne zu fragen griff er auch nach einem der drei Holzkrieger, die die Elblinge darstellten.
"Das darfst Du nicht... das sind doch wir."
Rumil sah seinen Bruder mit tränengefüllten Augen an und wollte ihm den Holzkrieger wieder aus der Hand nehmen.
"Ich darf das", sagte er mit einem arroganten Tonfall und presste den Holzwagen und die Figur an sich.
 
Augenblicke später stand er auf und tapste damit aus dem Sandmatschloch hinaus.
"Das ist jetzt meins....ihr seit noch zu klein für solch schöne Spielzeuge."
Doch das ließ sich Legolas nicht gefallen, schließlich waren das Geschenke zu seinem letzten Empfängnistag und er hatte sie auch noch sehr lieb gewonnen.
"Haldir. Das gehört nicht Dir, ist meins."
Mit diesen Worten rannte er zu Haldir und zog an dem kleinen Holzwagen. Doch Haldir wollte es nicht loslassen... nicht einmal, als seine Brüder dazukamen.
"Es gehört mir... alles hier gehört mir."
Traurig ließ Legolas sein Spielzeug los, was dazu führte, dass Haldir mit einem Plumps auf seinem Po landet und das Spielzeug verlor.
 
Erschrocken starrte der kleine Prinz auf seinen Wagen, der im hohen Bogen auf einen Baum zufiel. Rumil reagierte als erster und hechtete hinter dem Wagen her. Doch er stolperte über einen Stein und plumpste ebenfalls zu Boden. Legolas schloss schon seine Augen, denn er wollte nicht sehen, wie sein geliebtes Spielzeug an dem Baum zerschellte. Erst ein Schrei von Orophin brachte ihn dazu, sie wieder zu öffnen. Und Sekunden später brach der kleine Elb in Tränen aus, obwohl dies gar nicht nötig gewesen wäre.
 
Denn an dem Baum stand Celeborn, der seinen Holzwagen in der einen Hand, den Holzkrieger in der anderen Hand hatte. Keines der beiden Spielzeuge war zerbrochen oder kaputt.
"Ich glaube fliegen kann ein Pferdewagen noch nicht, kleiner Prinz."
Er kam lächelt auf Legolas zu und reichte ihm den Wagen sowie den kleinen Holzkrieger.
"Pass gut darauf auf. Denn wenn es Dein Ada gemacht hat, dann ist es ein einmaliges und wertvolles Spielzeug. So etwas sollten noch Deine Kinder in den Händen halten können."
Der Lord von Lorien zwinkerte Legolas zu und half dann zuerst Rumil und dann auch Haldir hoch.
Der silberblonde Elbling starrte mit hochrotem Kopf zu Boden.
"Haldir... man nimmt Freunden nicht einfach ihre Spielzeuge weg. Es gehört Legolas. Du darfst auch gerne damit spielen, aber wegnehmen darfst Du es nicht. Ich könnte Dir aber eins machen."
 
Zuerst wollte Haldir in ein Mauseloch kriechen, weil er sich nun wirklich für seine Tat schämte. Aber als er die sanfte Stimme von Celeborn hörte, da entspannte er sich. Bei dem Angebot Celeborns strahlten seine Äuglein schon wieder mit der Sonne um die Wette und er nickte begeistert.
"Danke", flüsterte er und tapste langsam zu Legolas und seinen Brüdern.
"Tut mir leid... wollte es nicht putt machen."
Wieder wurde sein Köpfchen ganz rot, doch der kleine Prinz lächelte ihn nur an und umarmte ihn.
"Ist ja noch ganz... komm lass uns spielen."
Ohne auf eine Antwort zu warten, zog er den kleinen Lorienelb mit sich in die Sandwassergrube. Auch Rumil und Orophin folgten ihm. Orophin natürlich mit seinem Keksbeutel, der glücklich einen weiteren Keks in den Mund steckte.
 
Celeborn lächelte, als er sah, dass sich die vier Elblinge wieder verstanden und mit leuchtenden Augen im Sand spielten. Beruhigt wandte er sich ab und dachte darüber nach, wie schön es doch ist, ein Elbling zu sein. Krieg und Schmerz waren noch fern. Und es kümmerte auch nicht, ob man von oben bis unten mit Dreck besudelt nach Hause kam. Doch er beneidete die vier Elbenkinder nicht, sondern erfreute sich an der unbeschwerten Zeit, die sie hatten.


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