|
Titel:
Elen Autor: Lúthien
-Prolog-
„Elen!
Komm jetzt sofort wieder her. Ich weiß das du
hier irgendwo steckst. Elen!“ Die Stimme kam von weit
her. Meine Mutter rannte durch den gesamten Stall, runter
zum kleinen See und auch noch zum Wald. Doch sie hatte
die kleine Wohnung über dem Stall vergessen, wo
ich zusammengekauert und grinsend drinne saß.
Mit den Stall sauber machen sollte ich. Nein, dass war
nun wirklich keine Arbeit für mich. Irgendwann
hörte ich ihre Stimme nicht mehr. Vorsichtig kroch
ich auf allen vieren zum Fenster. Ich musste mich auf
einen Stuhl stellen, um überhaupt anzukommen. Niemand
zu sehen. Auch aus dem Stall hörte man nur das
einzelne Schnauben der Pferde. Vorsichtig stieg ich
die große Treppe runter und huschte in den Stall.
Die großen Pferde ragten über die halbhohen
Wände und schauten neugierig auf mich herab. „Ssshhht.“
Die Pferde sollten nur nicht wiehern, wie sie es schon
mal schafften, wenn sie meine Mutter oder auch mal mich,
sahen. Ich schlich weiter. Ums Haus herum und über
den Hof. Plötzlich blieb ich stehen und lauschte.
Ich hörte Stimmen. Zwei. Eine gehörte eindeutig
meiner Mutter, aber die zweite erkannte ich nicht. Nein,
ich kannte sie auch gar nicht. Hatten wir Besuch? Vielleicht
ein Käufer für die Pferde? Die Stimmen kamen
vom Tor. Das waren noch gute hundert meter, so dass
ich erstmal gefahrlos hinüberlaufen konnte, ohne
entdeckt zu werden. Die Stimmen wurden lauter. Inzwischen
war ich mir ganz sicher, dass ich die andere Person
nicht kannte. Doch meine Neugier trieb mich weiter,
obwohl ich, wenn ich erwischt werden würde, mit
ner deftigen Strafe rechnen musste. Wie immer wenn ich
mich vor der Arbeit drückte. Ich versteckte mich
hinter einem großen Baum und schlich in Zeitlupe
halb drumherum, bis ich freie Sicht auf meine Mutter
und die unbekannte Stimme hatte. Das war kein Mensch.
Soviel war sicher. Doch wer war derjenige dann? Er hatte
ganz komische Sachen an und lange gelbe Haare und einen
Umhang und außerdem... Plötzlich drehte derjenige
sich um. Er schaute mich genau an. Wie, wie konnte das
denn gehen? Meine Mutter folgte seinem Blick und sah
mich. Schnell huschte ich wieder hinter den Baum und
hörte die wütenden Schritte meiner Mutter.
Aber wie hatte dieser komische Mann mich nur sehen können?
Ich war doch ganz leise, hab sogar leise geatmet. Bin
auf keinen Ast oder sowas getreten. Und gehört
haben konnte er mich auch nicht. Meine Mutter sagte
zu mir schon immer, ich könnte sehr gut hören
und ich war stolz drauf, aber nicht mal ich habe mich
selbst gehört. Wie konnte er..... „Elen!“ Groß
und mit den Händen in den Hüften gestemmt,
stand meine Mutter jetzt vor mir. Ich guckte sie nur
aus meinen großen Augen an und starrte sie mit
Unschuldsmine an. Meistens half das. Doch wohl nicht
diesmal. „Wo warst du schon wieder? Ich habe dich gesucht.
Du solltest mir helfen. Jedesmal läufst du vor
der Arbeit davon.“ Sie packte mich am Arm und zerrte
mich zu der seltsamen Person. Der stand lächelnd
da und sah sich unseren Hof an. „Was habe ich nur bei
dir falsch gemacht? Nimm dir mal ein Beispiel an deiner
großen Schwester. Sie ist so ein liebes Mädchen
und sie hilft ihrer Mutter wenigstens auch.“ Sie zeterte
noch den ganzen Weg über. Doch ich hörte gar
nicht mehr zu. Der Mann sah uns lächelnd an. Fand
er das komisch? Mir tat schon mein Arm weh, von dem
Gequetsche meiner Mutter. Doch je näher wir ihm
kamen, desto weiniger konnte ich meine Augen von ihm
richten. Das musste ein Engel sein. Genauso sieht also
ein Engel aus. Meine Mutter hat mir immer viel von ihnen
erzählt ehe sie mich ins Bett brachte. Er muss
vom Himmel gefallen sein. Oder ist er geflogen? Jetzt
standen wir ganz bei ihm. Er war so groß. Ich
streckte meinen Kopf in den Nacken, um ihn anzuschauen.
Lächelnd schaute er mich an. „Entschuldigen sie
bitte die Störung aber dieses Kind ist einfach
unmöglich. Sie sollte mir eigentlich im Stall helfen
und was macht sie? Sie versteckt sich. Gut das sie sie
entdeckt haben. Ich hätte sie wohl noch den ganzen
Tag über suchen müssen.“ Der Engel lächelte
wieder und ging vor mir in die Hocke. Er wollte wohl
irgendwas sagen, doch ich fragte zuerst. Zu sehr brannte
mir die Frage auf der Zunge. „Bist du ein Engel?“ Meine
Mutter atmete einmal erschrocken ein, doch der Engel
lachte. Dann schüttelte er grinsend den Kopf. „Nein,
eigentlich bin ich kein Engel. Aber danke, dass du mich
so siehst. Engel sind nämlich was wunderbares.“
Oh, also doch kein Engel. Aber es hätte schon sein
können. „Was bist du dann?“ Meine Mutter entschuldigte
sich für meine wohl dummen Fragen, doch, der ja
nun doch kein Engel, lächelte ihr nur zu. „Ich
bin ein Elb.“ „Was sind das?“ Meine Mutter wurde nervös.
„Ich bin gar nicht so anders wie du. Nur das wir halt
Elben genannt werden und du ein Mensch bist.“ „Wer ist
wir?“ „Mein Volk und ich. „Es gibt noch mehr von dir?“
Er lachte wieder. „Ja, so wie es von dir ja auch mehrere
gibt.“ Ich hatte noch so viele Fragen, doch meine Mutter
nahm schon wieder meinen Arm und schob mich hinter sich.
„Es tut mir wirklich Leid, aber dieses Kind ist unmöglich.
Sie hat einfach kein Benehmen. Sie ist erst vier Jahre
alt und schon nur Unsinn im Sinn.“ Neugierig schaute
ich hinter meiner Mutters Rock hervor. „Wie heisst du?“
Der Elb schaute mich wieder an und schien sich gar nicht
über mich zu ärgern, so wie meine Mutter es
grade wieder tat. „Ich heiße Legolas. Und du kleine
Dame?“ Kleine Dame?! So hatte mich noch nie jemand genannt.
Ich grinste. „Elen. Ich heiße Elen.“ „Das ist
ein schöner Name.“ Ich nickte heftig zur Zustimmung.
„So, jetzt aber genug. Du musst sowieso ins Bett. Es
ist schon spät.“ Sagte meine Mutter zu mir und
zu Legolas gewandt: „Kommt. Ich zeige euch euer Zimmer.“
Und wieder lief ich am Arm meiner Mutter. Aber immer
wieder sah ich zu Legolas hinüber und wenn er sah
das ich ihn ansah, schaute auch er und lächelte.
Als ich dann kurze Zeit später im Bett lag, war
mir klar, dass dieser Elb noch viel besser war, als
Engel es je sein könnten.
.............................................................................................................................
-1-
Das war
meine erste Begegnung mit ihm, und ich sah sie noch
so deutlich vor mir, als wäre es gestern gewesen.
Genau drei Tage blieb er damals und dann ging
er wieder. Doch er versprach mir, wieder zu kommen und
mir dann auch etwas mitzubringen. Den ganzen Tag über
war ich glücklich und ab diesen Tag wollte ich
jeden Tag wieder zum Tor laufen, in der Hoffnung ihn
wieder zu sehen. Ich musste lächeln bei dem Gedanken,
dass ich ihm damals den ganzen Tag nicht von der Seite
gerückt war. Doch das ich ab diesen Zeitpunkt jeden
Tag zum Eingang rennen wollte, hielt ich nur wenige
Tage aus, ehe ich das Interesse daran verlor. Und tastächlich,
ein Jahr später, kam er wieder duch unser Tor geritten....
.............................................................................................................................
Lachend
lief ich auf ihn zu und fiel ihm buchstäblich um
den Hals. „Hallo kleine Elen.“ Grinsend sah ich zu ihm
hoch. Wie jedes Jahr bemerkte er, wie groß ich
geworden bin. Doch ich hatte nur Augen für seine
Satteltasche. Denn dort zauberte er immer wieder etwas
neues für mich hervor. Meistens waren es Dinge,
die mit Elben zu tun hatten. „Hier, pack es aber erst
nachher aus.“ Jaja, wie immer. Meine Mutter kam von
hinten angerannt und auch meine große Schwester
mit ihrem Freund. Während der Begrüßungszeremonie,
setzte ich mich hinter dem Baum, hinter dem ich mich
auch zu unserer ersten Begnung versteckt hatte. Das
war jetzt schon wieder vier Jahre her. Eifrig entfernte
ich von meinem Geschenk den Stoff. Es war ein zierlicher
kleiner Krug mit ganzen vielen Elben drauf. Ganz vorsichtig
hob ich ihn gegen die Sonne, um ihn besser betrachten
zu können. Und dann Legolas neben mir, am Baum
gelehnt und sah mich abwartend an. „Gefällt er
dir?“ Grinsend stellte ich den Krug vorsichtig und weit
von mir weg und sprang im nächsten Augenblick auf,
um Legolas wieder um den Hals zu fallen. „Diese Krüge
sind sehr wertvoll. Du darfst ihn nie kaputt machen
oder ihn jemandem anderen schenken. Sie bringen Glück.“
Das sagte er zu jedem meiner Geschenke, doch ich hörte
es einfach zu gerne. Deshalb durfte auch nie jemand
anderes außer er selbst, meine Geschenke anfassen.
Nur angucken. Sylvy, meine große Schwester, gesellte
sich lächelnd zu uns und schaute neugierig nach
meinem neuen Geschenk. Sie bekam nichts. Aber sie schien
auch nie darüber traurig zu sein. Ich war stolz
darauf, dass ich die einzige war, der er was mitbrachte.
„Wo ist es?“ Schnell huschte ich wieder um den Baum
herum und kam mit dem Krug wieder hervor. Vorsichtig
hielt ich ihm Sylvy hin, damit sie sich ihn anschauen
konnte. „Der ist wunderschön. Pass gut auf ihn
auf.“ Heftig nickend liefen wir zum Haus. Sylvy war
zehn Jahre älter wie ich und ich liebte sie sehr.
Sie war für mich mehr als nur eine Schwester.
.............................................................................................................................
Lächelnd
stellte ich den Krug zu den anderen Geschenken. Er gehörte
zu einem meiner liebsten Schätze von ihm. Doch
nicht ein einziges Geschenk bedeutete mir nur halb so
viel wie er selbst...
.............................................................................................................................
-2-
„Happy
Birthday meine Kleine.“ Mein Vater, meine Mutter und
Sylvy saßen am Tisch und sahen mich lachend an.
Noch total verschlafen kam ich die Treppe herunter und
starrte auf den großen Kuchen, den meine Mutter
für mich gebacken hatte. „Die sieht aber lecker
aus.“ Sagte ich und holte mir von jedem einzelnd meinen
Kuss und die Geburtstagsgrüße ab. „14 Jahre
wird sie. Du bist jetzt schon unser großes Mädchen
und nicht mehr die Kleine.“ Stolz über diese Worte,
gab ich meinem Vater noch einen Extra-Kuss. „Sie ist
jetzt 14 Jahre mein Lieber. Das darfst du nicht vergessen.
Und du, junge Dame, wirst dich ab sofort nicht mehr
vor der Arbeit drücken.“ Grinsend sah ich meine
Mutter an. Jedes Jahr erzählte sie mir das gleiche
und doch änderte sich nichts. „Aber natürlich.“
Ich wollte mich grade setzen, da hielt mein Vater mich
zurück. „Halt. Noch setzt du dich nicht hin. Natürlich
bekommst du zum Geburtstag auch deine Überraschung.
Es sei denn, du willst sie nicht.“ Gespielt entrüstet
und aufgeregt, sah ich in die Runde. „Natürlich
will ich. Wo ist sie?“ Alle lachten und dann dann stand
mein Vater auf und machte die Tür auf. Ich schrie
einmal auf vor Freude. Legolas kam grinsend rein und
ich umarmte ihn stürmisch. Das war ein halbes Jahr
früher wie sonst, und er kam extra für mich
zu meinem Geburtsag. „Ich habe gehofft das du dich freust.
Ich kann auch wieder gehen.“ „Soll das ein Witz sein?
Natürlich freue ich mich. Das ist eine tolle Überraschung.
Komm, setz dich!“ Ich zerrte ihn am Ärmel und ließ
ihn neben mir Platz nehmen. „Ich habe natürlich
auch ein Geschenk.“ Nervös rutschte ich auf meinem
Platz hin und her und sah in die Gesichter meiner Familie.
Sie strahlten und freuten sich nicht minder wie ich.
Als ich wieder zu Legolas sah, hielt er eine lange Kette
in seiner Hand und ließ sie vor mir hin
und herschwenken. Mit offenem Mund und gleichzeitig
strahlend, nahm ich die Kette und betrachtete sie mir.
„Oh man, sie ist wunderschön. Sie ist wirklich
wunderschön.“ Meine Mutter goß Legolas grade
etwas zu trinken ein, doch als sie die Kette sah, stellte
sie den Krug weg und sah auch auf die Kette. Meiner
Schwester erging es nicht anders. „Na, da hab ich wohl
das richtige erwischt.“ Lachte Legolas und auch mein
Vater schien sich über uns zu amüsieren. Schnell
strich ich mir die Kette über den Kopf und schaute
stolz an mir herunter. „Sie steht dir ausgezeichnet.“
Sagte Legolas und ich fiel ihm abermals um den Hals.
Er war noch kalt, roch noch nach dem Wald. Seine Hand
strich über meinen Rücken. Warum nahm ich
das alles so genau wahr? Lächelnd setzte ich mich
wieder ordentlich hin und sah auf den Kuchen, den meine
Mutter mir auf den Teller gepackt hatte. „So, dann lasst
uns erstmal was essen. Legolas, auch ein Stück?“
Er sah etwas skeptisch auf das braune, krümelige
Stück vor ihm und sah dann zu mir. Mampfend und
mit viel zu viel im Mund, zeigte ich ungeduldig auf
seinen Kuchen und versuchte ein: „Iss!“ hervorzubringen.
Zögerlich aber lächelnd, nickte er und schob
es sich langsam in seinen Mund. Mit großen Augen
sahen wir ihn alle an und warteten auf seine Reaktion.
Besonders Mutter wartete gespannt. Schließlich
waren es ihre Backkünste, die er da grade testete.
Nach mehrmaligen kauen, schluckte Legolas seinen ersten
Bissen hinunter und grinste. „Das schmeckt wirklich
sehr gut.“ Ich lachte, Sylvy grinste, mein Vater schlug
ihm johlend auf die Schulter und meine Mutter schlug
vor Freude die Hände zusammen. Na, dann konnte
es ja mit dem Essen weitergehen. Mein Vater fragte Legolas
wie immer über die Welt nach und was so alles passiert
war. Das interessierte mich noch nicht, da mein Vater
immer irgendwas wissen wollte, wovon ich keine Ahnung
hatte. Nachher würde ich schon noch meine Fragen
an ihn stellen können, wie immer. Sylvy lehnte
sich zu mir, und wollte noch mal meine Kette bewundern.
Sie war in letzter Zeit immer sehr aufgeregt und freute
sich den ganzen Tag über. Das mag wohl daran liegen,
dass sie ein Baby erwartete. Ihr Bauch war schon schon
zum platzen groß. Es würde wohl nicht mehr
lange dauern. Als Vater sich erhob, um in den Hof zu
gehen, erhoben auch wir uns. Er war derjenige, der das
Essen immer für beendet erklärte. Manchmal
konnte er sich so sehr mit Legolas festquatschen, dass
wir alle noch Stunden dasaßen. Aber heute hatte
ich Geburtstag und er nahm Rücksicht. „Ich lass
dir ein Bad ein, Legolas.“ sagte Sylvy und ging nach
oben. Mutter räumte den Tisch ab und Vater und
Legolas redeten doch noch. Ich war damit beschäftigt,
die letzten Krümel zu verputzen. Nach kurzer Zeit
kam Sylvy wieder herunter. Sie war wieder ganz aufgeregt,
weil ihr Mann nachher kommen würde und meinen Vater
um Erlaubnis bitten würde, meine Schwester auszuführen.
So lange sie noch nicht zusammenwohnten, bestand mein
Vater noch immer darauf. Gelangweilt verfolgte ich das
Gespräch und wartete auf das Ende. „Ich würde
mich beeilen, dass Wasser wird sonst kalt.“ Versuchte
ich es, und es klappte. Er stand auf. „Sei nicht so
ungeduldig. Du kannst ihn noch den ganzen Tag für
dich beanspruchen." Schimpfte meine Mutter. Doch
Legolas lachte wieder. Das tat er immer wenn meine Mutter
mit mir wegen ihm schimpfte. „Sie hat ja Recht.“ Gemeinsam
gingen wir die Treppe herauf und zum Bad. Es störte
ihn nicht, wenn ich mit ihm im Bad saß. Denn da
konnte ich endlich meine Fragen an ihn stellen und niemand
würde stören. Denn niemand anderes würde
sich ins Bad trauen, wenn er in der Wanne lag. Das Bad
war etwas neblig von dem heißen Wasser. Legolas
prüfte das Wasser mit der Hand und ich setzte mich
auf meinen Stuhl in der Ecke. „Es ist wie immer.“ Grinste
ich. Er nickte und begann seinen Elbenumhang abzulegen.
Ich saß still in der Ecke. Reden ging erst los,
wenn er sich endlich ins Wasser begab. Ich wurde ungeduldig.
Wollte doch wieder so viel wissen und er trödelte
rum. Es folgte die Tunika und dieser ledernde Schutz
an den Unterarmen. Ich hatte ihn noch nie gefragt, wie
man diese Dinger nennt. Langsam wurde ich ungeduldig.
Spielte aufgedreht mit meinen Fingernägeln. Seine
Sachen legte er alle ordentlich auf einen weiteren Stuhl.
Innerlich beschwor ich ihn, schneller zu machen. Gut,
er war bei seinem letzten Oberteil angekommen. Etwas
gelangweilt beobachtete ich ihn dabei, wie er es sich
abstreifte. Doch aus irgendeinem Grund wurden meine
Hände feucht, mein Hals trocken und mein Magen
drehte sich so schnell wie noch nie. Mein Blick haftete
an seinem Oberkörper, den ich schon tausendmahl
gesehen hatte und jetzt tat ich als würde ich ihn
das erste mal zu Gesicht bekommen. Ich musste schlucken,
zwang mich wegzugucken, aber es ging nicht. Plötzlich
kam mir in den Sinn, dass Legolas sich nicht wegbewegte.
Er stand einfach nur so da. Erschrocken blickte ich
ihm in die Augen. Er grinste. Ich versuchte es auch.
„Kleine Elen, wann gedenkst du dich umzudrehen?“ Verdattert
presste ich ein `Ja` heraus und bemerkte beim herumsetzen,
dass meine Hände etwas zitterten. Zum Glück
bekam ich mich schnell wieder in den Griff. Jetzt saß
ich wieder ruhig da und versuchte angestrengt etwas
zu hören. Nur irgendein Geräusch. Manchmal
verfluchte ich diesen Elben für seine Lautlosigkeit.
Wie oft hatte er mich schon erschrocken, wenn er plötzlich
neben mir stand. Und immer erschrak ich mich wieder.
Würde ich mich jemals daran gewöhnen können?
Ich probierte es mit leisem atmen. Es musste doch was
zu hören geben. Nur das leise rascheln der letzten
Kleidungsstücke waren zu vernehmen. Aber auch das
nur mit großer Anstrengung. Dann vernahm man wieder
nichts. Er hätte hinter mir stehen können
und ich würde nichts bemerken. Das Wasser bewegte
sich. Gut, er stieg also endlich rein. Nur hörte
ich wieder nur diese eine kleine Wasserbewegung und
dann nichts. Wie konnte man sich nur so lautlos ins
Wasser niederlassen? Ich hatte es auch einmal versucht
und es endete mit einem lauten Klatsch und einer Überschwemmung.
Ich hatte das Gefühl ich würde schon Stunden
umgedreht auf diesem Stuhl sitzen und warten. Manchmal
überlegte ich ernsthaft, ob er sich überhaupt
noch im Raum befände. „Du kannst dich wieder umdrehen.“
Hörte ich ihn plötzlich und in der Stille,
erschrak mich seine Stimme sogar etwas. Lächelnd
setzte ich mich wieder richtig rum. Legolas hatte seinen
Kopf nach hinten gelehnt und einen Arm seitlich auf
dem Rand liegen. Seine Augen waren geschlossen und ein
leichtes Lächeln umspielte seinen Mund. Seine Haare
waren nass und klebten an seinen Schläfen. Vereinzelte
Tropfen bahnten sich ihren Weg über sein Gesicht
und fielen lautlos ins Wasser. „Heute gar keine quengeligen
Fragen, kleine Elen? Vorhin wirktest du noch so aufgewühlt.“
Erst nach dem Satz öffnete er seine Augen und drehte
seinen Kopf zu mir. Das leichte Lächeln wirkte
etwas spöttisch. „Ich wollte dich nicht stören.“
Nahm ich als Ausrede, die aber leider sehr untypisch
für mich war. Sein Gesichtsausdruck sagte mir,
dass er wusste, dass es nicht ganz der Wahrheit entsprach.
Er drehte seinen Kopf wieder und schloss die Augen.
„Kennst du eigentlich den König? Ich mein, bist
du ihm schon einmal auf deinen Reisen begegnet?“ Das
war die erste Frage, die mir einfiel, die ich ihm stellen
wollte und ich konnte deutlich ein Lächeln sehen.
Nur undeutlich nickte er. „Ja, ich bin ihm schon einmal
begegnet.“ Aufgeregt riss ich die Augen auf. „Wirklich?
Wann, wie, wo? Ist er so nett wie man berichtet?“ Wieder
dieses Lächeln. „Ja, er ist ein sehr ehrwürdiger
Mann.“ Wieder ganz aufgeregt, rutschte ich auf meinem
Stuhl hin und her. „Ich würde auch mal gerne einen
richtigen König begegnen.“ „Vielleicht passiert
das ja mal in ferner Zeit.“ Legolas klang wieder etwas
spöttisch. Doch das machte mir in diesem Moment
nichts aus. Genau genommen klang er immer so, wenn ich
mich sehr über etwas freute und ganz aufgeregt
wirkte. „Der König hat auch schon einen Sohn, nicht
wahr?“ Legolas nickte und ließ seinen Arm ins
dampfende Wasser sinken.“ „Hast du den auch schon einmal
gesehen?“ „Ja, auch ihm bin ich schon begegnet.“ Es
fiel mir schwer auf meinem Stuhl in der Ecke sitzen
zu bleiben, anstatt zu ihm zu rennen um ihn aufgeregt
zu schütteln, er solle doch mehr erzählen.
Aber ich blieb artig, jedoch auch zappelnd sitzen. „Schade
das der Sohn noch so jung ist. Würde er schon älter
sein, würdest du ihn doch sicherlich mal mit hier
zu uns bringen, nicht wahr? Damit er uns auch mal kennenlernt.
Er will doch bestimmt auch viel von der Welt sehen.
Außerdem hätten wir dann einen richtigen
Prinzen hier bei uns zu Gast. Oh Gott, dass wär
ja so aufregend. Stell die das mal vor. Er würde
dann sicher unser bestes Zimmer bekommen und Mutter
würde vorzüglich für ihn kochen. Legolas,
würde das nicht aufregend sein?“ Legolas grinste
nur vor sich hin und betrachtete mich nickend. „Ja,
dass wäre bestimmt eine sehr schöne Erfahrung
für dich.“ „Nein, für uns alle. Ich wäre
bestimmt ganz aufgeregt. Du müsstest mir dann helfen
was ich so zu ihm sagen müsste. Ich mein, dann
muss ich mich ja auch ganz anders benehmen. Er darf
auf keinen Fall wissen, was für ein Tollpatsch
ich manchmal bin. Er soll von mir denken, ich sei eine
richtige kleine Lady.“ „Aber das bist du doch, kleine
Elen.“ Diese Worte trieben mir die Röte ins Gesicht,
die ich vor Legolas natürlich nicht verbergen konnte.
„Meinst du das wirklich?“ „Warum zweifelst du daran?“
Ich musste grinsen. Wieder kribbelte mein Bauch. Plötzlich
klopfte es laut an der Tür. „Elen. Komm herunter
und helfe deiner Mutter beim Essen!“ Ertönte die
Stimme meines Vaters. Schnell sprang ich auf und hatte
die Hand schon am Türknauf. „Ich muss Mutter beim
Essen helfen.“ Legolas lag wieder mit geschlossenen
Augen in der Wanne und murmelte nur ein unverständliches
`Gut`. Doch als ich unten ankam, war meine Mutter gar
nicht in der Küche anzutreffen, wie ich es erwartete.
Nur Sylvy saß strickend auf einem Stuhl und summte
für ihr Kind ein Lied. Ich atmete genervt aus.
Das war wieder typisch für meinen Vater. Er sah
es nicht gerne, wenn ich auch im Bad saß, wenn
sich Legolas badete. Mit jedem Jahr, das ich älter
wurde, knurrte er mehr. Ich hielt seine Besorgnis für
überflüssig. Sylvy blickte lächlend auf.
„Was ist mit deinem Mann?“ fragte ich neugierig, da
ich sie nicht mehr hier erwartete. „Er musste mit auf
die Jagd.“ Desinteressiert nickte ich und ging zum Kamin.
Meine Gedanken schweiften schon wieder ab. Ich bemerkte
daher auch Sylvy gar nicht, die sich schon etwas mühsam,
in einem Sessel niederließ. „Wo bist du mit deinen
Gedanken, Elen?“ Ich musste Lächeln. „Ich habe
mit Legolas grade über den König und den kleinen
Prinzen geredet.“ „Aha.“ Sylvy nahm sich wieder die
Stricknadeln zur Hand. „Und ich meinte zu ihm, wie aufregend
es doch wäre, wenn auch wir hier einen Prinzen
zu Gast hätten. Und das ich mich dann ja auch sehr
gut benehmen müsste. Aber das würde mir ja
nichts ausmachen. Schließlich wäre es ein
richtiger Prinz. Und außerdem...“ Ich sprach nicht
weiter. Sylvy hatte ihre Stricknadeln auf dem Schoß
liegen und lachte aus vollster Kehle. Verdutzt sah ich
sie an. „Was hast du denn?“ Sie lachte weiter, und immer
wenn sie mich ansah und meinen Gesichtsausdruck wahrnahm,
lachte sie von neuem los. Langsam kränkte mich
ihr Lachanfall. „Du dummes Mädchen.“ Hickste sie,
doch ich war gekränkt. Ich war nicht dumm. Sylvy
atmete laut aus und sah mich immernoch stark grinsend
an. „Das hast du ihm wirklich gesagt?“ Ich nickte schmollend.
Sie schüttelte den Kopf. „Und er hat nichts dazu
gesagt?“ Diesmal schüttelte auch ich den Kopf.
„Hach Elen. Ich dachte du wüsstest das schon längst.“
Langsam wurde mir mulmig. Was meinte sie? „Legolas ist
doch ein Prinz. Er ist der Prinz Düsterwalds und
der Sohn Thranduils. Wir haben also schon viele Jahre
lang einen richtigen Prinzen im Haus und dem guckst
du sogar beim baden zu.“ Ein kalter Schauer jagte mir
über den Rücken. Wieder wurde mein Mund trocken
und mein Magen krampfte sich bei diesen Worten zusammen.
Doch diesmal war es nicht angenehm, es tat weh. Meine
Worte hallten in meinem Kopf wieder. Legolas grinsen
bei diesen Worten, schwebte vor meinem inneren Auge.
Die Worte schienen sich inneinander zu vermischen, die
Bilder wirkten verzerrt. Wie dumm konnte ich sein?!
Legolas ein Prinz? Und ich hatte es nie gewusst? Aber
er hatte es mir doch auch nie erzählt. Und auch
sonst niemand. Alle anderen wussten es, nur mich ließ
man im Unwissen. Und hatte ich wirklich diesen ganzen
Stuss vorhin im Bad erzählt? Legolas hatte es einfach
so hingenommen und mich weiter schwafeln lassen. Ich
wünschte mir plötzlich die Zeit zurückdrehen
zu können, jedoch jetzt die Wahrheit schon zu wissen.
Mit einem Mal kam es mir vor, als würde ich Legolas
gar nicht kennen. Als würde er ein fremder Elb
sein, den ich das erste Mal zu Gesicht bekam. Ich glaubte
ich wüsste gar nichts mehr von ihm. Würde
ihn kein bisschen richtig kennen. Wie auch? So ganz
plötzlich stellte sich heraus, dass er kein normaler
Elb sei, sondern ein Prinz!
.............................................................................................................................
-3-
Plötzlich
hörte ich die Stufen. Legolas würde herunter
kommen. Mein Herz raste schneller. Sylvy war schon wieder
mit stricken beschäftigt. Sie war arbeiete immer
noch an diesem komischen Strampler. Ich rechnete mit
jedem Augenblick, Legolas würde jetzt im Eingang
stehen und mich dann auslachen. Ich hörte seine
Schritte. Er war da. Vorsichtig blickte ich hoch. Nicht
Legolas stand in der Türschwelle, sondern mein
Vater. Erleichterung durchströmte meinen Körper.
Erst im nächsten Moment erinnerte ich mich, dass
ich Legolas ja gar nicht hätte hören können.
Er sagte irgendwas zu Sylvy, die daraufhin lachte. Ich
blieb am warmen Kamin sitzen. Noch wusste niemand um
meine Pein. Doch es würde nicht mehr lange dauern.
Und würde ich Legolas jetzt je wieder richtig in
die Augen schauen können, ohne dabei im Erdloch
verschwinden zu wollen? In der Küche machte meine
Mutter Essen. Mir war klar, dass ich eigentlich hätte
helfen sollen, aber in meiner jetzigen Situation konnte
ich ihr nicht in die Auge schauen. Sie würde sofort
fragen was los sei. Wahrscheinlich würde mein Vater
dann gleich kommen und es mit dem Bad in Verbindung
bringen. Nein, ich würde mich schon wieder fangen.
Sylvy blickte mich wieder grinsend an. „Nun nimms doch
nicht so schwer. Jetzt weisst du es. Er wird dir schon
nicht böse sein.“ Ich nickte und versuchte zu lächeln.
„Na siehst du. Schon besser.“ Zufrieden strickte sie
weiter. Doch ich starrte ins Feuer und wünschte
mich jetzt ganz weit weg. Ganz in meinen Gedanken vertieft,
bemerkte ich Legolas nicht. Ich hätte ihn wohl
auch im anderen Zustand nicht bemerkt. „Kleine Elen.
Hast du keinen Hunger?“ Ich blickte auf und schnell
wieder weg, als ich sah, dass er vor mir stand. „Doch.“
„Dann komme zum Essen.“ Ich sah, wie er ging. Erst kurze
Zeit danach, raffte ich mich auf und ging in die Küche.
Nahm meinen gewohnten Platz neben meiner Mutter ein.
Sie füllte mir das frische Fleisch auf. Ich verspürte
keinen Hunger. Legolas saß mir schräg gegenüber.
Ich versuchte angestrengt, seinem Blick auszuweichen.
„Alles in Ordnung, Elen? Du bist so still. Wirst du
krank?“ Schnell schüttelte ich den Kopf. Ich wollte
keine Aufmerksamkeit erregen. „Elen, reich mir die Soße.“
Ich folgte meines Vaters Bitte, doch hielt sie nicht
richtig fest. Wie in Zeitlupe ergoss sich die kostbare
Soße über den Tisch. Mein Vater sprang verärgert
auf und meine Mutter versuchte das beste noch zu retten.
„Es tut mir Leid.“ Flüsterte ich und wich nun auch
dem verärgerten Blick meines Vaters aus. Zum Glück
war nicht alles verschüttet worden. Mein Vater
nahm sich den Rest. Nicht lange danach, passierte mir
das nächste Missgeschick. Grade, als ich mir noch
einmal ein Fleischstückchen nehmen wollte, fiel
es mir herunter und ehe ich mich danach bücken
konnte, schnappte schon der Hund danach. „Elen. Du ungeschicktes
Kind. Essen ist kostbar. Damit geht man nicht leichtfertig
um.“ Schimpfte meine Mutter und auch mein Vater ließ
ein hörbares schnaufen von sich. Einmal kurz riskierte
ich einen Blick zu Legolas. Ich konnte seinen Blick
nicht deuten, also schaute ich schnell wieder weg. „Dafür
wirst du mir in der Küche helfen. Und du wirst
Holz hereinholen.“ Ich nickte und wartete stumm, bis
mein Vater das Essen für beendet erklärte.
Als mein Vater Legolas wieder zu einem Gespräch
einlud, war ich das erste mal froh darüber. Sylvy
legte sich hin um sich auszuruhen. Es würde bei
ihr nicht mehr lange dauern. Die Arbeit erledigte ich
stumm und wich den Fragen meiner Mutter aus. Irgendwann
stimmte ich ihr zu, dass es mir nicht sehr gut ginge.
Doch mit den Gedanken war ich wieder bei Legolas und
das ich jetzt etwas ganz neues von ihm wusste, was mir
Angst einjagte. Nachdem ich das Holz geholt hatte, kam
ich zu dem Entschluss, dass ich mich weiterhin verhalten
würde, wie ich es immer tat. Schließlich
wusste er noch nicht, dass ich es jetzt wusste. Legolas
kam in die Küche, wo ich mit angezogenen Knien
auf dem Stuhl saß. Er sagte nichts. Ich sah ihn
nur aus den Augenwinkeln. Ich musste irgendwas sagen.
Mutig blickte ich auf und sagte das erste was mir einfiel:
„Zeigst du mir, wie man Bogen schießt?“
Draußen
herrschte tiefste Dunkelheit. Im ersten Moment konnte
ich kaum etwas erkennen. Nur den Teil, der noch vom
Licht des Hauses beschienen wurde. „Na, los. Wir gehen
dort rüber.“ Ich folgte Legolas so leise wie möglich.
Doch hörte ich mich im Gegensatz zu ihm, sicher
an wie ein Lastenpferd. Als er zu mir runter sah, versuchte
ich zu lächeln und tat, als würde ich gespannt
darauf warten, wie er seinen Bogen spannen würde.
Was er dann auch tat. „Was meinst du soll ich treffen,
kleine Elen?“ fragte er und schaute sich interessiert
in der Dunkelheit um. Auch ich ließ meinen Blick
schweifen. „Den Baumstumpf dort drüben.“ Ich zeigte
mit dem Finger in die Nähe unseres Tores. Für
einen Moment wirkte Legolas erstaunt und sah mich an.
„Du kannst den Baumstumpf dort sehen?“ Gleichgültig
nickte ich. Er sollte wieder wegsehen. Im nächsten
Moment hörte man nur leise ein zipp und der Pfeil
steckte im Baumstumpf. Ich lief hin und meinte, ich
müsste mich vergewissern, obwohl ich auch von hier
aus sehen konnte, dass er perfekt getroffen hatte. Legolas
kam mir ruhig hinterher. Wieder mal hatte ich ihn nicht
gehört und als ich mich umdrehte, erschrak ich
mich kurz. „Getroffen.“ Lachte ich gequält, weil
Legolas mich so in der Dunkelheit anstarrte und keine
Regung in seinem Gesicht zeigte. Ich wollte grade meinen
Mund aufmachen, da nahm er mich beim Arm und zog mich
leicht mit zu sich runter, so dass wir jetzt nebeneinander
im feuchten Gras saßen. „Was bedrückt dich?“
er hörte sich so liebevoll an. „Nichts.“ Erwiderte
ich schnell. Aber ich wusste, es würde nichts bringen,
da dieser Elb einfach ein zu gutes Gespür für
Stimmungen hat. „Hat es etwas mit dem Gespräch
von vorhin zu tun?“ Ich nickte und zuckte gleichzeitig
die Schultern. Legolas lächelte leicht. Es war
Halbmond und der Schein des Lichtes ließ sein
Haar silbern erscheinen. „Dann hat es etwas damit zu
tun, was Sylvy dir danach erzählte?!“ Erstaunt
schaute ich ihn jetzt an. Natürlich, bitte was
hört dieser Elb nicht? Doch tapfer nickte ich.
„Und das hat dir einen so großen Schrecken eingejagt,
dass du jetzt nicht mehr mit mir sprechen möchtest?“
Schnell schüttelte ich den Kopf. Ein großer
Kloß machte sich in meinem Hals breit. Stille.
Er sagte nichts mehr und auch ich konte noch nichts
sagen. Doch als die Stille sich ins unendliche hinzuziehen
schien, schaute ich wieder auf und bemerkte, dass Legolas
mich immer noch beobachtete. Wie so oft hatte ich grade
das Gefühl, er würde genau wissen, was ich
dachte und wie ich mich fühlte. „Naja, vielleicht
ein bisschen. Ich mein, ich wusste doch gar nicht, dass...
. Naja es hat mir doch nie jemand etwas erzählt.
Und du ja auch nicht und dann erzähl ich da so
ein Mist und du hast...“ Irgendwie kam ich nur ins stocken.
„Elen, sieh mich an.“ Tapfer tat ich es. „Bin ich denn
plötzlich jemand ganz anderes für dich, als
ich es noch heute früh für dich war?“ Ich
zuckte die Schultern. „Du bist doch plötzlich jemand
ganz anderes als ich es immer dachte und das macht mir
irgendwie Angst. Ich mein, ich habe das Gefühl
als würde ich plötzlich gar nichts mehr von
dir wissen, als wärst du jemand fremdes.“ „Warum?“
Warum? Ja, warum? „Na, weil du halt ein, ein, na ein
Prinz bist und, und...“ „Und nur darum weisst du jetzt
plötzlich gar nichts mehr von mir?“ „Doch, aber
es ist irgendwie was anderes.“ „Nein, kleine Elen. Ich
bin immer noch der gleiche für dich, der ich schon
all die Jahre für dich bin. Und nur weil du jetzt
plötzlich weisst, das ich einen König als
Vater habe, habe ich mich doch noch lange nicht verändert.
Und ich möchte auch nicht, dass du mich jetzt mit
anderen Augen siehst. Ich bin immer noch die gleiche
Person, halt nur mit einem für dich neuen Familienstand.“
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er mich an und das
blau seiner Augen schien so intensiv wie noch nie zuvor.
Ich nickte entschlossen und umarmte ihn. Mir war, als
würde eine Tonnenschwere Last von mir fallen. Ich
ließ mich zurück auf meine Knie sinken und
saß so vor Legolas, der mich lächelnd ansah.
„Und jetzt bist du an der Reihe, mit dem Bogen etwas
zu treffen.“ Er beugte sich vor, legte seine Hand unter
mein Kinn und hauchte mir einen leichten Kuss auf die
Stirn. Die Geste war mir nicht unbekannt und doch hatte
ich das Gefühl, als würde mein Bauch wieder
auf Schmetterlingsjagd gewesen sein. Etwas verwirrt
erhob ich mich und kam neben Legolas zum stehen. „Nehme
den Bogen genau so, wie ich es dir eben gezeigt habe!“
Er hat mir eben etwas gezeigt? Doch meine Unwissenheit
wollte ich mir nicht anmerken lassen und so rief ich
mir ein Bild von ihm ins Gedächtnis, wie er den
Bogen immer hielt. Ich schien es ganz gut zu machen,
denn Legolas lobte mich und spannte vorsichtig den Pfeil
richtig ein und legte meine Finger richtig, damit ich
ihn auch halten konnte. Ganz vorsichtig machte er einen
Schritt zurück und ließ mich mit dem großen
Bogen und den eingespannten Pfeil zwischen meinen Finger,
stehen. „Gut, jetzt ziel mal..., in den Baum dort.“
Ich drehte mich in die wohl gemeinte Richtung, da ich
Legolas nicht gesehen hatte und so nur raten konnte.
Doch ich drehte mich zu sehr und sah nur noch, wie Legolas
erschrocken zur Seite wich und mein Pfeil dann genau
an der Stelle vorbeisauste, wo er grade noch stand.
„Tut mir Leid.“ Sagte ich schnell. „Schon in Ordnung.“
Doch ich hörte an seiner Stimme, dass er sich wirklich
erschrocken hatte und das sollte schon was heißen.
Nach mehreren Anläufen, schaffte ich es dann wirklich,
den Baum zu treffen. Und bei diesem Erfolg beließen
wir es auch. „Gut. Gar nicht mal schlecht fürs
erste mal.“ Legolas ließ sich ins Gras sinken
und auch ich ließ mich nieder. „Müsstest
du nicht schon längst im Bett sein?“ Schuldbewusst
zog ich den Kopf zwischen die Schulter. „Ja, aber Mutter
wird es schon nicht bemerken. Außerdem bin ich
ja nicht mehr so klein. Sag mal, wie alt bist du eigentlich?“
„2931 Jahre.“ Ich verschluckte mich an meiner eigenen
Spucke. „Wie bitte?“ Legolas lachte über meine
Reaktion. „Wie alt kannst du denn werden?“ „Wir Elben
sind imun gegen Krankheiten jeglicher Art. Nur Feuer
oder eine Waffe kann uns das Leben nehmen.“ Mit offenem
Mund starrte ich ihn an. „Warum weiss ich davon nichts?“
„Du hast nie danach gefragt.“ Gut, die Antwort musste
ich hinnehmen. „ELEN!“ Meine Mutter stampfte wütend
über den Rasen. „Das ist ja wohl die Höhe.
Ich dachte dich schon lange im Bett. Und was macht dieses
ungezogene Ding? Sitzt noch draußen. Sofort rein
mit dir!“ So schnell es ging erhob ich mich und flüsterte
noch ein `Gute Nacht` zu Legolas. Dann machte ich, dass
ich ins Haus kam.
.............................................................................................................................
-4-
Mein
vierzehnter Geburtstag. Ja, der war etwas besonderes
für mich gewesen. Lächelnd legte ich den Pfeil
zu den anderen Dingen, den ich die ganze Zeit in der
Hand gedreht hatte. Ich hatte mir diesen Pfeil von Legolas
geklaut, als er sich am nächsten morgen verabschiedet
hatte. Auch blieb mir der Geburtstag dadurch noch in
Erinnerung, dass Sylvy mir da das erste mal gesagt hatte,
ich würde etwas für Legolas empfinden, als
ich ihr meine Gefühle beschrieb. Damals hatte ich
es noch mit Händen und Füßen abgestritten.
Ja, damals...
.............................................................................................................................
Legolas
war vor genau zwei Tagen wieder davongeritten und schon
jetzt vermisste ich ihn wieder. „Elen!“ Meines Vaters
Stimme drang von unten hinauf in mein Zimmer. Doch ich
wollte jetzt nicht. Ich brauchte eine Pause. Meiner
Mutter ging es zur Zeit nicht grade serh gut und daher
wurden mir einige Aufgaben mehr zugeteilt. „Elen!“ Die
Stimme kam näher und im nächsten Moment ging
die Tür auf. „Elen. Warum hörst du nicht,
wenn ich dich rufe?“ Seine Stimme klang lieb, nicht
erbost, wie ich dachte. Auch er war durch die Krankheit
meiner Mutter sehr geschafft und dies setzte ihm sehr
zu. „Entschuldige. Ich habe dich nicht gehört.“
Er wusste, es war eine Lüge, doch er lächelte
und streckte mir seine Hand entgegen. „Komm mit runter,
Kind. Ich möchte dir jemandem vorstellen.“ Erstaunt
ging ich ihm voran die Treppe herunter. In der Tür
stand ein Junge aus dem Ort. Ich hatte ihn schon des
öfteren auf dem Markt gesehen. Er war nur ein paar
Jahre älter als ich und war der Sohn eines Jägers.
Etwas schüchtern, aber breit lächelnd, stand
er jetzt vor mir. „Hallo Elen. Wie schön euch einmal
in diesem Haus und zu diesem Ereignis gegenüber
zu stehen. Ich fühle mich sehr geehrt.“ Was redete
dieser Kerl da eigentlich? Von welchem Ereignis sprach
er Und warum fühlte er sich geehrt mir gegenüber
zu stehen? Verwirrt sah ich meinen Vater an, der aber
nur über beide Ohren grinste. Etwas seltenes, was
ich durch meine, jetzt gerne unangebrachte Art, nicht
zerstören wollte. Vater führte uns drei ins
große Zimmer und wir nahmen Platz. Die meisste
Zeit redete er mit Tim, so sein Name, und ich saß
nur dabei und war den Blicken dieses Jungen ausgliefert.
Die Zeit schien nicht zu vergehen, als Vater sich endlich
wieder erhob und wir gemeinsam den Jungen verabschiedeten.
Worum es bei diesem Besuch eigentlich ging, wusste ich
immer noch nicht. „Wie ist dein erster Eindruck von
ihm?“ Gleichgültig zuckte ich die Schultern. „Er
scheint ganz nett zu sein.“ „Kannst du dir vorstellen,
seine zukünftige Gemahlin zu werden?“ Wie vor den
Kopf gestoßen, sah ich zu meinem Vater hinauf.
„Nein!“ kam es prompt aus meinem Mund und das Lächeln
meines Vaters verwandelte sich in ein eisiges Grinsen.
„Meine Tochter. Du hast jetzt dein siebzehntes Lebensjahr
überschritten und es wird Zeit dich zu vermählen,
damit du eine eigene Familie gründen kannst und
deinem Gemahl Kinder schenken kannst. So wie auch deine
Schwester und deine Mutter es getan haben. Und auch
ich. Und du, meine Tochter Elen, wirst auch vermählt
werden. Und ich als dein Vater habe das Recht, dir deinen
Zukünftigen auszuwählen.“ Seine Stimme wurde
mit jedem Wort lauter und jedes Wort traf mich härter.
Meine Farbe verschwand aus meinem Gesicht und das erste
mal wurde ich mit dieser Art von Zukunft konfrontiert.
Mein Vater verschwand aus dem Zimmer. Ich taumelte nach
oben ins Zimmer. Sollte das wirklich wahr sein? Konnte
ich wirklich nichts gegen eine unfreiwillige Vermählung
tun? Musste ich wirklich einen Jungen aus dem kleinen
Ort “Bree“ heiraten? Ihm Kinder schenken und für
Haus und Hof sorgen? Ich spürte eine Träne,
die sich in ihren Weg an meiner Wange entlangbahnte.
Ich wollte diese Form von Zukunft nicht. Ich wollte
nicht mein ganzen Leben lang in Bree leben und ich wollte
keinen Mann heiraten, den ich nicht liebte. Denn ich
liebte nur einen einzigen Mann und der war jetzt nicht
hier.
„Elen!
Komm herunter. Deine Mutter ruft nach dir.“ Mein Vater
schloss die Tür und ich folgte ihm wenig später.
Meine Mutter lag im hinteren Zimmer. Ihr ständiges
Husten erfüllte das ganze Haus. Vorsichtig öffnete
ich die Tür. „Mutter. Was kann ich dir bringen?“
Sie wendete ihr eingefallenes Gesicht mir zu und versuchte
zu Lächeln. Es endete wieder in einem schmerzhaften
Hustenanfall. „Lese mir doch etwas vor, meine Tochter.
Es erfüllt mich immer mit Freude dich in meiner
Nähe zu haben und dir zuzuhören.“ Seit ihrer
Krankheit, verband mich mit meiner Mutter weit mehr,
als früher. Nur ihretwegen hielt ich der Versuchung
stand, einfach davonzulaufen. Und wenn ich von hier
weggehen würde, hatte ich mir schon seit meiner
Kindheit geschworen, nur mit Legolas zu gehen. „Ja Mutter.
Das mache ich sehr gerne.“ Ich nahm mir das Buch und
begann zu lesen. Es dauerte nicht lange und meine Mutter
hörte mich nicht mehr. Sie schlief. So leise wie
ich es konnte, verließ ich den Raum und traf prompt
auf meinem Vater. „Ich gehe raus und versorge die Pferde.
Wenn ich wieder komme, hast du das Essen vorbereitet.“
Es war ein Ton, der keine Widerrede duldete. Frustriert
machte ich als erstes meiner Mutter Suppe und dann meinem
Vater und mir die Mahlzeit. Den ganzen Abend lang, redete
ich kein Wort mehr mit ihm. Nachdem ich ins Zimmer durfte,
stand ich traurig vor dem Spiegel. Mein Vater würde
nicht aufhören, zu versuchen, mich zu vermählen.
Gab es denn nicht eine Möglichkeit, eine Vermählung
wenigstens hinauszuzögern? Vielleicht brauchte
ich nur Zeit. Zeit, um zu überlegen, was die beste
Möglichkeit wäre, hier weg zu kommen und doch
noch meine Mutter zu umsorgen. Schnell lief ich ins
alte Zimmer von Sylvy und öffnete den großen
Schrank, der noch immer in der Ecke stand. In ihm hingen
ihre Umstandskleider, die ich mir alle heimlich nahm.
Danach schlich ich mich zurück in mein Zimmer und
wechselte meine Kleidung. Da ich meine langen dunklen
Haare nicht zu einem Zopf knoten konnte, nahm ich nur
das Deckhaar und knotete dieses zusammen. Zufrieden
betrachtete ich mein `neues` Ich.
.............................................................................................................................
-5-
Dies
war das erste Jahr gewesen, wo Legolas nicht erschienen
war. Ich hatte jeden Tag auf ihn gewartet, doch er kam
nicht mehr. War ihm etwas zugestoßen? Die Sorge
um ihn, ließ mich nicht mehr los. Außerdem
ging es meiner Mutter von Zeit zu Zeit schlechter. Mein
Vater hörte nicht auf, Jungen aus dem Dorf ins
Haus zu schleppen. Doch ich war so unhöflich wie
ich es konnte und zog mich so verdreckt an, wie ich
es selbst aushielt. Irgendwann fand sich einfach niemand
mehr aus dem Dorf, der mich zu seiner Gemahlin machen
wollte. Meine Art sprach sich sehr schnell herum und
das schadete auch dem Ruf meines Vaters. Was widerum
den Pferdehandel erschwerte. Dadurch verschlechterte
sich die Beziehung meines Vaters immer mehr. Sylvy erwartete
grade ihr drittes Kind. Sie war die einzige Person,
die mich verstand. Doch sie hatte Pflichten, die sie
im Gegensatz zu mir, sehr gerne ausführte.
Mit Tränenverhüllten
Augen, stand ich an dem kleinen Schrank mit Legolas’
Geschenken und wischte mir zum abertausendstenmal, die
Tränen weg, die einfach nicht versiegen wollten.
Draußen strahlte der Himmel in seinem herrlichsten
blau und die Sonne erweckte Bree zu neuem Leben, doch
in mir drin sah es aus, als hätte grade der schlimmste
Sturm überhaupt gewütet. Warum? Warum sie?
Vater kam zur Tür herein und nahm mich in den Arm.
Auch er weinte. Es war schon eine Ewigkeit her, seit
er mich so in den Armen gehalten hatte. Dann ging er
wieder und ließ mich mit meiner Trauer allein.
In ein paar Stunden würden sich die Leute aus dem
Dorf zusammentreffen und Mutter zu Grabe tragen. Doch
ich wollte nicht. Ich konnte nicht. Die letzten Worte
von ihr, umgaben mich noch immer wie ein Duft, der sich
wie eine Wolke um einen legte. Wieder blickte ich durchs
Fenster. Legolas war jetzt schon zwei Jahre nicht mehr
bei uns gewesen. Ich hoffte ihn dieses Jahr wieder zu
sehen. Hoffte er würde mich nicht noch ein Jahr
alleine lassen. Ich brauchte ihn jetzt. Und der Wunsch,
von hier fort zu kommen, verfestigte sich mit jedem
Moment mehr. Und ich wollte mit ihm gehen. Besonders
nachdem ich endlich die Gewissheit hatte, die mir meine
Mutter anvertraut hatte. Doch die ersten Monate vergingen,
ohne das Legolas bei mir war.
Legolas
ritt im Schritt durch den kleinen Ort Bree. Das Wetter
meinte es gut mit ihm. Erst jetzt, da er seit langer
Zeit wieder hier durch ritt, bemerkte er, wie sehr ihm
dieser Ort gefehlt hatte. Er hoffte, Elen würde
nicht wütend auf ihn sein, da er erst jetzt wieder
zu ihnen kam. Doch je näher er dem Hof kam, desto
mehr spürte er, dass etwas nicht stimmte. Was,
konnte er nicht sagen, doch irgendwas war anders. Und
als er durchs Tor kam, und niemand ihn begrüßte,
da wusste er, dass ihn sein Gefühl nicht getäuscht
hatte.
Das kalte
Wasser rieselte durch meine geöffneten Hände.
Es nahm den Schmutz mit sich und kühlte meine Haut.
Plötzlich hörte ich unten im Haus Stimmen.
Wollte mein Vater nicht im Stall bleiben? Schnell trocknete
ich mir die Hände und lauschte wieder den Stimmen.
Mein Herz pochte schneller und hektisch legte ich das
Handtuch beiseite. Ich lief zum Fenster und schaute
nach einem Schimmel, doch der war nicht zu sehen. Er
könnte schon im Stall sein, sicher. Oder betrügte
mich jetzt schon mein Gehör? Ich lauschte wieder,
die Stimmen waren noch da. Sie wurden lauter, genau
wie auch mein Herzschlag. Und plötzlich Stille.
So sehr ich mich auch anstrengte, ich hörte nichts
mehr. Nur meinen eigenen, vor Aufregung, schneller werdenen
Atem. Hatte ich es mir doch nur eingebildet? Abwartend
setzte ich mich auf mein Bett und schloss die Augen.
Fuhr mir mit meinem Händen übers Gesicht.
Doch im nächsten Moment spürte ich plötzlich,
dass ich nicht mehr allein war. Ja, das erste mal, konnte
ich es spüren. Ich öffnete meine Augen und
sah hinauf zu Legolas, der leicht lächelnd vor
mir stand. Ein warmes Gefühl durchströmte
meinen Körper. Ich hatte mich also nicht verhört.
Und er hatte mich nicht vergessen, ihm war nichts zugestoßen,
die Sorgen waren umsonst. Glücklich lächelte
ich und stand auf, um ihm zu umarmen. Um mich zu vergewissern,
dass er wirklich hier bei mir war und mich wirklich
anlächelte. Das Lächeln, was ich so vermisste.
„Es tut mir Leid, dass ich nicht früher zu euch
kommen konnte.“ Flüsterte er in mein Ohr, denn
ich ließ ihn noch immer nicht los. Lächelnd
schüttelte ich nur den Kopf. Trat einen kleinen
Schritt zurück. „Du bist ja hier.“ Sagte ich leise
und versuchte ihn nicht die ganze Zeit anzusehen. Trotz
meiner Trauer, spürte ich doch wieder das angenehme
Gefühl, wenn er in meiner Nähe war. „Aber
ich war weg, wo ich doch grade hier sein sollte und
das tut mir Leid.“ Mein Vater hatte ihm also schon alles
erzählt. Schweigend ließ ich mich wieder
aufs Bett sinken, Legolas neben mir. „Es war nicht leicht.“
Stimmte ich ihm leise zu. Vorsichtig nahm Legolas meine
Hand in seine. Sie war so warm. „Dein Vater ist sehr
traurig, dass du dich nicht vermählen möchtest.“
Diese Worte gaben mir einen leichten Stich. Ich starrte
nach vorne in mein Zimmer. „Was wäre so schlimm
daran, einen Mann aus dem Ort zu ehelichen?“ Geschockt
über diese Worte aus seinem Munde, sah ich ihn
an. Zog meine Hand aus seiner. „Was?“ Meine Stimme hörte
sich krächzend an. Erbost stand ich vom Bett auf
und gewann einigen Abstand zu ihm. „Was sagst du da?
Ich könnte das nie tun. Ich könnte niemals
einen Mann heiraten den ich nicht liebe. Könnte
diesem Mann nie wie eine Zuchtstute viele Kinder schenken.
Könnte nie nur für Haus und Hof da sein und
ihm sein Essen Abends auf den Tisch stellen. Und ich
könnte nie mit der Gewissheit leben, in Bree geboren
zu sein und hier auch wieder zu sterben.“ Schluchzend
stand ich nun da und versuchte meine Tränen in
den Griff zu bekommen. Legolas stand auf, kam zu mir.
Ich sah auf den Boden und schüttelte leicht den
Kopf. „Ich könnte das nicht.“ Seine warmen Hände
legten sich um meinen Kopf, hoben ihn leicht zu sich.
Jetzt war sein Ausdruck wieder liebevoll, ich hatte
das Gefühl, er würde verstehen. Sein Daumen
strich mir über meine Wange und seine Lippen hauchten
über meine Stirn. Ich schmiegte mich an seinen
Körper und weinte. Weinte vor Trauer um den Tod
meiner Mutter. Und doch fühlte ich mich in diesem
Moment auch geborgen und sicher.
Ich konnte
irgendwann nicht mehr sagen, wie lange ich so bei ihm
stand. Als meine Tränen versiegten, strich ich
mir übers Haar und ging ein Stück zurück.
Ich war Legolas dankbar, dass er so lange gewartet hatte,
bis ich mich wieder gesammelt hatte. „Außerdem
habe ich keinen Grund mehr, noch länger hierzubleiben.“
Flüsterte ich fast. Traute mich nicht, hoch zu
gucken. Ich hatte es ausgesprochen. Als ich wieder hochsah,
stand Legolas am Fenster und wartete meine nächsten
Worte ab. Aber ich wusste, dass ihn mein eben gesagtes
doch irritierte. „Meine Mutter hat mir kurz vor ihrem
Tod etwas erzählt, was meine Zukunft in andere
Bahnen lenken kann. Und ich möchte dafür sorgen,
dass es auch so wird.“ Ich wusste ich sprach in Rätseln.
Doch warum? Traute ich mich nicht, die Wahrheit zu sagen?
Meine Stimme begann ein wenig zu zittern. Legolas sah
mich immer noch ruhig an. Irgendwie traute ich mich
nicht weiter zu sprechen. Hatte ich Angst vor seiner
Reaktion? Aus den Augenwinkeln sah ich ihn auf mich
zukommen. Mein Blick ruhte schon wieder auf dem Boden
und dann spürte ich wieder seine Hand in meiner.
Es war beruhigend. „Kleine Elen. Habe keine Angst mir
das zu sagen, was dich bedrückt.“ Ich nickte kaum
merklich. Ja, er hatte ja Recht. Ich sollte es ihm einfach
sagen. Meine Beine trugen mich wieder zum Bett und ich
nahm Platz. Traute mich nicht, meine Augen auf einen
anderen Punkt zu richten, als auf den Boden. „Meine
Mutter hat mir all die Jahre etwas verschwiegen.“ Begann
ich langsam und hielt immer noch Legolas Hand. Ich wusste
er sah mich an und wartete geduldig. „Der Mann, von
dem ich immer dachte, er wäre mein Vater, ist in
Wirklichkeit ein Mann, den ich gar nicht kennen könnte.“
Das einzige was ich hörte war mein Schlucken und
mein Atem. „Was ich sagen will, ist, dass mein Vater
gar nicht mein Vater ist. Er zog mich nur all die Jahre
auf, als wäre er mein Vater. Wofür ich ihm
natürlich auch dankbar bin. Nur hat mir meine Mutter
auch gesagt, wer mein richtiger Vater ist.“ Wieder traute
ich mich nicht weiterzusprechen. Mein Hals war ganz
trocken. Kurz sah ich zu Legolas auf und dann doch wieder
auf den Boden. „Er, er lebt im Düsterwald.“ Zögernd
sah ich wieder auf. In seinem Gesicht war echte Verwunderung.
Doch sagte er noch immer nichts. „Sie hat meinen Vater,
also meinen richtigen Vater, kennengelernt, als sie
mit meinem jetzt ja nicht mehr richtigen Vater, verheiratet
war. Aus diesem `kennenlernen` entstand dann ich.“ Vor
Aufregung kaute ich auf meiner Unterlippe. Legolas sah
mich jetzt nicht mehr an, sondern starrte auch irgendeinen
Punkt im Raum an. „Also ist dein Vater ein Elb?“ Noch
etwas unschlüssig nickte ich. Ich konnte es ja
selber kaum glauben. Dieser Gedanke kam mir so unwirklich
vor. Er war einfach noch nicht real. „Ja.“ Legolas sah
wieder zu mir und lächelte leicht. Wollte er mir
Mut machen? „Sie sagte mir auch seinen Namen. `Elundrá`.“
Aus Legolas Reaktion, konnte ich ablesen, dass ihm der
Name nicht unbekannt war.“ “Du kennst ihn?“ „Ja.“ Mehr
sagte er nicht. Ich zwang mich zum weitersprechen. „Ich
sagte dir vorhin, dass ich nicht hier bleiben möchte
und ich nicht von meinem Vater zu einer Vermählung
gezwungen werden will. Jetzt, wo ich weiß, dass
mein Vater woanders lebt, hat mein Vater hier, nicht
mehr das Recht, mich zu einer Vermählung zu zwingen.“
Ich atmete einmal tief durch. „Und darum möchte
ich weg von hier.“ Legolas` Blicke schienen mich zu
durchbohren, doch tapfer sprach ich weiter. „Ich, ich
möchte mit dir kommen und meinen richtigen Vater
kennenlernen.“ Legolas stand so schnell auf, dass ich
mich schon fast erschrak. Natürlich hatte ich nicht
damit gerechnet, dass ihn meine Nachricht freute, doch
hoffte ich auf Verständnis. „Das geht nicht.“
.............................................................................................................................
-6-
Seine
Stimme klang scharf. „Und warum nicht? Ich kann von
hier weg. Mich hält hier nichts mehr.“ Redete ich
gegenan. „Du verstehst nicht. Du kannst nicht einfach
durch die Landschaft spazieren. Du kennst die Gefahren
nicht und auch nicht die richtigen Wege. Und du kannst
auch nicht so einfach zu den Elben in ihr Land spazieren
und nach deinem Vater suchen wollen. Sie werden dich
nicht lassen.“ Die ganze Zeit hatte er so eine Ruhe
ausgestrahlt und mir dadurch wieder Mut gemacht, doch
jetzt war er selbst erbost und ich war Schuld. Doch
ich wusste was ich wollte. Und das war nicht, hier zu
versauern. Und schon gar nicht, wo ich ja jetzt wusste,
dass ich kein Gesetz mit meinem Verschwinden brechen
würde. „Aber wegen all diesen Dingen will ich ja
mit dir gehen. Legolas bitte!“ er schüttelte den
Kopf. „Und warum nicht?“ Meine Furcht wuchs, dass alles,
was ich mir gut durchdacht hatte, wie eine Seifenblase
zerplatzen würde. „Ich kann dich nicht einfach
mitnehmen. Stell dir das doch nicht so einfach vor.“
„Dann nenn mir Gründe warum es nicht geht!“ Doch
ausser sein wütender und etwas hilfloser Gesichtsausdruck,
der Bände sprach, ich sollte hier bleiben, sagte
er nichts. Nein, nein ich wollte nicht hier bleiben,
nur weil der Herr Elb mich nicht mitnhemen wollte. Trotzig
setzte ich mich mit graden Rücken hin und sah ihn
an. „Gut. Dann werde ich auch ohne dich gehen.“ Das
hilflose wich aus seinem Gesicht und was blieb, war
das wütende. „Elen! Du wirst nicht weit kommen.
Du bist hier zu Hause und hier besser aufgehoben.“ Jetzt
wurde auch ich wütend. „Du weist genau was hier
auf mich wartet und das möchte ich nicht. Und mich
hält hier auch nichts mehr. Mein ganzes Leben wollte
ich schon mehr sehen als nur Bree. Und jetzt habe ich
die Gelegenheit dazu. Und ich meine es Ernst, wenn ich
sage, ich gehe auch ohne dich.“ Wieder diese unerträgliche
Stille. „Aber es wäre mir lieber, wenn ich mit
dir gehen könnte.“ Fügte ich noch leise hinzu.
Legolas sah mich noch immer an. Er wusste genau, dass
ich meine Worte sehr Ernst nahm. „Weiss dein Vater,
dass du gehen willst?“ Ich musste den Kopf schütteln.
„Aber er wird es noch früh genug erfahren. Und
er wird es akzeptieren müssen.“ „Mein Weg führt
als nächstes nach Bruchtal. Bis dahin werde ich
dich mitnehmen. Weiter jedoch nicht. Wenn du dich damit
einverstanden erklärst, können wir morgen
schon aufbrechen.“ Mit einem breiten Lächeln sah
ich zu ihm. Schon oft hatte er mir von Bruchtal erzählt.
Und ich freute mich, es einmal mit eigenen Augen zu
sehen. Das würde dann zwar erst die Hälfte
der Strecke sein die ich gehen wollte, doch es war ein
Anfang. Und ich würde mit Legolas gehen, was mir
sehr wichtig war. Schnell stand ich auf und umarmte
ihn dankbar. „Ich danke dir.“ Flüsterte ich und
zum Zeichen, dass er mir nicht böse war, strich
er mir leicht über den Kopf.
Er überlegte
angestrengt, ob es richtig war, was er eben gesagt hatte.
Jetzt musste er sie mitnehmen. Noch erschreckten ihn
ihre Worte auch noch zu sehr. Sie war also eine Halb-Elbin.
Das erklärte auch ihre guten Fähigkeiten im
Sehen und Hören. Das kam den Elben natürlich
noch nicht gleich, aber ihre Sinne waren besser ausgebildet
als bei den Menschen. Was ihn schon des öfteren
verwundern ließ. Er wusste auch, dass Elben sich
erst in den Jahren richtig entwickelten und das war
bei Halb-Elben nicht so anders. Er kannte ja mehrere,
doch das Elen jetzt auch eine war, erschreckte ihn doch
mehr, als er zugeben wollte. Doch Elen hatte keine Ahnung,
worauf sie sich da einlassen wollte. Sie kannte nur
das friedliche Örtchen Bree. Legolas musste sich
bis Bruchtal etwas einfallen lassen, sie von ihrem Vorhaben
abzubringen. Die Elben in Düsterwald sahen es nicht
gerne, Fremde in ihr Land zu lassen.
Mit Tränen
in den Augen stand ich meinem Vater gegenüber.
Auch er weinte wieder. „Jetzt verlier ich auch noch
dich, mein Kind.“ „Du verlierst mich nicht, Vater.“
Liebevoll streichelte er mein Gesicht und wischte mir
die Tränen von den Wangen. „Nur schwer trennte
ich mich von ihm und auch von Sylvy, die mit ihrem kleinen
Sohn an der Hand neben uns stand. Während ich sie
umarmte, ging Vater zu Legolas, um ihn zu verabschieden.
„Wehe du bringst sie mir nicht heil zurück.“ Dass
mein Vater das zu ihm sagte, hörte ich nicht, da
ich zu laut schluchzte. „Pass auf dich auf kleine Schwester.“
Schniefte Sylvy. Doch mit einem Grinsen fügte sie
noch hinzu: „Ab jetzt hast du ja die Chance mit ihm
allein zu sein.“ Zum Glück flüsterte sie es
mir ganz leise ins Ohr. Für diesen Kommentar knuffte
ich sie einmal in die Seite, musste aber doch mit ihr
grinsen. Sie wusste einfach in den unmöglichsten
Situationen, mich zum lachen zum bringen. Unser Stallbursche
Pete, holte die Pferde. Ich ritt mein eigenes Pferd.
Santia. Aufgeregt scharrte sie auf dem Boden, da sie
wusste, es würde gleich losgehen. Dankbar nahm
ich Pete die Zügel ab und umarmte auch ihn zum
Abschied. Um Santia zu beruhigen, tätschelte ich
ihren schwarzen Hals. Als ich wieder in die Runde blickte,
verabschiedete Legolas sich von Sylvy und nahm dann
auch sein Pferd. Langsam wurde ich ungeduldig. Lange
Abschiede lagen mir nicht und je länger es dauerte,
desto schwerer fiel es mir, mich zu trennen. Um meine
Eile zu verdeutlichen, stieg ich schon mal auf und ritt
im Schritt zu der sich noch immer unterhaltenen Gruppe.
„Auf ein baldiges Wiedersehen.“ Rief mein Vater uns
traurig hinterher und ich winkte traurig zurück.
Das mir der Abschied doch so schwer fallen würde,
hätte ich nicht gedacht. Mein ganzes Leben träumte
ich mich von diesem Ort fort und jetzt war es so weit
und ich verspürte ein unangenehmes Gefühl
dabei. Schweigend ritt ich neben Legolas und ließ
meinen Blick durch Bree schweifen. Einige Leute winkten
mir zu, andere drehten sich kopfschüttelnd weg.
Viele Jungen, die bei meinem Vater wegen mir anfragten,
drehten sich beleidigt weg. Sollten sie, mir machte
es nichts aus. Fast taten sie mir schon Leid, da sie
hier festsaßen und ich weg konnte. Bei diesem
Gedanken wurde mir wieder besser zumute. Es war ein
befreiender Gedanke. Es dauerte nicht lange und wir
ritten durch das große Tor, was Nachts immer geschlossen
und bewacht wurde. Jetzt würde ich die schützenden
Mauern verlassen. Jetzt musste ich mich auf Legolas
verlassen. Es würde nicht mehr lange dauern und
wir würden uns auf ein Gebiet begeben, auf dem
ich mich nicht mehr auskannte. Würden Boden betreten,
den ich nur aus Erzählungen kannte und nur in meinen
Gedanken Gestalt angenommen hatte. Ich fragte mich,
ob die Gegend genauso aussah, wie ich es mir vorstellte.
Besonders gespannt war ich auf Bruchtal. Lächelnd
tätschelte ich Santias Hals und ließ meinen
Blick zu Legolas schweifen. Sein Blick war auf den Weg
vor uns gerichtet und um uns herum. Doch er bemerkte
meinen Blick und wandt sich mir zu. „Immer noch so zuversichtlich?“
Er sprach es etwas zynisch, was mich bockig werden ließ.
Er war also immer noch nicht mit meinem Mitkommen einverstanden.
„Natürlich. Warum sollte mich etwas umgestimmt
haben?“ Legolas blickte wieder nach vorne. Ich wollte
nicht mit ihm in Unstimmigkeit reiten. Und ich wollte
nicht das kleine bockige Mädchen spielen. „Welchen
Weg reiten wir nach Bruchtal?“ „Welchen kennst du denn?“
Er sah nicht zu mir, als er das sagte. Wieso störte
es ihn so? Wieso störte ich ihn so? „Ich weiss,
dass wir auf der `Großen Oststraße` reiten.
Doch wohin sie führt, weiss ich nicht.“ Ich versuchte
angestrengt meinen Ton ruhig und zuversichtlich zu halten.
Legolas sollte mich wieder anlächeln und mich nicht
einfach ignorieren. „Du sagst das Richtige. Es folgt
dann die `Die letzte Brücke` und `Die Trollhöhlen`.
Danach ist Bruchtal nicht mehr weit.“ Bei dem Wort `Troll`
musste ich zweimal schlucken. Trolle kannte ich nur
aus Erzählungen und es wurde mir immer vor ihnen
gewarnt. Doch ich traute mich nicht, Legolas zu fragen,
ob wir auf Trolle stoßen könnten. Plötzlich
bewegte Legolas sein Pferd in den Galopp und ließ
mich zurück. Überrascht, weil Santia hinterher
wollte, nahm ich die Zügel an. Doch Legolas hielt
nicht an. Also ließ auch ich Santia laufen und
holte ihn schnell ein, weil er wohl absichtlich nicht
schnell ritt. Gekränkt ritt ich neben ihn und begann,
mich mehr für die Landschaft zu interessieren.
Es würde nicht mehr lange dauern und das unbekannte
Gebiet würde für mich beginnen.
.............................................................................................................................
-7-
Meine
Beine taten mir weh und Kälte umschlich mich. Mein
Magen knurrte und meine Augen schmerzten. Die Sonne
verschwand langsam hinter dem Horizont und begann die
Schatten aus ihren Verstecken zu locken. Als Kind hatte
ich oft Angst vor ihnen. „Wir bleiben die Nacht über
hier.“ Legolas stieg vom Pferd und stellte es unter
einem Baum. Ich tat es ihm gleich. „Du hast dir deine
Pause verdient.“ Lachte ich zu Santia, der schon im
stehen, die Augen zufielen. So lange Strecken war sie
nicht gewohnt. Aus den Augenwinkeln, sah ich Legolas
im anliegenden Wald verschwinden. Ohne etwas zu sagen,
verschwand er in der Dunkelheit der Bäume. Warum
ging er ohne etwas zu sagen? Den gesamten Ritt über
hatte er nur das nötigste mit mir gesprochen und
es tat mir weh. Um die Zeit zu nutzen, packte ich die
Schlafsachen von Santia und holte etwas zu essen. „Du
hast die Zeit gut genutzt.“ Legolas stand neben mir
und lächelte mich leicht an. Das erste mal seit
dem Ritt. Dachte er etwa, ich wäre ihm eine Last
und würde ihn nur aufhalten? Auf seine Bemerkung
hin nickte ich und sah mich um. Er hatte Holz geholt
und ich versuchte mich im Feuer machen. Es klappte zu
meiner Freude und auch im Essen machen, machte ich mich
ganz gut. „Stört es dich das ich mit dir reite?“
Sprach ich endlich meine Befürchtung aus. Legolas
sah mich an und lächelte kurz. „Nein. Nur fürchte
ich, dass dich etwas anderes erwartet, als du es dir
wünschst.“ Seine Stimme wirkte zärtlich, sein
Lächeln bereitete mir Gänsehaut. Doch ich
versuchte es zu unterdrücken und nahm mir etwas
zu Essen. „Ich erwarte ja gar nichts bestimmtes.“ Schmatzte
ich mit offenem Mund, was Legolas zum lächeln brachte.
„Elen, du hast Manieren. Wenn wir in Bruchtal sind,
musst du dich anständig benehmen.“ „Aber das tu
ich doch.“ Protestierte ich schnell, doch Legolas schüttelte
nur den Kopf. Eingeschnappt aß ich weiter. „Wie
lange reiten wir denn noch?“ Ich hoffte nicht allzulange,
denn mein Körper schmerzte mir immer noch überall.
„Wir werden noch ein paar Tage reiten, wenn wir schnell
sind und nichts dazwischen kommt.“ Neugierig sah ich
auf. „Was könnte denn dazwischen kommen?“ Wieder
lachte Legolas und ich hatte das ungute Gefühl
er würde mich auslachen. Also beließ ich
es mit meinen Fragen und aß lieber schweigend.
Sie war
genauso unwissend wie er es erwartet hatte. Doch jetzt
wirkte sie gekränkt und das hatte er nicht beabsichtigt.
Um sie aufzuheitern, erzählte er ihr wieder von
Bruchtal. Wie eigentlich jedesmal wenn sie sich sahen.
Sie war eine gute Zuhörerin und sie hing auch jetzt
wieder gespannt an seinen Lippen. Legolas hoffte, seine
vorgenommene Zeit einhalten zu können. Und er hoffte,
Elen würde den Ritt durchhalten. Schon jetzt hatte
sie Schmerzen, die sie nur nicht zugeben wollte. Es
wäre besser, sie nachher ruhen zu lassen. Den Schlaf
hätte sie bitter nötig. Sofort nach dem Essen
würden sie das Nachtlager fertig bereiten.
Mit schmerzendem
Rücken, baute ich mir mein Bett. Es sah unbequem
aus, da es ja nur aus ein paar Decken bestand. Aber
ich würde mir vor Legolas keine Blöße
zeigen. Nein, so schlimm würde die erste Nacht
unter freiem Himmel schon nicht werden. Legolas hatte
sein Lager etwas weiter von mir entfernt vorbereitet.
Aber immer noch so, dass ich schnell bei ihm wäre
wenn was passieren sollte. Das hatte er zumindest gesagt.
Das Feuer war bis zur Glut heruntergebrannt. Aber es
gab immer noch angenehme Wärme ab. Ich hockte mich
davor und rieb meine Hände. Ich hätte nie
gedacht das die Nächte im Sommer so kalt sein konnten.
„Du solltest dich jetzt schlafen legen.“ „Ja.“ Fast
stolperte ich beim aufstehen und als ich sah das Legolas
mich ansah, lächelte ich gequält. Wirklich
sehr peinlich, beim aufstehen fast hinzuknallen. Wütend
über mich selbst, schlüpfte ich unter die
Decken und schloss die Augen. Mein Körper war geschafft
und freute sich über die Ruhe, auch wenn der Boden
sehr hart war, doch fühlte ich mich auch noch hellwach,
da ich plötzlich Geräusche vernahm, die mir
am Tage so normal vorkamen. Als ich meine Augen wieder
öffnete, lag Legolas schon in seinem Lager und
gab keinen Mucks von sich. Also versuchte ich wieder
zu schlafen. Doch was war das? Irgendwo im Wald flogen
Vögel durch die Baumwipfel und ein Uhu rief ins
Dunkel hinein. Die Bäume knarrten im Wind und es
knackten Äste auf dem weichen Waldboden. Bildete
ich mir das alles nur ein? Ich drehte mich auf den Rücken
und versuchte so, besser zur Ruhe zu kommen. Doch da
war nur ein dunkler Himmel mit fetten Wolken. Kein einziger
Stern war zu erkennen und einzelne Äste wippten
über meinem Köpf. Das machte mich nur noch
wuschiger und ich drehte mich wieder zu Legolas’ Richtung.
Der schien seelenruhig zu schlafen. Wieder vernahm ich
ein Knarren aus dem Wald und ich konnte meinen eigenen
Herzschlag hören. So wie immer, wenn ich aufgeregt
wurde. Auch die Decke über meinem Kopf brachte
nichts. Plötzlich kam ich mir so allein hier auf
diesem Platz vor und Legolas so weit von mir weg. Mutig
stützte ich mich auf und schielte wieder zu Legolas.
Er schien wirklich schon zu schlafen und ich wollte
ihn ja auch nicht stören, doch meine Angst siegte.
„Legolas?!“ flüsterte ich leise. Er rührte
sich nicht. Er musste mich hören, da war ich mir
sicher. Ich flüsterte wieder, aber etwas lauter.
Er lag auf dem Rücken und endlich drehte er seinen
Kopf in meine Richtung, sagte aber nichts. Sah mich
nur abwartend an. „Ich, ich fühl mich etwas unwohl.“
Sagte ich zögerlich. „Und was kann ich dagegen
tun, kleine Elen?“ „Kann ich näher zu dir rankommen?“
Auf der Unterlippe kauend und mit hochgezogenen Augenbrauen,
wartete ich seine Antwort ab. „Ja, wenn es dir hilft.“
Und wie mir das was hilft. So schnell, aber auch so
leise wie möglich, rückte ich mein Lager um
einige Schritte näher und krabbelte wieder unter
die Decke. Jetzt lag ich eine Armlänge von ihm
enfernt. Legolas hatte sich zu mir gedreht, aber wieder
die Augen geschlossen. Ich versuchte es ihm gleich zu
tun, nur waren diese Geräusche immer noch zu hören
und obwohl ich mich jetzt etwas sicherer fühlte,
konnte ich noch immer nicht schlafen. Ich musste wieder
daran denken, als Legolas meine Hand genommen hatte
und wie sehr es mich beruhigt hatte. Er war einfach
nur dagewesen und strahlte eine ungemeine Ruhe aus.
Nur war dies jetzt eine ganz andere Situation, als nur
im sicheren Zimmer zu sitzen. Doch ich traute mich auch
nicht wirklich ihn zu fragen. Sicher nervte ich ihn
schon genug, doch die Geräusche aus dem Wald verschwanden
nicht und der Himmel zo sich immer dunkler zu und die
Glut spendete schon lange keine Wärme mehr...
.............................................................................................................................
-8-
„Legolas?“
Wieder öffnete er seine Augen. Ich musste schlucken,
ehe ich ihn fragte. „Weißt du, die ganzen Geräusche
machen mich etwas nervös, weil sie mir ja auch
so fremd sind und ich kann nicht einschlafen, obwohl
ich ja weiß das ich schlafen sollte, und doch
fällt es mir schwer und darum...“ Mit einem leichten
Augenrollen, hielt Legolas mir seine Hand hin, ehe ich
zu Ende gesprochen hatte. Erleichtert, aber auch leicht
gequält lächelnd, umfasste ich sie und spürte
wieder diese angenehme Wärme. „Und nun schlaf auch
wirklich.“ Ich nickte schnell, als hätte ich ja
nie etwas anderes getan und schloss zur Unterstreichung
meine Augen. Tatsächlich fühlte ich mich schnell
sicherer und doch konnte ich nicht schlafen. Ich öffnete
wieder meine Augen und sah meine Hand in Legolas’ liegen.
Seine Finger waren leicht geöffnet und am liebsten
wäre ich sie mit meinem Finger entlanggefahren.
Doch ich widerstand der Versuchung. In der Dunkelheit,
zeichneten die Schatten jede einzelne Kontur seines
Gesichtes nach. Wenn die Wolken ein Stück vom Himmel
zeigten, wirkte seine Haut fast silbern und seine Ohrspitzen
so verletzlich wie Schmetterlingsflügel. Nur leicht
hob und senkte sich sein Körper im Rhythmus seines
Atem und eine lockere Strähne umrahmte seicht sein
schönes Gesicht. Plötzlich formten sich seine
Lippen zu einem Lächeln. Träumte er? Ich fand
es süß und musste auch lächeln, hätte
er nicht plötzlich auch seine Augen geöffnet.
Im ersten Moment erschrak ich und erst im zweiten wurde
mir klar, dass er die ganze Zeit noch nicht geschlafen
hatte und meine Blicke die ganze Zeit gespürt hatte.
Prompt spürte ich, wie mir die Röte ins Gesicht
schoss und das war mir noch peinlicher, weil mir bewusst
war, dass ich auch dies nicht vor Legolas verbergen
konnte. „Ich kann immer noch nicht so gut einschlafen,
aber es geht schon besser.“ Flüsterte ich gequält
und nahm meine Hand aus seiner und drehte mich mit hochrotem
Kopf um. Legolas hatte nichts anderes getan als gelächelt.
„Du solltest jetzt wirklich versuchen zu schlafen. Morgen
wird es wieder ein anstrengender Tag.“ Hörte ich
ihn sagen und ich murmelte nur ein „Mhmh.“ Die unheimlichen
Geräusche aus dem Wald, nahm ich nicht mehr wahr.
Das einzige was blieb, war der Gedanke über die
Situation von eben.
Ich hatte
keine Ahnung, wann ich in dieser Nacht endlich mal eingeschlafen
war. Geweckt wurde ich jedenfalls von einem seichten
Rütteln an meiner Schulter. Mürrisch zog ich
mir die Bettdecke über den Kopf. „Elen. Mach dich
bitte fertig. Du kannst nicht den ganzen Tag verschlafen.“
Legolas Stimme drang gedämpft durch die Decken.
Doch ich wusste er hatte Recht, also setzte ich mich
mit noch halbgeschlossenen Augen auf und blinzelte in
die Landschaft. Der Tag war schön, die Wolken von
der Nacht wie weggeblasen und anstelle derer strahlte
die Sonne auf uns nieder. Legolas hockte schon vor dem
Essen und als er mich jetzt ansah, lachte er. „Du siehst
wirklich entzückend aus.“ Verwundert sah ich ihn
an. Und dann fielen mir meine Haare ein. Sie standen
in allen Richtungen vom Kopf ab und krauselten sich
in-und umeinander. Schnell versuchte ich sie zu glätten
und auseinander zu wirren. Es klappte nur einigermaßen.
Dann krabbelte ich müde zu Legolas und nahm mir
auch zu essen. „Das ist aber sehr untypisch für
Elben.“ Grinste Legolas plötzlich und fragend sah
ich ihn an und gähnte unterdrückt. „Genau
das.“ Mensch, morgens war mir nicht nach raten. „Was
denn?“ „Lange schlafen. Aber das kann bei dir ja noch
kommen.“ Eingeschnappt nahm ich mir meinen nächsten
Happen. Wollte er mir jetzt damit klar machen, dass
ich ja noch so jung sei und ich mich ja noch gar nicht
richtig entwickelt habe? Das ich mich für einen
Elben ja eigentlich noch im Krabbelalter befand? Schweigend
aß ich weiter. Zum Glück sprach Legolas nicht
die Nacht an, ob ich es denn noch mal irgendwann geschafft
habe, einzuschlafen. Wenn ich daran dachte, wurde ich
noch immer rot und das wollte ich vermeiden. „Sind die
Pferde schon versorgt?“ Diesmal schluckte ich meinen
Bissen erst herunter, ehe ich sprach. „Ja. Das habe
ich schon gemacht, wo du noch schliefst. Wir sind sowieso
schon spät dran. Du solltest dich beeilen.“ Eilig
schlang ich mein Essen herunter und rollte die Decken
zusammen. Auf keinen Fall wollte ich ihn nur unnötig
abhalten.
Mit einem
Lächeln auf dem Gesicht, beobachte Legolas Elen,
wie sie sich bemühte, schnell fertig zu werden.
Und auch wenn er an die vorherige Nacht dachte, konnte
er sich ein Lächeln nicht verkneifen. Natürlich
hatte er ihre Blicke gespürt, was Elen wohl in
diesem Moment vergaß. Und jetzt bemühte sie
sich die ganze Zeit, alles richtig zu machen. Legolas
hatte sie absichtlich länger schlafen lassen. Nur
ihre Nasenspitze hatte unter der Decke hervorgelugt
und da brachte er es einfach noch nicht fertig, sie
schon zu wecken. Doch dafür mussten sie den Tag
über schneller reiten. Er hoffte, sie würde
mithalten.
Endlich
parierten wir wieder zum Schritt. K.o ließ ich
mich auf den Hals von Santia vornüber fallen. Ob
wir diesen Tag auch noch mal eine Pause einlegten, traute
ich mich nicht zu fragen. „Sollen wir dort vorne einen
kurzen Moment ruhen?“ Legolas zeigte auf eine Waldlichtung
nahe am Fluss, die wirklich sehr verlockend aussah,
doch ich schüttelte den Kopf und setzte mich wieder
auf. „Nein, meinetwegen nicht. Es sei denn, du brauchst
eine Pause.“ Daraufhin lachte er nur und ich biss mir
auf die Unterlippe. Was bin ich doch für ein cleveres
Mädchen. „Die Pferde brauchen sowieso Wasser, also
können auch wir uns eine kurze Pause gönnen.“
Innerlich war ich froh über diese Worte, verbot
mir aber selbst, Schwäche zu zeigen. Die Sonne
hatte schon lange ihren höchsten Punkt erreicht
und ich sehnte mich nach festen Boden unter den Füßen.
Das letzte Stück galoppierten wir wieder. Auch
Santia war geschafft, doch sie machte sich besser, wie
ich. Am Fluss banden wir die Pferde ersteinmal an, bevor
wir sie trinken ließen. In diesem langen blöden
Kleid, schwitzte ich mich zu Tode. Aber ich hatte ja
keine anderen mitgenommen. Mein Vater hatte damals meine
engeren und luftigeren Kleider weggeschmissen, weil
ich mich weigerte diese noch anzuziehen. Jetzt bereute
ich es sowieso schon längst. Um mir wenigstens
ein wenig Abkühlung zu verschaffen, zog ich meine
Schuhe aus und watete ins kühle Nass. „Hach, ist
das herrlich.“ Ich ging bestimmt zehn mal im kniehohen
Wasser hin und her. Legolas kam langsam ans Wasser und
hielt mir Trinkwasser hin. „Auch dieses Wasser hilft
dir zur Erfrischung.“ Dankbar nahm ich es ihm ab und
trank. Aber wohl etwas zu viel, denn plötzlich
wurde mir der Beutel wieder aus der Hand genommen. „Trinke
nicht zuviel. Der Inhalt ist kostbar.“ „Tut mir Leid.“
Langsam stieg ich aus dem Wasser und zog meine Schuhe
wieder an. Legolas holte die Pferde. Mühsam kletterte
ich auf Santia. „Eine größere Pause können
wir uns nicht leisten. Die Nacht ist nicht mehr fern
und wir brauchen noch eine längere Strecke, bis
wir an unserem Nachtlager ankommen.“ Legolas Worte hörten
sich fast entschuldigend an. „Das macht mir nichts.
Das Wasser hat mir gut getan. Und ich fühle mich
auch schon wieder fit.“ Lächelte ich und streckte
mich einmal. Auch wenn das nicht ganz der Wahrheit entsprach.
Elen
ritt hinten und wieder spürte Legolas ihre Blick
auf sich. Er erinnerte sich, als sie vierzehn war. Die
ganze Zeit klebte sie an ihm, wie eine Klette, doch
er nahm es mit einem Lächeln hin. Ihr Vater sagte
ihm damals, dass es das typische Teenageralter war und
es nun mal ihn getroffen hatte. Fast fand er es schon
süß. Doch das sie ihn auch heute noch heimlich
beobachtete, fiel ihm erst jetzt wieder auf, wo sie
die ganze Zeit zusammen waren. Doch er nahm es leicht
hin und kümmerte sich nicht weiter drum. Sie fühlte
sich sowieso nicht wohl, unter freiem Himmel und ohne
Schutz und da war es wohl normal, sich an jemanden mehr
zu klammern als wenn man sich sicher fühlte. Als
er einen Blick über die Schulter warf, sah Legolas
noch, wie Elen schnell woanders hinsah. „Wir sind bald
am Ziel.“ Elen nickte und kam neben ihn getrabt. Sie
war schon sehr erschöpft, nahm sich aber zusammen.
Die Pause hatte sie bitter nötig.
.............................................................................................................................
-9-
An diesem
Abend machte ich alles in Zeitlupe. Meine Beine wollten
mich nicht mehr tragen und sie schmerzten noch mehr
als am ersten Abend. Legolas versorgte Santia für
mich mit und auch mein Bett bereitete er für mich
mit. Dankbar kuschelte ich mich ein und war nur sekunden
später eingeschlafen.
Eine
innere Unruhe beschlich mich im Schlaf, die immer stärker
wurde. Es war ein eigenartiges Gefühl, doch ich
spürte, dass etwas nicht in Ordnung war und von
diesem Gefühl wachte ich schließlich auf.
Legolas stand ein paar meter von mir entfernt und schaute
angestrengt in die Dämmerung. Als ich mich aufsetzte,
sah er zu mir. „Packe schnell deine Sachen zusammen.
Beeil dich.“ Sein Ton ließ mich unruhig werden.
Doch ich tat was er sagte und das ungute Gefühl
beschlich mich mit jeder Sekunde mehr. „Was ist das?“
flüsterte ich und ging leise zu Legolas. Weit in
der Ferne hörte ich seltsame Geräusche. Doch
Legolas antworte nicht sondern zeigte mir mit einer
Handbewegung, ich solle leise sein. Endlich drehte er
sich zu mir. „Lauf in die Richtung und verstecke dich
dort. Gebe keinen Ton von dir und bleibe dort, bis ich
widerkomme. Komme nicht eher heraus!“ Seine Stimme war
gedämpft und seine Augen sahen mich eindringlich
an. Vorsichtig nickte ich. Ich bekam es langsam mit
der Angst zu tun. „Und du?“ flüsterte ich zögernd
und plötzlich lächelte Legolas und strich
mir übers Gesicht. „Tu einfach das, was ich dir
gesagt habe.“ Und dann hauchte er mir einen Kuss auf
die Stirn und lief anschließend in den Wald, in
die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Mit
pochendem Herzen stand ich noch kurz wie angewurzelt
auf meinem Platz stehen und als die unheimlichen Schreie
plötzlich lauter wurden, lief ich in die Richtung,
die Legolas mir gezeigt hatte. Santia stand unruhig
an ihrem Platz, aber das andere Pferd beruhigte sie
mit seiner ruhigen Art. Hektisch suchte ich mir ein
Versteck. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor, ehe ich
endlich ein Gebüsch fand, dass genügend Schutz
bot. Dort kauerte ich mich zusammen und lugte durch
die Äste und Blätter nach draußen. In
der Ferne hörte ich Schwerter, die aufeinander
klirrten, Legolas’ Pfeile, die durch die Luft surrten
und die unheimlichen Schreie und Brüllen. Was waren
das für Kreaturen? Trolle konnten es nicht sein.
Niemals waren es so viele auf einmal. Meine Hände
zitterten und am liebsten hätte ich mir die Ohren
zugehalten, als ich ganz in der Nähe plötzlich
ein Geräusch vernahm. Mit weit aufgerissenen Augen
und fest geschlossen Mund, versuchte ich etwas zu sehen.
Bewegen wollte ich mich auf keinen Fall und nach vorne
hin hatte ich kaum Sicht. Es waren Schritte, die laut
näher kamen. Sie zertrampelten alles, was ihnen
in die Quere kam. Bald hörte ich ein unheimliches
Schnaufen und den lauten Atem, der von diesem Wesen
kommen musste. Doch sehen konnte ich noch immer nichts.
Meine Hände zitterten und ich atmete in den Stoff
meines Kleides. Das Schnaufen wurde lauter und immer
wieder gab das Wesen knurrende Geräusche von sich.
Ich war mir sicher, dass es eines dieser Wesen war,
die auch oben im Wald gerade kämpften. Seine Tritte
wurden langsamer und schien jetzt ganz in meiner Nähe
zu sein. Egal was passiert, ich soll im Versteck bleiben.
Die ganze Zeit sagte ich mir Legolas’ Worte zu mir selbst.
Und plötzlich sah ich es. Ein Monster, schlimmer
als Erzählungen es beschreiben könnten. Es
war fast fast so groß wie ein Mensch und ging
geduckt. Seine Haut war ledrig und stechende Augen suchten
die Gegend ab. Das Monster war ganz schwarz und seine
Nase krauste sich die ganze Zeit, wie die eines Hundes.
Dabei kamen seine dreckigen, aber spitzen Zähne
zum Vorschein. In der Hand hielt es ein Schwert. An
ihm klebten frische Blutspuren. Immer wieder drehte
es seinen Kopf. Ich presste mir meine Hand auf den Mund
und versuchte mein Zittern zu unterdrücken. Hau
ab, hau doch bitte ab. Plötzlich drehte es seinen
Kopf nach hinten und lief zurück. Etwas schien
es gerufen zu haben. Kein Geräusch war mehr zu
vernehmen. Kein schreckliches schnauben mehr und auch
nicht seine lauten Schritte. Doch ich traute mich noch
nicht heraus.
Es war
alles still. Nichts deutete mehr auf diese Monster hin.
Doch Legolas war noch nicht zurück. Also wartete
ich. „Elen, du kannst wieder rauskommen.“ Noch nie war
ich so erleichtert, seine Stimme zu hören. Schnell
krabbelte ich aus dem Gebüsch heraus und stand
lächelnd vor Legolas. Er sah aus, wie immer. Als
hätte er gar nicht gekämpft. „Ist alles okay?“
Ich nickte. „Ja. Aber da war so ein Monster. Es war
ganz in der Nähe.“ Meine Stimme zitterte immer
noch ein wenig. „Das waren Orks. Aber jetzt sind sie
weg. Es war gut, dass du im Versteck geblieben bist.“
Ich nickte und ging hinter Legolas her, zum Lager. Die
Pferde standen noch ruhig an ihrem Platz. „Iss erst
einmal etwas. Danach gehts dir besser.“ Er setze sich
zu mir und erzählte mir wieder von dem König.
Geschichten, die ich schon immer gerne hörte und
auch diesmal halfen sie mich zu beruhigen. Anschließend
ritten wir weiter. „Das war deine erste Begegnung mit
Orks und du hast dich gut geschlagen.“ Grinste Legolas
und auch ich lachte. „Ich hatte noch nie soviel Angst.“
Gab ich zu. Ich hoffte inständig, nie wieder einen
Ork zu Gesicht bekommen müssen.
Wieder
einmal kam mir der Ritt sehr lange vor. Doch mein Körper
gewöhnte sich langsam an die langen Stunden im
Sattel. Meine Beine drohten mir nicht mehr unter meinem
Gewicht zusammenzubrechen und meine Arme fühlten
sich nicht mehr an wie Blei. Auch Santia schritt jetzt
mit längeren Schritten voran und schien sich fast
über den Ritt zu freuen. Auch die Landschaft nahm
langsam ein anderes Bild an. Die noch vor ein paar Tagen,
weit weg wirkenden Berge, waren jetzt ganz nah. Wir
ritten an einem Fluss entlang, der uns schon eine ganze
Weile lang folgte und neben uns standen hohe Bäume,
die auf uns herabblickten. Immer dichter wurden die
Wälder und weiter die Wiesen. Ich ritt gemächlich
hinter Legolas und schloss für einen Moment die
Augen. Die Sonne wärmte mein Gesicht und meine
Ohren hörten dem Klang der Natur zu. Was Vater
und Sylvy jetzt wohl taten? Sicher die Aufgaben, wie
auch jeden Tag. Es hat sich in ihrem Alltag ja nichts
geändert. Im Gegensatz zu meinem. Wieder einmal
lenkte ich meinen Blick zu Legolas. Ich hatte keine
Ahnung, ob ihm meine Anwesenheit störte, oder er
sie als angenehm empfand. Zumindest verhielt er sich
wie auch sonst. Etwas komisch fühlte ich mich schon.
War es doch das erste mal, dass wir so lange zusammen
waren. Die sonstigen zwei-drei Tage, kamen mir damals
immer viel zu kurz vor. Das ganze Jahr über wünschte
ich ihn mir zu mir. In diesen jetzigen wenigen Tagen,
bemerkte ich schon so viele neue Sachen an ihm, die
mir sonst nie auffielen. Das ich ihn das erste mal schlafen
sah, gehörte nur zu einem von denen. Wenn ich Nachts
einmal aufwachte, sah ich ihn oft am Rande sitzen und
in die Landschaft schauen. Oder er ging auf und ab und
murmelte Wörter auf Elbisch, die ich nicht verstand.
Doch es hörte sich schön an und oft schlief
ich davon wieder ein. Mit jedem Moment mehr, genoss
ich es bei ihm zu sein. Doch auch spürte ich ein
unterdrücktes Verlangen, dass mich manchmal fast
um den Verstand brachte. Schon lange wusste ich, dass
ich mir nichts vorzumachen brauchte. Ich war mir meiner
Gefühle schon lange sicher, doch Legolas sah in
mir immer noch seine kleine Elen, die er auf diesem
Wege beschützte, für sie da war und ihr den
Weg zeigte. Doch nicht mehr. Auch wenn ich nun eine
Halb-Elbin war, macht es noch keinen Unterschied. Und
noch immer bin ich neunzehn und er einige tausend Jahre
älter. Dieser doch recht ungewohnte Gedanke, ließ
mich schmunzeln. „Es ist schön dich lächeln
zu sehen.“
.............................................................................................................................
-10-
Ich hatte
nicht bemerkt, dass Santia zu Legolas aufgeschlossen
hatte. Oder hatte er sein Tempo verlangsamt? Das einzige,
was ich daraufhin wusste zu tun, war, wieder zu lächeln.
Mir war nicht nach reden und somit sah ich wieder nach
vorne. Nach kurzer Zeit schon, bogen wir in eine kleine
Waldnische und saßen dort ab. Wieder einmal, schwitzte
ich in diesem Kleid ungemein und fühlte mich unwohl.
Tagelang hatte meine Haut schon kein Wasser gespürt
und auch mein Kleid sah dreckig und zerknittert aus.
Ich beneidete Legolas, der noch immer aussah, wie am
ersten Tag. Ich erinnerte mich an mein sauberes Kleid
in der Satteltasche. „Legolas?“ Er sah kurz auf. „Gibt
es hier eine Möglichkeit, sich zu selbst zu waschen
und auch mein Kleid? Außerdem ist es sehr warm
und ich bräuchte eine Abkühlung.“ Leicht verwirrt
sah er mich an. Scheinbar hatte er das nicht eingeplant.
„Die Möglichkeit würde der Fluss bieten.“
Ich nickte und überlegte angestrengt, wie er es
sich vorstellte. Doch auch Legolas selbst, schien nachzudenken.
„Warte einen Moment. Und tränke bitte die Pferde.“
Damit verschwand er einen kleinen Hügel hinauf
und ich tat, was er sagte. Nicht lange danach, kam er
wieder, mit einem leichten Lächeln. „Ein paar Schritte
weiter den Fluss entlang, erscheint mir eine sichere
Stelle zum baden. Auch bist du noch in meiner Hörweite,
so das du, wenn etwas nicht stimmt, rufen kannst.“ Dankbar
nickte ich und packte mir mein neues Kleid heraus. „Ich
werde mich beeilen.“ Lächelte ich noch schnell
und verschwand, wie Legolas zuvor, hinter dem kleinen
Hügel. Und dann den Fluss entlang. Es waren wirklich
nur ein paar Schritte, da sah ich schon eine kleine
Senke im Verlauf des Flusses, wo auch die Strömung
nicht allzu stark war. Bäume boten Schutz und ließen
noch angehm einzelne Sonnenstrahlen aufs Wasser fallen.
Schnell legte ich meine Sachen zusammen und blickte
dann unsicher um mich. Niemand war zu sehen, geschweige
denn zu hören. Doch meine Unsicherheit siegte und
ich beschloss, noch mit dem Unterkleid ins Wasser zu
steigen. Mein Kleid selbst, nahm ich unter den Arm und
stieg vorsichtig ins kühle Nass. Die angenehme
Kälte, durchweichte schnell mein Unterkleid und
ließ mich aufatmen. Sofort schien der Schmutz
und Schweiß von mir zu weichen und mit dem Wasser
mitzufließen.
Auf dem
Boden sitzend und den Pferden zusehend, horchte Legolas
auf das kleinste Geräusch. Er vernahm das Wasser,
was sich in der Ferne durch Elen bewegte und dann nichts
mehr. Er hoffte nur die Stelle sei wirklich sicher.
Nur kurz konnte er sich dort umsehen. Doch außer
dem plätschernden Wasser, vernahm er kaum fremde
Geräusche, die nicht dem Wald gehörten.
Nach
einigen Runden im klaren Wasser, wusch ich mein Kleid
so gut es ging durch und beschloss, schweren Herzens,
mich von der erfrischenden Flüssigkeit zu trennen.
Wieder wickelte ich mich ins Unterkleid und zog mich
schnell um. Durch die noch nasse Haut, klebte es ein
wenig, doch es blieb mir noch die Kühle erhalten.
Dann lief ich schnell wieder zu Legolas, der bei den
Pferden saß und nicht aufsah, als ich zu ihm trat.
„Das war bitter nötig.“ Grinste ich und setzte
mich zu ihm. Jetzt fühlte ich mich auch wieder
wohler in seiner Nähe zu sitzen und musste nicht
Angst haben, ich würde schmutzig wirken. „Wasser
wirkt Wunder.“ Lachte Legolas plötzlich und etwas
eingeschnappt, zog ich eine Schnute.
Insgeheim
war er froh, Elen wieder sicher neben sich sitzen zu
haben. Wahrscheinlich mehr, als er sich selber eingestehen
wollte. Überhaupt bemerkte er von sich selbst,
dass er alles dreimal durchdachte, ehe er etwas beschloss.
Wenn er alleine war, brauchte er nur für sich selbst
zu denken und zu überlegen, doch jetzt mit Elen
war es schwieriger, aber auch angenhemer. Doch brauchten
sie durch die längeren Nächte und vermehrten
Pausen, auch mehr Zeit nach Bruchtal. Legolas hoffte,
Bruchtal würde Elen so gut gefallen, dass sie beschloss,
dort etwas länger zu verweilen. Und er hoffte inständig,
sie würde dort gut empfangen und gut aufgenommen
werden.
Diese
Nacht war extrem kalt und auch jetzt noch, beim reiten,
fror ich und hoffte, die Sonne würde den Tag schnell
erwärmen. Legolas und ich waren jetzt den sechsten
Tag unterwegs und langsam bekam ich Sehnsucht nach einem
warmen Bett, nach einem Dach über den Kopf und
ordenltichem Essen. „Wenn uns an diesem Tage nichts
dazwischen kommt, sind wir zum Nachteinbruch in Bruchtal.“
Diese Neuigkeit zauberte mir ein Strahlen aufs Gesicht
und ließ mich die Kälte fast vergessen. Nie
hatte ich mich getraut, zu fragen, doch jetzt schien
das Ziel ein beträchtliches Stück nähergerückt
zu sein. Zur Aufmunterung klopfte ich auch noch mal
Santia und galoppierte dann glücklich hinter Legolas
her, Bruchtal entegegen.
Mit weit
geöffneten Augen und in Santias Mähne gekrallt
saß ich aufrecht im Sattel und blickte auf das
Bild was sich vor mir bot. Es war so schön, dass
ich nicht bemerkte, wie Legolas meine Reaktion belächelte.
Doch was sollte ich anderes tun, als mit offenem Mund
und einem pochenden Herzen auf das sogenannte “Bruchtal“
zu blicken?! Schon so oft hatte ich es mir in Gedanken
vorgestellt, haargenau nach Legolas Erzählungen.
Doch nicht die genaueste Beschreibung mit den wunderschönsten
Wörtern, könnte das beschreiben. Man fühlte
sich in eine andere Welt versetzt, vergaß fast
die Relatität. Das Tor hinter uns schloss sich,
doch ich nahm es kaum war. Saß immer noch wie
versteinert auf meinem Pferd. Überall waren kleine
helle Türme und Bäume wuchsen in den entlegensten
Winkeln. Es wirkte, als wohnten diese Elben in und mit
der Natur. Bruchtal war auf einem Art Berg gebaut und
mitten in einem Tal. Hohe Felswände ragten an den
Seiten empor und schienen das Tal zu beschützen.
Von den Klippen flossen riesige und wunderschöne
Wasserfälle, die man noch bis hier hin hörte
und wahrscheinlich in einen ruhigen See einflossen,
wo sich das Wasser wieder beruhigte. Die Sonne schien
plötzlich nur noch für diesen Ort zu scheinen
und machte den Rest der Welt alt und grau. Plötzlich
wurde ich wieder in die Realität zurückgestoßen.
Neben Santia stand ein fremder Elb und lächelte
mich an. Er hatte dunkle lange Haare und auch andere
Kleidung als Legolas. „Ihr solltet jetzt von eurem Pferd
steigen. Es wird dann versorgt werden.“ Seine Stimme
war angenehm. Ruhig. Schnell nickte ich und beeilte
mich mit dem absteigen, wollte dabei aber auch nicht
plump wirken. Was schwer war, in Gegenwart der Elben.
Das ich fast auch eine war, fiel mir noch immer schwer
zu glauben. Santia wurde abgeführt und ich stand
alleine auf dem Platz. Wo war Legolas? „Hat es dir die
Sprache verschlagen?“ Aus den Augenwinkeln sah ich Legolas
zu mir herum kommen. Nervös lächelte ich.
„Es ist so wunderschön. Viel schöner als in
meinen Träumen, wo ich es schon einmal vor meinem
inneren Auge sah.“ Ein Lächeln umspielte Legolas
Mund. „Nein. Das muss man schon mit eigenen Augen genießen,
um zu wissen wovon man spricht.“ In Gedanken nickte
ich und ließ meinen Blick schon wieder über
das Tal schweifen. Es waren kaum Elben zu sehen. „Komm.
Man erwartet uns schon.“ Legolas ging voran und ich
hinterher, gespannt, wer auf uns wartete. Doch schnell
wurde ich wieder von Bruchtal selbst abgelenkt. Die
zierlichen Gemächer zogen mich in den Bann und
die einzelnen Sonnenstrahlen, die durch die Säulen
fielen und die Blätter der Sträucher und Bäume
zum singen brachten. Mir fiel auf, dass es kaum Türen
gab. Alle Räume gingen fast ineinander über
und nur Vorhänge galten als Fenster. Auch in den
Sälen entdeckte man Blumen oder frisches Grün
und alles wirkte frisch und sauber. Bald kamen wir wieder
auf einen Weg, der zu einem kleinen Turm führte.
Dort stand ein Elb. Er wandte uns den Rücken zu
und wirkte schon aus der Entfernung sehr hoheitsvoll.
Ich glaubte, das sei das passende Wort. Leichtfüßig
schritt Legolas die Stufen empor und wieder fühlte
ich mich plump. Der dunkle Elb drehte sich mit einem
Lächeln zu ihm und Legolas verbeugte sich leicht.
Was sie sprachen verstand ich nicht. Sie sprachen in
ihrer Sprache. Doch meinen Blick konnte ich nicht von
ihnen richten. Wie auch das Tal, so faszinierte mich
auch dieser Elb. Und wieder einmal wurde mir bewusst,
dass es wohl keine schöneren und eleganteren Wesen
auf dieser Welt gab, als Elben. War es da noch ein Wunder,
dass ich mich in eines dieser Geschöpfe verliebt
hatte? Plötzlich sah ich Legolas Blick. Ich sollte
zu ihnen kommen. Mit plötzlich ganz weichen Knien,
stieg ich die zierliche Treppe herauf und auch ich verbeugte
mich vor dem fremden Elben. „Das ist Elrond. König
Bruchtals.“ Sagte Legolas, während ich mich verbeugte.
„Und dies ist Elen. Tochter Silvanas und aus dem Ort
`Bree`“ Ich versuchte mich im Lächeln. „Ihr müsst
elbischen Blutes sein. Man hört es an eurem Namen.“
Auch Elrond’s Stimme war weich und freundlich und sie
machte mir Mut. Doch sein Gesagtes verblüffte mich
und ich sah etwas hilflos zu Legolas. Der jedoch lächelte
nur und nickte. „Sie ist eine Halb-Elbin. Väterlicherseits.“
Ich fühlte mich etwas hilflos. Was hatte mein Name
damit zu tun? „Schon viel haben wir von euch gehört,
Elen. Ihr seid hier herzlich willkommen und wir haben
euch schon erwartet.“ Elronds Hände zeigten einmal
anmutig über das Tal und sein Lächeln wirkte
echt. Aber warum haben sie mich schon erwartet? Legolas
hatte unmöglich eingeplant, mich mitzunehmen. Doch
ich nickte dankbar und versuchte auch zu lächeln.
Was aber sicher etwas unsicher aussah. Dann gingen wir
wieder. Zumindest ging Legolas und ich schleunigst hinterher.
Fast stolperte ich die Treppe herunter und ich glaubte
das Lächeln von Elrond in meinem Rücken zu
spüren. Das Treffen war kurz, doch sicher nur vorerst
beendet. Und wieder ging es durch die luftigen Flure
und als ich mir sicher waren, wir seien weit genug entfernt,
drängte ich mich an Legolas Seite und sah ihn abwartend
an. Nur leicht drehte er seinen Kopf und schien sich
über mich zu amüsieren. „Was hat Elrond gemeint,
man höre an meinem Namen, ich gehöre Elbischem
Blutes an?“ Legolas ging eine Treppe herauf und bog
dann in ein helles Zimmer ein. Erst da drehte er sich
zu mir um und sah mich an. „Dein Name, Elen, hat eine
elbische Bedeutung.“
.............................................................................................................................
-11-
„Und
warum hast du es mir nie erzählt?“ So entrüstet
wollte ich gar nicht klingen, doch Legolas belächelte
es nur wieder. „Du hast mich nie danach gefragt.“ Mein
entrüsteter Laut, ließ ihn auflachen. „Und
was bedeutet mein Name nun?“ Meine Arme vor der Brust
verschränkt sah ich ihn an. Doch Legolas kam nur
lächelnd auf mich zu, langsam und immer noch dieses
Lächeln. Kurz vor mir, blieb er stehen und betrachtete
mein Gesicht. Sofort wich alle Entrüstheit dem
Magenkribbeln. Ich musste schlucken und versuchte ihn
trotzdem noch beleidigt ansehen. Aber wie sollte ich
das tun, wenn er genau vor mir stand, nur eine halbe
Armlänge von mir entfernt und mich immer noch mit
einem leichten Lächeln ansah?! „Elen, bedeutet
in der elbischen Sprache “Stern“. Meine kleine Elen.
Du solltest nicht so ungeduldig sein.“ Sein Daumen strich
mir über die Wange und ich musste mich zwingen,
ihn noch anzusehen. Seine Stimme war so weich und warm
und auch wenn er schon längst nicht mehr über
mein Gesicht strich, spürte ich diese leichte Berührung
jedoch noch immer. Und dann trat er zurück und
ging in den zweiten Teil des Raumes. Verwirrt sah ich
auf den Boden, schloss kurz die Augen. Noch immer klopfte
mein Herz stark gegen meine Brust und mein Atem kontrollierte
sich nur langsam. Ich musste mich zusammenreißen.
Diese Berührungen tat er nicht zum ersten mal und
doch reagierte ich mit jedem mal stärker darauf.
Mit einem
Lächeln, stand Legolas am Fenster und schaute auf
Bruchtal. Elen’s Ankunft hätte nicht besser verlaufen
können. Noch immer hatte sie das Glänzen in
ihren dunklen Augen nicht verloren, was beim Anblick
dieses Ortes aufgetreten war. Sie hatte gar nicht gewusst,
wohin sie zuerst schauen sollte und auch die erste Bekanntschaft
mit Elrond hatte sie mit gutem Benehmen gemeistert.
Elrond mochte sie. Das wusste Legolas. Und das war sehr
wichtig. Jetzt konnte er nur noch hoffen, sie würde
mehr über Bruchtal erfahren wollen und noch mehr
von ihm sehen wollen. Er hoffte einfach nur, sie würde
so begeistert sein, dass sie Düsterwald für
eine Weile vergessen würde.
Legolas
war aus dem Zimmer gegangen. Und jetzt stand ich allein
in diesem bezaubernden Raum und durfte ihn für
diese Nacht mein eigen nennen. Das ganze Zimmer schien
in blauem Licht zu schwimmen und ein Bett stand in der
Nähe des Fensters. Über ihm ein zierlicher
Spiegel mit Blumen an der Seite verziert. Für die
Nacht stand ein Kerzenhalter in der Nähe des Bettes
und bläuliche Kerzen ragten frisch aufgesetzt in
die Höhe. Das seichte Tuch seitlich am Fenster
bewegte sich leicht und ließ das Licht unterschiedlich
ins Zimmer scheinen. Ich konnte mir nicht vorstellen,
dass man so einen wunderschönen Ort jemals über
haben konnte. Und doch wusste ich, ich konnte nicht
lange bleiben.
„Gefällt
euch das Zimmer?“ Erschrocken drehte ich mich herum.
Elrond stand in der Mitte des Raumes. Er strahlte eine
ungemeine Ruhe aus und es schien so, als bräuchte
er dich nur einmal anzusehen und er wusste was für
ein Mensch du bist. Seine Hände hatte er in sein
langes Gewand gelegt und sein strenger und doch gleichzeitig
liebenswürdiger Blick, ruhte auf mir und wartete
meine Antwort ab. Endlich öffnete ich meine Lippen
und brachte ein “Ja“ heraus. „Es ist sehr schön
und ich bedanke mich für eure Gastfreundschaft.“
Ich wählte meine Worte sorgfältig aus. Kein
falsches Wort sollte mir über die Lippen kommen.
Elrond nickte und kam zu mir ans Fenster. Wie ich es
von Elben langsam gewohnt war, waren auch seine Schritte
vollkommen lautlos. Und plötzlich kam mir wieder
die Frage auf, woher er wusste, dass ich mit Legolas
hier eintreffen würde. Doch ich unterdrückte
meine Neugier und wartete stattdessen seine Worte ab.
„Wie ich hörte, kommt ihr aus dem fernen Bree.“
Leicht senkte er seinen Blick zu mir. Eine Geste, die
mir bekannt vorkam. „Ja, das ist richtig. Dort bin ich
geboren und aufgewachsen.“ „Was führte euch weg
von diesem Ort?“ „Schon als ich ein kleines Kind war,
streifte ich durch Bree, auch wenn ich es nicht durfte.
Doch irgendwann wollte ich mehr sehen als nur meinen
Heimatort. Mit jedem Jahr, dass ich älter wurde,
wuchs auch meine Neugier.“ „Nun, ihr seid noch jung.“
Gedankenverloren nickte ich. Ja, ich war noch jung.
Das wurde mir jetzt auch bewusst. Doch in Menschenalter
gerechnet, hätte man von mir jetzt schon drei Kinder
und einen hart schuftenden Mann erwartet. „Warum also
diese frühen Entscheidungen?“ „Erst vor kurzem
starb meine Mutter und erzählte mir die Wahrheit.“
Ich sah, wie Elrond nickte. Er verstand, was ich meinte,
auch wenn ich für andere sicher noch in Rätseln
gesprochen hätte. „Es ist sicher nicht einfach.“
„Nein, das ist wohl wahr. Doch sehe ich darin keinen
Nachteil. Der einzige Schock war für mich die Gewissheit,
dass der Mann, den ich für so lange als meinen
Vater hielt, nicht mein leiblicher Vater sein sollte.“
„Und nun sucht ihr ihn?“ Darauf sagte ich nichts. Ja,
ich suchte ihn. Doch war ich mir auch nicht ganz sicher,
dass ich auch das richtige tat. Und Elrond schien meine
Antwort auch gar nicht abzuwarten. Er schien sie zu
wissen. „Ihr werdet euren Weg gehen.“ Eine Pause entstand,
in der ich über meinen leiblichen Vater nachdachte.
Ich hoffte, er würde sich freuen mich zu sehen.
Hoffte, er würde noch etwas über meine Mutter
wissen und ich hoffte, er würde wissen, dass meine
Mutter auch ihn wirklich geliebt hatte. An den Gedanken
an meine Mutter, machte sich ein Kloß in meinem
Hals breit. Sie war nicht mehr da, nicht mehr bei mir.
Und an diesen Gedanken konnte und wollte ich mich nur
schwer gewöhnen. Sie fehlte mir und oft hätte
ich sie gerne um Rat gefragt, ob ich das richtige tat.
Sie würde wissen, ob ich mich auf den falschen
Pfaden bewegte. Ich spürte den Druck in den Augen
und blinzelte. Nicht eine Träne sollte mir an diesem
schönen Tage über die Wange rinnen. Schnell
hatte ich mich wieder im Griff. „Ihr meintet vorhin,
ihr habet schon etwas von mir gehört? Darf ich
raten von wem?“ Elrond lachte kurz auf. Ich versuchte
es auch. Der letztere Teil entsprach nicht der Wortwahl,
die ich in seiner Gegenwart wählen wollte. „Er
berichtete nur Gutes.“ Mich wunderte nicht, dass er
die passende Antwort parat hatte. Doch auch schmeichelten
mir seine Worte. „Seit meinem vierten Lebensjahr kenne
ich ihn. Es wäre eine Schande, er würde etwas
schlechtes von mir berichten.“ „Ich kann euch beruhigen.
Es liegt ihm viel an euch. Und euch scheinbar auch an
ihm. Schließlich seit ihr mit ihm hergekommen?!“
„Nach dem Tod meiner Mutter entschloss ich das erste
mal ernsthaft fortzugehen. Ob mit oder ohne Legolas.
Ich wäre auch ohne ihn ihn gegangen, wäre
aber sicher nicht sehr weit gekommen.“ „Es ist vernünftiger,
mit Begleitung durch die Lande zu ziehen. Um so mehr,
wenn man die Lande nicht kennt.“ „Ja, darum habe ich
ihn ja auch gebeten, mich mitzunehmen.“ „War das euer
einziger Grund?“ Überrascht sah ich nach vorne.
Wohin führte dieses Gespräch? „Oder hattet
ihr vielleicht auch noch den Gedanken, er könnte
euch mehr über euren Vater erzählen und euch
vieleicht noch zu ihm führen?“ erleichtert schloss
ich kurz die Augen. „Dieser Gedanke kam mir sicher auch
einmal in den Sinn.“ Lächelnd sah ich Elrond an.
Und doch konnte ich in seinen Augen noch etwas erkennen.
Ich wurde das Gefühl nicht los, dass er mehr wusste,
als er verriet. Doch er konnte es nicht wissen. Zu gut
wusste ich meine Gefühle vor anderen zu verbergen.
„Ich werde euch alleine lassen. Sicher seid ihr müde.
Die Reise war anstrengend und ihr solltet euch Ruhe
gönnen.“ Mit einem Nicken wandte er sich ab und
schritt hinaus. Trotz diesem komischen Gefühl,
Elrond wüsste mehr, als er zeigte, fühlte
ich mich wohl. Das Gespräch war angenehm und ich
freute mich, dass er zu mir gekommen war, um mit mir
zu reden. Also hatte ich einen positiven Eindruck hinterlassen.
Mit einem Lächeln legte ich mich auf das weiche
Bett. Und als ich mich in das weiche Kissen sinken ließ,
bemerkte ich erst, wie sehr ich ein Bett vermisst hatte
und auch wie müde ich schon war. Es dauerte nicht
lange und ich glitt hinüber in einen traumlosen
Schlaf.
.............................................................................................................................
-12-
Nicht
lange hatte der Schlaf angehalten, doch draußen
war es schon dunkel. Neugierig schaute ich hinaus. Auch
in der Nacht, hatte Bruchtal nichts von seiner Schönheit
verloren. Die Wasserfälle wirkten silber und die
weißen Gemäuer schienen eigenes weißes
Licht abzugeben. Und der wunderschöne Sternenhimmel,
machte das Bild perfekt. Ich konnte nicht anders, ich
wollte unbedingt einmal bei Nacht durch Bruchtal streifen.
Auf Zehenspitzen schlich ich durch die Gänge und
auf weichen Waldboden. Durch Büsche und einzelne
Bäume, immer in Richtung des Wasserfalls, der mir
am nächsten war. Und dann stand ich an der Quelle,
wo alle Wassergewalt wie von Zauberhand seicht in ruhiges
Gewässer überglitt. Der Anblick war atemberaubend.
Mein Blick folgte den Wassermassen nach oben. Und plötzlich
sah ich in den Augenwinkeln jemanden neben mir stehen.
Erschrocken wandt ich den Kopf und sah Legolas an, der
wie ich vorher nach oben sah. „Hab ich dich erschreckt?“
Grinste er dann. Er wusste die Antwort genau. „Nein.
Ich hörte dich schon von weitem.“ Log ich grinsend
und folgte wieder den Wassermassen nach oben. „Wusstest
du das ich hier bin, oder treffen wir uns grade durch
Zufall?“ „Ich habe dich runtergehen sehen und habe mich
gefragt, warum du nicht schläfst.“ Ich musste lachen.
„Sei unbesorgt. Ich habe geschlafen. Nur hat mich die
schöne Nacht dann doch vom weiterschlafen abgehalten
und ich wollte mir die Quelle des Flusses unbedingt
ansehen.“ „Also gefällt dir Bruchtal?“ „Es ist
wunderschön.“ Aus den Augenwinkeln sah ich, wie
Legolas sich setzte und ich tat es ihm gleich. „Das
freut mich.“ Nickend ließ ich meine Finger durch
das weiche Gras gleiten. Die Nacht war so hell, dass
alles in silber getaucht schien und man noch jede Einzelheit
und Schatten wahrnehmen konnte. Die Sterne schienen
sich im fließenden Wasser wiederzuspiegeln und
erst jetzt beim sprechen fiel mir auf, dass das Rauschen
des Wasserfalls ganz leise war. „Elrond war vorhin bei
mir.“ Sagte ich, einfach um irgendetwas zu sagen. Ich
wusste Legolas sah mich jetzt an, doch ich schaute nicht
auf. „Woher wusste er, dass ich mit dir hier eintreffen
würde?“ stellte ich nun endlich die Frage, die
mir schon so lange auf der Zunge lag. „Elrond besitzt
die Gabe der Vorraussicht.“ Nun sah ich doch auf. Sagte
aber nichts. Die Gabe der Vorraussicht? Könnte
das die Lösung dafür sein, dass er doch mehr
wusste als er sagte? Wusste er vielleicht doch was ich...
. Nein. Er besitzt nur die Gabe der ’Vorraussicht’.
Nicht die der Gegenwart und deren Gefühle. Aber
vielleicht wusste er, ob ich meinen Vater finden würde.
Hatte er irgendeine verräterische Reaktion gezeigt,
als wir von ihm sprachen? Nein. Er meinte nur, ich würde
meinen Weg gehen. Das hörte sich doch eigentlich
an, als würde ich auf dem richtigen Wege sein,
oder doch nicht? Plötzlich spürte ich Legolas
Hand auf meiner. Verblüfft sah ich auf und in sein
Gesicht. Er lächelte. „Lass das arme Gras in Ruhe.“
Irritiert sah ich auf meine Hand, die in seiner lag.
Wieder spürte ich die Wärme die von ihm ausging.
Langsam ließ er sie wieder los. Ich hatte wohl
nicht bemerkt, wie ich die ganze Zeit das Gras ausgerupft
hatte. Um diesen Fehler nicht ein zweites mal zu begehen,
faltete ich meine Hände im Schoß zusammen
und ich glaubte zu spüren, dass die Hand, die er
nur kurz gehalten hatte, doch wärmer war als die
andere. Und dann begann es wieder. Das Kribbeln im Bauch
und die aufsteigende Röte. Wenn das so weiter ginge,
könnte ich ihn bald nicht mal mehr ansehen, ohne
gleich rot zu werden. „Ich glaube ich werde wieder schlafen
gehen. Die Anstrengung der letzten Tage macht sich doch
bemerkbar.“ Flüsterte ich fast und stand auf. Etwas
überrascht sah Legolas mir noch nach, doch ich
war froh, ihm jetzt aus dem Weg gehen zu können
und im Zimmer Ruhe finden konnte. Es war nicht gut.
Nein. All die Jahre, die ich wusste was ich empfand,
hatte ich nie Schwierigkeiten mich zusammenzureißen.
Und jetzt sollte das plötzlich anders werden?
Müde
öffnete ich meine Augen und blinzelte in das helle
Zimmer. Mein dickes Kleid hatte sich mehrmals um meinen
Körper geschlungen und schnürte mir fast die
Luft ab. Fluchend über dieses blöde Stück
Stoff, rappelte ich mich auf und sah wieder auf das
beeindruckende Bild, was sich mir bot, als ich aus dem
Fenster sah.
Den ganzen
Tag lang schon, ließ Elen sich von einem Elben
aus Bruchtal herumführen. Das war gut und Legolas
erfreute es. „Willst du sie mit nach Düsterwald
nehmen?“ Legolas antwortete Elrond nicht gleich und
als er es dann tat, sehr leise. „Nein.“ „Dir ist aber
bewusst, dass sie genau dort hin möchte. Und zwar
aus einem Grund, der für sie sehr verständlich
scheint.“ Legolas sah auf Bruchtal. Doch er sah nicht
wirklich das Bild was sich ihm bot. Seine Augen blickten
streng nach vorne und seine Gedanken kreisten um Elen.
„Du weisst, warum ich sie nicht mitnehmen kann.“ Erlond
stand hinter ihm. Blickte wie auch Legolas auf das Tal.
„Aber sie weiß es nicht. Hast du es ihr denn schon
versucht zu erklären?“ „Nein. Das habe ich noch
nicht. Und ich habe es auch nicht vor. Ich hoffe sie
wird mir weiterhin ihr Vertrauen schenken und hier bleiben.“
„Sie wird es nicht tun, Legolas. Weil sie es nicht versteht.“
Mit diesen Worten trat Elrond aus dem Raum. Ließ
Legolas mit seinen Gedanken allein.
Wütend
sah ich Legolas an. Meine Hände zu Fäusten
geballt und darin den Stoff meines Kleides zerquetschend.
Ich konnte nicht glauben was er sagte, warum er es sagte.
Am liebsten hätte ich mich umgedreht, wäre
einfach davongelaufen und gerannt. Doch so feige wollte
ich nicht sein. „Ich werde aber gehen!“ schrie ich fast.
Eine Träne des Zorns rollte meine Wange hinab und
mit einer schnellen verzweifelten Handbewegung, wischte
ich sie weg. Eine sanfte Brise wehte mir einzelne Strähnen
ins Gesicht, die durch die Tränen an meiner Wange
zu kleben schienen. Auch sie wischte ich wütend
beiseite. Doch noch wütender wurde ich auf Legolas.
Er stand nur da, bewegte sich nicht und schaute mich
nur wieder mit einem undefinerbaren Gesichtsausdruck
an. „Du kannst nicht bestimmen, wo mein Weg mich hinführen
wird.“ „Ich weiß. Aber ich kann dir raten mir
zu vertrauen und hier zu bleiben.“ „Ich werde aber nicht
deinem Rat befolgen, hörst du? Ich habe mich nicht
nur auf den Weg gemacht, um in Bruchtal zu verweilen
und mein Leben hier zu verbringen. Du weißt das.“
Meine Hände fuchtelten in der Gegend umher und
je mehr ich sprach, desto schriller hörte sich
meine Stimme an. „Ich bin nicht auf dich angewiesen,
Legolas!“ Das war gelogen. „Ich werde auch den Weg ohne
dich antreten, wenn es sein muss. Ich kann auch gut
auf mich selbst aufpassen.“ „Elen, du verstehst einfach
nicht. Hörst du mir überhaupt zu, was ich
dir zu sagen versuche?“ „Nein, du sagst immer nur ich
dürfte nicht nach Düsterwald gehen. Aber warum
denn?“ Wenn Legolas die Zeit über ruhig gesprochen
hatte, so wurde nun auch er lauter. „Du denkst alles
ist gut auf dieser Welt. Niemand will dir etwas böses.
Jeder wird dich mit offenen Armen empfangen. Überall
kannst du einmarschieren, unbekannte Lande oder nicht.
Doch so ist es nicht...“ „Was willst du damit sagen?
Ich würde nicht nach Düsterwald kommen? Sie
würden mich trotz deiner Gegenwart töten?“
„Elen, übertreib es nicht. Aber du verstehst es
nicht. Du wirst alles ’dort’ nicht verstehen.“ „Ich
bin nicht dumm. Ich kann mich auch an fremde Orte und
Sitten gewöhnen und mich anpassen. Außerdem
habe ich nicht vor, dort meinen Wohnsitz aufzuschlagen.“
„Nein Elen. Ich werde dich nicht nach Düsterwald
bringen. Bleibe hier oder kehre um!“ Und das tat ich
auch. Wütend, enttäuscht und verzweifelt drehte
ich mich herum und ging mit schnellen Schritten aus
dem Raum, nach draußen. Meine Beine trugen mich
immer schneller und erst eine Zeit später bemerkte
ich, dass ich lief. Ich lief wieder zum Fluss am Wasserfall.
Den Weg sah ich nur verschwommen. Ich machte mir nicht
mehr die Mühe, meine Tränen aus dem Gesicht
zu wischen. Stolpernd ließ ich mich aufs weiche
Gras sinken. Verkrallte meine Hände ins Gras und
unterdrückte den Schmerz der sich in meinem Inneren
ausbreitete. Ich verstand es nicht. Verstand Legolas
nicht. Von Anfang an hatte er gewusst, wo ich hin wollte
und warum. Kannte mich zu gut, als zu denken, ich würde
den Plan aufgeben. Warum hielt er mich erst jetzt zurück?
Warum hatte er mich überhaupt bis hierher mitgenommen?
Aus Mitleid? Ich würde dann wenigstens einen Teil
von der Welt sehen, die er mir sonst nur beschrieb?
Nein, nein ich würde hier nicht sitzen bleiben,
würde nicht einfach nur wütend sein, auf ihn
schimpfen und doch nichts unternehmen. Ich hatte ihn
gewarnt, ich würde auch alleine losgehen und das
meinte ich Ernst. Langsam verflog der innere Schmerz
und neuer Mut ließ mich aufhören zu schluchzen.
Ich öffnete meine verkrampfte Hand und nahm den
leichten Schmerz wahr, der sich durch die Hand zog.
Mit einer schnellen Handbewegung wischte ich mir Haare
und Tränen aus dem Gesicht und ging langsam wieder
zu den Gemäuern in meinen Raum. Es war schon spät
und die Nacht würde bald hereinbrechen. Schon reicher
an Zuversicht setzte ich mich auf das Bett. Ich würde
meinen Vater finden, dass war alles was zählte.
-13-
Schreckhaft
hob ich den Kopf und blinzelte in das dunkle Zimmer.
Ich saß noch immer, war eingenickt. Etwas müde
setzte ich mich gerade auf. Doch der Entschluss zu gehen,
das Gefühl der Wut und Verletztheit, war noch immer.
Ein Blick auf den Mond ließ mich wissen, dass
es schon spät in der Nacht war. Genau richtig.
Schnell huschte ich aus dem Raum ohne mich noch einmal
umzusehen und schlich die Gänge entlang. Der einzige
der mir folgte, war mein Schatten. Leise, so gut es
eben ging, schlich ich die Wege entlang und versuchte
mir den Weg ins Gedächtnis zu rufen, wo die Stallungen
lagen. Doch ich wusste es nicht mehr. So sehr ich mich
auch anstrengte. Im Dunkeln sah alles anders aus, und
auch nur von einer Anhöhe, wurde mir von dem Elben
die Richtung gezeigt. Wütend über mich selbst,
blieb ich stehen und sah mich um. Über mir ragten
die zierlichen Gemäuer und um mich herum frisches
Grün, was mir die Sicht nahm. Ich lief wieder los,
in der Hoffnung die richtige Richtung eingeschlagen
zu haben. Ich wusste, ich durfte nicht allzu viel Zeit
verstreichen lassen. Elben hatten ihre Augen und Ohren
überall. Und besonders von einem, wollte ich nicht
bemerkt werden. Langsam lief ich ein Stück nach
oben und dann sah ich die Grenze. Ein Elb stand an der
Wand des Berges und sah in meine Richtung. Natürlich
hatte er mich bemerkt. Doch ich ging weiter. Hoffte
nur, er würde mich nicht aufhalten. Mit seinen
Blicken verfolgte er zwar meine Schritte, sagte oder
tat aber nichts, so das ich schneller lief und die Grenzen
Bruchtals hinter mir ließ. Mein Herz pochte in
meiner Brust. Froh, mich überwunden zu haben, und
unsicher dem gegenüber stehend, was mich jetzt
erwartete. Doch ich lief weiter. Wollte den Abstand
mit jedem Schritt größer werden lassen. Der
erste Schritt war getan. Doch langsam wurden mir die
Schritte zuviel, die ich jetzt schon tat, und somit
verlangsamte ich meinen Gang und gönnte mir eine
Zeit zum verpusten. Meine Seite schmerzte ein wenig,
doch ich verdrängte es. In dem dicken Kleid kam
man leicht aus der Puste. Ich zählte schon nicht
mehr, wie oft ich es verfluchte. Mitten im gehen, drehte
ich meinen Kopf. Bruchtal war kaum noch zu sehen, was
ich mit einem zufriedenen Lächeln registrierte.
Was Legolas jetzt wohl tat? Sicher irgendwo umherlaufen
und sich über mich ärgern. Aber ich zwang
mich, meine Gedanken auf andere Bahnen zu lenken. Ich
hatte keinen blassen Schimmer, wo genau ich lang musste.
Vor mir jedenfalls, erstreckte sich ein Wald, noch einige
Meilen entfernt, doch gut sichtbar. Die Dunkelheit ließ
nur seine Silhouette erkennen. Um ihn herum schlossen
sich weite Berglandschaften. Mir blieb nur der Wald
als Weg übrig. Doch er war noch weit entfernt und
ich war noch lange nicht aus dem Sichtbereich eines
Elbenauges herausgetreten. Fast automatisch setzten
sich meine Beine wieder schneller voreinander. Nun verfluchte
ich mich, nicht doch noch die Stallungen aufgesucht
zu haben.
Legolas
tat kein Auge zu. Wie konnte er auch? Er hatte nicht
gedacht, dass Elen sich so aufregen würde. Er hatte
nicht gedacht das sie es so eilig hatte und er hatte
sich verschätzt, mit der Zeit zum überlegen,
die er sich einkalkuliert hatte. Seine Beine trugen
ihn immer wieder von einer Seite des Zimmers und zur
anderen. Der Streit beunruhigte ihn. Legolas hoffte
nur, dass Elen ihm noch weiterhin sein Vertrauen schenken
würde und noch immer auf ihn hören würde.
Und auch noch immer die gleiche Geduld aufbrachte. Er
wusste natürlich, dass Elen auf Erklärungen
hoffte. Dass sie Antworten auf ihre Fragen wollte, die
er ihr nicht geben konnte. So gern er es auch wollte,
es ging nicht. Warum, wusste er selbst nicht genau.
Wahrscheinlich, wollte er ihr Bild, was sie von Elben
besaß, nicht zerstören.
Meine
Hände auf die Knie gesützt und schwer ein-
und ausatmend, stand ich vor dem ersten Baum, des großen
Waldes. Mein Mund war ausgetrocknet und verlangte nach
Flüssigkeit. Meine Beine knickten mir fast weg
und ich bemerkte, dass auch meine Hände leicht
zitterten. Doch es ging vorbei. Die Erschöpfung
löste sich bald wie ein Wolkenfetzen in Luft auf.
Am Horizont begann die Sonne langsam ihre rote Farbe
über die Ebene zu legen und Bruchtal war jetzt
aus meinem Sichtfeld verschwunden, was ich mit einem
Lächeln registrierte. Doch ich war nur ein kleines
Stück vorangekommen. Nichts von großer Bedeutung,
wenn man bedachte, was ich noch vor mir hatte. Zur inneren
Aufmunterung, streckte ich mich einmal und atmete laut
aus. „Weiter geht’s, Elen. Vertraue einfach auf deine
Beine.“ Lächelnd schritt ich voran. In der Dämmerung
wirkte der Wald schummerig und noch nicht wirklich wach.
Nichts regte sich in den Wipfeln, kein Blatt raschelte
und kein einziger Waldbewohner schien sich um diese
Zeit zu zeigen. Meine Schritte wirkten dadurch merkwürdig
laut auf dem seichten Waldboden. Fast automatisch nahm
ich meinen Rock höher und tappte so um einiges
leiser durch den Wald. Je tiefer ich kam, umso einsamer
schien er zu werden. Bald konnte ich den Waldrand nicht
mehr ausmachen. Doch die Sonne kämpfte sich langsam
durch die Baumkronen und die ersten Vogellaute waren
zu vernehmen. Eichhörnchen huschten die Bäume
empor und kleine Erdbewohner steckten ihre Nasen aus
den Höhlen. Es schien, als würde mit den Tieren
auch der Wald aufwachen. Die Bäume standen nicht
mehr so dicht aneinander ließen so mehr Licht
herein. Und mit dem warmen Licht und den erwachten Tieren,
erwachte auch wieder neue Entschlossenheit.
Sie war
nicht da! Legolas stand fassungslos in dem kleinen Raum.
Sie war nicht da! Aber das konnte nicht sein! Sicher
war sie nur wieder in Bruchtal unterwegs. Bestimmt war
sie auch noch wütend und wusste, dass er zu ihr
kommen würde, und weichte ihm somit noch aus. Doch
Legolas wollte mit ihr reden. Er würde sie schon
finden. Und doch blieb ein ungutes Gefühl, dass
ihm sagte, dass sie sich doch nicht in seiner Nähe
aufhielt. Eilig schritt er durch die Gänge, hinaus
auf das Gelände und suchte mit seinen Augen die
Gegend ab. Ging hinunter zum Wasserfall, zum Fluss und
wieder zurück in die Gemäuer. Doch sie war
nirgends. Das Gefühl verstärkte sich mit jeder
Sekunde mehr. Und dann wurde ihm klar, dass sie nicht
mehr hier war. Sie hatte die Grenzen Bruchtals verlassen
und hatte sich allein auf den Weg gemacht. Eine leichte
Panik legte sich über ihn. Er musste sie einholen.
Ohne weiter zu überlegen, lief er zu den Ställen
und holte sein Pferd. Sicher hatte sie schon den Wald
erreicht, in dessen Richtung sie zwangsläufig musste.
Leise sprach er beruhigende Worte zu seinem Pferd, dass
etwas unruhig wurde. Dann ritt er los und kam an dem
Elb an der Grenze vorbei. Er hatte Elen gesehen. Mitten
in der Nacht, kam sie an ihm vorbei und lief in Richtung
Wald. Natürlich hatte er keine Fragen gestellt.
Die Aufgaben des Elben, war nur darauf zu achten, wer
die Grenzen Bruchtals nach innen beschritt, nicht, wer
sie freiwillig verließ. Eilig trieb Legolas sein
Pferd an und hoffte, er würde Elen schnell einholen.
.............................................................................................................................
-14-
Wieder
fühlte ich mich etwas erschöpft und die Sonne
stieg mit jeder Sekunde höher und brachte damit
die Wärme mit. Nur am Stand der Sonne konnte ich
ungefähr erkennen, wie lange ich schon unterwegs
war. Kurz blieb ich stehen und schaute nach oben. Meine
Augen abschirmend, sah ich durch die hohen Wipfeln und
in den blauen Himmel, der so unentlich weit weg schien.
Die einzelnen Sonnenstrahlen kämpften sich durch
die kräftigen Stämme der Bäume. Ich versuchte
sie aus Langeweile zu bestimmen und suchte auch nach
bekannten Pflanzen. Meine Mutter hatte mir als Kind
oft die Namen der Naturbewohner genannt. Schließlich
bestimmte ich sogar die Singvögel, wenn sie ihr
Lied anstimmten. Doch plötzlich mischten sich noch
andere Geräusche dazu, die eindeutig nicht dem
Walde gehörten. Mit klopfendem Herzen stand ich
wie angewurzelt da und lauschte angestrengt in die Richtung.
Es waren Stimmen, die eindeutig Männern angehörten.
Es waren zwei und sie mussten mit Pferden unterwegs
sein. Doch sie waren auch sehr leise, was mich verwunderte.
Darum war ich auch nicht sehr überrascht, als ich
sie schon bald zwischen den Bäumen erkennen konnte.
Ich hatte mich mit der Entfernung verschätzt. Und
dann erkannte ich auch den Grund. Es waren zwei Elben,
die jetzt mit einem aufmerksamen Lächeln zu mir
kamen. Ihre Schimmel traten leichtfüßig neben
mich. Mir blieb keine Zeit mehr, mir ein Versteck zu
suchen. Ihre Blicke ruhten auf mir und schienen mich
zu durchbohren. Ein ungutes Gefühl machte sich
in mir breit. Ihre Blicke gefielen mir nicht. Ihre langen
blonden Haare verrieten mir jedoch, dass sie von Düsterwald
kommen mussten und das war etwas ermunterndes. „Seid
gegüßt.“, sprach ich leise. Doch die Elben
erwiderten meinen Gruß nicht. Ihr Lächeln
wurde kalt und wirkte wie aus Stein gemeißelt.
Ihre blauen Augen schienen dunkler zu werden und ihre
Stimmen ließen mich erschaudern. Nichts freundliches
war aus ihnen zu vernehmen. „Ein Landstreicher in Landen,
die euch nichts angehen. Das ist aber nicht sehr höflich.“
Ein kurzer Blick zu dem anderen Elben, ließ auch
ihn sprechen. „Kennt sie die Gesetze nicht?“ „Nein,
aber das ist ja nicht schlimm. Sie wird sie schon noch
kennenlernen.“ Ihr Lachen dröhnte in meinen Ohren
und vermischte sich mit meinem eigenen Herzschlag. Sie
taten, als würde ich kaum vor ihnen stehen. Ich
wusste nichts von Gesetzen. Wusste nicht, in welchen
Landen ich mich grade befand und wusste auch nicht,
wovon sie sprachen. Das einzige was ich wusste, war,
dass ich sofort weg wollte. Das ich Angst hatte. Angst
vor diesen beiden eigenartigen Elben, die so gar nicht
meinem Bilde von ihrer Art entsprachen. Doch weglaufen
war unmöglich. Hinter meiner Stirn arbeitete es,
doch es wollte sich keine Lösung formen. Die Angst
lähmte mich, als der Elb genau neben mir, von seinem
Pferd stieg. Kein Ton war zu hören, als seine Füße
den Boden berührten. Sein Pferd stand ruhig an
seinem Platz. Fast stolpernd schritt ich einen Schritt
zurück. „Es tut mir Leid, wenn ich eure Gesetze
brach, doch ihr sollt wissen, es war ein Versehen.“
Meine Stimme hörte sich brüchig an und sein
eisiges Lächeln, ließ mir erneut einen Schauder
über den Rücken jagen. „Ja. Natürlich
war es ein Versehen. Doch was sollen wir tun? Sie laufen
lassen? Wegen ihrer Naivität?“ Die Worte waren
an den anderen Elben gedacht, dessen Lippen sich auch
zu einem kalten Grinsen formten. „Wo würden wir
denn dann enden?“ Der Elb vor mir, sah mich wieder an
und nickte langsam. „Seht ihr?“ Ich wusste nicht, wovon
er sprach, doch meine Angst wuchs mit jeder Sekunde.
Der Wald
kam näher. Er hatte ihn fast erreicht. Und Legolas
konnte auch schon ihre Anwesenheit spüren. Er wusste,
er war auf dem richtigen Weg. Doch auch noch etwas anderes
war zu spüren. Genau das, was Legolas befürchtet
hatte.
Laufen,
ich musste laufen. So schnell ich konnte, drehte ich
auf dem Absatz um und lief um einen Baum herum. Stolperte
fast über meinen eigenen Rock und lief zum nächsten.
Hinter mir hörte ich ein Geräusch, was mir
bekannt vorkam. Es gehörte einem Bogen an. Fast
hätte ich geschrien, lief hinter den nächsten
Baum. Meine Kehle war wie zugeschnürt und in meinen
Ohren rauschte es. Mein Herz pochte so laut, dass ich
Angst hatte, man könnte es hören. Meine Beine
waren so schwer, dass ich das Gefühl hatte, nicht
von der Stelle zu kommen und die Bäume schienen
Kilometer voneinander entfernt zu stehen. Sie würden
mich töten. Sie würden mich sterben lassen.
Würden lachend weiter reiten und irgendwann würde
man mich finden. Leblos und ohne jeden Lebenshauch mehr
in mir. Ein Elb sagte irgendetwas, doch die Worte gingen
in dem Rauschen meines Ohres unter. Ein Lachen folgte
und dann vernahm ich erschreckenderweise das Surren
des Pfeiles. Mein Herz setzte für einen Moment
aus und ich hielt meinen Atem an. Ich stand nicht im
Schutze eines Baumes. Meine Hände krallten
sich in meinen Rock und mit zugenkniffenden Augen wartete
ich auf den Schmerz. Wusste nicht, wo er mich treffen
würde. Wo er mich treffen wollte. Es kam mir vor
wie eine Ewigkeit, als würde die Zeit angehalten
worden sein. Doch dann kam er, heftiger und erschreckender,
als ich es geglaubt hatte. Zuerst spürte ich nur
einen ungemeinen Druck in meinem Oberschenkel, doch
der Schreck ließ mich aufschreien. Dann fiel ich.
Der Schrei
hallte in Legolas Ohren nach. Ein eisiger Schauer durchfuhr
seinen Körper. Und er spürte Angst, ihre Angst
und seine eigene; zu spät gekommen zu sein. Nochmals
trieb er sein Pferd wieder an, sprach leise Worte zu
ihm, und spürte, wie der Körper unter ihm
sich abermals streckte und das letzte aus sich herausholte.
Die Bäume rauschten an ihm vorbei, doch er nahm
sie nicht als Hindernis wahr.
Dem Druck
wich der Schmerz. Er durchfuhr meinen gesamten Körper
wie ein einziger Stromschlag und sammelte sich dann
in meinem rechten Bein. Ich war unfähig mich noch
zu bewegen, hatte Angst, mich umzusehen. Hatte Angst
vor dem was ich sehen würde. Wollte es nicht wissen.
Automatisch tastete meine rechte Hand zu meinem Bein
und ein Schluchzen entrann mir, als ich den Pfeil spürte,
der tief in meinem Fleisch steckte. Ich hatte das Gefühl,
als hätte er mich durchbohrt. Doch traute ich mich
auch nicht hinzusehen. Meine Augen waren noch immer
fest geschlossen. Zum einem aus Angst sie zu öffnen
und zum anderen hinderte der Schmerz mich daran. Und
dann spürte ich Wärme. Sie ging von meinem
Bein aus. Mein gesamtes Bein begann zu tuckern, und
ich glaubte zu ahnen, dass es das Blut war, was jetzt
mehr und mehr durch meine Venen gepumpt wurde. „Sie
glaubte wirklich an Flucht.“ Hörte ich plötzlich
wieder die eisige Stimme. Sie war genau neben mir. „Sie
weiß wirklich nichts von den Gesetzen. Wie schade.“
Es tat weh, als ich die Augen öffnete. Als würde
sich mein ganzer Körper dagegen wehren. Der Elb
hatte noch immer dieses eisige Grinsen auf seinem makellosen
Gesicht. Den Bogen in der rechten Hand. Und wieder kam
mir der Gedanke, dass er mich jetzt wirklich töten
würde. Schmerz und Angst vermischten sich miteinander
und was blieb, war ein würgendes und erstickendes
Gefühl. „Ich flehe euch an.“ Brachte ich mit erstickender
Stimme hervor. Doch was nützte das betteln um Gnade?
Die Angst
umhüllte Legolas wie ein Schleier. Sie war im ganzen
Wald zu spüren. Schien sich wie ein dichter Nebelstreifen
durch die Bäume zu schlängeln. Deutlich konnte
er Elen’s Anwesenheit spüren und die zweier Elben.
Sie war nicht mehr weit von ihm entfernt. Fast schon
glaubte er sie zu hören. Und auch die anderen beiden.
Und dann wurden die Laute, die erst nur leise zu vernehmen
waren, deutlicher. Und auch die ersten Umrisse. Er war
ganz nah.
-15-
Mein
um Gnade flehen brachte mir nur ein höhnisches
Gelächter ein. Noch immer lachend, ließ der
Elb sich in die Hocke. Genau neben mir. Auch der andere
kam näher und mein Magen begann sich zu drehen.
Das Rauschen in meinen Ohren nahm wieder zu und erneute
Angst lähmte mich. Schnürte mir die Luft ab
und nahm mir die Luft zum atmen. Mit langsamen und doch
so bedrohlichen Bewegungen, berührte er mein Gesicht.
Es war, als würden seine Finger mir meine Haut
abschürfen. Schnell drehte ich meinen Kopf, doch
er hielt mich davon ab. Die zwei kalten Augenpaare
musterten mich und amüsierten sich über meinen
heftig zitternden Körper. „Sie ist…“ Plötzlich
stand er ruckartig auf. Sie beide blickten in eine Richtung.
Auch ich versuchte etwas zu erkennen.
Wenigstens
etwas zu hören. Doch das Rauschen in meinem Kopf,
hinderte mich daran. Im ersten Moment dachte ich an
nochmaliges fliehen. Doch schnell verwarf ich diesen
absurden Gedanken wieder. Was war los, dass sie von
mir abließen? Wieder versuchte ich etwas zu hören
oder zu sehen. Doch auch sehen konnte ich nur wenig,
da der Schmerz mich die Augen zukneifen ließ.
Noch immer traute ich mich nicht, auf mein Bein zu schauen.
Mir schien, als würde der Schmerz mit jeder Sekunde
zunehmen. Es zu bewegen kam mir nicht in den Sinn. Wahrscheinlich
aus Angst, es nicht mehr zu können. In meiner verdrehten
Lage, versuchte ich zu den beiden Elben zu schauen.
Sie ragten über mir und plötzlich hellten
ihre Augen wieder auf. Sogar ein Lächeln, was nichts
mit Freundlichkeit zu tun hatte, bildete sich auf ihren
Gesichtern. Es schien eher erleichtert, selbstsicher.
Auch ihre Haltung entspannte sich etwas. Und dann hörte
auch ich es. Pferdehufe galoppierten über den Waldboden
in unsere Richtung. Eine leichte Hoffnung durchströmte
meinen Körper, aber auch erneute Angst. Und dann
wieder Schmerz. Unbewusst hatte ich versucht, mich etwas
zu drehen und bewegte dadurch mein Bein. Ein Fehler.
Mein gesamter Körper schien sich in sich zusammenzuziehen
und ballte sich schließlich wieder im Bein. Und
für einen Moment drehte sich der Boden unter meinen
Füßen und mit meinen Händen versuchte
ich mich irgendwo festzukrallen. Und dann hörte
es aprupt wieder auf. Was blieb, war der Schmerz, der
nur leicht versiegte. Für einen Moment hielt ich
noch meine Augen geschlossen und wartete ab. Die Schmerzattacke
zeigte mir, wie nahe mein Körper vor einer Ohnmacht
war. Im Innersten wünschte ich sie mir sogar. Doch
der Gedanke, dann vielleicht nie wieder aufzuwachen,
hinderte mich daran. Ein Elb neben mir sprach etwas
und das holte mich wieder zurück. Wieder nur vorsichtig
öffnete ich meine Augen. Und dann durchströmte
nicht wieder Schmerz meinen Körper, sondern Hoffnung
und unendliches Glück. Legolas glitt lautlos auf
den Boden und kam ein paar Schritte zu uns. Nur flüchtig
streifte sein Blick zu mir. „Was verschafft uns die
Ehre? Prinz Legolas?“ Die Worte des Elben hörten
sich höhnisch an, doch Legolas ignorierte es. Sein
Blick war angespannt, sein Kiefer aufeinandergepresst
und sein Mund zu einer schmalen Linie gezogen. Seine
Augen richteten sich auf den Elben, der noch immer direkt
neben mir stand und sie nahmen einen Ausdruck an, den
ich noch nie an ihm gesehen hatte. Nicht einmal bei
unserem größten Streit, sah er auch nur eine
Sekunde lang ’so’ aus. „Ihr stört, mein Prinz.“
Wieder der gleiche Unterton. „Ihr könnt euren Ritt
wieder aufnehmen. Euch hält nichts mehr an diesem
Ort. Lasst das Mädchen in Ruhe.“ Ein leichtes drucksen
entrann des Elben Kehle. „Es tut mir Leid. Jedoch haben
wir uns auch an unsere Gesetze zu richten, die euch
bekannt vorkommen sollten. Wir können nicht weiterreiten.“
Legolas Augen verengten sich. Seine Hände waren
zu Fäusten geballt. „Ihr könnt es und auch
das müsste euch bekannt sein. Die Gesetze sind
hier nicht von Belang.“ „Ich schätze unsere Gesetze
zu pflegen, mein Prinz. Auch ihr könnt daran nichts
ändern.“ Der Elb, der sich die Zeit mehr im Hintergrund
gehalten hatte, trat auch jetzt etwas beiseite. Neue
Angst überkam mich. Trotz Legolas’ Anwesenheit,
spürte ich neue Panik aufkommen. Etwas stimmte
nicht. Und dann zog der Elb plötzlich Pfeil und
Bogen und richtete ihn auf mich. Keine Sekunde lang
ließ er Legolas dabei aus den Augen. Doch ich
erschrak mich so sehr, dass ich ein Stück weg wich
und mich dabei wieder die gleiche Schmerzattacke überfiel.
Diesmal war es aber nicht nur bloße Angst, die
sich mit dem Schmerz vermischte, sondern Panik. Mein
ganzer Körper zitterte, sodas ich keine Gewalt
mehr über mich hatte und meine Finger krallten
sich in den warmen Erdboden. Es kam mir vor wie eine
Ewigkeit, bis der Schmerz wieder etwas nachließ.
Um mich war es still. Niemand sprach ein Wort, doch
noch immer spürte ich förmlich den Pfeil auf
mich gerichtet. Als ich wieder hoch sah, war ich nicht
mehr die einzige, auf der Pfeil und Bogen gerichtet
wurde. Das erste mal war Unsicherheit in des Elben Augen
zu sehen. Legolas Blick dagegen schien um so entschlossener.
„Ich werde mich an die Gesetze unseres Landes halten.“
„Ihr sagtet vorhin, wir seien außerhalb unserer
Lande. Ihr habt sie hier nicht mehr zu befolgen.“ Der
fremde Elb schien sich nicht sicher zu sein, ob Legolas
Ernst machen würde. Auch ich war es nicht. Niemals
habe ich ihn töten sehen. Geschweige denn einen
Menschen. Plötzlich sah ich, wie der Elb seinen
Bogen noch weiter spannte und auf meinen Rücken
zielte. Erschrocken atmete ich heftig ein und versuchte
mich zu ducken. Dann ertönte plötzlich ein
surren des Pfeiles und der Elb ließ erschrocken
seinen Pfeil los, der knapp über mich hinwegschoss.
Fast lautlos, sank der Elb in sich zusammen und blieb
leblos auf dem Boden neben mir liegen. Der Pfeil steckte
seitlich unter seinem Arm, in seinem Herzen. Mit weit
aufgerissenen Augen starrte ich ihn an und dann wieder
zu Legolas, der jetzt auf den anderen Elben zielte.
Doch der machte keine Anstalten zur Gegenwehr. Mit leichtem
Erschrecken trat er zurück zu seinem Pferd
und sagte Worte auf Elbisch, wonach Legolas den Bogen
senkte und ihm hinterhersah, wie er durch den Wald davonritt.
In mir
breitete sich ein erneutes Würgen aus. Für
einen Moment hatte der Schock mich meinen Schmerz vergessen
lassen. Doch jetzt spürte ich ihn wieder um so
heftiger und der Anblick des toten Elben neben mir,
trug nicht grade dazu bei, dass mein Magen sich beruhigte.
Angewidert schluckte ich den sauren Geschmack wieder
herunter. Erst jetzt nahm ich wahr, wie sehr ich zitterte
und auf meiner Stirn lag ein kalter Schweißfilm.
Mit dem Schmerz in meinem Bein, mischte sich jetzt sogar
noch Taubheit, was mir eine neue Art Angst einjagte.
Legolas war gegangen. Ich konnte ihn weder sehen noch
hören. Doch ich wusste das er noch in der Nähe
war und jeden Moment wieder bei mir sein würde.
Und so war es auch. Leise trat er durch die Schatten
der Bäume und er hatte etwas in der Hand was ich
nicht erkennen konnte. Erst als er fast bei mir war,
identifizierte ich es als irgendwelche Kräuter.
Vorsichtig ging er neben mir in die Hocke und es war
das erste mal das er mich anlächelte. Seine Gesichtszüge
wirkten nicht mehr so angespannt, doch noch immer sich
der Gefahr bewusst. Die Elben würden sicher nicht
mehr zurückkommen, erst Recht nicht der, der neben
mir lag. Es war noch etwas anderes was ihm Sorgen machte.
Doch trotz dem ich das wusste, war ich doch so erleichtert
wie noch nie in meinem Leben und mit dem Gefühl
der Angst und dem Schmerz, mischte sich jetzt ein leichtes
Glücksgefühl dazu. Wie konnte ich nur von
ihm weggegangen sein? Wie hatte ich es so lange ausgehalten?
.............................................................................................................................
-16-
Noch
immer war er wütend auf Elen. Legolas mochte nicht
daran denken, was geschehen wäre, wenn er sich
nicht auf dem Weg gemacht hätte. Wieso hörte
sie auch nicht ein einziges Mal auf ihn? Er wusste schon,
was er sagte. Er wusste wovon er sprach und doch schien
sie seine Worte nicht in sich aufzunehmen. Er konnte
spüren, dass sie sich jetzt sicherer fühlte,
doch die Gefahr war noch längst nicht vorbei. Der
Pfeil steckte tief und das schon viel zu lange. Die
Pfeilspitzen der Elben waren aus giftigen Matarial und
nur Elen’s elbisches Blut hielt sie noch von einer Ohnmacht
fern. Doch auch das würde ihr bald nicht mehr helfen.
Und er selber wusste nicht genug über Arzneien.
Die Kräuter die er jetzt hatte, halfen nur zur
Stillung des Blutes und sie hielten kurzzeitig das Verbreiten
des Giftes auf. Doch nicht für lange. Sie mussten
auf dem schnellsten Weg zurück nach Bruchtal. Legolas
fiel auf, dass Elen, trotz des Schmerzes, sein Handeln
mit fast kindlichen Interesse verfolgte. Die Kräuter
waren schnell fertiggemacht und jetzt musste er sich
beeilen.
Legolas
hatte noch nichts gesagt. Stumm sah ich ihm zu, wie
er die Kräuter klein schnitt und mit Steinen weich
malmte, so das sie zu einer breiigen Masse wurden. Als
er fertig war, schaute er mich wieder lächelnd
an. Doch die Sorge wich nicht aus seinem Gesicht. Mit
dem Dolch schnitt er mein Kleid am Bein frei. Und abermals
musste ich würgen. Es war nicht so viel Blut zu
sehen, wie ich gedacht hatte. Doch der Anblick, der
sich mir bot, war weitaus schlimmer. Der Pfeil musste
nur knapp meinen Knochen verfehlt haben, denn er steckte
seitlich und hatte meinen gesamten Oberschenkel durchbohrt.
Ein Teil der Pfeilspitze schaute an der Seite des Schenkels
heraus und immer wieder rannen Blutstropfen aus der
kleinen Wunde. Ein Ratschen ließ mich den
Blick abwenden und ich sah, wie Legolas Stoffstreifen
aus dem abgetrennten Rockteilen riss. Was hatte er damit
vor?! Wieder spürte ich Angst aufkommen. Angst
vor Schmerz. Mit dem Dolch schnitt Legolas vorsichtig
den Pfeil kurz vor meinem Bein ab. Es tat nicht weh,
doch machte es mir Angst. „Was…?“ Meine unausgesprochene
Frage ließ Legolas aufsehen. Für einen Moment
sah er mich nur an. „Ich möchte das du mich ansiehst.“
Ich verstand nicht. Wollte es wahrscheinlich gar nicht.
Wieder haftete mein Blick auf meinem Bein und dann spürte
ich Legolas’ Hand unter meinem Kinn. Mit sanfter Gewalt,
brachte er mich wieder dazu, ihn anzusehen. Mit zittrigem
Atem tat ich es. „Tu wenigstens dieses eine mal was
ich dir sage.“ Seine Worte unterstützte er mit
einem leichten Lächeln. Doch ich konnte nicht zurücklächeln
und auch nicht antworten. Ich wusste was jetzt kam und
wahrscheinlich musste es sein, doch die erneute Angst,
schnürte mir die Kehle zu. Als Legolas seinen Blick
wieder abwandte, kniff ich die Augen zu. Wartete erneut
auf den Schmerz und wieder war es erst nur ein unangenehmer
Druck, der sich dann aber rasend schnell in einen unglaublichen
Schmerz ausbreitete. Ein Zittern ergriff meinen Körper
und ehe ich aufschreien konnte, wurde mir schwarz vor
Augen. Und erst dann erlöste mich eine Ohnmacht.
Vorsichtig
legte Legolas Elen’s leblosen Körper auf den weichen
Waldboden. Er war erleichtert, dass sie wenigstens für
diesen Augenblick von dem Schmerz befreit war. Mit schnellen
Bewegungen verteilte er die Kräuter und wickelte
dann die Stofffetzen um die offene Wunde. Es würde
nicht lange dauern und der Stoff würde durchweicht
sein. Schon jetzt zeichneten sich dunkle Konturen ab.
So vorsichtig wie möglich hob er Elen hoch und
setzte sie aufs Pferd. Es war nicht einfach, doch es
gelang ihm, sie so zu platzieren, dass ihr Bein nicht
zu sehr beansprucht wurde und er sie gleichermaßen
auch noch gut halten konnte. Mit geflüsterten,
elbischen Worten trieb er sein Pferd an und hoffte,
Elen würde auch den Ritt durch in ihrer Ohnmacht
verweilen.
~~~~~
|
|
|