Titel: Elen
Autor: Lúthien


-Prolog-

„Elen! Komm jetzt sofort wieder her. Ich weiß das du hier irgendwo steckst. Elen!“ Die Stimme kam von weit her. Meine Mutter rannte durch den gesamten Stall, runter zum kleinen See und auch noch zum Wald. Doch sie hatte die kleine Wohnung über dem Stall vergessen, wo ich zusammengekauert und grinsend drinne saß. Mit den Stall sauber machen sollte ich. Nein, dass war nun wirklich keine Arbeit für mich. Irgendwann hörte ich ihre Stimme nicht mehr. Vorsichtig kroch ich auf allen vieren zum Fenster. Ich musste mich auf einen Stuhl stellen, um überhaupt anzukommen. Niemand zu sehen. Auch aus dem Stall hörte man nur das einzelne Schnauben der Pferde. Vorsichtig stieg ich die große Treppe runter und huschte in den Stall. Die großen Pferde ragten über die halbhohen Wände und schauten neugierig auf mich herab. „Ssshhht.“ Die Pferde sollten nur nicht wiehern, wie sie es schon mal schafften, wenn sie meine Mutter oder auch mal mich, sahen. Ich schlich weiter. Ums Haus herum und über den Hof. Plötzlich blieb ich stehen und lauschte. Ich hörte Stimmen. Zwei. Eine gehörte eindeutig meiner Mutter, aber die zweite erkannte ich nicht. Nein, ich kannte sie auch gar nicht. Hatten wir Besuch? Vielleicht ein Käufer für die Pferde? Die Stimmen kamen vom Tor. Das waren noch gute hundert meter, so dass ich erstmal gefahrlos hinüberlaufen konnte, ohne entdeckt zu werden. Die Stimmen wurden lauter. Inzwischen war ich mir ganz sicher, dass ich die andere Person nicht kannte. Doch meine Neugier trieb mich weiter, obwohl ich, wenn ich erwischt werden würde, mit ner deftigen Strafe rechnen musste. Wie immer wenn ich mich vor der Arbeit drückte. Ich versteckte mich hinter einem großen Baum und schlich in Zeitlupe halb drumherum, bis ich freie Sicht auf meine Mutter und die unbekannte Stimme hatte. Das war kein Mensch. Soviel war sicher. Doch wer war derjenige dann? Er hatte ganz komische Sachen an und lange gelbe Haare und einen Umhang und außerdem... Plötzlich drehte derjenige sich um. Er schaute mich genau an. Wie, wie konnte das denn gehen? Meine Mutter folgte seinem Blick und sah mich. Schnell huschte ich wieder hinter den Baum und hörte die wütenden Schritte meiner Mutter. Aber wie hatte dieser komische Mann mich nur sehen können? Ich war doch ganz leise, hab sogar leise geatmet. Bin auf keinen Ast oder sowas getreten. Und gehört haben konnte er mich auch nicht. Meine Mutter sagte zu mir schon immer, ich könnte sehr gut hören und ich war stolz drauf, aber nicht mal ich habe mich selbst gehört. Wie konnte er..... „Elen!“ Groß und mit den Händen in den Hüften gestemmt, stand meine Mutter jetzt vor mir. Ich guckte sie nur aus meinen großen Augen an und starrte sie mit Unschuldsmine an. Meistens half das. Doch wohl nicht diesmal. „Wo warst du schon wieder? Ich habe dich gesucht. Du solltest mir helfen. Jedesmal läufst du vor der Arbeit davon.“ Sie packte mich am Arm und zerrte mich zu der seltsamen Person. Der stand lächelnd da und sah sich unseren Hof an. „Was habe ich nur bei dir falsch gemacht? Nimm dir mal ein Beispiel an deiner großen Schwester. Sie ist so ein liebes Mädchen und sie hilft ihrer Mutter wenigstens auch.“ Sie zeterte noch den ganzen Weg über. Doch ich hörte gar nicht mehr zu. Der Mann sah uns lächelnd an. Fand er das komisch? Mir tat schon mein Arm weh, von dem Gequetsche meiner Mutter. Doch je näher wir ihm kamen, desto weiniger konnte ich meine Augen von ihm richten. Das musste ein Engel sein. Genauso sieht also ein Engel aus. Meine Mutter hat mir immer viel von ihnen erzählt ehe sie mich ins Bett brachte. Er muss vom Himmel gefallen sein. Oder ist er geflogen? Jetzt standen wir ganz bei ihm. Er war so groß. Ich streckte meinen Kopf in den Nacken, um ihn anzuschauen. Lächelnd schaute er mich an. „Entschuldigen sie bitte die Störung aber dieses Kind ist einfach unmöglich. Sie sollte mir eigentlich im Stall helfen und was macht sie? Sie versteckt sich. Gut das sie sie entdeckt haben. Ich hätte sie wohl noch den ganzen Tag über suchen müssen.“ Der Engel lächelte wieder und ging vor mir in die Hocke. Er wollte wohl irgendwas sagen, doch ich fragte zuerst. Zu sehr brannte mir die Frage auf der Zunge. „Bist du ein Engel?“ Meine Mutter atmete einmal erschrocken ein, doch der Engel lachte. Dann schüttelte er grinsend den Kopf. „Nein, eigentlich bin ich kein Engel. Aber danke, dass du mich so siehst. Engel sind nämlich was wunderbares.“ Oh, also doch kein Engel. Aber es hätte schon sein können. „Was bist du dann?“ Meine Mutter entschuldigte sich für meine wohl dummen Fragen, doch, der ja nun doch kein Engel, lächelte ihr nur zu. „Ich bin ein Elb.“ „Was sind das?“ Meine Mutter wurde nervös. „Ich bin gar nicht so anders wie du. Nur das wir halt Elben genannt werden und du ein Mensch bist.“ „Wer ist wir?“ „Mein Volk und ich. „Es gibt noch mehr von dir?“ Er lachte wieder. „Ja, so wie es von dir ja auch mehrere gibt.“ Ich hatte noch so viele Fragen, doch meine Mutter nahm schon wieder meinen Arm und schob mich hinter sich. „Es tut mir wirklich Leid, aber dieses Kind ist unmöglich. Sie hat einfach kein Benehmen. Sie ist erst vier Jahre alt und schon nur Unsinn im Sinn.“ Neugierig schaute ich hinter meiner Mutters Rock hervor. „Wie heisst du?“ Der Elb schaute mich wieder an und schien sich gar nicht über mich zu ärgern, so wie meine Mutter es grade wieder tat. „Ich heiße Legolas. Und du kleine Dame?“ Kleine Dame?! So hatte mich noch nie jemand genannt. Ich grinste. „Elen. Ich heiße Elen.“ „Das ist ein schöner Name.“ Ich nickte heftig zur Zustimmung. „So, jetzt aber genug. Du musst sowieso ins Bett. Es ist schon spät.“ Sagte meine Mutter zu mir und zu Legolas gewandt: „Kommt. Ich zeige euch euer Zimmer.“ Und wieder lief ich am Arm meiner Mutter. Aber immer wieder sah ich zu Legolas hinüber und wenn er sah das ich ihn ansah, schaute auch er und lächelte. Als ich dann kurze Zeit später im Bett lag, war mir klar, dass dieser Elb noch viel besser war, als Engel es je sein könnten.

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-1-

Das war meine erste Begegnung mit ihm, und ich sah sie noch so deutlich vor mir, als wäre es gestern gewesen.  Genau drei Tage blieb er damals und dann ging er wieder. Doch er versprach mir, wieder zu kommen und mir dann auch etwas mitzubringen. Den ganzen Tag über war ich glücklich und ab diesen Tag wollte ich jeden Tag wieder zum Tor laufen, in der Hoffnung ihn wieder zu sehen. Ich musste lächeln bei dem Gedanken, dass ich ihm damals den ganzen Tag nicht von der Seite gerückt war. Doch das ich ab diesen Zeitpunkt jeden Tag zum Eingang rennen wollte, hielt ich nur wenige Tage aus, ehe ich das Interesse daran verlor. Und tastächlich, ein Jahr später, kam er wieder duch unser Tor geritten....

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Lachend lief ich auf ihn zu und fiel ihm buchstäblich um den Hals. „Hallo kleine Elen.“ Grinsend sah ich zu ihm hoch. Wie jedes Jahr bemerkte er, wie groß ich geworden bin. Doch ich hatte nur Augen für seine Satteltasche. Denn dort zauberte er immer wieder etwas neues für mich hervor. Meistens waren es Dinge, die mit Elben zu tun hatten. „Hier, pack es aber erst nachher aus.“ Jaja, wie immer. Meine Mutter kam von hinten angerannt und auch meine große Schwester mit ihrem Freund. Während der Begrüßungszeremonie, setzte ich mich hinter dem Baum, hinter dem ich mich auch zu unserer ersten Begnung versteckt hatte. Das war jetzt schon wieder vier Jahre her. Eifrig entfernte ich von meinem Geschenk den Stoff. Es war ein zierlicher kleiner Krug mit ganzen vielen Elben drauf. Ganz vorsichtig hob ich ihn gegen die Sonne, um ihn besser betrachten zu können. Und dann Legolas neben mir, am Baum gelehnt und sah mich abwartend an. „Gefällt er dir?“ Grinsend stellte ich den Krug vorsichtig und weit von mir weg und sprang im nächsten Augenblick auf, um Legolas wieder um den Hals zu fallen. „Diese Krüge sind sehr wertvoll. Du darfst ihn nie kaputt machen oder ihn jemandem anderen schenken. Sie bringen Glück.“ Das sagte er zu jedem meiner Geschenke, doch ich hörte es einfach zu gerne. Deshalb durfte auch nie jemand anderes außer er selbst, meine Geschenke anfassen. Nur angucken. Sylvy, meine große Schwester, gesellte sich lächelnd zu uns und schaute neugierig nach meinem neuen Geschenk. Sie bekam nichts. Aber sie schien auch nie darüber traurig zu sein. Ich war stolz darauf, dass ich die einzige war, der er was mitbrachte. „Wo ist es?“ Schnell huschte ich wieder um den Baum herum und kam mit dem Krug wieder hervor. Vorsichtig hielt ich ihm Sylvy hin, damit sie sich ihn anschauen konnte. „Der ist wunderschön. Pass gut auf ihn auf.“ Heftig nickend liefen wir zum Haus. Sylvy war zehn Jahre älter wie ich und ich liebte sie sehr. Sie war für mich mehr als nur eine Schwester.

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Lächelnd stellte ich den Krug zu den anderen Geschenken. Er gehörte zu einem meiner liebsten Schätze von ihm. Doch nicht ein einziges Geschenk bedeutete mir nur halb so viel wie er selbst...

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-2-

„Happy Birthday meine Kleine.“ Mein Vater, meine Mutter und Sylvy saßen am Tisch und sahen mich lachend an. Noch total verschlafen kam ich die Treppe herunter und starrte auf den großen Kuchen, den meine Mutter für mich gebacken hatte. „Die sieht aber lecker aus.“ Sagte ich und holte mir von jedem einzelnd meinen Kuss und die Geburtstagsgrüße ab. „14 Jahre wird sie. Du bist jetzt schon unser großes Mädchen und nicht mehr die Kleine.“ Stolz über diese Worte, gab ich meinem Vater noch einen Extra-Kuss. „Sie ist jetzt 14 Jahre mein Lieber. Das darfst du nicht vergessen. Und du, junge Dame, wirst dich ab sofort nicht mehr vor der Arbeit drücken.“ Grinsend sah ich meine Mutter an. Jedes Jahr erzählte sie mir das gleiche und doch änderte sich nichts. „Aber natürlich.“ Ich wollte mich grade setzen, da hielt mein Vater mich zurück. „Halt. Noch setzt du dich nicht hin. Natürlich bekommst du zum Geburtstag auch deine Überraschung. Es sei denn, du willst sie nicht.“ Gespielt entrüstet und aufgeregt, sah ich in die Runde. „Natürlich will ich. Wo ist sie?“ Alle lachten und dann dann stand mein Vater auf und machte die Tür auf. Ich schrie einmal auf vor Freude. Legolas kam grinsend rein und ich umarmte ihn stürmisch. Das war ein halbes Jahr früher wie sonst, und er kam extra für mich zu meinem Geburtsag. „Ich habe gehofft das du dich freust. Ich kann auch wieder gehen.“ „Soll das ein Witz sein? Natürlich freue ich mich. Das ist eine tolle Überraschung. Komm, setz dich!“ Ich zerrte ihn am Ärmel und ließ ihn neben mir Platz nehmen. „Ich habe natürlich auch ein Geschenk.“ Nervös rutschte ich auf meinem Platz hin und her und sah in die Gesichter meiner Familie. Sie strahlten und freuten sich nicht minder wie ich. Als ich wieder zu Legolas sah, hielt er eine lange Kette  in seiner Hand und ließ sie vor mir hin und herschwenken. Mit offenem Mund und gleichzeitig strahlend, nahm ich die Kette und betrachtete sie mir. „Oh man, sie ist wunderschön. Sie ist wirklich wunderschön.“ Meine Mutter goß Legolas grade etwas zu trinken ein, doch als sie die Kette sah, stellte sie den Krug weg und sah auch auf die Kette. Meiner Schwester erging es nicht anders. „Na, da hab ich wohl das richtige erwischt.“ Lachte Legolas und auch mein Vater schien sich über uns zu amüsieren. Schnell strich ich mir die Kette über den Kopf und schaute stolz an mir herunter. „Sie steht dir ausgezeichnet.“ Sagte Legolas und ich fiel ihm abermals um den Hals. Er war noch kalt, roch noch nach dem Wald. Seine Hand strich über meinen Rücken. Warum nahm ich das alles so genau wahr? Lächelnd setzte ich mich wieder ordentlich hin und sah auf den Kuchen, den meine Mutter mir auf den Teller gepackt hatte. „So, dann lasst uns erstmal was essen. Legolas, auch ein Stück?“ Er sah etwas skeptisch auf das braune, krümelige Stück vor ihm und sah dann zu mir. Mampfend und mit viel zu viel im Mund, zeigte ich ungeduldig auf seinen Kuchen und versuchte ein: „Iss!“ hervorzubringen. Zögerlich aber lächelnd, nickte er und schob es sich langsam in seinen Mund. Mit großen Augen sahen wir ihn alle an und warteten auf seine Reaktion. Besonders Mutter wartete gespannt. Schließlich waren es ihre Backkünste, die er da grade testete. Nach mehrmaligen kauen, schluckte Legolas seinen ersten Bissen hinunter und grinste. „Das schmeckt wirklich sehr gut.“ Ich lachte, Sylvy grinste, mein Vater schlug ihm johlend auf die Schulter und meine Mutter schlug vor Freude die Hände zusammen.  Na, dann konnte es ja mit dem Essen weitergehen. Mein Vater fragte Legolas wie immer über die Welt nach und was so alles passiert war. Das interessierte mich noch nicht, da mein Vater immer irgendwas wissen wollte, wovon ich keine Ahnung hatte. Nachher würde ich schon noch meine Fragen an ihn stellen können, wie immer. Sylvy lehnte sich zu mir, und wollte noch mal meine Kette bewundern. Sie war in letzter Zeit immer sehr aufgeregt und freute sich den ganzen Tag über. Das mag wohl daran liegen, dass sie ein Baby erwartete. Ihr Bauch war schon schon zum platzen groß. Es würde wohl nicht mehr lange dauern. Als Vater sich erhob, um in den Hof zu gehen, erhoben auch wir uns. Er war derjenige, der das Essen immer für beendet erklärte. Manchmal konnte er sich so sehr mit Legolas festquatschen, dass wir alle noch Stunden dasaßen. Aber heute hatte ich Geburtstag und er nahm Rücksicht. „Ich lass dir ein Bad ein, Legolas.“ sagte Sylvy und ging nach oben. Mutter räumte den Tisch ab und Vater und Legolas redeten doch noch. Ich war damit beschäftigt, die letzten Krümel zu verputzen. Nach kurzer Zeit kam Sylvy wieder herunter. Sie war wieder ganz aufgeregt, weil ihr Mann nachher kommen würde und meinen Vater um Erlaubnis bitten würde, meine Schwester auszuführen. So lange sie noch nicht zusammenwohnten, bestand mein Vater noch immer darauf. Gelangweilt verfolgte ich das Gespräch und wartete auf das Ende. „Ich würde mich beeilen, dass Wasser wird sonst kalt.“ Versuchte ich es, und es klappte. Er stand auf. „Sei nicht so ungeduldig. Du kannst ihn noch den ganzen Tag für dich beanspruchen." Schimpfte meine Mutter. Doch Legolas lachte wieder. Das tat er immer wenn meine Mutter mit mir wegen ihm schimpfte. „Sie hat ja Recht.“ Gemeinsam gingen wir die Treppe herauf und zum Bad. Es störte ihn nicht, wenn ich mit ihm im Bad saß. Denn da konnte ich endlich meine Fragen an ihn stellen und niemand würde stören. Denn niemand anderes würde sich ins Bad trauen, wenn er in der Wanne lag. Das Bad war etwas neblig von dem heißen Wasser. Legolas prüfte das Wasser mit der Hand und ich setzte mich auf meinen Stuhl in der Ecke. „Es ist wie immer.“ Grinste ich. Er nickte und begann seinen Elbenumhang abzulegen. Ich saß still in der Ecke. Reden ging erst los, wenn er sich endlich ins Wasser begab. Ich wurde ungeduldig. Wollte doch wieder so viel wissen und er trödelte rum. Es folgte die Tunika und dieser ledernde Schutz an den Unterarmen. Ich hatte ihn noch nie gefragt, wie man diese Dinger nennt. Langsam wurde ich ungeduldig. Spielte aufgedreht mit meinen Fingernägeln. Seine Sachen legte er alle ordentlich auf einen weiteren Stuhl. Innerlich beschwor ich ihn, schneller zu machen. Gut, er war bei seinem letzten Oberteil angekommen. Etwas gelangweilt beobachtete ich ihn dabei, wie er es sich abstreifte. Doch aus irgendeinem Grund wurden meine Hände feucht, mein Hals trocken und mein Magen drehte sich so schnell wie noch nie. Mein Blick haftete an seinem Oberkörper, den ich schon tausendmahl gesehen hatte und jetzt tat ich als würde ich ihn das erste mal zu Gesicht bekommen. Ich musste schlucken, zwang mich wegzugucken, aber es ging nicht. Plötzlich kam mir in den Sinn, dass Legolas sich nicht wegbewegte. Er stand einfach nur so da. Erschrocken blickte ich ihm in die Augen. Er grinste. Ich versuchte es auch. „Kleine Elen, wann gedenkst du dich umzudrehen?“ Verdattert presste ich ein `Ja` heraus und bemerkte beim herumsetzen, dass meine Hände etwas zitterten. Zum Glück bekam ich mich schnell wieder in den Griff. Jetzt saß ich wieder ruhig da und versuchte angestrengt etwas zu hören. Nur irgendein Geräusch. Manchmal verfluchte ich diesen Elben für seine Lautlosigkeit. Wie oft hatte er mich schon erschrocken, wenn er plötzlich neben mir stand. Und immer erschrak ich mich wieder. Würde ich mich jemals daran gewöhnen können? Ich probierte es mit leisem atmen. Es musste doch was zu hören geben. Nur das leise rascheln der letzten Kleidungsstücke waren zu vernehmen. Aber auch das nur mit großer Anstrengung. Dann vernahm man wieder nichts. Er hätte hinter mir stehen können und ich würde nichts bemerken. Das Wasser bewegte sich. Gut, er stieg also endlich rein. Nur hörte ich wieder nur diese eine kleine Wasserbewegung und dann nichts. Wie konnte man sich nur so lautlos ins Wasser niederlassen? Ich hatte es auch einmal versucht und es endete mit einem lauten Klatsch und einer Überschwemmung. Ich hatte das Gefühl ich würde schon Stunden umgedreht auf diesem Stuhl sitzen und warten. Manchmal überlegte ich ernsthaft, ob er sich überhaupt noch im Raum befände. „Du kannst dich wieder umdrehen.“ Hörte ich ihn plötzlich und in der Stille, erschrak mich seine Stimme sogar etwas. Lächelnd setzte ich mich wieder richtig rum. Legolas hatte seinen Kopf nach hinten gelehnt und einen Arm seitlich auf dem Rand liegen. Seine Augen waren geschlossen und ein leichtes Lächeln umspielte seinen Mund. Seine Haare waren nass und klebten an seinen Schläfen. Vereinzelte Tropfen bahnten sich ihren Weg über sein Gesicht und fielen lautlos ins Wasser. „Heute gar keine quengeligen Fragen, kleine Elen? Vorhin wirktest du noch so aufgewühlt.“ Erst nach dem Satz öffnete er seine Augen und drehte seinen Kopf zu mir. Das leichte Lächeln wirkte etwas spöttisch. „Ich wollte dich nicht stören.“ Nahm ich als Ausrede, die aber leider sehr untypisch für mich war. Sein Gesichtsausdruck sagte mir, dass er wusste, dass es nicht ganz der Wahrheit entsprach. Er drehte seinen Kopf wieder und schloss die Augen. „Kennst du eigentlich den König? Ich mein, bist du ihm schon einmal auf deinen Reisen begegnet?“ Das war die erste Frage, die mir einfiel, die ich ihm stellen wollte und ich konnte deutlich ein Lächeln sehen. Nur undeutlich nickte er. „Ja, ich bin ihm schon einmal begegnet.“ Aufgeregt riss ich die Augen auf. „Wirklich? Wann, wie, wo? Ist er so nett wie man berichtet?“ Wieder dieses Lächeln. „Ja, er ist ein sehr ehrwürdiger Mann.“ Wieder ganz aufgeregt, rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her. „Ich würde auch mal gerne einen richtigen König begegnen.“ „Vielleicht passiert das ja mal in ferner Zeit.“ Legolas klang wieder etwas spöttisch. Doch das machte mir in diesem Moment nichts aus. Genau genommen klang er immer so, wenn ich mich sehr über etwas freute und ganz aufgeregt wirkte. „Der König hat auch schon einen Sohn, nicht wahr?“ Legolas nickte und ließ seinen Arm ins dampfende Wasser sinken.“ „Hast du den auch schon einmal gesehen?“ „Ja, auch ihm bin ich schon begegnet.“ Es fiel mir schwer auf meinem Stuhl in der Ecke sitzen zu bleiben, anstatt zu ihm zu rennen um ihn aufgeregt  zu schütteln, er solle doch mehr erzählen. Aber ich blieb artig, jedoch auch zappelnd sitzen. „Schade das der Sohn noch so jung ist. Würde er schon älter sein, würdest du ihn doch sicherlich mal mit hier zu uns bringen, nicht wahr? Damit er uns auch mal kennenlernt. Er will doch bestimmt auch viel von der Welt sehen. Außerdem hätten wir dann einen richtigen Prinzen hier bei uns zu Gast. Oh Gott, dass wär ja so aufregend. Stell die das mal vor. Er würde dann sicher unser bestes Zimmer bekommen und Mutter würde vorzüglich für ihn kochen. Legolas, würde das nicht aufregend sein?“ Legolas grinste nur vor sich hin und betrachtete mich nickend. „Ja, dass wäre bestimmt eine sehr schöne Erfahrung für dich.“ „Nein, für uns alle. Ich wäre bestimmt ganz aufgeregt. Du müsstest mir dann helfen was ich so zu ihm sagen müsste. Ich mein, dann muss ich mich ja auch ganz anders benehmen. Er darf auf keinen Fall wissen, was für ein Tollpatsch ich manchmal bin. Er soll von mir denken, ich sei eine richtige kleine Lady.“ „Aber das bist du doch, kleine Elen.“ Diese Worte trieben mir die Röte ins Gesicht, die ich vor Legolas natürlich nicht verbergen konnte. „Meinst du das wirklich?“ „Warum zweifelst du daran?“ Ich musste grinsen. Wieder kribbelte mein Bauch. Plötzlich klopfte es laut an der Tür. „Elen. Komm herunter und helfe deiner Mutter beim Essen!“ Ertönte die Stimme meines Vaters. Schnell sprang ich auf und hatte die Hand schon am Türknauf. „Ich muss Mutter beim Essen helfen.“ Legolas lag wieder mit geschlossenen Augen in der Wanne und murmelte nur ein unverständliches `Gut`. Doch als ich unten ankam, war meine Mutter gar nicht in der Küche anzutreffen, wie ich es erwartete. Nur Sylvy saß strickend auf einem Stuhl und summte für ihr Kind ein Lied. Ich atmete genervt aus. Das war wieder typisch für meinen Vater. Er sah es nicht gerne, wenn ich auch im Bad saß, wenn sich Legolas badete. Mit jedem Jahr, das ich älter wurde, knurrte er mehr. Ich hielt seine Besorgnis für überflüssig. Sylvy blickte lächlend auf. „Was ist mit deinem Mann?“ fragte ich neugierig, da ich sie nicht mehr hier erwartete. „Er musste mit auf die Jagd.“ Desinteressiert nickte ich und ging zum Kamin. Meine Gedanken schweiften schon wieder ab. Ich bemerkte daher auch Sylvy gar nicht, die sich schon etwas mühsam, in einem Sessel niederließ. „Wo bist du mit deinen Gedanken, Elen?“ Ich musste Lächeln. „Ich habe mit Legolas grade über den König und den kleinen Prinzen geredet.“ „Aha.“ Sylvy nahm sich wieder die Stricknadeln zur Hand. „Und ich meinte zu ihm, wie aufregend es doch wäre, wenn auch wir hier einen Prinzen zu Gast hätten. Und das ich mich dann ja auch sehr gut benehmen müsste. Aber das würde mir ja nichts ausmachen. Schließlich wäre es ein richtiger Prinz. Und außerdem...“ Ich sprach nicht weiter. Sylvy hatte ihre Stricknadeln auf dem Schoß liegen und lachte aus vollster Kehle. Verdutzt sah ich sie an. „Was hast du denn?“ Sie lachte weiter, und immer wenn sie mich ansah und meinen Gesichtsausdruck wahrnahm, lachte sie von neuem los. Langsam kränkte mich ihr Lachanfall. „Du dummes Mädchen.“ Hickste sie, doch ich war gekränkt. Ich war nicht dumm. Sylvy atmete laut aus und sah mich immernoch stark grinsend an. „Das hast du ihm wirklich gesagt?“ Ich nickte schmollend. Sie schüttelte den Kopf. „Und er hat nichts dazu gesagt?“ Diesmal schüttelte auch ich den Kopf. „Hach Elen. Ich dachte du wüsstest das schon längst.“ Langsam wurde mir mulmig. Was meinte sie? „Legolas ist doch ein Prinz. Er ist der Prinz Düsterwalds und der Sohn Thranduils. Wir haben also schon viele Jahre lang einen richtigen Prinzen im Haus und dem guckst du sogar beim baden zu.“ Ein kalter Schauer jagte mir über den Rücken. Wieder wurde mein Mund trocken und mein Magen krampfte sich bei diesen Worten zusammen. Doch diesmal war es nicht angenehm, es tat weh. Meine Worte hallten in meinem Kopf wieder. Legolas grinsen bei diesen Worten, schwebte vor meinem inneren Auge. Die Worte schienen sich inneinander zu vermischen, die Bilder wirkten verzerrt. Wie dumm konnte ich sein?! Legolas ein Prinz? Und ich hatte es nie gewusst? Aber er hatte es mir doch auch nie erzählt. Und auch sonst niemand. Alle anderen wussten es, nur mich ließ man im Unwissen. Und hatte ich wirklich diesen ganzen Stuss vorhin im Bad erzählt? Legolas hatte es einfach so hingenommen und mich weiter schwafeln lassen. Ich wünschte mir plötzlich die Zeit zurückdrehen zu können, jedoch jetzt die Wahrheit schon zu wissen. Mit einem Mal kam es mir vor, als würde ich Legolas gar nicht kennen. Als würde er ein fremder Elb sein, den ich das erste Mal zu Gesicht bekam. Ich glaubte ich wüsste gar nichts mehr von ihm. Würde ihn kein bisschen richtig kennen. Wie auch? So ganz plötzlich stellte sich heraus, dass er kein normaler Elb sei, sondern ein Prinz!

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-3-

Plötzlich hörte ich die Stufen. Legolas würde herunter kommen. Mein Herz raste schneller. Sylvy war schon wieder mit stricken beschäftigt. Sie war arbeiete immer noch an diesem komischen Strampler. Ich rechnete mit jedem Augenblick, Legolas würde jetzt im Eingang stehen und mich dann auslachen. Ich hörte seine Schritte. Er war da. Vorsichtig blickte ich hoch. Nicht Legolas stand in der Türschwelle, sondern mein Vater. Erleichterung durchströmte meinen Körper. Erst im nächsten Moment erinnerte ich mich, dass ich Legolas ja gar nicht hätte hören können. Er sagte irgendwas zu Sylvy, die daraufhin lachte. Ich blieb am warmen Kamin sitzen. Noch wusste niemand um meine Pein. Doch es würde nicht mehr lange dauern. Und würde ich Legolas jetzt je wieder richtig in die Augen schauen können, ohne dabei im Erdloch verschwinden zu wollen? In der Küche machte meine Mutter Essen. Mir war klar, dass ich eigentlich hätte helfen sollen, aber in meiner jetzigen Situation konnte ich ihr nicht in die Auge schauen. Sie würde sofort fragen was los sei. Wahrscheinlich würde mein Vater dann gleich kommen und es mit dem Bad in Verbindung bringen. Nein, ich würde mich schon wieder fangen. Sylvy blickte mich wieder grinsend an. „Nun nimms doch nicht so schwer. Jetzt weisst du es. Er wird dir schon nicht böse sein.“ Ich nickte und versuchte zu lächeln. „Na siehst du. Schon besser.“ Zufrieden strickte sie weiter. Doch ich starrte ins Feuer und wünschte mich jetzt ganz weit weg. Ganz in meinen Gedanken vertieft, bemerkte ich Legolas nicht. Ich hätte ihn wohl auch im anderen Zustand nicht bemerkt. „Kleine Elen. Hast du keinen Hunger?“ Ich blickte auf und schnell wieder weg, als ich sah, dass er vor mir stand. „Doch.“ „Dann komme zum Essen.“ Ich sah, wie er ging. Erst kurze Zeit danach, raffte ich mich auf und ging in die Küche. Nahm meinen gewohnten Platz neben meiner Mutter ein. Sie füllte mir das frische Fleisch auf. Ich verspürte keinen Hunger. Legolas saß mir schräg gegenüber. Ich versuchte angestrengt, seinem Blick auszuweichen. „Alles in Ordnung, Elen? Du bist so still. Wirst du krank?“ Schnell schüttelte ich den Kopf. Ich wollte keine Aufmerksamkeit erregen. „Elen, reich mir die Soße.“ Ich folgte meines Vaters Bitte, doch hielt sie nicht richtig fest. Wie in Zeitlupe ergoss sich die kostbare Soße über den Tisch. Mein Vater sprang verärgert auf und meine Mutter versuchte das beste noch zu retten. „Es tut mir Leid.“ Flüsterte ich und wich nun auch dem verärgerten Blick meines Vaters aus. Zum Glück war nicht alles verschüttet worden. Mein Vater nahm sich den Rest. Nicht lange danach, passierte mir das nächste Missgeschick. Grade, als ich mir noch einmal ein Fleischstückchen nehmen wollte, fiel es mir herunter und ehe ich mich danach bücken konnte, schnappte schon der Hund danach. „Elen. Du ungeschicktes Kind. Essen ist kostbar. Damit geht man nicht leichtfertig um.“ Schimpfte meine Mutter und auch mein Vater ließ ein hörbares schnaufen von sich. Einmal kurz riskierte ich einen Blick zu Legolas. Ich konnte seinen Blick nicht deuten, also schaute ich schnell wieder weg. „Dafür wirst du mir in der Küche helfen. Und du wirst Holz hereinholen.“ Ich nickte und wartete stumm, bis mein Vater das Essen für beendet erklärte. Als mein Vater Legolas wieder zu einem Gespräch einlud, war ich das erste mal froh darüber. Sylvy legte sich hin um sich auszuruhen. Es würde bei ihr nicht mehr lange dauern. Die Arbeit erledigte ich stumm und wich den Fragen meiner Mutter aus. Irgendwann stimmte ich ihr zu, dass es mir nicht sehr gut ginge. Doch mit den Gedanken war ich wieder bei Legolas und das ich jetzt etwas ganz neues von ihm wusste, was mir Angst einjagte. Nachdem ich das Holz geholt hatte, kam ich zu dem Entschluss, dass ich mich weiterhin verhalten würde, wie ich es immer tat. Schließlich wusste er noch nicht, dass ich es jetzt wusste. Legolas kam in die Küche, wo ich mit angezogenen Knien auf dem Stuhl saß. Er sagte nichts. Ich sah ihn nur aus den Augenwinkeln. Ich musste irgendwas sagen. Mutig blickte ich auf und sagte das erste was mir einfiel: „Zeigst du mir, wie man Bogen schießt?“

Draußen herrschte tiefste Dunkelheit. Im ersten Moment konnte ich kaum etwas erkennen. Nur den Teil, der noch vom Licht des Hauses beschienen wurde. „Na, los. Wir gehen dort rüber.“ Ich folgte Legolas so leise wie möglich. Doch hörte ich mich im Gegensatz zu ihm, sicher an wie ein Lastenpferd. Als er zu mir runter sah, versuchte ich zu lächeln und tat, als würde ich gespannt darauf warten, wie er seinen Bogen spannen würde. Was er dann auch tat. „Was meinst du soll ich treffen, kleine Elen?“ fragte er und schaute sich interessiert in der Dunkelheit um. Auch ich ließ meinen Blick schweifen. „Den Baumstumpf dort drüben.“ Ich zeigte mit dem Finger in die Nähe unseres Tores. Für einen Moment wirkte Legolas erstaunt und sah mich an. „Du kannst den Baumstumpf dort sehen?“ Gleichgültig nickte ich. Er sollte wieder wegsehen. Im nächsten Moment hörte man nur leise ein zipp und der Pfeil steckte im Baumstumpf. Ich lief hin und meinte, ich müsste mich vergewissern, obwohl ich auch von hier aus sehen konnte, dass er perfekt getroffen hatte. Legolas kam mir ruhig hinterher. Wieder mal hatte ich ihn nicht gehört und als ich mich umdrehte, erschrak ich mich kurz. „Getroffen.“ Lachte ich gequält, weil Legolas mich so in der Dunkelheit anstarrte und keine Regung in seinem Gesicht zeigte. Ich wollte grade meinen Mund aufmachen, da nahm er mich beim Arm und zog mich leicht mit zu sich runter, so dass wir jetzt nebeneinander im feuchten Gras saßen. „Was bedrückt dich?“ er hörte sich so liebevoll an. „Nichts.“ Erwiderte ich schnell. Aber ich wusste, es würde nichts bringen, da dieser Elb einfach ein zu gutes Gespür für Stimmungen hat. „Hat es etwas mit dem Gespräch von vorhin zu tun?“ Ich nickte und zuckte gleichzeitig die Schultern. Legolas lächelte leicht. Es war Halbmond und der Schein des Lichtes ließ sein Haar silbern erscheinen. „Dann hat es etwas damit zu tun, was Sylvy dir danach erzählte?!“ Erstaunt schaute ich ihn jetzt an. Natürlich, bitte was hört dieser Elb nicht? Doch tapfer nickte ich. „Und das hat dir einen so großen Schrecken eingejagt, dass du jetzt nicht mehr mit mir sprechen möchtest?“ Schnell schüttelte ich den Kopf. Ein großer Kloß machte sich in meinem Hals breit. Stille. Er sagte nichts mehr und auch ich konte noch nichts sagen. Doch als die Stille sich ins unendliche hinzuziehen schien, schaute ich wieder auf und bemerkte, dass Legolas mich immer noch beobachtete. Wie so oft hatte ich grade das Gefühl, er würde genau wissen, was ich dachte und wie ich mich fühlte. „Naja, vielleicht ein bisschen. Ich mein, ich wusste doch gar nicht, dass... . Naja es hat mir doch nie jemand etwas erzählt. Und du ja auch nicht und dann erzähl ich da so ein Mist und du hast...“ Irgendwie kam ich nur ins stocken. „Elen, sieh mich an.“ Tapfer tat ich es. „Bin ich denn plötzlich jemand ganz anderes für dich, als ich es noch heute früh für dich war?“ Ich zuckte die Schultern. „Du bist doch plötzlich jemand ganz anderes als ich es immer dachte und das macht mir irgendwie Angst. Ich mein, ich habe das Gefühl als würde ich plötzlich gar nichts mehr von dir wissen, als wärst du jemand fremdes.“ „Warum?“ Warum? Ja, warum? „Na, weil du halt ein, ein, na ein Prinz bist und, und...“ „Und nur darum weisst du jetzt plötzlich gar nichts mehr von mir?“ „Doch, aber es ist irgendwie was anderes.“ „Nein, kleine Elen. Ich bin immer noch der gleiche für dich, der ich schon all die Jahre für dich bin. Und nur weil du jetzt plötzlich weisst, das ich einen König als Vater habe, habe ich mich doch noch lange nicht verändert. Und ich möchte auch nicht, dass du mich jetzt mit anderen Augen siehst. Ich bin immer noch die gleiche Person, halt nur mit einem für dich neuen Familienstand.“ Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er mich an und das blau seiner Augen schien so intensiv wie noch nie zuvor. Ich nickte entschlossen und umarmte ihn. Mir war, als würde eine Tonnenschwere Last von mir fallen. Ich ließ mich zurück auf meine Knie sinken und saß so vor Legolas, der mich lächelnd ansah. „Und jetzt bist du an der Reihe, mit dem Bogen etwas zu treffen.“ Er beugte sich vor, legte seine Hand unter mein Kinn und hauchte mir einen leichten Kuss auf die Stirn. Die Geste war mir nicht unbekannt und doch hatte ich das Gefühl, als würde mein Bauch wieder auf Schmetterlingsjagd gewesen sein. Etwas verwirrt erhob ich mich und kam neben Legolas zum stehen. „Nehme den Bogen genau so, wie ich es dir eben gezeigt habe!“ Er hat mir eben etwas gezeigt? Doch meine Unwissenheit wollte ich mir nicht anmerken lassen und so rief ich mir ein Bild von ihm ins Gedächtnis, wie er den Bogen immer hielt. Ich schien es ganz gut zu machen, denn Legolas lobte mich und spannte vorsichtig den Pfeil richtig ein und legte meine Finger richtig, damit ich ihn auch halten konnte. Ganz vorsichtig machte er einen Schritt zurück und ließ mich mit dem großen Bogen und den eingespannten Pfeil zwischen meinen Finger, stehen. „Gut, jetzt ziel mal..., in den Baum dort.“ Ich drehte mich in die wohl gemeinte Richtung, da ich Legolas nicht gesehen hatte und so nur raten konnte. Doch ich drehte mich zu sehr und sah nur noch, wie Legolas erschrocken zur Seite wich und mein Pfeil dann genau an der Stelle vorbeisauste, wo er grade noch stand. „Tut mir Leid.“ Sagte ich schnell. „Schon in Ordnung.“ Doch ich hörte an seiner Stimme, dass er sich wirklich erschrocken hatte und das sollte schon was heißen. Nach mehreren Anläufen, schaffte ich es dann wirklich, den Baum zu treffen. Und bei diesem Erfolg beließen wir es auch. „Gut. Gar nicht mal schlecht fürs erste mal.“ Legolas ließ sich ins Gras sinken und auch ich ließ mich nieder. „Müsstest du nicht schon längst im Bett sein?“ Schuldbewusst zog ich den Kopf zwischen die Schulter. „Ja, aber Mutter wird es schon nicht bemerken. Außerdem bin ich ja nicht mehr so klein. Sag mal, wie alt bist du eigentlich?“ „2931 Jahre.“ Ich verschluckte mich an meiner eigenen Spucke. „Wie bitte?“ Legolas lachte über meine Reaktion. „Wie alt kannst du denn werden?“ „Wir Elben sind imun gegen Krankheiten jeglicher Art. Nur Feuer oder eine Waffe kann uns das Leben nehmen.“ Mit offenem Mund starrte ich ihn an. „Warum weiss ich davon nichts?“ „Du hast nie danach gefragt.“ Gut, die Antwort musste ich hinnehmen. „ELEN!“ Meine Mutter stampfte wütend über den Rasen. „Das ist ja wohl die Höhe. Ich dachte dich schon lange im Bett. Und was macht dieses ungezogene Ding? Sitzt noch draußen. Sofort rein mit dir!“ So schnell es ging erhob ich mich und flüsterte noch ein `Gute Nacht` zu Legolas. Dann machte ich, dass ich ins Haus kam.

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-4-

Mein vierzehnter Geburtstag. Ja, der war etwas besonderes für mich gewesen. Lächelnd legte ich den Pfeil zu den anderen Dingen, den ich die ganze Zeit in der Hand gedreht hatte. Ich hatte mir diesen Pfeil von Legolas geklaut, als er sich am nächsten morgen verabschiedet hatte. Auch blieb mir der Geburtstag dadurch noch in Erinnerung, dass Sylvy mir da das erste mal gesagt hatte, ich würde etwas für Legolas empfinden, als ich ihr meine Gefühle beschrieb. Damals hatte ich es noch mit Händen und Füßen abgestritten. Ja, damals...

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Legolas war vor genau zwei Tagen wieder davongeritten und schon jetzt vermisste ich ihn wieder. „Elen!“ Meines Vaters Stimme drang von unten hinauf in mein Zimmer. Doch ich wollte jetzt nicht. Ich brauchte eine Pause. Meiner Mutter ging es zur Zeit nicht grade serh gut und daher wurden mir einige Aufgaben mehr zugeteilt. „Elen!“ Die Stimme kam näher und im nächsten Moment ging die Tür auf. „Elen. Warum hörst du nicht, wenn ich dich rufe?“ Seine Stimme klang lieb, nicht erbost, wie ich dachte. Auch er war durch die Krankheit meiner Mutter sehr geschafft und dies setzte ihm sehr zu. „Entschuldige. Ich habe dich nicht gehört.“ Er wusste, es war eine Lüge, doch er lächelte und streckte mir seine Hand entgegen. „Komm mit runter, Kind. Ich möchte dir jemandem vorstellen.“ Erstaunt ging ich ihm voran die Treppe herunter. In der Tür stand ein Junge aus dem Ort. Ich hatte ihn schon des öfteren auf dem Markt gesehen. Er war nur ein paar Jahre älter als ich und war der Sohn eines Jägers. Etwas schüchtern, aber breit lächelnd, stand er jetzt vor mir. „Hallo Elen. Wie schön euch einmal in diesem Haus und zu diesem Ereignis gegenüber zu stehen. Ich fühle mich sehr geehrt.“ Was redete dieser Kerl da eigentlich? Von welchem Ereignis sprach er Und warum fühlte er sich geehrt mir gegenüber zu stehen? Verwirrt sah ich meinen Vater an, der aber nur über beide Ohren grinste. Etwas seltenes, was ich durch meine, jetzt gerne unangebrachte Art, nicht zerstören wollte. Vater führte uns drei ins große Zimmer und wir nahmen Platz. Die meisste Zeit redete er mit Tim, so sein Name, und ich saß nur dabei und war den Blicken dieses Jungen ausgliefert. Die Zeit schien nicht zu vergehen, als Vater sich endlich wieder erhob und wir gemeinsam den Jungen verabschiedeten. Worum es bei diesem Besuch eigentlich ging, wusste ich immer noch nicht. „Wie ist dein erster Eindruck von ihm?“ Gleichgültig zuckte ich die Schultern. „Er scheint ganz nett zu sein.“ „Kannst du dir vorstellen, seine zukünftige Gemahlin zu werden?“ Wie vor den Kopf gestoßen, sah ich zu meinem Vater hinauf. „Nein!“ kam es prompt aus meinem Mund und das Lächeln meines Vaters verwandelte sich in ein eisiges Grinsen. „Meine Tochter. Du hast jetzt dein siebzehntes Lebensjahr überschritten und es wird Zeit dich zu vermählen, damit du eine eigene Familie gründen kannst und deinem Gemahl Kinder schenken kannst. So wie auch deine Schwester und deine Mutter es getan haben. Und auch ich. Und du, meine Tochter Elen, wirst auch vermählt werden. Und ich als dein Vater habe das Recht, dir deinen Zukünftigen auszuwählen.“ Seine Stimme wurde mit jedem Wort lauter und jedes Wort traf mich härter. Meine Farbe verschwand aus meinem Gesicht und das erste mal wurde ich mit dieser Art von Zukunft konfrontiert. Mein Vater verschwand aus dem Zimmer. Ich taumelte nach oben ins Zimmer. Sollte das wirklich wahr sein? Konnte ich wirklich nichts gegen eine unfreiwillige Vermählung tun? Musste ich wirklich einen Jungen aus dem kleinen Ort “Bree“ heiraten? Ihm Kinder schenken und für Haus und Hof sorgen? Ich spürte eine Träne, die sich in ihren Weg an meiner Wange entlangbahnte. Ich wollte diese Form von Zukunft nicht. Ich wollte nicht mein ganzen Leben lang in Bree leben und ich wollte keinen Mann heiraten, den ich nicht liebte. Denn ich liebte nur einen einzigen Mann und der war jetzt nicht hier.

„Elen! Komm herunter. Deine Mutter ruft nach dir.“ Mein Vater schloss die Tür und ich folgte ihm wenig später. Meine Mutter lag im hinteren Zimmer. Ihr ständiges Husten erfüllte das ganze Haus. Vorsichtig öffnete ich die Tür. „Mutter. Was kann ich dir bringen?“ Sie wendete ihr eingefallenes Gesicht mir zu und versuchte zu Lächeln. Es endete wieder in einem schmerzhaften Hustenanfall. „Lese mir doch etwas vor, meine Tochter. Es erfüllt mich immer mit Freude dich in meiner Nähe zu haben und dir zuzuhören.“ Seit ihrer Krankheit, verband mich mit meiner Mutter weit mehr, als früher. Nur ihretwegen hielt ich der Versuchung stand, einfach davonzulaufen. Und wenn ich von hier weggehen würde, hatte ich mir schon seit meiner Kindheit geschworen, nur mit Legolas zu gehen. „Ja Mutter. Das mache ich sehr gerne.“ Ich nahm mir das Buch und begann zu lesen. Es dauerte nicht lange und meine Mutter hörte mich nicht mehr. Sie schlief. So leise wie ich es konnte, verließ ich den Raum und traf prompt auf meinem Vater. „Ich gehe raus und versorge die Pferde. Wenn ich wieder komme, hast du das Essen vorbereitet.“ Es war ein Ton, der keine Widerrede duldete. Frustriert machte ich als erstes meiner Mutter Suppe und dann meinem Vater und mir die Mahlzeit. Den ganzen Abend lang, redete ich kein Wort mehr mit ihm. Nachdem ich ins Zimmer durfte, stand ich traurig vor dem Spiegel. Mein Vater würde nicht aufhören, zu versuchen, mich zu vermählen. Gab es denn nicht eine Möglichkeit, eine Vermählung wenigstens hinauszuzögern? Vielleicht brauchte ich nur Zeit. Zeit, um zu überlegen, was die beste Möglichkeit wäre, hier weg zu kommen und doch noch meine Mutter zu umsorgen. Schnell lief ich ins alte Zimmer von Sylvy und öffnete den großen Schrank, der noch immer in der Ecke stand. In ihm hingen ihre Umstandskleider, die ich mir alle heimlich nahm. Danach schlich ich mich zurück in mein Zimmer und wechselte meine Kleidung. Da ich meine langen dunklen Haare nicht zu einem Zopf knoten konnte, nahm ich nur das Deckhaar und knotete dieses zusammen. Zufrieden betrachtete ich mein `neues` Ich.

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-5-

Dies war das erste Jahr gewesen, wo Legolas nicht erschienen war. Ich hatte jeden Tag auf ihn gewartet, doch er kam nicht mehr. War ihm etwas zugestoßen? Die Sorge um ihn,  ließ mich nicht mehr los. Außerdem ging es meiner Mutter von Zeit zu Zeit schlechter. Mein Vater hörte nicht auf, Jungen aus dem Dorf ins Haus zu schleppen. Doch ich war so unhöflich wie ich es konnte und zog mich so verdreckt an, wie ich es selbst aushielt. Irgendwann fand sich einfach niemand mehr aus dem Dorf, der mich zu seiner Gemahlin machen wollte. Meine Art sprach sich sehr schnell herum und das schadete auch dem Ruf meines Vaters. Was widerum den Pferdehandel erschwerte. Dadurch verschlechterte sich die Beziehung meines Vaters immer mehr. Sylvy erwartete grade ihr drittes Kind. Sie war die einzige Person, die mich verstand. Doch sie hatte Pflichten, die sie im Gegensatz zu mir, sehr gerne ausführte.

Mit Tränenverhüllten Augen, stand ich an dem kleinen Schrank mit Legolas’ Geschenken und wischte mir zum abertausendstenmal, die Tränen weg, die einfach nicht versiegen wollten. Draußen strahlte der Himmel in seinem herrlichsten blau und die Sonne erweckte Bree zu neuem Leben, doch in mir drin sah es aus, als hätte grade der schlimmste Sturm überhaupt gewütet. Warum? Warum sie? Vater kam zur Tür herein und nahm mich in den Arm. Auch er weinte. Es war schon eine Ewigkeit her, seit er mich so in den Armen gehalten hatte. Dann ging er wieder und ließ mich mit meiner Trauer allein. In ein paar Stunden würden sich die Leute aus dem Dorf zusammentreffen und Mutter zu Grabe tragen. Doch ich wollte nicht. Ich konnte nicht. Die letzten Worte von ihr, umgaben mich noch immer wie ein Duft, der sich wie eine Wolke um einen legte. Wieder blickte ich durchs Fenster. Legolas war jetzt schon zwei Jahre nicht mehr bei uns gewesen. Ich hoffte ihn dieses Jahr wieder zu sehen. Hoffte er würde mich nicht noch ein Jahr alleine lassen. Ich brauchte ihn jetzt. Und der Wunsch, von hier fort zu kommen, verfestigte sich mit jedem Moment mehr. Und ich wollte mit ihm gehen. Besonders nachdem ich endlich die Gewissheit hatte, die mir meine Mutter anvertraut hatte. Doch die ersten Monate vergingen, ohne das Legolas bei mir war.

Legolas ritt im Schritt durch den kleinen Ort Bree. Das Wetter meinte es gut mit ihm. Erst jetzt, da er seit langer Zeit wieder hier durch ritt, bemerkte er, wie sehr ihm dieser Ort gefehlt hatte. Er hoffte, Elen würde nicht wütend auf ihn sein, da er erst jetzt wieder zu ihnen kam. Doch je näher er dem Hof kam, desto mehr spürte er, dass etwas nicht stimmte. Was, konnte er nicht sagen, doch irgendwas war anders. Und als er durchs Tor kam, und niemand ihn begrüßte, da wusste er, dass ihn sein Gefühl nicht getäuscht hatte.

Das kalte Wasser rieselte durch meine geöffneten Hände. Es nahm den Schmutz mit sich und kühlte meine Haut. Plötzlich hörte ich unten im Haus Stimmen. Wollte mein Vater nicht im Stall bleiben? Schnell trocknete ich mir die Hände und lauschte wieder den Stimmen. Mein Herz pochte schneller und hektisch legte ich das Handtuch beiseite. Ich lief zum Fenster und schaute nach einem Schimmel, doch der war nicht zu sehen. Er könnte schon im Stall sein, sicher. Oder betrügte mich jetzt schon mein Gehör? Ich lauschte wieder, die Stimmen waren noch da. Sie wurden lauter, genau wie auch mein Herzschlag. Und plötzlich Stille. So sehr ich mich auch anstrengte, ich hörte nichts mehr. Nur meinen eigenen, vor Aufregung, schneller werdenen Atem. Hatte ich es mir doch nur eingebildet? Abwartend setzte ich mich auf mein Bett und schloss die Augen. Fuhr mir mit meinem Händen übers Gesicht. Doch im nächsten Moment spürte ich plötzlich, dass ich nicht mehr allein war. Ja, das erste mal, konnte ich es spüren. Ich öffnete meine Augen und sah hinauf zu Legolas, der leicht lächelnd vor mir stand. Ein warmes Gefühl durchströmte meinen Körper. Ich hatte mich also nicht verhört. Und er hatte mich nicht vergessen, ihm war nichts zugestoßen, die Sorgen waren umsonst. Glücklich lächelte ich und stand auf, um ihm zu umarmen. Um mich zu vergewissern, dass er wirklich hier bei mir war und mich wirklich anlächelte. Das Lächeln, was ich so vermisste. „Es tut mir Leid, dass ich nicht früher zu euch kommen konnte.“ Flüsterte er in mein Ohr, denn ich ließ ihn noch immer nicht los. Lächelnd schüttelte ich nur den Kopf. Trat einen kleinen Schritt zurück. „Du bist ja hier.“ Sagte ich leise und versuchte ihn nicht die ganze Zeit anzusehen. Trotz meiner Trauer, spürte ich doch wieder das angenehme Gefühl, wenn er in meiner Nähe war. „Aber ich war weg, wo ich doch grade hier sein sollte und das tut mir Leid.“ Mein Vater hatte ihm also schon alles erzählt. Schweigend ließ ich mich wieder aufs Bett sinken, Legolas neben mir. „Es war nicht leicht.“ Stimmte ich ihm leise zu. Vorsichtig nahm Legolas meine Hand in seine. Sie war so warm. „Dein Vater ist sehr traurig, dass du dich nicht vermählen möchtest.“ Diese Worte gaben mir einen leichten Stich. Ich starrte nach vorne in mein Zimmer. „Was wäre so schlimm daran, einen Mann aus dem Ort zu ehelichen?“ Geschockt über diese Worte aus seinem Munde, sah ich ihn an. Zog meine Hand aus seiner. „Was?“ Meine Stimme hörte sich krächzend an. Erbost stand ich vom Bett auf und gewann einigen Abstand zu ihm. „Was sagst du da? Ich könnte das nie tun. Ich könnte niemals einen Mann heiraten den ich nicht liebe. Könnte diesem Mann nie wie eine Zuchtstute viele Kinder schenken. Könnte nie nur für Haus und Hof da sein und ihm sein Essen Abends auf den Tisch stellen. Und ich könnte nie mit der Gewissheit leben, in Bree geboren zu sein und hier auch wieder zu sterben.“ Schluchzend stand ich nun da und versuchte meine Tränen in den Griff zu bekommen. Legolas stand auf, kam zu mir. Ich sah auf den Boden und schüttelte leicht den Kopf. „Ich könnte das nicht.“ Seine warmen Hände legten sich um meinen Kopf, hoben ihn leicht zu sich. Jetzt war sein Ausdruck wieder liebevoll, ich hatte das Gefühl, er würde verstehen. Sein Daumen strich mir über meine Wange und seine Lippen hauchten über meine Stirn. Ich schmiegte mich an seinen Körper und weinte. Weinte vor Trauer um den Tod meiner Mutter. Und doch fühlte ich mich in diesem Moment auch geborgen und sicher.

Ich konnte irgendwann nicht mehr sagen, wie lange ich so bei ihm stand. Als meine Tränen versiegten, strich ich mir übers Haar und ging ein Stück zurück. Ich war Legolas dankbar, dass er so lange gewartet hatte, bis ich mich wieder gesammelt hatte. „Außerdem habe ich keinen Grund mehr, noch länger hierzubleiben.“ Flüsterte ich fast. Traute mich nicht, hoch zu gucken. Ich hatte es ausgesprochen. Als ich wieder hochsah, stand Legolas am Fenster und wartete meine nächsten Worte ab. Aber ich wusste, dass ihn mein eben gesagtes doch irritierte. „Meine Mutter hat mir kurz vor ihrem Tod etwas erzählt, was meine Zukunft in andere Bahnen lenken kann. Und ich möchte dafür sorgen, dass es auch so wird.“ Ich wusste ich sprach in Rätseln. Doch warum? Traute ich mich nicht, die Wahrheit zu sagen? Meine Stimme begann ein wenig zu zittern. Legolas sah mich immer noch ruhig an. Irgendwie traute ich mich nicht weiter zu sprechen. Hatte ich Angst vor seiner Reaktion? Aus den Augenwinkeln sah ich ihn auf mich zukommen. Mein Blick ruhte schon wieder auf dem Boden und dann spürte ich wieder seine Hand in meiner. Es war beruhigend. „Kleine Elen. Habe keine Angst mir das zu sagen, was dich bedrückt.“ Ich nickte kaum merklich. Ja, er hatte ja Recht. Ich sollte es ihm einfach sagen. Meine Beine trugen mich wieder zum Bett und ich nahm Platz. Traute mich nicht, meine Augen auf einen anderen Punkt zu richten, als auf den Boden. „Meine Mutter hat mir all die Jahre etwas verschwiegen.“ Begann ich langsam und hielt immer noch Legolas Hand. Ich wusste er sah mich an und wartete geduldig. „Der Mann, von dem ich immer dachte, er wäre mein Vater, ist in Wirklichkeit ein Mann, den ich gar nicht kennen könnte.“ Das einzige was ich hörte war mein Schlucken und mein Atem. „Was ich sagen will, ist, dass mein Vater gar nicht mein Vater ist. Er zog mich nur all die Jahre auf, als wäre er mein Vater. Wofür ich ihm natürlich auch dankbar bin. Nur hat mir meine Mutter auch gesagt, wer mein richtiger Vater ist.“ Wieder traute ich mich nicht weiterzusprechen. Mein Hals war ganz trocken. Kurz sah ich zu Legolas auf und dann doch wieder auf den Boden. „Er, er lebt im Düsterwald.“ Zögernd sah ich wieder auf. In seinem Gesicht war echte Verwunderung. Doch sagte er noch immer nichts. „Sie hat meinen Vater, also meinen richtigen Vater, kennengelernt, als sie mit meinem jetzt ja nicht mehr richtigen Vater, verheiratet war. Aus diesem `kennenlernen` entstand dann ich.“ Vor Aufregung kaute ich auf meiner Unterlippe. Legolas sah mich jetzt nicht mehr an, sondern starrte auch irgendeinen Punkt im Raum an. „Also ist dein Vater ein Elb?“ Noch etwas unschlüssig nickte ich. Ich konnte es ja selber kaum glauben. Dieser Gedanke kam mir so unwirklich vor. Er war einfach noch nicht real. „Ja.“ Legolas sah wieder zu mir und lächelte leicht. Wollte er mir Mut machen? „Sie sagte mir auch seinen Namen. `Elundrá`.“ Aus Legolas Reaktion, konnte ich ablesen, dass ihm der Name nicht unbekannt war.“ “Du kennst ihn?“ „Ja.“ Mehr sagte er nicht. Ich zwang mich zum weitersprechen. „Ich sagte dir vorhin, dass ich nicht hier bleiben möchte und ich nicht von meinem Vater zu einer Vermählung gezwungen werden will. Jetzt, wo ich weiß, dass mein Vater woanders lebt, hat mein Vater hier, nicht mehr das Recht, mich zu einer Vermählung zu zwingen.“ Ich atmete einmal tief durch. „Und darum möchte ich weg von hier.“ Legolas` Blicke schienen mich zu durchbohren, doch tapfer sprach ich weiter. „Ich, ich möchte mit dir kommen und meinen richtigen Vater kennenlernen.“ Legolas stand so schnell auf, dass ich mich schon fast erschrak. Natürlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass ihn meine Nachricht freute, doch hoffte ich auf Verständnis. „Das geht nicht.“

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-6-

Seine Stimme klang scharf. „Und warum nicht? Ich kann von hier weg. Mich hält hier nichts mehr.“ Redete ich gegenan. „Du verstehst nicht. Du kannst nicht einfach durch die Landschaft spazieren. Du kennst die Gefahren nicht und auch nicht die richtigen Wege. Und du kannst auch nicht so einfach zu den Elben in ihr Land spazieren und nach deinem Vater suchen wollen. Sie werden dich nicht lassen.“ Die ganze Zeit hatte er so eine Ruhe ausgestrahlt und mir dadurch wieder Mut gemacht, doch jetzt war er selbst erbost und ich war Schuld. Doch ich wusste was ich wollte. Und das war nicht, hier zu versauern. Und schon gar nicht, wo ich ja jetzt wusste, dass ich kein Gesetz mit meinem Verschwinden brechen würde. „Aber wegen all diesen Dingen will ich ja mit dir gehen. Legolas bitte!“ er schüttelte den Kopf. „Und warum nicht?“ Meine Furcht wuchs, dass alles, was ich mir gut durchdacht hatte, wie eine Seifenblase zerplatzen würde. „Ich kann dich nicht einfach mitnehmen. Stell dir das doch nicht so einfach vor.“ „Dann nenn mir Gründe warum es nicht geht!“ Doch ausser sein wütender und etwas hilfloser Gesichtsausdruck, der Bände sprach, ich sollte hier bleiben, sagte er nichts. Nein, nein ich wollte nicht hier bleiben, nur weil der Herr Elb mich nicht mitnhemen wollte. Trotzig setzte ich mich mit graden Rücken hin und sah ihn an. „Gut. Dann werde ich auch ohne dich gehen.“ Das hilflose wich aus seinem Gesicht und was blieb, war das wütende. „Elen! Du wirst nicht weit kommen. Du bist hier zu Hause und hier besser aufgehoben.“ Jetzt wurde auch ich wütend. „Du weist genau was hier auf mich wartet und das möchte ich nicht. Und mich hält hier auch nichts mehr. Mein ganzes Leben wollte ich schon mehr sehen als nur Bree. Und jetzt habe ich die Gelegenheit dazu. Und ich meine es Ernst, wenn ich sage, ich gehe auch ohne dich.“ Wieder diese unerträgliche Stille. „Aber es wäre mir lieber, wenn ich mit dir gehen könnte.“ Fügte ich noch leise hinzu. Legolas sah mich noch immer an. Er wusste genau, dass ich meine Worte sehr Ernst nahm. „Weiss dein Vater, dass du gehen willst?“ Ich musste den Kopf schütteln. „Aber er wird es noch früh genug erfahren. Und er wird es akzeptieren müssen.“ „Mein Weg führt als nächstes nach Bruchtal. Bis dahin werde ich dich mitnehmen. Weiter jedoch nicht. Wenn du dich damit einverstanden erklärst, können wir morgen schon aufbrechen.“ Mit einem breiten Lächeln sah ich zu ihm. Schon oft hatte er mir von Bruchtal erzählt. Und ich freute mich, es einmal mit eigenen Augen zu sehen. Das würde dann zwar erst die Hälfte der Strecke sein die ich gehen wollte, doch es war ein Anfang. Und ich würde mit Legolas gehen, was mir sehr wichtig war. Schnell stand ich auf und umarmte ihn dankbar. „Ich danke dir.“ Flüsterte ich und zum Zeichen, dass er mir nicht böse war, strich er mir leicht über den Kopf.

Er überlegte angestrengt, ob es richtig war, was er eben gesagt hatte. Jetzt musste er sie mitnehmen. Noch erschreckten ihn ihre Worte auch noch zu sehr. Sie war also eine Halb-Elbin. Das erklärte auch ihre guten Fähigkeiten im Sehen und Hören. Das kam den Elben natürlich noch nicht gleich, aber ihre Sinne waren besser ausgebildet als bei den Menschen. Was ihn schon des öfteren verwundern ließ. Er wusste auch, dass Elben sich erst in den Jahren richtig entwickelten und das war bei Halb-Elben nicht so anders. Er kannte ja mehrere, doch das Elen jetzt auch eine war, erschreckte ihn doch mehr, als er zugeben wollte. Doch Elen hatte keine Ahnung, worauf sie sich da einlassen wollte. Sie kannte nur das friedliche Örtchen Bree. Legolas musste sich bis Bruchtal etwas einfallen lassen, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Die Elben in Düsterwald sahen es nicht gerne, Fremde in ihr Land zu lassen.

Mit Tränen in den Augen stand ich meinem Vater gegenüber. Auch er weinte wieder. „Jetzt verlier ich auch noch dich, mein Kind.“ „Du verlierst mich nicht, Vater.“ Liebevoll streichelte er mein Gesicht und wischte mir die Tränen von den Wangen. „Nur schwer trennte ich mich von ihm und auch von Sylvy, die mit ihrem kleinen Sohn an der Hand neben uns stand. Während ich sie umarmte, ging Vater zu Legolas, um ihn zu verabschieden. „Wehe du bringst sie mir nicht heil zurück.“ Dass mein Vater das zu ihm sagte, hörte ich nicht, da ich zu laut schluchzte. „Pass auf dich auf kleine Schwester.“ Schniefte Sylvy. Doch mit einem Grinsen fügte sie noch hinzu: „Ab jetzt hast du ja die Chance mit ihm allein zu sein.“ Zum Glück flüsterte sie es mir ganz leise ins Ohr. Für diesen Kommentar knuffte ich sie einmal in die Seite, musste aber doch mit ihr grinsen. Sie wusste einfach in den unmöglichsten Situationen, mich zum lachen zum bringen. Unser Stallbursche Pete, holte die Pferde. Ich ritt mein eigenes Pferd. Santia. Aufgeregt scharrte sie auf dem Boden, da sie wusste, es würde gleich losgehen. Dankbar nahm ich Pete die Zügel ab und umarmte auch ihn zum Abschied. Um Santia zu beruhigen, tätschelte ich ihren schwarzen Hals. Als ich wieder in die Runde blickte, verabschiedete Legolas sich von Sylvy und nahm dann auch sein Pferd. Langsam wurde ich ungeduldig. Lange Abschiede lagen mir nicht und je länger es dauerte, desto schwerer fiel es mir, mich zu trennen. Um meine Eile zu verdeutlichen, stieg ich schon mal auf und ritt im Schritt zu der sich noch immer unterhaltenen Gruppe. „Auf ein baldiges Wiedersehen.“ Rief mein Vater uns traurig hinterher und ich winkte traurig zurück. Das mir der Abschied doch so schwer fallen würde, hätte ich nicht gedacht. Mein ganzes Leben träumte ich mich von diesem Ort fort und jetzt war es so weit und ich verspürte ein unangenehmes Gefühl dabei. Schweigend ritt ich neben Legolas und ließ meinen Blick durch Bree schweifen. Einige Leute winkten mir zu, andere drehten sich kopfschüttelnd weg. Viele Jungen, die bei meinem Vater wegen mir anfragten, drehten sich beleidigt weg. Sollten sie, mir machte es nichts aus. Fast taten sie mir schon Leid, da sie hier festsaßen und ich weg konnte. Bei diesem Gedanken wurde mir wieder besser zumute. Es war ein befreiender Gedanke. Es dauerte nicht lange und wir ritten durch das große Tor, was Nachts immer geschlossen und bewacht wurde. Jetzt würde ich die schützenden Mauern verlassen. Jetzt musste ich mich auf Legolas verlassen. Es würde nicht mehr lange dauern und wir würden uns auf ein Gebiet begeben, auf dem ich mich nicht mehr auskannte. Würden Boden betreten, den ich nur aus Erzählungen kannte und nur in meinen Gedanken Gestalt angenommen hatte. Ich fragte mich, ob die Gegend genauso aussah, wie ich es mir vorstellte. Besonders gespannt war ich auf Bruchtal. Lächelnd tätschelte ich Santias Hals und ließ meinen Blick zu Legolas schweifen. Sein Blick war auf den Weg vor uns gerichtet und um uns herum. Doch er bemerkte meinen Blick und wandt sich mir zu. „Immer noch so zuversichtlich?“ Er sprach es etwas zynisch, was mich bockig werden ließ. Er war also immer noch nicht mit meinem Mitkommen einverstanden. „Natürlich. Warum sollte mich etwas umgestimmt haben?“ Legolas blickte wieder nach vorne. Ich wollte nicht mit ihm in Unstimmigkeit reiten. Und ich wollte nicht das kleine bockige Mädchen spielen. „Welchen Weg reiten wir nach Bruchtal?“ „Welchen kennst du denn?“ Er sah nicht zu mir, als er das sagte. Wieso störte es ihn so? Wieso störte ich ihn so? „Ich weiss, dass wir auf der `Großen Oststraße` reiten. Doch wohin sie führt, weiss ich nicht.“ Ich versuchte angestrengt meinen Ton ruhig und zuversichtlich zu halten. Legolas sollte mich wieder anlächeln und mich nicht einfach ignorieren. „Du sagst das Richtige. Es folgt dann die `Die letzte Brücke` und `Die Trollhöhlen`. Danach ist Bruchtal nicht mehr weit.“ Bei dem Wort `Troll` musste ich zweimal schlucken. Trolle kannte ich nur aus Erzählungen und es wurde mir immer vor ihnen gewarnt. Doch ich traute mich nicht, Legolas zu fragen, ob wir auf Trolle stoßen könnten. Plötzlich bewegte Legolas sein Pferd in den Galopp und ließ mich zurück. Überrascht, weil Santia hinterher wollte, nahm ich die Zügel an. Doch Legolas hielt nicht an. Also ließ auch ich Santia laufen und holte ihn schnell ein, weil er wohl absichtlich nicht schnell ritt. Gekränkt ritt ich neben ihn und begann, mich mehr für die Landschaft zu interessieren. Es würde nicht mehr lange dauern und das unbekannte Gebiet würde für mich beginnen.

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-7-

Meine Beine taten mir weh und Kälte umschlich mich. Mein Magen knurrte und meine Augen schmerzten. Die Sonne verschwand langsam hinter dem Horizont und begann die Schatten aus ihren Verstecken zu locken. Als Kind hatte ich oft Angst vor ihnen. „Wir bleiben die Nacht über hier.“ Legolas stieg vom Pferd und stellte es unter einem Baum. Ich tat es ihm gleich. „Du hast dir deine Pause verdient.“ Lachte ich zu Santia, der schon im stehen, die Augen zufielen. So lange Strecken war sie nicht gewohnt. Aus den Augenwinkeln, sah ich Legolas im anliegenden Wald verschwinden. Ohne etwas zu sagen, verschwand er in der Dunkelheit der Bäume. Warum ging er ohne etwas zu sagen? Den gesamten Ritt über hatte er nur das nötigste mit mir gesprochen und es tat mir weh. Um die Zeit zu nutzen, packte ich die Schlafsachen von Santia und holte etwas zu essen. „Du hast die Zeit gut genutzt.“ Legolas stand neben mir und lächelte mich leicht an. Das erste mal seit dem Ritt. Dachte er etwa, ich wäre ihm eine Last und würde ihn nur aufhalten? Auf seine Bemerkung hin nickte ich und sah mich um. Er hatte Holz geholt und ich versuchte mich im Feuer machen. Es klappte zu meiner Freude und auch im Essen machen, machte ich mich ganz gut. „Stört es dich das ich mit dir reite?“ Sprach ich endlich meine Befürchtung aus. Legolas sah mich an und lächelte kurz. „Nein. Nur fürchte ich, dass dich etwas anderes erwartet, als du es dir wünschst.“ Seine Stimme wirkte zärtlich, sein Lächeln bereitete mir Gänsehaut. Doch ich versuchte es zu unterdrücken und nahm mir etwas zu Essen. „Ich erwarte ja gar nichts bestimmtes.“ Schmatzte ich mit offenem Mund, was Legolas zum lächeln brachte. „Elen, du hast Manieren. Wenn wir in Bruchtal sind, musst du dich anständig benehmen.“ „Aber das tu ich doch.“ Protestierte ich schnell, doch Legolas schüttelte nur den Kopf. Eingeschnappt aß ich weiter. „Wie lange reiten wir denn noch?“ Ich hoffte nicht allzulange, denn mein Körper schmerzte mir immer noch überall. „Wir werden noch ein paar Tage reiten, wenn wir schnell sind und nichts dazwischen kommt.“ Neugierig sah ich auf. „Was könnte denn dazwischen kommen?“ Wieder lachte Legolas und ich hatte das ungute Gefühl er würde mich auslachen. Also beließ ich es mit meinen Fragen und aß lieber schweigend.

Sie war genauso unwissend wie er es erwartet hatte. Doch jetzt wirkte sie gekränkt und das hatte er nicht beabsichtigt. Um sie aufzuheitern, erzählte er ihr wieder von Bruchtal. Wie eigentlich jedesmal wenn sie sich sahen. Sie war eine gute Zuhörerin und sie hing auch jetzt wieder gespannt an seinen Lippen. Legolas hoffte, seine vorgenommene Zeit einhalten zu können. Und er hoffte, Elen würde den Ritt durchhalten. Schon jetzt hatte sie Schmerzen, die sie nur nicht zugeben wollte. Es wäre besser, sie nachher ruhen zu lassen. Den Schlaf hätte sie bitter nötig. Sofort nach dem Essen würden sie das Nachtlager fertig bereiten.

Mit schmerzendem Rücken, baute ich mir mein Bett. Es sah unbequem aus, da es ja nur aus ein paar Decken bestand. Aber ich würde mir vor Legolas keine Blöße zeigen. Nein, so schlimm würde die erste Nacht unter freiem Himmel schon nicht werden. Legolas hatte sein Lager etwas weiter von mir entfernt vorbereitet. Aber immer noch so, dass ich schnell bei ihm wäre wenn was passieren sollte. Das hatte er zumindest gesagt. Das Feuer war bis zur Glut heruntergebrannt. Aber es gab immer noch angenehme Wärme ab. Ich hockte mich davor und rieb meine Hände. Ich hätte nie gedacht das die Nächte im Sommer so kalt sein konnten. „Du solltest dich jetzt schlafen legen.“ „Ja.“ Fast stolperte ich beim aufstehen und als ich sah das Legolas mich ansah, lächelte ich gequält. Wirklich sehr peinlich, beim aufstehen fast hinzuknallen. Wütend über mich selbst, schlüpfte ich unter die Decken und schloss die Augen. Mein Körper war geschafft und freute sich über die Ruhe, auch wenn der Boden sehr hart war, doch fühlte ich mich auch noch hellwach, da ich plötzlich Geräusche vernahm, die mir am Tage so normal vorkamen. Als ich meine Augen wieder öffnete, lag Legolas schon in seinem Lager und gab keinen Mucks von sich. Also versuchte ich wieder zu schlafen. Doch was war das? Irgendwo im Wald flogen Vögel durch die Baumwipfel und ein Uhu rief ins Dunkel hinein. Die Bäume knarrten im Wind und es knackten Äste auf dem weichen Waldboden. Bildete ich mir das alles nur ein? Ich drehte mich auf den Rücken und versuchte so, besser zur Ruhe zu kommen. Doch da war nur ein dunkler Himmel mit fetten Wolken. Kein einziger Stern war zu erkennen und einzelne Äste wippten über meinem Köpf. Das machte mich nur noch wuschiger und ich drehte mich wieder zu Legolas’ Richtung. Der schien seelenruhig zu schlafen. Wieder vernahm ich ein Knarren aus dem Wald und ich konnte meinen eigenen Herzschlag hören. So wie immer, wenn ich aufgeregt wurde. Auch die Decke über meinem Kopf brachte nichts. Plötzlich kam ich mir so allein hier auf diesem Platz vor und Legolas so weit von mir weg. Mutig stützte ich mich auf und schielte wieder zu Legolas. Er schien wirklich schon zu schlafen und ich wollte ihn ja auch nicht stören, doch meine Angst siegte. „Legolas?!“ flüsterte ich leise. Er rührte sich nicht. Er musste mich hören, da war ich mir sicher. Ich flüsterte wieder, aber etwas lauter. Er lag auf dem Rücken und endlich drehte er seinen Kopf in meine Richtung, sagte aber nichts. Sah mich nur abwartend an. „Ich, ich fühl mich etwas unwohl.“ Sagte ich zögerlich. „Und was kann ich dagegen tun, kleine Elen?“ „Kann ich näher zu dir rankommen?“ Auf der Unterlippe kauend und mit hochgezogenen Augenbrauen, wartete ich seine Antwort ab. „Ja, wenn es dir hilft.“ Und wie mir das was hilft. So schnell, aber auch so leise wie möglich, rückte ich mein Lager um einige Schritte näher und krabbelte wieder unter die Decke. Jetzt lag ich eine Armlänge von ihm enfernt. Legolas hatte sich zu mir gedreht, aber wieder die Augen geschlossen. Ich versuchte es ihm gleich zu tun, nur waren diese Geräusche immer noch zu hören und obwohl ich mich jetzt etwas sicherer fühlte, konnte ich noch immer nicht schlafen. Ich musste wieder daran denken, als Legolas meine Hand genommen hatte und wie sehr es mich beruhigt hatte. Er war einfach nur dagewesen und strahlte eine ungemeine Ruhe aus. Nur war dies jetzt eine ganz andere Situation, als nur im sicheren Zimmer zu sitzen. Doch ich traute mich auch nicht wirklich ihn zu fragen. Sicher nervte ich ihn schon genug, doch die Geräusche aus dem Wald verschwanden nicht und der Himmel zo sich immer dunkler zu und die Glut spendete schon lange keine Wärme mehr...

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-8-

„Legolas?“ Wieder öffnete er seine Augen. Ich musste schlucken, ehe ich ihn fragte. „Weißt du, die ganzen Geräusche machen mich etwas nervös, weil sie mir ja auch so fremd sind und ich kann nicht einschlafen, obwohl ich ja weiß das ich schlafen sollte, und doch fällt es mir schwer und darum...“ Mit einem leichten Augenrollen, hielt Legolas mir seine Hand hin, ehe ich zu Ende gesprochen hatte. Erleichtert, aber auch leicht gequält lächelnd, umfasste ich sie und spürte wieder diese angenehme Wärme. „Und nun schlaf auch wirklich.“ Ich nickte schnell, als hätte ich ja nie etwas anderes getan und schloss zur Unterstreichung meine Augen. Tatsächlich fühlte ich mich schnell sicherer und doch konnte ich nicht schlafen. Ich öffnete wieder meine Augen und sah meine Hand in Legolas’ liegen. Seine Finger waren leicht geöffnet und am liebsten wäre ich sie mit meinem Finger entlanggefahren. Doch ich widerstand der Versuchung. In der Dunkelheit, zeichneten die Schatten jede einzelne Kontur seines Gesichtes nach. Wenn die Wolken ein Stück vom Himmel zeigten, wirkte seine Haut fast silbern und seine Ohrspitzen so verletzlich wie Schmetterlingsflügel. Nur leicht hob und senkte sich sein Körper im Rhythmus seines Atem und eine lockere Strähne umrahmte seicht sein schönes Gesicht. Plötzlich formten sich seine Lippen zu einem Lächeln. Träumte er? Ich fand es süß und musste auch lächeln, hätte er nicht plötzlich auch seine Augen geöffnet. Im ersten Moment erschrak ich und erst im zweiten wurde mir klar, dass er die ganze Zeit noch nicht geschlafen hatte und meine Blicke die ganze Zeit gespürt hatte. Prompt spürte ich, wie mir die Röte ins Gesicht schoss und das war mir noch peinlicher, weil mir bewusst war, dass ich auch dies nicht vor Legolas verbergen konnte. „Ich kann immer noch nicht so gut einschlafen, aber es geht schon besser.“ Flüsterte ich gequält und nahm meine Hand aus seiner und drehte mich mit hochrotem Kopf um. Legolas hatte nichts anderes getan als gelächelt. „Du solltest jetzt wirklich versuchen zu schlafen. Morgen wird es wieder ein anstrengender Tag.“ Hörte ich ihn sagen und ich murmelte nur ein „Mhmh.“ Die unheimlichen Geräusche aus dem Wald, nahm ich nicht mehr wahr. Das einzige was blieb, war der Gedanke über die Situation von eben.

Ich hatte keine Ahnung, wann ich in dieser Nacht endlich mal eingeschlafen war. Geweckt wurde ich jedenfalls von einem seichten Rütteln an meiner Schulter. Mürrisch zog ich mir die Bettdecke über den Kopf. „Elen. Mach dich bitte fertig. Du kannst nicht den ganzen Tag verschlafen.“ Legolas Stimme drang gedämpft durch die Decken. Doch ich wusste er hatte Recht, also setzte ich mich mit noch halbgeschlossenen Augen auf und blinzelte in die Landschaft. Der Tag war schön, die Wolken von der Nacht wie weggeblasen und anstelle derer strahlte die Sonne auf uns nieder. Legolas hockte schon vor dem Essen und als er mich jetzt ansah, lachte er. „Du siehst wirklich entzückend aus.“ Verwundert sah ich ihn an. Und dann fielen mir meine Haare ein. Sie standen in allen Richtungen vom Kopf ab und krauselten sich in-und umeinander. Schnell versuchte ich sie zu glätten und auseinander zu wirren. Es klappte nur einigermaßen. Dann krabbelte ich müde zu Legolas und nahm mir auch zu essen. „Das ist aber sehr untypisch für Elben.“ Grinste Legolas plötzlich und fragend sah ich ihn an und gähnte unterdrückt. „Genau das.“ Mensch, morgens war mir nicht nach raten. „Was denn?“ „Lange schlafen. Aber das kann bei dir ja noch kommen.“ Eingeschnappt nahm ich mir meinen nächsten Happen. Wollte er mir jetzt damit klar machen, dass ich ja noch so jung sei und ich mich ja noch gar nicht richtig entwickelt habe? Das ich mich für einen Elben ja eigentlich noch im Krabbelalter befand? Schweigend aß ich weiter. Zum Glück sprach Legolas nicht die Nacht an, ob ich es denn noch mal irgendwann geschafft habe, einzuschlafen. Wenn ich daran dachte, wurde ich noch immer rot und das wollte ich vermeiden. „Sind die Pferde schon versorgt?“ Diesmal schluckte ich meinen Bissen erst herunter, ehe ich sprach. „Ja. Das habe ich schon gemacht, wo du noch schliefst. Wir sind sowieso schon spät dran. Du solltest dich beeilen.“ Eilig schlang ich mein Essen herunter und rollte die Decken zusammen. Auf keinen Fall wollte ich ihn nur unnötig abhalten.

Mit einem Lächeln auf dem Gesicht, beobachte Legolas Elen, wie sie sich bemühte, schnell fertig zu werden. Und auch wenn er an die vorherige Nacht dachte, konnte er sich ein Lächeln nicht verkneifen. Natürlich hatte er ihre Blicke gespürt, was Elen wohl in diesem Moment vergaß. Und jetzt bemühte sie sich die ganze Zeit, alles richtig zu machen. Legolas hatte sie absichtlich länger schlafen lassen. Nur ihre Nasenspitze hatte unter der Decke hervorgelugt und da brachte er es einfach noch nicht fertig, sie schon zu wecken. Doch dafür mussten sie den Tag über schneller reiten. Er hoffte, sie würde mithalten.

Endlich parierten wir wieder zum Schritt. K.o ließ ich mich auf den Hals von Santia vornüber fallen. Ob wir diesen Tag auch noch mal eine Pause einlegten, traute ich mich nicht zu fragen. „Sollen wir dort vorne einen kurzen Moment ruhen?“ Legolas zeigte auf eine Waldlichtung nahe am Fluss, die wirklich sehr verlockend aussah, doch ich schüttelte den Kopf und setzte mich wieder auf. „Nein, meinetwegen nicht. Es sei denn, du brauchst eine Pause.“ Daraufhin lachte er nur und ich biss mir auf die Unterlippe. Was bin ich doch für ein cleveres Mädchen. „Die Pferde brauchen sowieso Wasser, also können auch wir uns eine kurze Pause gönnen.“ Innerlich war ich froh über diese Worte, verbot mir aber selbst, Schwäche zu zeigen. Die Sonne hatte schon lange ihren höchsten Punkt erreicht und ich sehnte mich nach festen Boden unter den Füßen. Das letzte Stück galoppierten wir wieder. Auch Santia war geschafft, doch sie machte sich besser, wie ich. Am Fluss banden wir die Pferde ersteinmal an, bevor wir sie trinken ließen. In diesem langen blöden Kleid, schwitzte ich mich zu Tode. Aber ich hatte ja keine anderen mitgenommen. Mein Vater hatte damals meine engeren und luftigeren Kleider weggeschmissen, weil ich mich weigerte diese noch anzuziehen. Jetzt bereute ich es sowieso schon längst. Um mir wenigstens ein wenig Abkühlung zu verschaffen, zog ich meine Schuhe aus und watete ins kühle Nass. „Hach, ist das herrlich.“ Ich ging bestimmt zehn mal im kniehohen Wasser hin und her. Legolas kam langsam ans Wasser und hielt mir Trinkwasser hin. „Auch dieses Wasser hilft dir zur Erfrischung.“ Dankbar nahm ich es ihm ab und trank.  Aber wohl etwas zu viel, denn plötzlich wurde mir der Beutel wieder aus der Hand genommen. „Trinke nicht zuviel. Der Inhalt ist kostbar.“ „Tut mir Leid.“ Langsam stieg ich aus dem Wasser und zog meine Schuhe wieder an. Legolas holte die Pferde. Mühsam kletterte ich auf Santia. „Eine größere Pause können wir uns nicht leisten. Die Nacht ist nicht mehr fern und wir brauchen noch eine längere Strecke, bis wir an unserem Nachtlager ankommen.“ Legolas Worte hörten sich fast entschuldigend an. „Das macht mir nichts. Das Wasser hat mir gut getan. Und ich fühle mich auch schon wieder fit.“ Lächelte ich und streckte mich einmal. Auch wenn das nicht ganz der Wahrheit entsprach.

Elen ritt hinten und wieder spürte Legolas ihre Blick auf sich. Er erinnerte sich, als sie vierzehn war. Die ganze Zeit klebte sie an ihm, wie eine Klette, doch er nahm es mit einem Lächeln hin. Ihr Vater sagte ihm damals, dass es das typische Teenageralter war und es nun mal ihn getroffen hatte. Fast fand er es schon süß. Doch das sie ihn auch heute noch heimlich beobachtete, fiel ihm erst jetzt wieder auf, wo sie die ganze Zeit zusammen waren. Doch er nahm es leicht hin und kümmerte sich nicht weiter drum. Sie fühlte sich sowieso nicht wohl, unter freiem Himmel und ohne Schutz und da war es wohl normal, sich an jemanden mehr zu klammern als wenn man sich sicher fühlte. Als er einen Blick über die Schulter warf, sah Legolas noch, wie Elen schnell woanders hinsah. „Wir sind bald am Ziel.“ Elen nickte und kam neben ihn getrabt. Sie war schon sehr erschöpft, nahm sich aber zusammen. Die Pause hatte sie bitter nötig.

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-9-

An diesem Abend machte ich alles in Zeitlupe. Meine Beine wollten mich nicht mehr tragen und sie schmerzten noch mehr als am ersten Abend. Legolas versorgte Santia für mich mit und auch mein Bett bereitete er für mich mit. Dankbar kuschelte ich mich ein und war nur sekunden später eingeschlafen.

Eine innere Unruhe beschlich mich im Schlaf, die immer stärker wurde. Es war ein eigenartiges Gefühl, doch ich spürte, dass etwas nicht in Ordnung war und von diesem Gefühl wachte ich schließlich auf. Legolas stand ein paar meter von mir entfernt und schaute angestrengt in die Dämmerung. Als ich mich aufsetzte, sah er zu mir. „Packe schnell deine Sachen zusammen. Beeil dich.“ Sein Ton ließ mich unruhig werden. Doch ich tat was er sagte und das ungute Gefühl beschlich mich mit jeder Sekunde mehr. „Was ist das?“ flüsterte ich und ging leise zu Legolas. Weit in der Ferne hörte ich seltsame Geräusche. Doch Legolas antworte nicht sondern zeigte mir mit einer Handbewegung, ich solle leise sein. Endlich drehte er sich zu mir. „Lauf in die Richtung und verstecke dich dort. Gebe keinen Ton von dir und bleibe dort, bis ich widerkomme. Komme nicht eher heraus!“ Seine Stimme war gedämpft und seine Augen sahen mich eindringlich an. Vorsichtig nickte ich. Ich bekam es langsam mit der Angst zu tun. „Und du?“ flüsterte ich zögernd und plötzlich lächelte Legolas und strich mir übers Gesicht. „Tu einfach das, was ich dir gesagt habe.“ Und dann hauchte er mir einen Kuss auf die Stirn und lief anschließend in den Wald, in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Mit pochendem Herzen stand ich noch kurz wie angewurzelt auf meinem Platz stehen und als die unheimlichen Schreie plötzlich lauter wurden, lief ich in die Richtung, die Legolas mir gezeigt hatte. Santia stand unruhig an ihrem Platz, aber das andere Pferd beruhigte sie mit seiner ruhigen Art. Hektisch suchte ich mir ein Versteck. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor, ehe ich endlich ein Gebüsch fand, dass genügend Schutz bot. Dort kauerte ich mich zusammen und lugte durch die Äste und Blätter nach draußen. In der Ferne hörte ich Schwerter, die aufeinander klirrten, Legolas’ Pfeile, die durch die Luft surrten und die unheimlichen Schreie und Brüllen. Was waren das für Kreaturen? Trolle konnten es nicht sein. Niemals waren es so viele auf einmal. Meine Hände zitterten und am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten, als ich ganz in der Nähe plötzlich ein Geräusch vernahm. Mit weit aufgerissenen Augen und fest geschlossen Mund, versuchte ich etwas zu sehen. Bewegen wollte ich mich auf keinen Fall und nach vorne hin hatte ich kaum Sicht. Es waren Schritte, die laut näher kamen. Sie zertrampelten alles, was ihnen in die Quere kam. Bald hörte ich ein unheimliches Schnaufen und den lauten Atem, der von diesem Wesen kommen musste. Doch sehen konnte ich noch immer nichts. Meine Hände zitterten und ich atmete in den Stoff meines Kleides. Das Schnaufen wurde lauter und immer wieder gab das Wesen knurrende Geräusche von sich. Ich war mir sicher, dass es eines dieser Wesen war, die auch oben im Wald gerade kämpften. Seine Tritte wurden langsamer und schien jetzt ganz in meiner Nähe zu sein. Egal was passiert, ich soll im Versteck bleiben. Die ganze Zeit sagte ich mir Legolas’ Worte zu mir selbst. Und plötzlich sah ich es. Ein Monster, schlimmer als Erzählungen es beschreiben könnten. Es war fast fast so groß wie ein Mensch und ging geduckt. Seine Haut war ledrig und stechende Augen suchten die Gegend ab. Das Monster war ganz schwarz und seine Nase krauste sich die ganze Zeit, wie die eines Hundes. Dabei kamen seine dreckigen, aber spitzen Zähne zum Vorschein. In der Hand hielt es ein Schwert. An ihm klebten frische Blutspuren. Immer wieder drehte es seinen Kopf. Ich presste mir meine Hand auf den Mund und versuchte mein Zittern zu unterdrücken. Hau ab, hau doch bitte ab. Plötzlich drehte es seinen Kopf nach hinten und lief zurück. Etwas schien es gerufen zu haben. Kein Geräusch war mehr zu vernehmen. Kein schreckliches schnauben mehr und auch nicht seine lauten Schritte. Doch ich traute mich noch nicht heraus.

Es war alles still. Nichts deutete mehr auf diese Monster hin. Doch Legolas war noch nicht zurück. Also wartete ich. „Elen, du kannst wieder rauskommen.“ Noch nie war ich so erleichtert, seine Stimme zu hören. Schnell krabbelte ich aus dem Gebüsch heraus und stand lächelnd vor Legolas. Er sah aus, wie immer. Als hätte er gar nicht gekämpft. „Ist alles okay?“ Ich nickte. „Ja. Aber da war so ein Monster. Es war ganz in der Nähe.“ Meine Stimme zitterte immer noch ein wenig. „Das waren Orks. Aber jetzt sind sie weg. Es war gut, dass du im Versteck geblieben bist.“ Ich nickte und ging hinter Legolas her, zum Lager. Die Pferde standen noch ruhig an ihrem Platz. „Iss erst einmal etwas. Danach gehts dir besser.“ Er setze sich zu mir und erzählte mir wieder von dem König. Geschichten, die ich schon immer gerne hörte und auch diesmal halfen sie mich zu beruhigen. Anschließend ritten wir weiter. „Das war deine erste Begegnung mit Orks und du hast dich gut geschlagen.“ Grinste Legolas und auch ich lachte. „Ich hatte noch nie soviel Angst.“ Gab ich zu. Ich hoffte inständig, nie wieder einen Ork zu Gesicht bekommen müssen.

Wieder einmal kam mir der Ritt sehr lange vor. Doch mein Körper gewöhnte sich langsam an die langen Stunden im Sattel. Meine Beine drohten mir nicht mehr unter meinem Gewicht zusammenzubrechen und meine Arme fühlten sich nicht mehr an wie Blei. Auch Santia schritt jetzt mit längeren Schritten voran und schien sich fast über den Ritt zu freuen. Auch die Landschaft nahm langsam ein anderes Bild an. Die noch vor ein paar Tagen, weit weg wirkenden Berge, waren jetzt ganz nah. Wir ritten an einem Fluss entlang, der uns schon eine ganze Weile lang folgte und neben uns standen hohe Bäume, die auf uns herabblickten. Immer dichter wurden die Wälder und weiter die Wiesen. Ich ritt gemächlich hinter Legolas und schloss für einen Moment die Augen. Die Sonne wärmte mein Gesicht und meine Ohren hörten dem Klang der Natur zu. Was Vater und Sylvy jetzt wohl taten? Sicher die Aufgaben, wie auch jeden Tag. Es hat sich in ihrem Alltag ja nichts geändert. Im Gegensatz zu meinem. Wieder einmal lenkte ich meinen Blick zu Legolas. Ich hatte keine Ahnung, ob ihm meine Anwesenheit störte, oder er sie als angenehm empfand. Zumindest verhielt er sich wie auch sonst. Etwas komisch fühlte ich mich schon. War es doch das erste mal, dass wir so lange zusammen waren. Die sonstigen zwei-drei Tage, kamen mir damals immer viel zu kurz vor. Das ganze Jahr über wünschte ich ihn mir zu mir. In diesen jetzigen wenigen Tagen, bemerkte ich schon so viele neue Sachen an ihm, die mir sonst nie auffielen. Das ich ihn das erste mal schlafen sah, gehörte nur zu einem von denen. Wenn ich Nachts einmal aufwachte, sah ich ihn oft am Rande sitzen und in die Landschaft schauen. Oder er ging auf und ab und murmelte Wörter auf Elbisch, die ich nicht verstand. Doch es hörte sich schön an und oft schlief ich davon wieder ein. Mit jedem Moment mehr, genoss ich es bei ihm zu sein. Doch auch spürte ich ein unterdrücktes Verlangen, dass mich manchmal fast um den Verstand brachte. Schon lange wusste ich, dass ich mir nichts vorzumachen brauchte. Ich war mir meiner Gefühle schon lange sicher, doch Legolas sah in mir immer noch seine kleine Elen, die er auf diesem Wege beschützte, für sie da war und ihr den Weg zeigte. Doch nicht mehr. Auch wenn ich nun eine Halb-Elbin war, macht es noch keinen Unterschied. Und noch immer bin ich neunzehn und er einige tausend Jahre älter. Dieser doch recht ungewohnte Gedanke, ließ mich schmunzeln. „Es ist schön dich lächeln zu sehen.“

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-10-

Ich hatte nicht bemerkt, dass Santia zu Legolas aufgeschlossen hatte. Oder hatte er sein Tempo verlangsamt? Das einzige, was ich daraufhin wusste zu tun, war, wieder zu lächeln. Mir war nicht nach reden und somit sah ich wieder nach vorne. Nach kurzer Zeit schon, bogen wir in eine kleine Waldnische und saßen dort ab. Wieder einmal, schwitzte ich in diesem Kleid ungemein und fühlte mich unwohl. Tagelang hatte meine Haut schon kein Wasser gespürt und auch mein Kleid sah dreckig und zerknittert aus. Ich beneidete Legolas, der noch immer aussah, wie am ersten Tag. Ich erinnerte mich an mein sauberes Kleid in der Satteltasche. „Legolas?“ Er sah kurz auf. „Gibt es hier eine Möglichkeit, sich zu selbst zu waschen und auch mein Kleid? Außerdem ist es sehr warm und ich bräuchte eine Abkühlung.“ Leicht verwirrt sah er mich an. Scheinbar hatte er das nicht eingeplant. „Die Möglichkeit würde der Fluss bieten.“ Ich nickte und überlegte angestrengt, wie er es sich vorstellte. Doch auch Legolas selbst, schien nachzudenken. „Warte einen Moment. Und tränke bitte die Pferde.“ Damit verschwand er einen kleinen Hügel hinauf und ich tat, was er sagte. Nicht lange danach, kam er wieder, mit einem leichten Lächeln. „Ein paar Schritte weiter den Fluss entlang, erscheint mir eine sichere Stelle zum baden. Auch bist du noch in meiner Hörweite, so das du, wenn etwas nicht stimmt, rufen kannst.“ Dankbar nickte ich und packte mir mein neues Kleid heraus. „Ich werde mich beeilen.“ Lächelte ich noch schnell und verschwand, wie Legolas zuvor, hinter dem kleinen Hügel. Und dann den Fluss entlang. Es waren wirklich nur ein paar Schritte, da sah ich schon eine kleine Senke im Verlauf des Flusses, wo auch die Strömung nicht allzu stark war. Bäume boten Schutz und ließen noch angehm einzelne Sonnenstrahlen aufs Wasser fallen. Schnell legte ich meine Sachen zusammen und blickte dann unsicher um mich. Niemand war zu sehen, geschweige denn zu hören. Doch meine Unsicherheit siegte und ich beschloss, noch mit dem Unterkleid ins Wasser zu steigen. Mein Kleid selbst, nahm ich unter den Arm und stieg vorsichtig ins kühle Nass. Die angenehme Kälte, durchweichte schnell mein Unterkleid und ließ mich aufatmen. Sofort schien der Schmutz und Schweiß von mir zu weichen und mit dem Wasser mitzufließen.

Auf dem Boden sitzend und den Pferden zusehend, horchte Legolas auf das kleinste Geräusch. Er vernahm das Wasser, was sich in der Ferne durch Elen bewegte und dann nichts mehr. Er hoffte nur die Stelle sei wirklich sicher. Nur kurz konnte er sich dort umsehen. Doch außer dem plätschernden Wasser, vernahm er kaum fremde Geräusche, die nicht dem Wald gehörten.

Nach einigen Runden im klaren Wasser, wusch ich mein Kleid so gut es ging durch und beschloss, schweren Herzens, mich von der erfrischenden Flüssigkeit zu trennen. Wieder wickelte ich mich ins Unterkleid und zog mich schnell um. Durch die noch nasse Haut, klebte es ein wenig, doch es blieb mir noch die Kühle erhalten. Dann lief ich schnell wieder zu Legolas, der bei den Pferden saß und nicht aufsah, als ich zu ihm trat. „Das war bitter nötig.“ Grinste ich und setzte mich zu ihm. Jetzt fühlte ich mich auch wieder wohler in seiner Nähe zu sitzen und musste nicht Angst haben, ich würde schmutzig wirken. „Wasser wirkt Wunder.“ Lachte Legolas plötzlich und etwas eingeschnappt, zog ich eine Schnute.

Insgeheim war er froh, Elen wieder sicher neben sich sitzen zu haben. Wahrscheinlich mehr, als er sich selber eingestehen wollte. Überhaupt bemerkte er von sich selbst, dass er alles dreimal durchdachte, ehe er etwas beschloss. Wenn er alleine war, brauchte er nur für sich selbst zu denken und zu überlegen, doch jetzt mit Elen war es schwieriger, aber auch angenhemer. Doch brauchten sie durch die längeren Nächte und vermehrten Pausen, auch mehr Zeit nach Bruchtal. Legolas hoffte, Bruchtal würde Elen so gut gefallen, dass sie beschloss, dort etwas länger zu verweilen. Und er hoffte inständig, sie würde dort gut empfangen und gut aufgenommen werden.

Diese Nacht war extrem kalt und auch jetzt noch, beim reiten, fror ich und hoffte, die Sonne würde den Tag schnell erwärmen. Legolas und ich waren jetzt den sechsten Tag unterwegs und langsam bekam ich Sehnsucht nach einem warmen Bett, nach einem Dach über den Kopf und ordenltichem Essen. „Wenn uns an diesem Tage nichts dazwischen kommt, sind wir zum Nachteinbruch in Bruchtal.“ Diese Neuigkeit zauberte mir ein Strahlen aufs Gesicht und ließ mich die Kälte fast vergessen. Nie hatte ich mich getraut, zu fragen, doch jetzt schien das Ziel ein beträchtliches Stück nähergerückt zu sein. Zur Aufmunterung klopfte ich auch noch mal Santia und galoppierte dann glücklich hinter Legolas her, Bruchtal entegegen.

Mit weit geöffneten Augen und in Santias Mähne gekrallt saß ich aufrecht im Sattel und blickte auf das Bild was sich vor mir bot. Es war so schön, dass ich nicht bemerkte, wie Legolas meine Reaktion belächelte. Doch was sollte ich anderes tun, als mit offenem Mund und einem pochenden Herzen auf das sogenannte “Bruchtal“ zu blicken?! Schon so oft hatte ich es mir in Gedanken vorgestellt, haargenau nach Legolas Erzählungen. Doch nicht die genaueste Beschreibung mit den wunderschönsten Wörtern, könnte das beschreiben. Man fühlte sich in eine andere Welt versetzt, vergaß fast die Relatität. Das Tor hinter uns schloss sich, doch ich nahm es kaum war. Saß immer noch wie versteinert auf meinem Pferd. Überall waren kleine helle Türme und Bäume wuchsen in den entlegensten Winkeln. Es wirkte, als wohnten diese Elben in und mit der Natur. Bruchtal war auf einem Art Berg gebaut und mitten in einem Tal. Hohe Felswände ragten an den Seiten empor und schienen das Tal zu beschützen. Von den Klippen flossen riesige und wunderschöne Wasserfälle, die man noch bis hier hin hörte und wahrscheinlich in einen ruhigen See einflossen, wo sich das Wasser wieder beruhigte. Die Sonne schien plötzlich nur noch für diesen Ort zu scheinen und machte den Rest der Welt alt und grau. Plötzlich wurde ich wieder in die Realität zurückgestoßen. Neben Santia stand ein fremder Elb und lächelte mich an. Er hatte dunkle lange Haare und auch andere Kleidung als Legolas. „Ihr solltet jetzt von eurem Pferd steigen. Es wird dann versorgt werden.“ Seine Stimme war angenehm. Ruhig. Schnell nickte ich und beeilte mich mit dem absteigen, wollte dabei aber auch nicht plump wirken. Was schwer war, in Gegenwart der Elben. Das ich fast auch eine war, fiel mir noch immer schwer zu glauben. Santia wurde abgeführt und ich stand alleine auf dem Platz. Wo war Legolas? „Hat es dir die Sprache verschlagen?“ Aus den Augenwinkeln sah ich Legolas zu mir herum kommen. Nervös lächelte ich. „Es ist so wunderschön. Viel schöner als in meinen Träumen, wo ich es schon einmal vor meinem inneren Auge sah.“ Ein Lächeln umspielte Legolas Mund. „Nein. Das muss man schon mit eigenen Augen genießen, um zu wissen wovon man spricht.“ In Gedanken nickte ich und ließ meinen Blick schon wieder über das Tal schweifen. Es waren kaum Elben zu sehen. „Komm. Man erwartet uns schon.“ Legolas ging voran und ich hinterher, gespannt, wer auf uns wartete. Doch schnell wurde ich wieder von Bruchtal selbst abgelenkt. Die zierlichen Gemächer zogen mich in den Bann und die einzelnen Sonnenstrahlen, die durch die Säulen fielen und die Blätter der Sträucher und Bäume zum singen brachten. Mir fiel auf, dass es kaum Türen gab. Alle Räume gingen fast ineinander über und nur Vorhänge galten als Fenster. Auch in den Sälen entdeckte man Blumen oder frisches Grün und alles wirkte frisch und sauber. Bald kamen wir wieder auf einen Weg, der zu einem kleinen Turm führte. Dort stand ein Elb. Er wandte uns den Rücken zu und wirkte schon aus der Entfernung sehr hoheitsvoll. Ich glaubte, das sei das passende Wort. Leichtfüßig schritt Legolas die Stufen empor und wieder fühlte ich mich plump. Der dunkle Elb drehte sich mit einem Lächeln zu ihm und Legolas verbeugte sich leicht. Was sie sprachen verstand ich nicht. Sie sprachen in ihrer Sprache. Doch meinen Blick konnte ich nicht von ihnen richten. Wie auch das Tal, so faszinierte mich auch dieser Elb. Und wieder einmal wurde mir bewusst, dass es wohl keine schöneren und eleganteren Wesen auf dieser Welt gab, als Elben. War es da noch ein Wunder, dass ich mich in eines dieser Geschöpfe verliebt hatte? Plötzlich sah ich Legolas Blick. Ich sollte zu ihnen kommen. Mit plötzlich ganz weichen Knien, stieg ich die zierliche Treppe herauf und auch ich verbeugte mich vor dem fremden Elben. „Das ist Elrond. König Bruchtals.“ Sagte Legolas, während ich mich verbeugte. „Und dies ist Elen. Tochter Silvanas und aus dem Ort `Bree`“ Ich versuchte mich im Lächeln. „Ihr müsst elbischen Blutes sein. Man hört es an eurem Namen.“ Auch Elrond’s Stimme war weich und freundlich und sie machte mir Mut. Doch sein Gesagtes verblüffte mich und ich sah etwas hilflos zu Legolas. Der jedoch lächelte nur und nickte. „Sie ist eine Halb-Elbin. Väterlicherseits.“ Ich fühlte mich etwas hilflos. Was hatte mein Name damit zu tun? „Schon viel haben wir von euch gehört, Elen. Ihr seid hier herzlich willkommen und wir haben euch schon erwartet.“ Elronds Hände zeigten einmal anmutig über das Tal und sein Lächeln wirkte echt. Aber warum haben sie mich schon erwartet? Legolas hatte unmöglich eingeplant, mich mitzunehmen. Doch ich nickte dankbar und versuchte auch zu lächeln. Was aber sicher etwas unsicher aussah. Dann gingen wir wieder. Zumindest ging Legolas und ich schleunigst hinterher. Fast stolperte ich die Treppe herunter und ich glaubte das Lächeln von Elrond in meinem Rücken zu spüren. Das Treffen war kurz, doch sicher nur vorerst beendet. Und wieder ging es durch die luftigen Flure und als ich mir sicher waren, wir seien weit genug entfernt, drängte ich mich an Legolas Seite und sah ihn abwartend an. Nur leicht drehte er seinen Kopf und schien sich über mich zu amüsieren. „Was hat Elrond gemeint, man höre an meinem Namen, ich gehöre Elbischem Blutes an?“ Legolas ging eine Treppe herauf und bog dann in ein helles Zimmer ein. Erst da drehte er sich zu mir um und sah mich an. „Dein Name, Elen, hat eine elbische Bedeutung.“

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-11-

„Und warum hast du es mir nie erzählt?“ So entrüstet wollte ich gar nicht klingen, doch Legolas belächelte es nur wieder. „Du hast mich nie danach gefragt.“ Mein entrüsteter Laut, ließ ihn auflachen. „Und was bedeutet mein Name nun?“ Meine Arme vor der Brust verschränkt sah ich ihn an. Doch Legolas kam nur lächelnd auf mich zu, langsam und immer noch dieses Lächeln. Kurz vor mir, blieb er stehen und betrachtete mein Gesicht. Sofort wich alle Entrüstheit dem Magenkribbeln. Ich musste schlucken und versuchte ihn trotzdem noch beleidigt ansehen. Aber wie sollte ich das tun, wenn er genau vor mir stand, nur eine halbe Armlänge von mir entfernt und mich immer noch mit einem leichten Lächeln ansah?! „Elen, bedeutet in der elbischen Sprache “Stern“. Meine kleine Elen. Du solltest nicht so ungeduldig sein.“ Sein Daumen strich mir über die Wange und ich musste mich zwingen, ihn noch anzusehen. Seine Stimme war so weich und warm und auch wenn er schon längst nicht mehr über mein Gesicht strich, spürte ich diese leichte Berührung jedoch noch immer. Und dann trat er zurück und ging in den zweiten Teil des Raumes. Verwirrt sah ich auf den Boden, schloss kurz die Augen. Noch immer klopfte mein Herz stark gegen meine Brust und mein Atem kontrollierte sich nur langsam. Ich musste mich zusammenreißen. Diese Berührungen tat er nicht zum ersten mal und doch reagierte ich mit jedem mal stärker darauf.

Mit einem Lächeln, stand Legolas am Fenster und schaute auf Bruchtal. Elen’s Ankunft hätte nicht besser verlaufen können. Noch immer hatte sie das Glänzen in ihren dunklen Augen nicht verloren, was beim Anblick dieses Ortes aufgetreten war. Sie hatte gar nicht gewusst, wohin sie zuerst schauen sollte und auch die erste Bekanntschaft mit Elrond hatte sie mit gutem Benehmen gemeistert. Elrond mochte sie. Das wusste Legolas. Und das war sehr wichtig. Jetzt konnte er nur noch hoffen, sie würde mehr über Bruchtal erfahren wollen und noch mehr von ihm sehen wollen. Er hoffte einfach nur, sie würde so begeistert sein, dass sie Düsterwald für eine Weile vergessen würde.

Legolas war aus dem Zimmer gegangen. Und jetzt stand ich allein in diesem bezaubernden Raum und durfte ihn für diese Nacht mein eigen nennen. Das ganze Zimmer schien in blauem Licht zu schwimmen und ein Bett stand in der Nähe des Fensters. Über ihm ein zierlicher Spiegel mit Blumen an der Seite verziert. Für die Nacht stand ein Kerzenhalter in der Nähe des Bettes und bläuliche Kerzen ragten frisch aufgesetzt in die Höhe. Das seichte Tuch seitlich am Fenster bewegte sich leicht und ließ das Licht unterschiedlich ins Zimmer scheinen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man so einen wunderschönen Ort jemals über haben konnte. Und doch wusste ich, ich konnte nicht lange bleiben.

„Gefällt euch das Zimmer?“ Erschrocken drehte ich mich herum. Elrond stand in der Mitte des Raumes. Er strahlte eine ungemeine Ruhe aus und es schien so, als bräuchte er dich nur einmal anzusehen und er wusste was für ein Mensch du bist. Seine Hände hatte er in sein langes Gewand gelegt und sein strenger und doch gleichzeitig liebenswürdiger Blick, ruhte auf mir und wartete meine Antwort ab. Endlich öffnete ich meine Lippen und brachte ein “Ja“ heraus. „Es ist sehr schön und ich bedanke mich für eure Gastfreundschaft.“ Ich wählte meine Worte sorgfältig aus. Kein falsches Wort sollte mir über die Lippen kommen. Elrond nickte und kam zu mir ans Fenster. Wie ich es von Elben langsam gewohnt war, waren auch seine Schritte vollkommen lautlos. Und plötzlich kam mir wieder die Frage auf, woher er wusste, dass ich mit Legolas hier eintreffen würde. Doch ich unterdrückte meine Neugier und wartete stattdessen seine Worte ab. „Wie ich hörte, kommt ihr aus dem fernen Bree.“ Leicht senkte er seinen Blick zu mir. Eine Geste, die mir bekannt vorkam. „Ja, das ist richtig. Dort bin ich geboren und aufgewachsen.“ „Was führte euch weg von diesem Ort?“ „Schon als ich ein kleines Kind war, streifte ich durch Bree, auch wenn ich es nicht durfte. Doch irgendwann wollte ich mehr sehen als nur meinen Heimatort. Mit jedem Jahr, dass ich älter wurde, wuchs auch meine Neugier.“ „Nun, ihr seid noch jung.“ Gedankenverloren nickte ich. Ja, ich war noch jung. Das wurde mir jetzt auch bewusst. Doch in Menschenalter gerechnet, hätte man von mir jetzt schon drei Kinder und einen hart schuftenden Mann erwartet. „Warum also diese frühen Entscheidungen?“ „Erst vor kurzem starb meine Mutter und erzählte mir die Wahrheit.“ Ich sah, wie Elrond nickte. Er verstand, was ich meinte, auch wenn ich für andere sicher noch in Rätseln gesprochen hätte. „Es ist sicher nicht einfach.“ „Nein, das ist wohl wahr. Doch sehe ich darin keinen Nachteil. Der einzige Schock war für mich die Gewissheit, dass der Mann, den ich für so lange als meinen Vater hielt, nicht mein leiblicher Vater sein sollte.“ „Und nun sucht ihr ihn?“ Darauf sagte ich nichts. Ja, ich suchte ihn. Doch war ich mir auch nicht ganz sicher, dass ich auch das richtige tat. Und Elrond schien meine Antwort auch gar nicht abzuwarten. Er schien sie zu wissen. „Ihr werdet euren Weg gehen.“ Eine Pause entstand, in der ich über meinen leiblichen Vater nachdachte. Ich hoffte, er würde sich freuen mich zu sehen. Hoffte, er würde noch etwas über meine Mutter wissen und ich hoffte, er würde wissen, dass meine Mutter auch ihn wirklich geliebt hatte. An den Gedanken an meine Mutter, machte sich ein Kloß in meinem Hals breit. Sie war nicht mehr da, nicht mehr bei mir. Und an diesen Gedanken konnte und wollte ich mich nur schwer gewöhnen. Sie fehlte mir und oft hätte ich sie gerne um Rat gefragt, ob ich das richtige tat. Sie würde wissen, ob ich mich auf den falschen Pfaden bewegte. Ich spürte den Druck in den Augen und blinzelte. Nicht eine Träne sollte mir an diesem schönen Tage über die Wange rinnen. Schnell hatte ich mich wieder im Griff. „Ihr meintet vorhin, ihr habet schon etwas von mir gehört? Darf ich raten von wem?“ Elrond lachte kurz auf. Ich versuchte es auch. Der letztere Teil entsprach nicht der Wortwahl, die ich in seiner Gegenwart wählen wollte. „Er berichtete nur Gutes.“ Mich wunderte nicht, dass er die passende Antwort parat hatte. Doch auch schmeichelten mir seine Worte. „Seit meinem vierten Lebensjahr kenne ich ihn. Es wäre eine Schande, er würde etwas schlechtes von mir berichten.“ „Ich kann euch beruhigen. Es liegt ihm viel an euch. Und euch scheinbar auch an ihm. Schließlich seit ihr mit ihm hergekommen?!“ „Nach dem Tod meiner Mutter entschloss ich das erste mal ernsthaft fortzugehen. Ob mit oder ohne Legolas. Ich wäre auch ohne ihn ihn gegangen, wäre aber sicher nicht sehr weit gekommen.“ „Es ist vernünftiger, mit Begleitung durch die Lande zu ziehen. Um so mehr, wenn man die Lande nicht kennt.“ „Ja, darum habe ich ihn ja auch gebeten, mich mitzunehmen.“ „War das euer einziger Grund?“ Überrascht sah ich nach vorne. Wohin führte dieses Gespräch? „Oder hattet ihr vielleicht auch noch den Gedanken, er könnte euch mehr über euren Vater erzählen und euch vieleicht noch zu ihm führen?“ erleichtert schloss ich kurz die Augen. „Dieser Gedanke kam mir sicher auch einmal in den Sinn.“ Lächelnd sah ich Elrond an. Und doch konnte ich in seinen Augen noch etwas erkennen. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass er mehr wusste, als er verriet. Doch er konnte es nicht wissen. Zu gut wusste ich meine Gefühle vor anderen zu verbergen. „Ich werde euch alleine lassen. Sicher seid ihr müde. Die Reise war anstrengend und ihr solltet euch Ruhe gönnen.“ Mit einem Nicken wandte er sich ab und schritt hinaus. Trotz diesem komischen Gefühl, Elrond wüsste mehr, als er zeigte, fühlte ich mich wohl. Das Gespräch war angenehm und ich freute mich, dass er zu mir gekommen war, um mit mir zu reden. Also hatte ich einen positiven Eindruck hinterlassen. Mit einem Lächeln legte ich mich auf das weiche Bett. Und als ich mich in das weiche Kissen sinken ließ, bemerkte ich erst, wie sehr ich ein Bett vermisst hatte und auch wie müde ich schon war. Es dauerte nicht lange und ich glitt hinüber in einen traumlosen Schlaf.

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Nicht lange hatte der Schlaf angehalten, doch draußen war es schon dunkel. Neugierig schaute ich hinaus. Auch in der Nacht, hatte Bruchtal nichts von seiner Schönheit verloren. Die Wasserfälle wirkten silber und die weißen Gemäuer schienen eigenes weißes Licht abzugeben. Und der wunderschöne Sternenhimmel, machte das Bild perfekt. Ich konnte nicht anders, ich wollte unbedingt einmal bei Nacht durch Bruchtal streifen. Auf Zehenspitzen schlich ich durch die Gänge und auf weichen Waldboden. Durch Büsche und einzelne Bäume, immer in Richtung des Wasserfalls, der mir am nächsten war. Und dann stand ich an der Quelle, wo alle Wassergewalt wie von Zauberhand seicht in ruhiges Gewässer überglitt. Der Anblick war atemberaubend. Mein Blick folgte den Wassermassen nach oben. Und plötzlich sah ich in den Augenwinkeln jemanden neben mir stehen. Erschrocken wandt ich den Kopf und sah Legolas an, der wie ich vorher nach oben sah. „Hab ich dich erschreckt?“ Grinste er dann. Er wusste die Antwort genau. „Nein. Ich hörte dich schon von weitem.“ Log ich grinsend und folgte wieder den Wassermassen nach oben. „Wusstest du das ich hier bin, oder treffen wir uns grade durch Zufall?“ „Ich habe dich runtergehen sehen und habe mich gefragt, warum du nicht schläfst.“ Ich musste lachen. „Sei unbesorgt. Ich habe geschlafen. Nur hat mich die schöne Nacht dann doch vom weiterschlafen abgehalten und ich wollte mir die Quelle des Flusses unbedingt ansehen.“ „Also gefällt dir Bruchtal?“ „Es ist wunderschön.“ Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Legolas sich setzte und ich tat es ihm gleich. „Das freut mich.“ Nickend ließ ich meine Finger durch das weiche Gras gleiten. Die Nacht war so hell, dass alles in silber getaucht schien und man noch jede Einzelheit und Schatten wahrnehmen konnte. Die Sterne schienen sich im fließenden Wasser wiederzuspiegeln und erst jetzt beim sprechen fiel mir auf, dass das Rauschen des Wasserfalls ganz leise war. „Elrond war vorhin bei mir.“ Sagte ich, einfach um irgendetwas zu sagen. Ich wusste Legolas sah mich jetzt an, doch ich schaute nicht auf. „Woher wusste er, dass ich mit dir hier eintreffen würde?“ stellte ich nun endlich die Frage, die mir schon so lange auf der Zunge lag. „Elrond besitzt die Gabe der Vorraussicht.“ Nun sah ich doch auf. Sagte aber nichts. Die Gabe der Vorraussicht? Könnte das die Lösung dafür sein, dass er doch mehr wusste als er sagte? Wusste er vielleicht doch was ich... . Nein. Er besitzt nur die Gabe der ’Vorraussicht’. Nicht die der Gegenwart und deren Gefühle. Aber vielleicht wusste er, ob ich meinen Vater finden würde. Hatte er irgendeine verräterische Reaktion gezeigt, als wir von ihm sprachen? Nein. Er meinte nur, ich würde meinen Weg gehen. Das hörte sich doch eigentlich an, als würde ich auf dem richtigen Wege sein, oder doch nicht? Plötzlich spürte ich Legolas Hand auf meiner. Verblüfft sah ich auf und in sein Gesicht. Er lächelte. „Lass das arme Gras in Ruhe.“ Irritiert sah ich auf meine Hand, die in seiner lag. Wieder spürte ich die Wärme die von ihm ausging. Langsam ließ er sie wieder los. Ich hatte wohl nicht bemerkt, wie ich die ganze Zeit das Gras ausgerupft hatte. Um diesen Fehler nicht ein zweites mal zu begehen, faltete ich meine Hände im Schoß zusammen und ich glaubte zu spüren, dass die Hand, die er nur kurz gehalten hatte, doch wärmer war als die andere. Und dann begann es wieder. Das Kribbeln im Bauch und die aufsteigende Röte. Wenn das so weiter ginge, könnte ich ihn bald nicht mal mehr ansehen, ohne gleich rot zu werden. „Ich glaube ich werde wieder schlafen gehen. Die Anstrengung der letzten Tage macht sich doch bemerkbar.“ Flüsterte ich fast und stand auf. Etwas überrascht sah Legolas mir noch nach, doch ich war froh, ihm jetzt aus dem Weg gehen zu können und im Zimmer Ruhe finden konnte. Es war nicht gut. Nein. All die Jahre, die ich wusste was ich empfand, hatte ich nie Schwierigkeiten mich zusammenzureißen. Und jetzt sollte das plötzlich anders werden?

Müde öffnete ich meine Augen und blinzelte in das helle Zimmer. Mein dickes Kleid hatte sich mehrmals um meinen Körper geschlungen und schnürte mir fast die Luft ab. Fluchend über dieses blöde Stück Stoff, rappelte ich mich auf und sah wieder auf das beeindruckende Bild, was sich mir bot, als ich aus dem Fenster sah.

Den ganzen Tag lang schon, ließ Elen sich von einem Elben aus Bruchtal herumführen. Das war gut und Legolas erfreute es. „Willst du sie mit nach Düsterwald nehmen?“ Legolas antwortete Elrond nicht gleich und als er es dann tat, sehr leise. „Nein.“ „Dir ist aber bewusst, dass sie genau dort hin möchte. Und zwar aus einem Grund, der für sie sehr verständlich scheint.“ Legolas sah auf Bruchtal. Doch er sah nicht wirklich das Bild was sich ihm bot. Seine Augen blickten streng nach vorne und seine Gedanken kreisten um Elen. „Du weisst, warum ich sie nicht mitnehmen kann.“ Erlond stand hinter ihm. Blickte wie auch Legolas auf das Tal. „Aber sie weiß es nicht. Hast du es ihr denn schon versucht zu erklären?“ „Nein. Das habe ich noch nicht. Und ich habe es auch nicht vor. Ich hoffe sie wird mir weiterhin ihr Vertrauen schenken und hier bleiben.“ „Sie wird es nicht tun, Legolas. Weil sie es nicht versteht.“ Mit diesen Worten trat Elrond aus dem Raum. Ließ Legolas mit seinen Gedanken allein.

Wütend sah ich Legolas an. Meine Hände zu Fäusten geballt und darin den Stoff meines Kleides zerquetschend. Ich konnte nicht glauben was er sagte, warum er es sagte. Am liebsten hätte ich mich umgedreht, wäre einfach davongelaufen und gerannt. Doch so feige wollte ich nicht sein. „Ich werde aber gehen!“ schrie ich fast. Eine Träne des Zorns rollte meine Wange hinab und mit einer schnellen verzweifelten Handbewegung, wischte ich sie weg. Eine sanfte Brise wehte mir einzelne Strähnen ins Gesicht, die durch die Tränen an meiner Wange zu kleben schienen. Auch sie wischte ich wütend beiseite. Doch noch wütender wurde ich auf Legolas. Er stand nur da, bewegte sich nicht und schaute mich nur wieder mit einem undefinerbaren Gesichtsausdruck an. „Du kannst nicht bestimmen, wo mein Weg mich hinführen wird.“ „Ich weiß. Aber ich kann dir raten mir zu vertrauen und hier zu bleiben.“ „Ich werde aber nicht deinem Rat befolgen, hörst du? Ich habe mich nicht nur auf den Weg gemacht, um in Bruchtal zu verweilen und mein Leben hier zu verbringen. Du weißt das.“ Meine Hände fuchtelten in der Gegend umher und je mehr ich sprach, desto schriller hörte sich meine Stimme an. „Ich bin nicht auf dich angewiesen, Legolas!“ Das war gelogen. „Ich werde auch den Weg ohne dich antreten, wenn es sein muss. Ich kann auch gut auf mich selbst aufpassen.“ „Elen, du verstehst einfach nicht. Hörst du mir überhaupt zu, was ich dir zu sagen versuche?“ „Nein, du sagst immer nur ich dürfte nicht nach Düsterwald gehen. Aber warum denn?“ Wenn Legolas die Zeit über ruhig gesprochen hatte, so wurde nun auch er lauter. „Du denkst alles ist gut auf dieser Welt. Niemand will dir etwas böses. Jeder wird dich mit offenen Armen empfangen. Überall kannst du einmarschieren, unbekannte Lande oder nicht. Doch so ist es nicht...“ „Was willst du damit sagen? Ich würde nicht nach Düsterwald kommen? Sie würden mich trotz deiner Gegenwart töten?“ „Elen, übertreib es nicht. Aber du verstehst es nicht. Du wirst alles ’dort’ nicht verstehen.“ „Ich bin nicht dumm. Ich kann mich auch an fremde Orte und Sitten gewöhnen und mich anpassen. Außerdem habe ich nicht vor, dort meinen Wohnsitz aufzuschlagen.“ „Nein Elen. Ich werde dich nicht nach Düsterwald bringen. Bleibe hier oder kehre um!“ Und das tat ich auch. Wütend, enttäuscht und verzweifelt drehte ich mich herum und ging mit schnellen Schritten aus dem Raum, nach draußen. Meine Beine trugen mich immer schneller und erst eine Zeit später bemerkte ich, dass ich lief. Ich lief wieder zum Fluss am Wasserfall. Den Weg sah ich nur verschwommen. Ich machte mir nicht mehr die Mühe, meine Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Stolpernd ließ ich mich aufs weiche Gras sinken. Verkrallte meine Hände ins Gras und unterdrückte den Schmerz der sich in meinem Inneren ausbreitete. Ich verstand es nicht. Verstand Legolas nicht. Von Anfang an hatte er gewusst, wo ich hin wollte und warum. Kannte mich zu gut, als zu denken, ich würde den Plan aufgeben. Warum hielt er mich erst jetzt zurück? Warum hatte er mich überhaupt bis hierher mitgenommen? Aus Mitleid? Ich würde dann wenigstens einen Teil von der Welt sehen, die er mir sonst nur beschrieb? Nein, nein ich würde hier nicht sitzen bleiben, würde nicht einfach nur wütend sein, auf ihn schimpfen und doch nichts unternehmen. Ich hatte ihn gewarnt, ich würde auch alleine losgehen und das meinte ich Ernst. Langsam verflog der innere Schmerz und neuer Mut ließ mich aufhören zu schluchzen. Ich öffnete meine verkrampfte Hand und nahm den leichten Schmerz wahr, der sich durch die Hand zog. Mit einer schnellen Handbewegung wischte ich mir Haare und Tränen aus dem Gesicht und ging langsam wieder zu den Gemäuern in meinen Raum. Es war schon spät und die Nacht würde bald hereinbrechen. Schon reicher an Zuversicht setzte ich mich auf das Bett. Ich würde meinen Vater finden, dass war alles was zählte.

-13-

Schreckhaft hob ich den Kopf und blinzelte in das dunkle Zimmer. Ich saß noch immer, war eingenickt. Etwas müde setzte ich mich gerade auf. Doch der Entschluss zu gehen, das Gefühl der Wut und Verletztheit, war noch immer. Ein Blick auf den Mond ließ mich wissen, dass es schon spät in der Nacht war. Genau richtig. Schnell huschte ich aus dem Raum ohne mich noch einmal umzusehen und schlich die Gänge entlang. Der einzige der mir folgte, war mein Schatten. Leise, so gut es eben ging, schlich ich die Wege entlang und versuchte mir den Weg ins Gedächtnis zu rufen, wo die Stallungen lagen. Doch ich wusste es nicht mehr. So sehr ich mich auch anstrengte. Im Dunkeln sah alles anders aus, und auch nur von einer Anhöhe, wurde mir von dem Elben die Richtung gezeigt. Wütend über mich selbst, blieb ich stehen und sah mich um. Über mir ragten die zierlichen Gemäuer und um mich herum frisches Grün, was mir die Sicht nahm. Ich lief wieder los, in der Hoffnung die richtige Richtung eingeschlagen zu haben. Ich wusste, ich durfte nicht allzu viel Zeit verstreichen lassen. Elben hatten ihre Augen und Ohren überall. Und besonders von einem, wollte ich nicht bemerkt werden. Langsam lief ich ein Stück nach oben und dann sah ich die Grenze. Ein Elb stand an der Wand des Berges und sah in meine Richtung. Natürlich hatte er mich bemerkt. Doch ich ging weiter. Hoffte nur, er würde mich nicht aufhalten. Mit seinen Blicken verfolgte er zwar meine Schritte, sagte oder tat aber nichts, so das ich schneller lief und die Grenzen Bruchtals hinter mir ließ. Mein Herz pochte in meiner Brust. Froh, mich überwunden zu haben, und unsicher dem gegenüber stehend, was mich jetzt erwartete. Doch ich lief weiter. Wollte den Abstand mit jedem Schritt größer werden lassen. Der erste Schritt war getan. Doch langsam wurden mir die Schritte zuviel, die ich jetzt schon tat, und somit verlangsamte ich meinen Gang und gönnte mir eine Zeit zum verpusten. Meine Seite schmerzte ein wenig, doch ich verdrängte es. In dem dicken Kleid kam man leicht aus der Puste. Ich zählte schon nicht mehr, wie oft ich es verfluchte. Mitten im gehen, drehte ich meinen Kopf. Bruchtal war kaum noch zu sehen, was ich mit einem zufriedenen Lächeln registrierte. Was Legolas jetzt wohl tat? Sicher irgendwo umherlaufen und sich über mich ärgern. Aber ich zwang mich, meine Gedanken auf andere Bahnen zu lenken. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wo genau ich lang musste. Vor mir jedenfalls, erstreckte sich ein Wald, noch einige Meilen entfernt, doch gut sichtbar. Die Dunkelheit ließ nur seine Silhouette erkennen. Um ihn herum schlossen sich weite Berglandschaften. Mir blieb nur der Wald als Weg übrig. Doch er war noch weit entfernt und ich war noch lange nicht aus dem Sichtbereich eines Elbenauges herausgetreten. Fast automatisch setzten sich meine Beine wieder schneller voreinander. Nun verfluchte ich mich, nicht doch noch die Stallungen aufgesucht zu haben.

Legolas tat kein Auge zu. Wie konnte er auch? Er hatte nicht gedacht, dass Elen sich so aufregen würde. Er hatte nicht gedacht das sie es so eilig hatte und er hatte sich verschätzt, mit der Zeit zum überlegen, die er sich einkalkuliert hatte. Seine Beine trugen ihn immer wieder von einer Seite des Zimmers und zur anderen. Der Streit beunruhigte ihn. Legolas hoffte nur, dass Elen ihm noch weiterhin sein Vertrauen schenken würde und noch immer auf ihn hören würde. Und auch noch immer die gleiche Geduld aufbrachte. Er wusste natürlich, dass Elen auf Erklärungen hoffte. Dass sie Antworten auf ihre Fragen wollte, die er ihr nicht geben konnte. So gern er es auch wollte, es ging nicht. Warum, wusste er selbst nicht genau. Wahrscheinlich, wollte er ihr Bild, was sie von Elben besaß, nicht zerstören.

Meine Hände auf die Knie gesützt und schwer ein- und ausatmend, stand ich vor dem ersten Baum, des großen Waldes. Mein Mund war ausgetrocknet und verlangte nach Flüssigkeit. Meine Beine knickten mir fast weg und ich bemerkte, dass auch meine Hände leicht zitterten. Doch es ging vorbei. Die Erschöpfung löste sich bald wie ein Wolkenfetzen in Luft auf. Am Horizont begann die Sonne langsam ihre rote Farbe über die Ebene zu legen und Bruchtal war jetzt aus meinem Sichtfeld verschwunden, was ich mit einem Lächeln registrierte. Doch ich war nur ein kleines Stück vorangekommen. Nichts von großer Bedeutung, wenn man bedachte, was ich noch vor mir hatte. Zur inneren Aufmunterung, streckte ich mich einmal und atmete laut aus. „Weiter geht’s, Elen. Vertraue einfach auf deine Beine.“ Lächelnd schritt ich voran. In der Dämmerung wirkte der Wald schummerig und noch nicht wirklich wach. Nichts regte sich in den Wipfeln, kein Blatt raschelte und kein einziger Waldbewohner schien sich um diese Zeit zu zeigen. Meine Schritte wirkten dadurch merkwürdig laut auf dem seichten Waldboden. Fast automatisch nahm ich meinen Rock höher und tappte so um einiges leiser durch den Wald. Je tiefer ich kam, umso einsamer schien er zu werden. Bald konnte ich den Waldrand nicht mehr ausmachen. Doch die Sonne kämpfte sich langsam durch die Baumkronen und die ersten Vogellaute waren zu vernehmen. Eichhörnchen huschten die Bäume empor und kleine Erdbewohner steckten ihre Nasen aus den Höhlen. Es schien, als würde mit den Tieren auch der Wald aufwachen. Die Bäume standen nicht mehr so dicht aneinander ließen so mehr Licht herein. Und mit dem warmen Licht und den erwachten Tieren, erwachte auch wieder neue Entschlossenheit.

Sie war nicht da! Legolas stand fassungslos in dem kleinen Raum. Sie war nicht da! Aber das konnte nicht sein! Sicher war sie nur wieder in Bruchtal unterwegs. Bestimmt war sie auch noch wütend und wusste, dass er zu ihr kommen würde, und weichte ihm somit noch aus. Doch Legolas wollte mit ihr reden. Er würde sie schon finden. Und doch blieb ein ungutes Gefühl, dass ihm sagte, dass sie sich doch nicht in seiner Nähe aufhielt. Eilig schritt er durch die Gänge, hinaus auf das Gelände und suchte mit seinen Augen die Gegend ab. Ging hinunter zum Wasserfall, zum Fluss und wieder zurück in die Gemäuer. Doch sie war nirgends. Das Gefühl verstärkte sich mit jeder Sekunde mehr. Und dann wurde ihm klar, dass sie nicht mehr hier war. Sie hatte die Grenzen Bruchtals verlassen und hatte sich allein auf den Weg gemacht. Eine leichte Panik legte sich über ihn. Er musste sie einholen. Ohne weiter zu überlegen, lief er zu den Ställen und holte sein Pferd. Sicher hatte sie schon den Wald erreicht, in dessen Richtung sie zwangsläufig musste. Leise sprach er beruhigende Worte zu seinem Pferd, dass etwas unruhig wurde. Dann ritt er los und kam an dem Elb an der Grenze vorbei. Er hatte Elen gesehen. Mitten in der Nacht, kam sie an ihm vorbei und lief in Richtung Wald. Natürlich hatte er keine Fragen gestellt. Die Aufgaben des Elben, war nur darauf zu achten, wer die Grenzen Bruchtals nach innen beschritt, nicht, wer sie freiwillig verließ. Eilig trieb Legolas sein Pferd an und hoffte, er würde Elen schnell einholen.

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-14-

Wieder fühlte ich mich etwas erschöpft und die Sonne stieg mit jeder Sekunde höher und brachte damit die Wärme mit. Nur am Stand der Sonne konnte ich ungefähr erkennen, wie lange ich schon unterwegs war. Kurz blieb ich stehen und schaute nach oben. Meine Augen abschirmend, sah ich durch die hohen Wipfeln und in den blauen Himmel, der so unentlich weit weg schien. Die einzelnen Sonnenstrahlen kämpften sich durch die kräftigen Stämme der Bäume. Ich versuchte sie aus Langeweile zu bestimmen und suchte auch nach bekannten Pflanzen. Meine Mutter hatte mir als Kind oft die Namen der Naturbewohner genannt. Schließlich bestimmte ich sogar die Singvögel, wenn sie ihr Lied anstimmten. Doch plötzlich mischten sich noch andere Geräusche dazu, die eindeutig nicht dem Walde gehörten. Mit klopfendem Herzen stand ich wie angewurzelt da und lauschte angestrengt in die Richtung. Es waren Stimmen, die eindeutig Männern angehörten. Es waren zwei und sie mussten mit Pferden unterwegs sein. Doch sie waren auch sehr leise, was mich verwunderte. Darum war ich auch nicht sehr überrascht, als ich sie schon bald zwischen den Bäumen erkennen konnte. Ich hatte mich mit der Entfernung verschätzt. Und dann erkannte ich auch den Grund. Es waren zwei Elben, die jetzt mit einem aufmerksamen Lächeln zu mir kamen. Ihre Schimmel traten leichtfüßig neben mich. Mir blieb keine Zeit mehr, mir ein Versteck zu suchen. Ihre Blicke ruhten auf mir und schienen mich zu durchbohren. Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit. Ihre Blicke gefielen mir nicht. Ihre langen blonden Haare verrieten mir jedoch, dass sie von Düsterwald kommen mussten und das war etwas ermunterndes. „Seid gegüßt.“, sprach ich leise. Doch die Elben erwiderten meinen Gruß nicht. Ihr Lächeln wurde kalt und wirkte wie aus Stein gemeißelt. Ihre blauen Augen schienen dunkler zu werden und ihre Stimmen ließen mich erschaudern. Nichts freundliches war aus ihnen zu vernehmen. „Ein Landstreicher in Landen, die euch nichts angehen. Das ist aber nicht sehr höflich.“ Ein kurzer Blick zu dem anderen Elben, ließ auch ihn sprechen. „Kennt sie die Gesetze nicht?“ „Nein, aber das ist ja nicht schlimm. Sie wird sie schon noch kennenlernen.“ Ihr Lachen dröhnte in meinen Ohren und vermischte sich mit meinem eigenen Herzschlag. Sie taten, als würde ich kaum vor ihnen stehen. Ich wusste nichts von Gesetzen. Wusste nicht, in welchen Landen ich mich grade befand und wusste auch nicht, wovon sie sprachen. Das einzige was ich wusste, war, dass ich sofort weg wollte. Das ich Angst hatte. Angst vor diesen beiden eigenartigen Elben, die so gar nicht meinem Bilde von ihrer Art entsprachen. Doch weglaufen war unmöglich. Hinter meiner Stirn arbeitete es, doch es wollte sich keine Lösung formen. Die Angst lähmte mich, als der Elb genau neben mir, von seinem Pferd stieg. Kein Ton war zu hören, als seine Füße den Boden berührten. Sein Pferd stand ruhig an seinem Platz. Fast stolpernd schritt ich einen Schritt zurück. „Es tut mir Leid, wenn ich eure Gesetze brach, doch ihr sollt wissen, es war ein Versehen.“ Meine Stimme hörte sich brüchig an und sein eisiges Lächeln, ließ mir erneut einen Schauder über den Rücken jagen. „Ja. Natürlich war es ein Versehen. Doch was sollen wir tun? Sie laufen lassen? Wegen ihrer Naivität?“ Die Worte waren an den anderen Elben gedacht, dessen Lippen sich auch zu einem kalten Grinsen formten. „Wo würden wir denn dann enden?“ Der Elb vor mir, sah mich wieder an und nickte langsam. „Seht ihr?“ Ich wusste nicht, wovon er sprach, doch meine Angst wuchs mit jeder Sekunde.

Der Wald kam näher. Er hatte ihn fast erreicht. Und Legolas konnte auch schon ihre Anwesenheit spüren. Er wusste, er war auf dem richtigen Weg. Doch auch noch etwas anderes war zu spüren. Genau das, was Legolas befürchtet hatte.

Laufen, ich musste laufen. So schnell ich konnte, drehte ich auf dem Absatz um und lief um einen Baum herum. Stolperte fast über meinen eigenen Rock und lief zum nächsten. Hinter mir hörte ich ein Geräusch, was mir bekannt vorkam. Es gehörte einem Bogen an. Fast hätte ich geschrien, lief hinter den nächsten Baum. Meine Kehle war wie zugeschnürt und in meinen Ohren rauschte es. Mein Herz pochte so laut, dass ich Angst hatte, man könnte es hören. Meine Beine waren so schwer, dass ich das Gefühl hatte, nicht von der Stelle zu kommen und die Bäume schienen Kilometer voneinander entfernt zu stehen. Sie würden mich töten. Sie würden mich sterben lassen. Würden lachend weiter reiten und irgendwann würde man mich finden. Leblos und ohne jeden Lebenshauch mehr in mir. Ein Elb sagte irgendetwas, doch die Worte gingen in dem Rauschen meines Ohres unter. Ein Lachen folgte und dann vernahm ich erschreckenderweise das Surren des Pfeiles. Mein Herz setzte für einen Moment aus und ich hielt meinen Atem an. Ich stand nicht im Schutze eines  Baumes. Meine Hände krallten sich in meinen Rock und mit zugenkniffenden Augen wartete ich auf den Schmerz. Wusste nicht, wo er mich treffen würde. Wo er mich treffen wollte. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, als würde die Zeit angehalten worden sein. Doch dann kam er, heftiger und erschreckender, als ich es geglaubt hatte. Zuerst spürte ich nur einen ungemeinen Druck in meinem Oberschenkel, doch der Schreck ließ mich aufschreien. Dann fiel ich.

Der Schrei hallte in Legolas Ohren nach. Ein eisiger Schauer durchfuhr seinen Körper. Und er spürte Angst, ihre Angst und seine eigene; zu spät gekommen zu sein. Nochmals trieb er sein Pferd wieder an, sprach leise Worte zu ihm, und spürte, wie der Körper unter ihm sich abermals streckte und das letzte aus sich herausholte. Die Bäume rauschten an ihm vorbei, doch er nahm sie nicht als Hindernis wahr.

Dem Druck wich der Schmerz. Er durchfuhr meinen gesamten Körper wie ein einziger Stromschlag und sammelte sich dann in meinem rechten Bein. Ich war unfähig mich noch zu bewegen, hatte Angst, mich umzusehen. Hatte Angst vor dem was ich sehen würde. Wollte es nicht wissen. Automatisch tastete meine rechte Hand zu meinem Bein und ein Schluchzen entrann mir, als ich den Pfeil spürte, der tief in meinem Fleisch steckte. Ich hatte das Gefühl, als hätte er mich durchbohrt. Doch traute ich mich auch nicht hinzusehen. Meine Augen waren noch immer fest geschlossen. Zum einem aus Angst sie zu öffnen und zum anderen hinderte der Schmerz mich daran. Und dann spürte ich Wärme. Sie ging von meinem Bein aus. Mein gesamtes Bein begann zu tuckern, und ich glaubte zu ahnen, dass es das Blut war, was jetzt mehr und mehr durch meine Venen gepumpt wurde. „Sie glaubte wirklich an Flucht.“ Hörte ich plötzlich wieder die eisige Stimme. Sie war genau neben mir. „Sie weiß wirklich nichts von den Gesetzen. Wie schade.“ Es tat weh, als ich die Augen öffnete. Als würde sich mein ganzer Körper dagegen wehren. Der Elb hatte noch immer dieses eisige Grinsen auf seinem makellosen Gesicht. Den Bogen in der rechten Hand. Und wieder kam mir der Gedanke, dass er mich jetzt wirklich töten würde. Schmerz und Angst vermischten sich miteinander und was blieb, war ein würgendes und erstickendes Gefühl. „Ich flehe euch an.“ Brachte ich mit erstickender Stimme hervor. Doch was nützte das betteln um Gnade?

Die Angst umhüllte Legolas wie ein Schleier. Sie war im ganzen Wald zu spüren. Schien sich wie ein dichter Nebelstreifen durch die Bäume zu schlängeln. Deutlich konnte er Elen’s Anwesenheit spüren und die zweier Elben. Sie war nicht mehr weit von ihm entfernt. Fast schon glaubte er sie zu hören. Und auch die anderen beiden. Und dann wurden die Laute, die erst nur leise zu vernehmen waren, deutlicher. Und auch die ersten Umrisse. Er war ganz nah.

-15-

Mein um Gnade flehen brachte mir nur ein höhnisches Gelächter ein. Noch immer lachend, ließ der Elb sich in die Hocke. Genau neben mir. Auch der andere kam näher und mein Magen begann sich zu drehen. Das Rauschen in meinen Ohren nahm wieder zu und erneute Angst lähmte mich. Schnürte mir die Luft ab und nahm mir die Luft zum atmen. Mit langsamen und doch so bedrohlichen Bewegungen, berührte er mein Gesicht. Es war, als würden seine Finger mir meine Haut abschürfen. Schnell drehte ich meinen Kopf, doch er hielt mich davon ab.  Die zwei kalten Augenpaare musterten mich und amüsierten sich über meinen heftig zitternden Körper. „Sie ist…“ Plötzlich stand er ruckartig auf. Sie beide blickten in eine Richtung. Auch ich versuchte etwas zu erkennen.

Wenigstens etwas zu hören. Doch das Rauschen in meinem Kopf, hinderte mich daran. Im ersten Moment dachte ich an nochmaliges fliehen. Doch schnell verwarf ich diesen absurden Gedanken wieder. Was war los, dass sie von mir abließen? Wieder versuchte ich etwas zu hören oder zu sehen. Doch auch sehen konnte ich nur wenig, da der Schmerz mich die Augen zukneifen ließ. Noch immer traute ich mich nicht, auf mein Bein zu schauen. Mir schien, als würde der Schmerz mit jeder Sekunde zunehmen. Es zu bewegen kam mir nicht in den Sinn. Wahrscheinlich aus Angst, es nicht mehr zu können. In meiner verdrehten Lage, versuchte ich zu den beiden Elben zu schauen. Sie ragten über mir und plötzlich hellten ihre Augen wieder auf. Sogar ein Lächeln, was nichts mit Freundlichkeit zu tun hatte, bildete sich auf ihren Gesichtern. Es schien eher erleichtert, selbstsicher. Auch ihre Haltung entspannte sich etwas. Und dann hörte auch ich es. Pferdehufe galoppierten über den Waldboden in unsere Richtung. Eine leichte Hoffnung durchströmte meinen Körper, aber auch erneute Angst. Und dann wieder Schmerz. Unbewusst hatte ich versucht, mich etwas zu drehen und bewegte dadurch mein Bein. Ein Fehler. Mein gesamter Körper schien sich in sich zusammenzuziehen und ballte sich schließlich wieder im Bein. Und für einen Moment drehte sich der Boden unter meinen Füßen und mit meinen Händen versuchte ich mich irgendwo festzukrallen. Und dann hörte es aprupt wieder auf. Was blieb, war der Schmerz, der nur leicht versiegte. Für einen Moment hielt ich noch meine Augen geschlossen und wartete ab. Die Schmerzattacke zeigte mir, wie nahe mein Körper vor einer Ohnmacht war. Im Innersten wünschte ich sie mir sogar. Doch der Gedanke, dann vielleicht nie wieder aufzuwachen, hinderte mich daran. Ein Elb neben mir sprach etwas und das holte mich wieder zurück. Wieder nur vorsichtig öffnete ich meine Augen. Und dann durchströmte nicht wieder Schmerz meinen Körper, sondern Hoffnung und unendliches Glück. Legolas glitt lautlos auf den Boden und kam ein paar Schritte zu uns. Nur flüchtig streifte sein Blick zu mir. „Was verschafft uns die Ehre? Prinz Legolas?“ Die Worte des Elben hörten sich höhnisch an, doch Legolas ignorierte es. Sein Blick war angespannt, sein Kiefer aufeinandergepresst und sein Mund zu einer schmalen Linie gezogen. Seine Augen richteten sich auf den Elben, der noch immer direkt neben mir stand und sie nahmen einen Ausdruck an, den ich noch nie an ihm gesehen hatte. Nicht einmal bei unserem größten Streit, sah er auch nur eine Sekunde lang ’so’ aus. „Ihr stört, mein Prinz.“ Wieder der gleiche Unterton. „Ihr könnt euren Ritt wieder aufnehmen. Euch hält nichts mehr an diesem Ort. Lasst das Mädchen in Ruhe.“ Ein leichtes drucksen entrann des Elben Kehle. „Es tut mir Leid. Jedoch haben wir uns auch an unsere Gesetze zu richten, die euch bekannt vorkommen sollten. Wir können nicht weiterreiten.“ Legolas Augen verengten sich. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. „Ihr könnt es und auch das müsste euch bekannt sein. Die Gesetze sind hier nicht von Belang.“ „Ich schätze unsere Gesetze zu pflegen, mein Prinz. Auch ihr könnt daran nichts ändern.“ Der Elb, der sich die Zeit mehr im Hintergrund gehalten hatte, trat auch jetzt etwas beiseite. Neue Angst überkam mich. Trotz Legolas’ Anwesenheit, spürte ich neue Panik aufkommen. Etwas stimmte nicht. Und dann zog der Elb plötzlich Pfeil und Bogen und richtete ihn auf mich. Keine Sekunde lang ließ er Legolas dabei aus den Augen. Doch ich erschrak mich so sehr, dass ich ein Stück weg wich und mich dabei wieder die gleiche Schmerzattacke überfiel. Diesmal war es aber nicht nur bloße Angst, die sich mit dem Schmerz vermischte, sondern Panik. Mein ganzer Körper zitterte, sodas ich keine Gewalt mehr über mich hatte und meine Finger krallten sich in den warmen Erdboden. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, bis der Schmerz wieder etwas nachließ. Um mich war es still. Niemand sprach ein Wort, doch noch immer spürte ich förmlich den Pfeil auf mich gerichtet. Als ich wieder hoch sah, war ich nicht mehr die einzige, auf der Pfeil und Bogen gerichtet wurde. Das erste mal war Unsicherheit in des Elben Augen zu sehen. Legolas Blick dagegen schien um so entschlossener. „Ich werde mich an die Gesetze unseres Landes halten.“ „Ihr sagtet vorhin, wir seien außerhalb unserer Lande. Ihr habt sie hier nicht mehr zu befolgen.“ Der fremde Elb schien sich nicht sicher zu sein, ob Legolas Ernst machen würde. Auch ich war es nicht. Niemals habe ich ihn töten sehen. Geschweige denn einen Menschen. Plötzlich sah ich, wie der Elb seinen Bogen noch weiter spannte und auf meinen Rücken zielte. Erschrocken atmete ich heftig ein und versuchte mich zu ducken. Dann ertönte plötzlich ein surren des Pfeiles und der Elb ließ erschrocken seinen Pfeil los, der knapp über mich hinwegschoss. Fast lautlos, sank der Elb in sich zusammen und blieb leblos auf dem Boden neben mir liegen. Der Pfeil steckte seitlich unter seinem Arm, in seinem Herzen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich ihn an und dann wieder zu Legolas, der jetzt auf den anderen Elben zielte. Doch der machte keine Anstalten zur Gegenwehr. Mit leichtem Erschrecken trat er zurück zu seinem  Pferd und sagte Worte auf Elbisch, wonach Legolas den Bogen senkte und ihm hinterhersah, wie er durch den Wald davonritt.

In mir breitete sich ein erneutes Würgen aus. Für einen Moment hatte der Schock mich meinen Schmerz vergessen lassen. Doch jetzt spürte ich ihn wieder um so heftiger und der Anblick des toten Elben neben mir, trug nicht grade dazu bei, dass mein Magen sich beruhigte. Angewidert schluckte ich den sauren Geschmack wieder herunter. Erst jetzt nahm ich wahr, wie sehr ich zitterte und auf meiner Stirn lag ein kalter Schweißfilm. Mit dem Schmerz in meinem Bein, mischte sich jetzt sogar noch Taubheit, was mir eine neue Art Angst einjagte. Legolas war gegangen. Ich konnte ihn weder sehen noch hören. Doch ich wusste das er noch in der Nähe war und jeden Moment wieder bei mir sein würde. Und so war es auch. Leise trat er durch die Schatten der Bäume und er hatte etwas in der Hand was ich nicht erkennen konnte. Erst als er fast bei mir war, identifizierte ich es als irgendwelche Kräuter. Vorsichtig ging er neben mir in die Hocke und es war das erste mal das er mich anlächelte. Seine Gesichtszüge wirkten nicht mehr so angespannt, doch noch immer sich der Gefahr bewusst. Die Elben würden sicher nicht mehr zurückkommen, erst Recht nicht der, der neben mir lag. Es war noch etwas anderes was ihm Sorgen machte. Doch trotz dem ich das wusste, war ich doch so erleichtert wie noch nie in meinem Leben und mit dem Gefühl der Angst und dem Schmerz, mischte sich jetzt ein leichtes Glücksgefühl dazu. Wie konnte ich nur von ihm weggegangen sein? Wie hatte ich es so lange ausgehalten?

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Noch immer war er wütend auf Elen. Legolas mochte nicht daran denken, was geschehen wäre, wenn er sich nicht auf dem Weg gemacht hätte. Wieso hörte sie auch nicht ein einziges Mal auf ihn? Er wusste schon, was er sagte. Er wusste wovon er sprach und doch schien sie seine Worte nicht in sich aufzunehmen. Er konnte spüren, dass sie sich jetzt sicherer fühlte, doch die Gefahr war noch längst nicht vorbei. Der Pfeil steckte tief und das schon viel zu lange. Die Pfeilspitzen der Elben waren aus giftigen Matarial und nur Elen’s elbisches Blut hielt sie noch von einer Ohnmacht fern. Doch auch das würde ihr bald nicht mehr helfen. Und er selber wusste nicht genug über Arzneien. Die Kräuter die er jetzt hatte, halfen nur zur Stillung des Blutes und sie hielten kurzzeitig das Verbreiten des Giftes auf. Doch nicht für lange. Sie mussten auf dem schnellsten Weg zurück nach Bruchtal. Legolas fiel auf, dass Elen, trotz des Schmerzes, sein Handeln mit fast kindlichen Interesse verfolgte. Die Kräuter waren schnell fertiggemacht und jetzt musste er sich beeilen.

Legolas hatte noch nichts gesagt. Stumm sah ich ihm zu, wie er die Kräuter klein schnitt und mit Steinen weich malmte, so das sie zu einer breiigen Masse wurden. Als er fertig war, schaute er mich wieder lächelnd an. Doch die Sorge wich nicht aus seinem Gesicht. Mit dem Dolch schnitt er mein Kleid am Bein frei. Und abermals musste ich würgen. Es war nicht so viel Blut zu sehen, wie ich gedacht hatte. Doch der Anblick, der sich mir bot, war weitaus schlimmer. Der Pfeil musste nur knapp meinen Knochen verfehlt haben, denn er steckte seitlich und hatte meinen gesamten Oberschenkel durchbohrt. Ein Teil der Pfeilspitze schaute an der Seite des Schenkels heraus und immer wieder rannen Blutstropfen aus der kleinen Wunde. Ein Ratschen  ließ mich den Blick abwenden und ich sah, wie Legolas Stoffstreifen aus dem abgetrennten Rockteilen riss. Was hatte er damit vor?! Wieder spürte ich Angst aufkommen. Angst vor Schmerz. Mit dem Dolch schnitt Legolas vorsichtig den Pfeil kurz vor meinem Bein ab. Es tat nicht weh, doch machte es mir Angst. „Was…?“ Meine unausgesprochene Frage ließ Legolas aufsehen. Für einen Moment sah er mich nur an. „Ich möchte das du mich ansiehst.“ Ich verstand nicht. Wollte es wahrscheinlich gar nicht. Wieder haftete mein Blick auf meinem Bein und dann spürte ich Legolas’ Hand unter meinem Kinn. Mit sanfter Gewalt, brachte er mich wieder dazu, ihn anzusehen. Mit zittrigem Atem tat ich es. „Tu wenigstens dieses eine mal was ich dir sage.“ Seine Worte unterstützte er mit einem leichten Lächeln. Doch ich konnte nicht zurücklächeln und auch nicht antworten. Ich wusste was jetzt kam und wahrscheinlich musste es sein, doch die erneute Angst, schnürte mir die Kehle zu. Als Legolas seinen Blick wieder abwandte, kniff ich die Augen zu. Wartete erneut auf den Schmerz und wieder war es erst nur ein unangenehmer Druck, der sich dann aber rasend schnell in einen unglaublichen Schmerz ausbreitete. Ein Zittern ergriff meinen Körper und ehe ich aufschreien konnte, wurde mir schwarz vor Augen. Und erst dann erlöste mich eine Ohnmacht.

Vorsichtig legte Legolas Elen’s leblosen Körper auf den weichen Waldboden. Er war erleichtert, dass sie wenigstens für diesen Augenblick von dem Schmerz befreit war. Mit schnellen Bewegungen verteilte er die Kräuter und wickelte dann die Stofffetzen um die offene Wunde. Es würde nicht lange dauern und der Stoff würde durchweicht sein. Schon jetzt zeichneten sich dunkle Konturen ab. So vorsichtig wie möglich hob er Elen hoch und setzte sie aufs Pferd. Es war nicht einfach, doch es gelang ihm, sie so zu platzieren, dass ihr Bein nicht zu sehr beansprucht wurde und er sie gleichermaßen auch noch gut halten konnte. Mit geflüsterten, elbischen Worten trieb er sein Pferd an und hoffte, Elen würde auch den Ritt durch in ihrer Ohnmacht verweilen.

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