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Titel:
Wintertränen Autor: Lady
of Gondor
Schneeflocken
fallen langsam zu Boden und vereinigen sich dort langsam
mit ihren Weggefährten. Zwischen all der weißen
Pracht wandle ich unter den Bäumen meiner Heimat.
Alles um mich herum ist still und mit jedem Schritt
entferne ich mich weiter von meinem Heim. Ich spüre
die Kälte nicht und berühre fast schon ehrfurchtsvoll
die Rinde der Bäume, an denen ich vorbeigehe. Jeden
von ihnen habe ich wachsen sehen und nun beugen sie
ihre stolzen Äste unter dem Gewicht des Winters.
Doch auch sie werden bleiben....tapfer und mutig den
weiteren Jahren entgegenstehen, so wie ich. Viele meines
Volkes habe ich gehen sehen. Einige von ihnen hinterließen
Schmerz in meinem Herzen....andere tiefe Spuren. Doch
ich...ich werde weiter wandeln, unter den schneebedeckten
Bäumen, die im Frühjahr neu erwachen, um im
Herbst wieder langsam einzuschlafen.
Mein Weg führt mich immer tiefer in den Wald
und mittlerweile schützt mich das Blätterdach
der Bäume vor dem Schnee. Mit der Zeit werden meine
Schritte immer langsamer und schließlich bleibe
ich vor einer kleinen Steintafel auf einer Lichtung
stehen. Liebevoll gleiten meine Fingerspitzen über
den kalten Stein und die elbischen Buchstaben. Nur ich
kenne diesen Ort, denn er war immer ein Platz unserer
Liebe gewesen...unangerührt von anderem. Nie wurde
hier ein Wort des Streites gesprochen und selbst jetzt
nach all der Zeit, spüre ich den Zauber all der
Jahre. Er war nie schwächer geworden, obwohl sie
längst nicht mehr ihren Weg neben mir beschritt.
Wieder fühle ich den Schmerz darüber in meinem
Herzen....ein Schmerz, der mich nie verlässt und
mein ständiger Wegbegleiter ist. Wie oft sehe ich
sie in meinen Träumen...ihr zauberhaftes Lächeln
und ihre Augen, die mich immer fesselten. Nur dann bin
ich glücklich und mein Herz scheint nicht mehr
zerbrochen zu sein. Doch lange dauert es nie an, denn
ich kehre mit Anbruch des Tages zurück in die Realität....zurück
zu dem Schmerz, der mich all die Jahre gefangen hält.
Doch wie sooft komme ich am heutigen Tage hierher,
um mich wenigstens für ein paar Augenblicke der
grausamen Welt zu entziehen. Hier kann ich meinen Gedanken
freien Lauf lassen, genau wie meinen Tränen. Niemand
verlangt an diesem Ort die Stärke eines Elbenlords
und den neugierigen Blicken bleibt mein Schmerz verborgen.
Viele glauben, ich sei über ihren Abschied hinweggekommen
und habe ein neues Leben begonnen. Sie sind es auch,
die in mir Lebenswillen, Stärke und Hoffnung sehen.
Aber sie alle haben sich geirrt....von den Mauern um
mein Herz und meiner emotionslose Maske getäuscht.
Was würden sie sagen, wenn sie mich hier sehen
könnten....die Augen voller Schmerz und die Wangen
feucht von den Tränen meiner Sehnsucht? Würden
sie sich lachend abwenden oder aus Mitleid an mir vorübergehen,
weil ihnen keine Worte des Trostes einfallen? Ich weiß
es nicht.
Allein Elrohir und Elladan kennen die Abgründe
meiner Seele und wissen, dass sie auf immer entzweit
ist. Nachdem Arwen sich von mir abgewendet hat und sich
für ein sterbliches Leben entschieden hat, sind
es meine Söhne, die mich in dieser Welt halten.
Oftmals frage ich mich jedoch, ob all das noch einen
Sinn hat. Wieviel ist mir hier noch geblieben? Der Abendstern
wird seinen wundervollen Glanz an den Tod verlieren
und meine Söhne spielen mit dem Gedanken, diese
Welt zu verlassen. Soll ich ihnen folgen und zurücklassen,
was einst das schönste Elbenreich war? Wenn ich
die Schwellen der Welten übertrete, so wäre
ich vereint mit denen, die ich liebe und all der Schmerz
wäre eine langsam verblassende Erinnerung.
Wieder einmal wäge ich in Gedanken ab, welcher
Weg der meinige sein wird und obwohl mein Herz mich
fortzieht, weiß ich, dass meine Aufgabe hier noch
nicht erfüllt ist. Seufzend denke ich an meinen
eigenen Bruder zurück. Auch er hatte sich für
ein sterbliches Leben entschieden und meiner Liebe entsagt.
Ein sterbliches Leben, wie das Licht einer Kerze.....im
Winde flackernd und vergänglich. Ich dagegen wandle
schon lange unter diesen Sternen....so wie die Sonne,
die nie ihr Licht verliert und jeden Tag von neuem aufgeht.
Während ich meinen Bruder an die Vergänglichkeit
verlor, wurde mir meine Frau durch des Bösen Hand
entrissen. Der erneute Schmerz über diese Verluste
zwingt mich in die Knie und ich verstecke mein Gesicht
in meinen Händen.
Zurückgehaltene Tränen brennen in meinen
Augen und schließlich lasse ich es zu. Lautlos
bahnen sich die klaren Zeugen meines Schmerzes über
meine Wangen und benetzen die Haut meiner Handflächen.
Als ich jedoch meine Hände vom Gesicht nehme, tropfen
sie auf den Schnee und brennen dort kaum sichtbare Spuren
hinein. Ich bemerke nicht, dass wieder vermehrt Schneeflocken
fallen und mein schwarzes Haar mit glitzernden Kristallen
übersät wird. Erst als die Kälte durch
meine Kleidung dringt, sehe ich auf. Vereinzelt fließt
eine einsame Träne über mein Gesicht und verfällt
auf ihrem Weg zu Boden dem Zauber des Winters. Als winziger
Eiskristall findet sie ihre Ruhe auf dem weißen
Waldboden. Plötzlich fällt mein Blick auf
mein Haar. Schneeflocken hatten einzelne Strähne
umgarnt und für einen Moment meine ich, das Weiß
des Alters in ihnen zu sehen. Leise seufze ich, denn
auch mein Geist ist alt und nur das elbische Blut lässt
die Zeit fast spurlos an meinem Äußeren vorbeigehen.
Langsam stehe ich auf und taste unter meine Tunika.
Als meine Finger die bloße Haut meiner Brust berühren,
erzittere ich unter der Kälte. Sekunden später
halte ich ein kleines Medaillon in meiner Hand und spüre
die Wärme, die davon ausgeht. Auch in dem feinen
Mithriel sind elbische Buchstaben eingraviert und bedächtig
streichle ich darüber. Es gehörte meiner Liebsten
und ist das einzige, was mir von ihr geblieben ist,
außer Erinnerungen an schöne Zeiten. Wieder
verschleiern Tränen meinen Blick und ich lasse
das Schmuckstück zurück an seinen alten Platz
gleiten....an mein Herzen, in dem sie immer noch lebt,
für die Ewigkeit.
Noch einmal blicke ich auf die Steintafel und wispere
die Worte, die darauf stehen: „Lû ertho faer vín,
na lû ne govannem a guir vín aderthar.“
Zärtlich streiche ich den Schnee von dem kalten
Stein und beuge mich hinab, um einen Kuss zu hinterlassen.
Ein stummer Abschied, bis mich mein Weg das nächste
Mal hierher führen wird.
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„Lû ertho faer vín, na lû ne govannem
a guir vín aderthar“ = Möge die Zeit unsere Seelen vereinen, bis
wir uns wiedersehen und unsere Herzen wieder vereint
sind.
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