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Titel:
Silbertränen Autor: Lady
of Gondor
Langsam und doch stetig legt sich der samtene Umhang der Nacht über meinen
Körper. Und mit der Dunkelheit kommen Verzweiflung und Einsamkeit wieder. Es
gibt niemanden, der die Stunden der Nacht mit mir teilt oder mich vor deren
Leiden bewahrt....schon lange nicht mehr. Wie auch die Tage zuvor liege ich auf
meinem Bett und starre an die kunstvoll verzierte Decke meines Gemaches. Dann
verliert sich mein Blick in der Weite des Sternenzeltes. Fast scheint es, als ob
der Himmel mit Tausenden Diamanten bestickt wäre. Ein schöner Anblick, den ich
immer genossen habe. Doch anders als sonst, vermittelt mir dieses Bild keine
Ruhe, kein Vergessen.
Meine Augen suchen den weiten Nachthimmel ab.
Einer dieser Sterne musst Du sein...heller und strahlender als jeder andere. In
manchen Nächten glaube ich, nach Dir greifen zu können. In anderen Nächten habe
ich das Gefühl, als wache Dein Licht über meinen Schlaf. Doch all das sind nur
Wunschvorstellungen, denn Du bist weit weg...weiter als jeder Stern dieses
Nachthimmels. Jetzt in den Stunden der Dunkelheit bemerke ich die Sehnsucht mit
jeder verstreichenden Sekunde. Nie bin ich am Tage so einsam, wie jetzt...in den
Stunden, die für Liebe und Zuneigung, Geborgenheit und Sicherheit bestimmt
waren. Es gibt Tage, da glaube ich immer noch Deinen Atem in meinem Nacken zu
spüren, oder Deine sanften Lippen, wie sie meinen Körper erforschen. Doch es
sind nichts weiter als Träume....Träume, die nur Verzweiflung und Leid
hinterlassen. Oft wünsche ich mir, in diesen Wunschvorstellungen zu ertrinken
und die kalte Welt nie wieder erblicken zu müssen. Denn das ist die Welt ohne
Dich....kalt und verlassen. Nicht einmal das Sonnenlicht bringt die Wärme zurück
auf meine Haut und längst ist der Glanz meiner Augen verloschen. Du hast ihn mit
Dir genommen, in Dein ewiges Grab....genau wie mein Herz.
Trotzdem
verweile ich noch hier unter denen meines Volkes, die mich mit Mitleid oder Hohn
in den Augen betrachten. Doch ich will ihr Mitleid nicht, denn ich selbst
entschied mich für diesen Weg. Einen Weg, den ich an Deiner Seite gehen wollte,
mit Dir und in der Sicherheit Deiner Arme. Nun gehe ich ihn alleine und ich
weiß, dass ich nie wieder zurück kann. Denn ich verlor damals nicht nur mein
Herz an Dich, sondern auch meine Unsterblichkeit. Als Du Deinen letzten Atemzug
tatest, nahmst Du beides mit Dir. Aber ich kann Dir nicht böse sein, denn
vielleicht war es besser so. Elben verschenken ihr Herz nur einmal in ihrem
langen Leben. Wen sollte ich lieben, wenn nicht Dich. Du warst mein Schicksal,
mein Leben und meine Freude. Wie also soll ich jemand anderem die gleiche Liebe
entgegen bringen wie Dir?
Meine Augen erfassen einen hellen Stern und
verweilen dort. Fast sehe ich Dein Antlitz in diesem Kind des Himmels, das
Blitzen Deiner Augen, wenn Du mir Deine Liebe unter dem Sternenzelt zeigtest.
Auch das werde ich nie wieder sehen können, so wie ich nie wieder Deine Stimme
hören werde oder die Wärme Deiner Haut an meiner spüre, wenn Du mich Nachts in
Deiner Umarmung gefangen hieltst. Wieder frage ich mich, warum das Schicksal so
grausam zu uns war....warum gerade Du von den Pfeilen des Bösen in die Knie
gezwungen wurdest. Arwen....sie ist jetzt glücklich mit dem Mann ihres Herzens,
der diesen Kampf überlebte. Doch Du mein Herz musstest Dein Leben in diesem
Krieg geben. Ich beneide sie unabsichtlich, erwische mich manchmal bei dem
Gedanken, wie sie leiden würde, wäre Aragorn an Deiner Stelle gegangen. Dann
wünsche ich mir, dass es eingetreten wäre.....was ist schon ein Menschenleben,
gegen ein anderes. Doch diese Gedanken erschrecken mich zutiefst und meist ziehe
ich mich in die Ruhe des Waldes zurück. Mein einziger Trost ist dann die
Tatsache, dass auch er eines Tages gehen wird, während Arwen in Trauer langsam
schwindet.
Wieder erschrecken mich diese Gedanken und ich schließe meine Augen. Jeder Kampf
gegen die Trauer ist sinnlos, auch in dieser Nacht überkommt sie mich. Lautlose
Tränen fließen unter meinen geschlossenen Lidern über meine Wangen....ungehört
und ungesehen. Hier in meinen Gemächern riecht immer noch alles nach Dir, obwohl
es eigentlich nicht mehr sein kann, denn viel Zeit ist seit Deinem Tod
vergangen. Verzweifelt vergrabe ich mein Gesicht in das weiche Kissen und atme
ein....nehme Deinen Geruch tief in mich auf. Ein Geruch, der nur noch in meinen
Träumen an diesem Ort existiert. Leise flüstere ich Deinen Namen in die
Dunkelheit der Nacht, während heiße Tränen das Kissen benetzen. Tränen meiner
Qual, meines Leides und meiner Sehnsucht. Nacht für Nacht überfallen sie mich,
ohne das ich auch nur eine Chance bekomme, mich dagegen zu wehren. Für einen
Moment höre ich Deine Stimme, die meinen Namen wispert, getragen von dem Wind.
Aus Deinem Mund klang mein Name immer schön und Du sprachst ihn gerne aus. Wie
oft fragest Du Dich, warum mein sonniges Gemüt sich nicht auch in meinem Namen
spiegelte und doch nanntest Du mich gerne Dein Tränenmädchen. Jetzt weiß ich,
dass dieser Namen mein Schicksal ist, denn längst haben meine Lippen vergessen,
wie man lächelt.
Leise stehe ich auf und trete ans Fenster, während sich
meine Hand um eine kleine Rosenblüte schließt. Suchend streifen meine Augen den
Nachthimmel. Wieder finde ich den hellen Stern. Ich weiß nicht, in welche Hallen
Menschen nach ihrem Tode eingehen, aber ich weiß, dass auch sie Kinder des
Himmels sind. Von dort geboren und dorthin zurückgeholt. Vorsichtig streifen
meine Fingerspitzen über die Rosenblätter und in Gedanken sehe ich Dein Bild vor
mir....ein stolzer, aufrichtiger Krieger. Ich fühle, dass Du es auch immer noch
bist...egal wo Du jetzt auch sein magst. Ob Du auf diesem Stern sitzt und mich
bewachst oder auf mich wartest....vergebens, denn ich bin ein Kinde Valars.
Leise flüstere ich Deinen Namen und entlasse dann die Rosenblätter in die
Freiheit. Der Wind trägt ihn und die hauchzarten Blätter mit sich...ich hoffe,
er trägt sie zu Dir, zu meinem Krieger.
Boromir, Sohn Gondors und Hüter
über mein Herz, selbst im Tode.
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