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Titel:
Seelenheilung Autor: Lady
of Gondor
Stille
kehrte ein in den Häusern der Heilung und nur vereinzelt
hörte man noch leise, gedämpfte Schritte auf
den Gängen. Die Nacht hatte den Abend in Gondor
abgelöst und brachte den Menschen Zeit zum Ruhen.
Der Krieg war geschlagen und die Feinde besiegt und
dies musste mit vielen Opfern erkämpft werden.
Viele von ihnen hatten ihr Leben auf dem Schlachtfeld
gelassen, andere wiederum erst in diesen Hallen. Ihnen
konnten die kundigen Hände der Heiler nicht mehr
helfen und er war sich sicher, dass dies auch besser
war. Denn nur selten vermochten es die Heilmethoden
auch die schmerzende Seele zu beruhigen.
Doch er...er hatte den Kampf überlebt und ebenso
den Irrsinn seines Vaters. Nun lag er hier in den Häusern
der Heilung, ans Bett gefesselt von Schwäche und
Schmerz. Nur noch ein erbärmliches Abbild des Kriegers,
der er einmal war. Zweimal war Faramir seinem Schicksal
und damit dem Tod entkommen und doch glaubte der junge
Mann, dass sein Platz im Leben verwirkt war. Wieder
einmal fragte er sich, was für einen Sinn sein
Dasein überhaupt noch hatte. Alles, was ihm jemals
wichtig gewesen ist, war Vergangenheit und nur eine
verblassende Erinnerung im Wind. Sein geliebter Bruder
war dorthin gegangen, wohin er ihm noch nicht folgen
konnte und auch der Mann, der ihm nie Liebe entgegen
gebracht hatte, war aus diesem Leben geschieden. Und
obwohl es sein Vater eigentlich nicht verdient hatte,
musste Faramir zugeben, dass er ihn geliebt hatte, selbst
nach all der Pein und Verachtung. Doch nun war er alleine,
zurückgelassen von denen, die seine Familie ausmachten.
"Oh Boromir, wie konntest Du das Versprechen, zurückzukehren
nur brechen?" In Faramirs Stimme lag Verzweiflung
und ein Schmerz, der von keinem Heilmittel gestillt
werden konnte. Denn noch nie vermochten es die Heiler
der Menschen, auch seelische Schmerzen zu heilen.
Leise seufzend drehte sich Faramir auf die Seite
und starrte aus dem Fenster in die Dunkelheit. Schon
vor einiger Zeit hatte Aragorn den Raum verlassen und
ihm eine gute Nachtruhe gewünscht. Ob der zukünftige
König nicht erahnte, dass ihn jede Nacht der Schatten
eines Nachtmahrs heimsuchte? Immer und immer wieder
sah er die schmerzverzerrten Gesichter seiner Männer
vor sich oder die in Irrsinn umschatteten Augen seines
Vaters. Sie verfolgten ihn Nacht für Nacht und
verhöhnten sein armseliges Leben. Ihre grausigen
Stimmen beschuldigten ihn als Verräter, weil er
als Heerführer seine Männer alleine in den
Tod gehen ließ. Und mit der Zeit glaubte Faramir
auch daran. Seine Aufgabe in diesem Krieg war es gewesen,
auf dem Schlachtfeld zu sterben. Statt dessen lag er
nun hier auf dem Bett und würde wieder genesen.
Gerade er, auf dessen Rückkehr niemand gewartet
hatte. Stattdessen starben für ihn Männer,
die in Gondor Frau und Kind hatten. Unter seinem Befehl
waren Familien zerbrochen, die nun ihres Mannes und
Vaters beraubt waren.
Ein leises Klopfen holte ihn zurück aus den
trübsinnigen Gedanken. Für einen kurzen Moment
dachte er darüber nach, sich einfach schlafend
zu stellen. Doch die Neugier, wer ihm, dem ungeliebten
Sohn Gondors die Aufwartung machen würde, war stärker.
"Herein." Faramirs Stimme war leise und hatte
deutlich an Kraft verloren.
Sekunden später ging die schwere Tür zaghaft
auf und Eowyn steckte ihr blondes Haupt in das nur von
einer einsamen Kerze erhellte Zimmer. "Ich hoffe,
dass mein später Besuch euch nicht geweckt hat
Faramir." Sie betrat unsicher den Raum und musterte
Faramir mit hellen, blauen Augen. Auch sie hatte den
Krieg schwer verwundet überlebt, doch anders als
er selbst, hatte die junge Frau die Heilung unterstützt.
Nur noch die Schatten unter den Augen und die leichte
Blässe ließen vermuten, wie es um sie stand.
Faramir schüttelte den Kopf und bemühte
sich um ein Lächeln. Es war nicht das erste Mal,
dass sie einen Besuch bei ihm wagte. Und es war auch
nicht das erste Mal, dass sich der junge Mann fragte,
warum sie ihre kostbare Zeit mit ihm verbringen wollte.
Ein sanfter Ausdruck trat in Eownys Augen, als sie sich
auf den Stuhl neben dem Bett setzte. Sie lächelte
und in diesem Moment war es Faramir, als ob in der Beengtheit
des Raumes die Sonne aufgegangen wäre. "Wie
geht es euch heute? Aragorn sagte mir, dass ihr langsam
Fortschritte macht." Fast beiläufig griff
sie nach dem Kelch auf Faramirs Nachtisch, goß
ein wenig Wasser ein und reichte das Behältnis
dem jungen Mann. "Die Wunden des Krieges werden
heilen, Herrin Eowyn." Mit diesen Worten setzte
er sich etwas auf und nahm den Kelch entgegen.
Ein besorgter Blick traf ihn aus den blauen Augen
der Schildmaid Rohans. Ein Blick, der ihn dazu brachte,
beschämt den Kopf zu senken. Ihre Stimme war nur
ein Hauch, als sie nun ihr Wort an ihn richtete. "Diese
Häuser können Verletzungen und Wunden heilen,
das ist richtig...doch nur die Zeit allein kann die
Schmerzen der Seele stillen." "Aber wieviel
Zeit benötigt dies bei einem Heerführer, der
seine Männer in den Tod geführt hat und selbst
auf dem Schlachtfeld sterben sollte." Schweigen
herrschte nach diesen Worten Faramirs, das mit jeder
verstreichenden Sekunde unangenehmer wurde. Der junge
Gondorianer verfluchte sich selbst. Eowyn war bestimmt
nicht hergekommen, um seinen Selbstvorwürfen zu
lauschen. Nein, für sie war das wohl nur ein reiner
Höflichkeitsbesuch.
Plötzlich spürte Faramir eine sanfte Berührung
an seinem Kinn und gab dem sanften Druck nach, der ihn
dazu zwang, Eowyn erneut in die Augen zu sehen. "Ihr
habt tapfer gekämpft Faramir und habt Gondor mutig
verteidigt....eines wahren Sohnes Gondors würdig."
Sie lächelte ein sanftes Lächeln und strich
Faramir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Boromir
wäre bestimmt stolz auf euch gewesen. Er erzählte
oftmals von euch, wenn er in Rohan Unterkunft für
eine Rast erbat." Aufmerksam beobachtete Eowyn
den jungen Mann und bemerkte die Trauer in seinen Augen.
"Es....es tut mir leid Faramir, ich wollte euch
nicht...." Sie hielt inne, denn Faramirs Hand schloss
sich um die ihre. "Es gibt keinen Grund um Verzeihung
zu bitten Schildmaid Rohans." Sein Lächeln
war nun nicht erzwungen, sondern kam von Herzen, als
Eowyn ihre Hand nicht zurückzog.
Wie verzaubert blickten sie einander an und wussten
im selben Moment, dass ihre Seelen nur miteinander Heilung
erfahren würden. Denn nicht nur der Geist Faramirs
war von den Fesseln der Qual in Ketten gelegt, sondern
auch Eowyns. Aber sie hatte nie aufgegeben, diese Ketten
zu sprengen, während der junge Mann jede Hoffnung
auf ein anderes Leben verloren hatte. Aufmerksam musterte
Eowyn ihr Gegenüber und drückte sanft gegen
seine Brust, so dass er wieder zurück in die Kissen
sank. "Ihr wirkt müde Faramir, so als ob euch
der Schrecken der Schlacht nicht ruhen lässt."
Die junge Frau dachte an ihre eigenen Träume, die
sie Nacht für Nacht heimgesucht hatten und nur
durch die Nähe ihres Bruders zurückgedrängt
wurden. In dieser Zeit hatte Eomer nachts an ihrem Bett
gewacht und ihr die nötige Sicherheit gegeben,
ihren Körper durch Schlaf und Ruhe zu kräftigen.
Doch Faramir war seines Bruders beraubt, der diese Aufgabe
sicher gerne wahrgenommen hätte. Und so würde
sie über seinen Schlaf wachen, wenigstens in dieser
Nacht.
Sein Blick war immer noch auf Eowyn gerichtet und
es wirkte fast, als hätte er ihre Worte nicht vernommen.
"Die Bilder suchen mich im Traum heim, während
grausame Stimmen nie weichen." Kaum vernehmbar
war seine Stimme und doch hatte Eowyn es klar und deutlich
verstanden. Sie lächelte und zog den Stuhl näher
an das Bett. "Sie haben keine Macht über euch.
Aber ihr benötigt dringend Schlaf Faramir. Ruht
heute Nacht, denn ich werde über euch wachen."
Eowyn wusste, dass er widersprechen wollte, gab ihm
aber keine Gelegenheit dazu. "Es wird helfen, glaubt
mir. Auch ich habe die Schrecken der Schlacht Nacht
für Nacht nochmals erleben müssen. Mir wurde
geholfen und so will ich nun euch helfen. Bitte nehmt
diese Hilfe an Faramir von Gondor."
Der junge Mann blickte sie überrascht an. Ihre
Worte rührten ihn und wenn er tief in sich hinein
lauschte, wusste er, dass solche Träume durch Einsamkeit
an Schrecken gewannen. "Habt Dank Schildmaid Rohans."
Er lächelte, denn dieses Angebot kam von Herzen
und war somit anzunehmen. Und dieses Mal war es Eowyn,
die nach Faramirs Hand griff und diese mit sanftem Druck
festhielt. "Nun schlaft, stolzer Sohn Gondors."
Zögernd hauchte sie ihm einen zärtlichen Kuss
auf die Stirn und gab ihm durch die Geste ihrer vereinten
Hände die nötige Ruhe, um in einen heilsamen
und traumlosen Schlaf zu gleiten.
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