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Titel:
Feuer und Eis Autor: Nasdyr
1.
Eis
Die Nacht
ist grimmig kalt und der Sturm, welcher über dem
Land wütet, ist der heftigste dieses Winters. Die
weiße Pracht, die sonst in sanftem Taumel zu meiner
Freude fällt, dringt nun gleich Eisgeschossen in
die Haut. Sie nimmt mir die Sicht, so dass ich kaum
erkenne, wohin ich meine Schritte lenke.
Schon
liegt der Schnee hüfthoch auf unserem Weg, höher
noch an Stellen, wo ihn der Sturm zu kleinen Bergen
aufgetürmt hat. Meine Männer und die Packtiere
kämpfen sich nur noch mühsam vorwärts,
erschöpft von dem stundenlangen Marsch.
Glücklicherweise
haben wir die große Eiche, welche der Blitz vor
Jahresfrist gespalten hat, schon hinter uns gelassen.
Nur noch eine Hügelkuppe liegt zwischen meinem
kleinen Tross und dem sicheren Unterschlupf.
Plötzlich,
inmitten des tobenden Sturmes ist es, als dringe eine
Stimme an mein Ohr. Zuerst glaube ich mich getäuscht
zu haben. Wie könnte es auch sein, dass sich ein
Mensch in solcher Nacht hier in den Wald verirrt hat.
Doch dann höre ich den Ruf wieder. Einen Hilferuf.
Leise und verzweifelt, übertönt er kaum das
Heulen und Tosen der entfesselten Gewalten.
Und dann
bemerke ich auch einen schwachen Lichtschein. Eine Sekunde
nur, dann verliere ich ihn wieder aus den Augen. Doch
ich habe genug gesehen und gebe meinen Männern
ein Zeichen, ihre Schritte in Richtung des unglücklichen
Geschöpfes zu lenken.
Schon
nach wenigen Metern kommen unsere Tiere in dem hohen
Schnee nicht mehr voran, und wir lassen sie in der Obhut
der Knappen zurück. So dauert es, bis wir die kleine
Lichtung erreichen, und der Ruf erklingt erneut. Inzwischen
schwingt Hoffnung darin mit, aber ich achte nicht mehr
darauf.
Ich achte
nur auf den Klang der Stimme, welche ich zu kennen glaube.
Sollte das Schicksal sich einen solchen Streich erlauben?
Dann
leuchten winzige Flammen vor mir auf. Ein Mann und ein
Knabe, welche mit dünnen Zweigen versuchen, sie
am Leben zu erhalten, ducken sich gegen den eisigen
Wind. Sie haben ihre Gesichter abgewandt, doch etwas
in der Haltung des Mannes ist mir vertraut, und noch
bevor er aufblickt habe ich Gewissheit.
Du bist
es.
Mein
Herz vollführt den gleichen kleinen Sprung wie
vor so vielen Jahren, daran hat sich nichts geändert.
Zu gut kann ich mich noch an den jungen Mann erinnern,
der solche Leidenschaft in mir erweckte. Und danach
solchen Hass.
Denn
wir sind ein stolzes Volk und ich bin darin keine Ausnahme.
Wir tragen schwer an Zurückweisung, schwerer noch
an Kränkung, und du hast mich beides kosten lassen.
Die Jahre haben das Feuer meines Zorns gemildert, doch
der Schwur von damals steht noch zwischen uns.
So sehe
ich dich an, wie du neben dem Feuer kniest und auf Knien
wirst du bleiben. Das ist der erste Gedanke, der mir
durch den Kopf geht, während ich noch überlege,
was ich nun tun soll.
Der Knabe
sieht uns mit Erleichterung und dem Vertrauen in eure
Rettung entgegen, doch du bist der schlanken Gestalt
zugewandt, die ich erst jetzt bemerke. Ein junger Mann.
Auf einer Trage, notdürftig aus Ästen gezimmert,
liegt er reglos, und. du ziehst die Decke fester um
ihn, während du leise auf ihn einsprichst, dass
nun alles gut werde und seinen Namen nennst, der mich
stutzen lässt.
Ich verlange
nach Licht.
Während
mir einer meiner Männer eine Laterne reicht, wendest
du dich langsam um. Die Bestürzung in deinem Gesicht
sagt mir, dass du nicht vergessen hast, wie sich meine
Stimme anhört. Doch noch bist du dir nicht sicher,
und so lasse ich den Lichtschein auf mein Gesicht fallen
und sehe, wie sich deine Augen weiten, als du erkennst,
wen ein grausames Geschick dir gesandt hat. Nicht den
erhofften Retter, sondern mich.
Dann
schwenke ich das Licht auf die Gestalt am Boden. Es
ist tatsächlich deines Königs Sohn. Ich hörte
schon, das er verschollen sei. Du also hast ihn nun
gefunden, doch was Gutes tat es ihm?
Das kleine
Feuer, welches du entfacht hast, wird nicht mehr lange
brennen. Und selbst wenn, kann es die erbarmungslose
Kälte der Nacht nicht abhalten, und auch nicht
ihre Kreaturen, die ich in der Ferne heulen höre.
Selbst wenn ich dich nicht auf der Stelle niederstrecke,
könnt ihr in diesem Schneesturm niemals überleben.
Nur meine
Barmherzigkeit vermag euch jetzt zu retten. Doch will
ich sie dir zugestehen? Ich weiß es nicht, und
während ich noch zögere, beginnst du zu sprechen.
Du bittest
mich.
Nein,
nicht für dich, das würde dein Stolz niemals
zulassen. Und stündest du allein vor mir, da bin
ich mir sicher, du würdest mir vor die Füße
spucken. Aber für deinen Prinzen und den Knaben
bittest du um mein Erbarmen, und ich kann nur erahnen,
was es dich kostet. Aber wie solltest du auch nicht?
Wie solltest du deinen Stolz über sein Leben stellen,
ist er doch deines Königs einzig Kind?
Ich höre
dich gern betteln.
Und so
rühre ich mich nicht, gebe dir kein Zeichen meines
Mitgefühls, sondern höre einfach nur zu, wie
deine Stimme verzweifelter klingt, dann leiser, bis
sie vom Brausen des Sturmes übertont wird. Schließlich
schweigst du, wohl ahnend, dass du sich umsonst erniedrigst,
und jede Hoffnung weicht aus deinem Blick.
Und noch
immer stehe ich da und sehe dich nur an. Meine Männer
werden unruhig, ich höre ihr verwundertes Gemurmel.
Sie verstehen nicht, wieso ich dir meine Hilfe verweigere.
Auch
der Knabe ist verwirrt. Er schmiegt sich unsicher an
dich, und du legst den Arm um ihn, doch kein Wort der
Beruhigung kommt über deine Lippen. Du hast euch
verloren gegeben und schaust trostlos auf ihn nieder.
Ich kann fast hören, wie du denkst, er sei zu jung
zum Sterben.
Der Knabe
blickt dich fragend und dann sagt er das einzige Wort,
von dem du wohl wünschst, dass es nicht aus seinem
Munde käme. Vater. Du schrickst zusammen und nun
endlich habe ich die Genugtuung, Furcht in deinen Augen
zu sehen. Am liebsten hättest du das unbedachte
Wort zurück genommen. Aber es ist gefallen, voller
Unschuld gibt es dich vollends in meine Hand.
Dein
Sohn.
Ich halte
die Laterne höher, um sein Gesicht besser sehen
zu können. Ich habe nicht darauf geachtet, ob dir
der Knabe ähnelt, und suche nun etwas, durch das
ich dich in ihm erkenne. Du ziehst ihn von mir
weg, hinter deinen Rücken. Wie lächerlich.
Glaubst du etwa, dass du ihn vor mir beschützen
kannst? Doch durch die Geste habe ich genug erfahren.
Du liebst ihn und wirst alles tun, um ihn zu retten.
Nun,
ich bin nicht grausam. Ich will nicht deines Kindes
Tod, noch will ich Theoden seines Sohnes berauben. Doch
ich verlange etwas für ihr Leben. Und ich weiß,
ich kann fordern, was ich will. Du wirst es mir nicht
verwehren.
Ich nenne
dir mein Begehr.
Selbst
im unsteten Licht der Laterne sehe ich dich erblassen.
Der Preis, den ich dir abpressen will ist hoch, und
alles in dir sich weigert, ihn an mich zu zahlen. Einen
Augenblick lang schließt du die Augen vor Verzweiflung,
doch du kannst sie nicht für immer geschlossen
halten. Du musst dich entscheiden. Aber eigentlich hast
du gar keine Wahl. Nicht als treuer Diener deines Königs.
Nicht als Vater dieses Knaben.
So trittst
du vor mich, mit starrem Gesicht, die Augen zu Boden
gerichtet, damit sie nicht zuviel von deinen Gefühlen
preisgeben. Und kniest vor mir nieder. Demütig
und bezwungen, bindest du dich mit deinem Wort an mich,
zu Gehorsam und zu Dienstbarkeit.
Nun bist
du mein.
Ich vermag
es kaum zu fassen, dass mir endlich gegeben wird, was
ich so lange vergebens begehrte. So viele Jahre habe
ich davon geträumt, dich mir zu unterwerfen. Dies
wird nun die Vergeltung sein, die ich geschworen habe
vor zwanzig Jahre, denn mein Volk bricht seine Eide
nicht, gleich wie lange sie zurück liegen. Was
kümmert mich da, dass dieser Sieg so billig ist,
so leicht errungen?
Eine
Sturmbö fegt über uns hinweg, mahnt mich,
dass dies nicht die Nacht ist, sie im Freien zu verbringen.
Der heftige Windstoss beugt die Gipfel der Bäume
über uns und schüttelt den Schnee von ihren
Ästen. Er fällt auf uns herab und löscht
das kleine Feuer.
Sofort
wird die Nacht noch dusterer. Das schwache Licht unserer
Laternen kann das Dunkel kaum durchdringen. Schon höre
ich den Ruf der nächtlichen Jäger näher
kommen. Auch unsere Packtiere haben ihn vernommen. Ihre
ängstlichen Laute werden die Beutemacher noch schneller
anlocken.
Wir sollten
nicht länger hier verweilen.
Ich gebe
meinen Männern ein Zeichen. Sie nehmen die Trage
mit dem Sohn des Königs auf und stapfen uns voraus,
zurück auf den Weg, welcher kaum noch erkennbar
ist. Doch ich kann die Richtung nicht verfehlen. Nur
noch eine Hügelkuppe bis zum sicheren Unterschlupf.
Ich werfe einen Blick auf dich, während du hinter
mir gehst.
Wie drängt
es mich, ihn zu erreichen.
2. Feuer
Ich betrete
die große Halle und finde alles zu meiner Zufriedenheit
gerichtet. Ein großes Feuer lodert im Kamin und
in der Luft hängt der rauchige Geruch brennender
Holzscheite. Ihr Knacken und Prasseln klingt anheimelnd
nach der Kälte der Nacht.
Die Knappen
haben auf dem langen Tisch in der Mitte des Raumes das
Mahl angerichtet. Es besteht nur aus Brot und Fleisch
und Speck, doch hungrig wie ich bin, störe ich
mich nicht an den einfachen Gaben. Und der große
Krug neben meinem Teller ist wohl gefüllt.
Ich nehme
meinen Platz am oberen Ende der Tafel ein. Der Platz
des Herrschers, wie er mir gebührt. Die beiden
Stühle neben mir sind frei, und ich winke dich
und deinen Sohn heran, euch zu mir zu setzen.
Du folgst
dem Geheiß nur widerstrebend, aber der Knaben
hat die Augen schon lange auf die vollen Silberplatten
gerichtet. Er ist esslustig, wie alle Jünglinge
in seinem Alter. Wie meine eigenen Söhne. Und er
geniert sich nicht, herzhaft zu zugreifen.
Doch
dein Teller bleibt unberührt. Nur den Weinkrug
führst du gelegentlich zum Mund, während du
düster vor dich hin starrst. Nie schweift dein
Blick zur Seite, nie achtest du auf die Worte und das
Lachen meiner Männer. Freudlos wartest du darauf,
dass das Mahl vorüber geht.
Was dich
wohl mehr bedrückt, dein Schicksal oder das deines
Prinzen? Es steht schlecht um Theodens Sohn. Ich
habe seine Wunden gesehen, so wie du auch. Noch lebt
er, doch wir beide wissen, er ist nicht mehr zu retten.
Ist es die Trauer um ihn, die dich so still macht, oder
fürchtest du dich so vor dem, was kommen
mag?
Ich weiß
es nicht, und in deinem verschlossenen Gesicht vermag
ich nicht zu lesen. Ich glaubte dich zu kennen, doch
in Wahrheit weiß ich nichts von dir. Nur das ich
dich einst liebte, vor langer Zeit.
Ich erhebe
mich.
Ich bin
gesättigt. Es ist ein anderer Hunger, den ich zu
stillen wünsche. Ich bedeute dir, mich zu begleiten.
Nun hebst du den Kopf, und in deinen Augen steht eine
solcher Grimm, dass ich schon glaube, du wirst dich
hier vor allen meinen Männern auf mich stürzen.
Doch
dann hörst du die Stimme deines Sohnes, und dein
Widerstand erlischt. Du zögerst, mit mir zu kommen,
ich sehe die Unruhe in deinem Gesicht. Sei unbesorgt.
Meine Vergeltung gilt nur dir allein, nicht deinem Kind.
Niemand wird ihm in meinem Hort ein Leid antun.
So legst
du dem Knaben aufmunternd die Hand auf die Schulter
Er sieht dich an und lächelt und wünscht
dir arglos eine gute Nacht.
Wortlos
folgst du mir in meinen Raum.
Ich trete
nach dir ein und schließe die Tür. Sofort
umfängt mich Halbdunkel und Stille. Kein Laut dringt
durch das feste Holz, kein Geräusch durch diesen
dicken Fels. Es ist so ruhig, dass ich deinen raschen
Atem hören kann.
Ich gebe
vor, nicht auf dich zu achten, während ich meinen
Überrock ablege und mir die Stiefel von den Füßen
streife. Doch bin ich mir deiner Nähe nur allzu
sehr bewusst. Ich fühle sie so deutlich, dass ich
glaube, die Wärme deines Körpers auf meiner
Haut zu spüren. Ich denke, ich kann sogar vernehmen,
wie dein Herz schlägt.
Ich beeile
mich nicht.
Ich möchte
den Moment hinauszögern, da ich mich umwende und
in deinen Augen sehe, dass sich nichts geändert
hat in all den Jahren. Dass du mich immer noch verachtest.
So erledige ich barfüßig und nur in Unterkleidung
all die kleinen Handgriffe, um mich für die Nachtruhe
vorzubereiten.
Bei jedem
Schritt fühle ich, wie dein Blick mir durch den
Raum folgt, abwartend und voller Vorsicht. Du mir gabst
dein Versprechen, um dein Kind zu retten. Nun bist du
dir nicht sicher, wie viel ich von deinem gegebenen
Wort einfordern werde, und plagst dich mit schlimmen
Ahnungen. Und ich lasse dich im Ungewissen.
Schließlich
entzünde ich den mehrarmigen Leuchter neben meinem
Bett. Ich setzte mich auf dessen Rand und wende mich
dir endlich zu.
Ich befehle
dir, dich zu entkleiden.
Du zuckst
zurück bei meinen Worten, die dir brüsk und
ungehobelt klingen, aber dein Zögern ist nur kurz.
Du hast geahnt, dass ich dies verlangen würde,
und so entledigst du dich voller Widerstreben deiner
Gewandung. Deine Hände sind unstet dabei, und du
kämpfst mit den Verschlüssen deines Wamses,
aber endlich stehst du so vor mir, wie ich es mir stets
erträumte.
Dein
Anblick lässt mein Herz um vieles schneller schlagen,
auch wenn ich nicht den Jüngling aus meiner Erinnerung
vor mir sehe. Du hast dich verändert, seit jenen
Tagen in Edoras. Du bist reifer nun, und aus deinen
Zügen spricht Milde und Besonnenheit. Das überrascht
mich. Du schienst so hoffärtig und kalt zu sein
in jungen Jahren.
Auch
bist du fülliger geworden. Dein Gesicht ist voller,
und so ist dein Leib. Das Leben an Theodens Hof ist
dir sehr wohl bekommen. Aber auch ich bin nicht mehr
so schlank, wie ich es einst zu sein pflegte. Zuviel
des guten Bieres, und dem Geräucherten bin ich
auch nicht abgeneigt. So sind wir beide ein wenig rund
in der Mitte.
Doch
dein Fleisch ist wie damals weiß und fest, und
dein rotes Haar, welches ich so liebte, glänzt
wie Kupfer im weichen Licht der Kerzen.
Ich begehre
dich mehr denn je.
Mein
gieriger Blick treibt dir die Röte in die Wangen.
Du bist unfähig, ihm Einhalt zu gebieten, und dein
Unbehagen ist fast greifbar. So wie deine Scham. Es
gefällt mir, dich fühlen zu lassen, wie verletzlich
du bist ohne den Schutz von Stoff und Leder, wie wehrlos
in deiner Blöße.
So verletzlich,
wie ich war, als ich dir so unverhohlen meine Zuneigung
enthüllte. Und nur Geringschätzung von dir
erfuhr. Nun, ich war ein alter Tor, der nach einem Jüngling
lüstet, doch verdiente ich nicht solche Schmach.
Du wiest mich zurück vor allen deinen Freunden,
und noch heute klingt mir ihr Gelächter in den
Ohren, höre ich ihren derben Scherze. In meinem
ganzen Leben wurde ich nie wieder so gekränkt.
Die Erinnerung
erbost mich immer noch. Ich bin ein Mächtiger unter
meinem Volk und dir an Rang und Ansehen überlegen.
Wer gab dir je das Recht, auf mich herab zu sehen? Wer
gibt es dir jetzt? Es ist nichts an mir, was dich abstoßen
müsste, auch nicht mein Wuchs.
Und auch
wenn du mich heute nicht zurückweisen kannst, und
die Scherze, welche meine Männer draußen
an der Tafel machen, auf deine Kosten gehen, kann dies
den Zorn in mir nicht mildern. Er verlangt nach Genugtuung,
und ich werde dich meine Macht in vollem Maße
spüren lassen. Wahrlich, es ist ein berauschendes
Gefühl, dich in meinen Händen zu wissen.
Wie viel
von diesem Rausch siehst du in meinem Blick?
Du erbleichst
und schlägst die Augen nieder. Du willst nicht,
dass ich die Furcht und den Abscheu darin sehe. Doch
ich bemerke wohl, wie sich deine Hände zu Fäusten
ballen, und wie du dich versteifst. Ich weiß,
dir graust vor dem, was ich von dir begehre. Und ich
begehre es sofort. Ich habe zwanzig Jahre auf diesen
Moment gewartet, jetzt reicht meine Geduld nicht länger.
So bedenke
ich dich mit einem kalten Lächeln, während
ich mich gänzlich von meiner Kleidung befreie.
Der Gedanke, dich nunmehr zu besitzen, erregt mich und
lässt dich meine Männlichkeit sehen. Du starrst
darauf nieder, wohl begreifend, und dein Blick verdüstert
sich.
Ich gebe
dir zu verstehen, was ich erwünsche.
Unwillkürlich
weichst du einen Schritt zurück. Mein Ansinnen
bestürzt dich zu sehr, als dass du deinen Gräuel
verbergen könntest. Alles in dir sträubt sich
gegen mich, und so verharrst du regungslos an deinem
Platz. Wirst du es wagen, dich mir zu widersetzen? Doch
wie könntest du? Du gabst dein Wort, mir zu willfahren.
Auch willst du mich um deines Sohnes willen nicht erzürnen.
Und doch
rührst du dich nicht. Ich kann dir ansehen, wie
du mit dir ringst. Schon überlege ich, ob ich dich
wirklich zwingen muss, da trittst du langsam auf mich
zu. Ein jeder Schritt kostet dich Überwindung,
doch du kommst und kniest dich zwischen meine Beine.
Ich drücke
deinen Kopf in meinen Schoß.
Dein
Mund ist erfahren, damit habe ich nicht gerechnet. So
bist du freigiebiger mit deiner Gunst, als ich erwartet
habe. Dabei dachte ich, du könntest keine Männer
lieben, doch nun begreife ich, du liebtest nur mich
nicht. Die Erkenntnis ist bitter und sollte meinen Zorn
verstärken, doch ich bin zu gefangen in der Lust,
die du mir bereitest, als dass ich etwas anderes empfinden
kann als dich.
Geschickt
treiben deine Lippen ihr Spiel mit mir, und schon bald
spüre ich, wie ich nach Erleichterung strebe. Doch
so schnell mag ich es gar nicht haben.
Ich halte
dich zurück und bedeute dir, dich zu mir zu legen.
Du tust es ohne Aufbegehren, doch deine Bewegungen sind
ungelenk dabei. Sie zeigen mir, welch Mühsal es
dir ist, dich mir zu fügen. Auch ist in deinem
Blick erneut ein solcher Groll, dass er mich denken
lässt, ob ich dich nicht besser hätte binden
sollen. Aber ich habe dein Wort und deinen Sohn, und
beides hält dich sicherer als jede Fessel.
So liegst
du endlich bei mir, und ich strecke meine Hand nach
dir aus, um alles an dir zu erkunden. Du verwehrst mir
nichts, doch ich fühle, wie du unter meinem Griff
erstarrst. Ich habe nicht geahnt, wie hart es dich ankommt,
dein gegebenes Wort einzulösen. Nun erträgst
du nur schwer und voller Unwillen meine Berührung.
Wenn ich dich so nehme, werde ich dich verletzen. Das
ist nicht meine Absicht.
Ich zögere
und halte inne.
Ich bin
kein arger Herrscher. Ich führe meine Männer
mit leichter Hand, und sie folgen mir aus freien Stücken.
Auch in meinem Bett erhalte ich stets willig, wonach
es mich verlangt. Gütig nennt man mich und gerecht.
Doch
in diesem Augenblick ist keine Güte in mir, und
auch Gerechtigkeit erfährst du durch mich nicht.
Und du hast auch nichts von dem erwartet. Was bin ich
für dich, als ein Barbar, der dich zu einem Akt
der Willkür zwingt? Und dächtest du, du hättest
eine Wahl, du würdest nicht so fügsam darauf
warten, dass ich mich an dir ergötze.
Ich fühle
mich beschämt.
Noch
nie habe ich einen Mann genötigt, sich mir hinzugeben.
Und würde ich dich nicht so sehr begehren, dann
würde ich jetzt von dir lassen. Doch das vermag
ich nicht. Zu nah ist die Erfüllung meiner Wünsche.
Aber
nicht mit Gewalt will ich es ertrotzen, das ist auch
gar nicht nötig. Ich habe schon mit manchem Mann
das Bett geteilt und weiß durchaus, wie Lust zu
schüren ist. Auch bin ich nicht ganz unbegabt in
diesen Dingen.
So werde
ich nichts von dir verlangen, ohne dich bereit zu wissen.
Ich nehme
mich zurück, und du erkennst es mit Verwunderung.
Unsicher und argwöhnisch ist dein Blick. Mein Sinneswandel
kommt dir wohl auch gar zu unvermutet, als dass du an
ihn glauben könntest, und ich grolle dir deswegen
nicht. Ich weiß, ich gab dir heute keinen Grund
anders als niedrig über mich zu denken, doch drängte
ich mich dir nicht nur aus Rachsucht auf.
Ich bin
nicht dein Feind.
Das war
ich nie. Ich bin nur ein verliebter Narr, der seinen
Traum in Armen hält. Und traust du meinen Worten
nicht, so traue meinen Taten. Ich berühre dich
mit sanfter Hand.
Behutsam
erwecke ich eine Leidenschaft in dir, von der du nicht
geglaubt hast, dass du sie durch mich erfahren könntest.
Und so koste ich von dir, bis ich fühle, wie ein
Beben dich durchläuft und dein Atem heftiger geht.
Er erfüllt die Stille meines Raumes, und dann höre
ich den ersten Laut der Lust von deinen Lippen.
Mein
Verlangen ist nun so groß, dass es mich schmerzt.
Ich kann und will mich nicht länger zurück
halten. Dir entgeht nicht, dass ich mich nun nicht mehr
zügeln werde, und letztlich gibst du deinen Stolz
auf.
Ich beobachte,
wie du dich für mich vorbereitest, und allein der
Anblick raubt mir fast schon die Beherrschung. Ich kann
es kaum erwarten, dich endlich zu besitzen. Du spürst
meine Ungeduld, und mich willkommen heißend legst
dich für mich zurecht.
Ich mache
dich mir zu eigen.
3. Feuer
und Eis
Ich erwache,
und mein Gefühl sagt mir, es ist schon wieder Tag.
Du liegst neben mir, noch tief in Schlaf versunken.
Es ist dunkel in meiner Kammer, die Kerzen sind herabgebrannt.
Sie waren es schon längst, als ich meinen Hunger
nach dir endlich gestillt hatte.
So lausche
ich deinen ruhigen Atemzügen, während ich
denke, dass ich ein Tor war und es wohl immer bleibe.
Denn den Jüngling, den ich meinte letzte Nacht,
gibt es schon längst nicht mehr. Ich habe einen
völlig Fremden in mein Bett gezwungen.
Doch
ich bedaure nicht, was ich dir angetan. Es ist schon
lange her, dass ich auf meinem Lager solche Freuden
genaß. Du bist ein kundiger Liebhaber, hast du
dich erst in dein Geschick gefügt.
Der Gedanke
daran erregt mich erneut.
Aber
ich weiß, dass meine Männer auf mich warten.
Wir sind schon seit Wochen unterwegs, und sie wollen
endlich weiter ziehen. Es drängt sie an den heimischen
Herd, und auch ich sehne mich nach meiner Frau und meinen
Kindern.
Es ist
Zeit für die Heimkehr.
Vorsichtig,
um dich nicht zu wecken, erhebe ich mich. Bett. Du rührst
dich kurz und murmelst den Namen deines Königs.
Theodens
Name auf deinen Lippen überrascht mich, doch nicht
all zu sehr. Du warst sein Page und ich wahrlich blind
vor Liebe, dass ich nicht sah, was du sonst noch für
ihn warst. Jetzt verstehe ich den Zorn, mit dem er mich
sein Reich verlassen hieß.
So gab
dein König unser Bündnis auf wegen seines
Buhlen. Nun, ich dachte noch nie er sei ein kluger Mann.
Doch auch ich bin nicht viel weiser, und es ist wohl
dein Unglück, dass alle deine Herren Narren sind.
Leise
verlasse ich den Raum.
Auf meinem
Weg durch die Halle sehe ich, dass meine Knappen schon
alles für den Aufbruch rüsten. Ich spüre
ihre Neugier und ahne, sie machen sich so ihre Gedanken
über die letzte Nacht. Doch sie schweigen, natürlich,
nur mein alter Kämmerer erlaubt sich einen wissenden
Blick.
Er tritt
zu mir und trägt mir zu, dass Theodens Sohn noch
am Leben sei. Es erstaunt mich, dass noch genug Willen
in dem jungen Manne war, um diese Nacht zu überdauern.
So hängt dein Prinz mehr an seinem Leben,
als ich glaubte. Wohl denn, ich bin nicht nachtragend.
Ich wünsche Theoden nicht, dass sein Kind schwindet,
ohne dass er es noch einmal sieht.
Schon
wähle ich in Gedanken die Männer aus, welche
deinen und deines Königs Sohn nach Edoras begleiten
werden. Ich entbehre sie nur ungern, denn die Zeiten
sind unsicher und wir ohnehin nicht viele, aber ich
kann einen Knaben und einen Sterbenden nicht ungeleitet
ziehen lassen. Werde ich dir gestatten, mit ihnen zu
gehen?
Ich kann
es nicht sagen.
Der Gedanke
an dich macht mich rastlos und unentschlossen. Auch
bringt er die Erinnerung an letzte Nacht zurück.
Noch glaube ich spüren, wie sich deine Haut anfühlt,
weiß ich genau, wie dein Mund schmeckt. So habe
ich zuletzt erhalten, was ich begehrte, und zwei meiner
Knappen grienen hinter meinem Rücken, als sie glauben,
dass ich es nicht bemerke. Ich frage mich, ob mir die
Zufriedenheit so deutlich anzusehen ist..
Ich trete
vor die Pforte.
Der Sturm
der letzten Nacht hat sich gelegt, und friedlich liegt
die Welt zu meinen Füßen. Ich blicke über
das Land, auf welches nun die Wintersonne scheint. Sie
lässt den frischen Schnee wie reinstes Mithril
funkeln.
Müßig
beobachte ich, wie die Knappen die Packtiere beladen.
Unser Tross ist bereit weiter zu ziehen, aber ich bin
es noch nicht. Noch habe ich nicht über dich entschieden,
und ich zögere meinen Entschluss hinaus. Wohl könnte
ich verlangen, dass du mit mir kommst. Du gabst dein
Wort. Und die Aussicht auf weitere Nächte mit dir
ist gar verlockend.
Doch
will ich dich zu einem fremden Volk entführen,
das selten nur das Licht der Sonne sieht? Könntest
du leben in meinem kalten Haus aus Stein?
So grüble
ich und übersehe fast die schmale Gestalt unweit
der Pforte. Dein Sohn steht da und hält unter meinen
Männern nach dir Ausschau. Sein junges Gesicht
ist voller Sorge, als er dich nicht finden kann.
Ich trete
zu ihm, und er sieht mir unsicher entgegen. Er ahnt,
es ist etwas geschehen zwischen dir und mir, doch noch
ist er zu unschuldig, um zu verstehen. Freundlich frage
ich ihn nach seinem Namen, den er mir dünner Stimme
nennt, ehe er befangen schweigt. Und er ist zweifellos
dein Kind, wie konnte ich es nicht erkennen. Er blickt
mich aus den gleichen Augen an wie du.
Wie grausam
scheint es mir nun, dich von ihm zu trennen. Auch lässt
der Knabe mich an meine eigenen Söhne denken, voran
mein Ältester, der ein wahrer Streiter seines Volk
ist. Wahrlich, kein anderer schwingt die Axt so vortrefflich
wie er.
Das Gesicht
deines Sohnes hellt sich plötzlich auf. Er sieht
mich um Erlaubnis heischend an, und als ich nicke, läuft
er los. Ich wende mich um und sehe noch, wie der Knabe
sich in deine Arme wirft. Du ziehst ihn an dich und
birgst dein Gesicht in seinem Haar.
So habe
ich dich also doch geweckt, oder war es die Sorge um
deinen Sohn, die dich nicht mehr schlafen ließ?
Der Knabe
spricht auf dich ein, und du lächelst und läßt
ihn reden, während deine Augen mit Bangen auf ihm
ruhen. Doch er ist arglos und unbekümmert und ahnt
nicht einmal, was du fürchtest. Es geht ihm gut,
und deine Erleichterung ist offenkundig, so wie die
Dankbarkeit, die in deinen Augen steht.
Es gibt
mir einen kleinen Stich, dass da so gar nicht mehr in
ihnen ist als dies nach letzter Nacht.
Hufschläge
schrecken mich auf. Jäh ist der friedliche Morgen
erfüllt von den Rufen fremder Reiter. Das Wiehern
der Pferde und Klirren ihrer Rüstungen klingt laut
auf dem kleinen Platz vor der Pforte meines Hortes.
Es sind ihrer zwanzig, und ihre Blicke sind nicht freundlich,
und sie verdüstern sich noch mehr, als sie dich
und deinen Sohn in unserer Mitte sehen.
Meine
Knappen greifen nach den Waffen.
Einen
Augenblick glaube ich schon, es wird zum Kampfe kommen,
denn meine Männer sind hitzige Kämpen und
eine Gelegenheit zum Händel ist ihnen stets willkommen.
Doch ich weiß, wen wir vor uns haben und wünsche
keinen neuen Zwist mit deinem König.
So trete
ich vor ihren Anführer und nenne ihm meinen Namen.
Herrisch frage ich ihn nach seinem Begehr, obwohl mir
längst bekannt ist, nach wem er hier in dieser
Abgeschiedenheit sucht.
Der Rohirrim
blickt auf mich herab. Ich sehe den gleichen Dünkel
und die Hoffart in seinen Augen, die auch dir zu eigen
waren. Fast scheint es mir, dass alle eure jungen Männer
an dieser Art von Hochmut leiden. Doch dann nimmt er
den Helm ab. Sein Gesicht ist müde, und in seinem
Blick finde ich nur wenig Zuversicht. Er ist lange geritten
und hat verzweifelt gesucht, und ich habe ihm schlimme
Kunde zu geben.
Ich bin
besänftigt.
Mit einer
Geste bedeute ich, den Sterben zu herbei zu bringen.
Es dauert nicht lang, bis meine Knappen mit der Trage
zurück kehren.
Mit ihnen
verlassen die letzten meiner Mannen diesen Hort. Sie
löschen die Lichter, und nun ist nichts mehr ihn
ihm als kalter Stein und Dunkelheit. Die Pforte schließt
sich, und wird für immer nun geschlossen bleiben,
denn kein Auge außer dem unseren vermag sie in
der rauen Felswand auszumachen.
Ich werde
nicht hierher zurückkehren.
Die Rohirrim
achten nicht mehr auf mich und meinesgleichen. Ich höre
das entsetzte Raunen beim Anblick ihres Prinzen. Es
ist nun kaum noch Leben in Theodens Sohn, und sie haben
einen schweren Gang vor sich, ihres Königs Kind
nach Haus zu tragen. Still heben sie den jungen Mann
auf das Pferd des königlichen Neffen, und dieser
schließt die Arme fest um seinen Vetter. Sein
stolzes Antlitz ist finster und bedrückt dabei.
Es hellt
sich auch nicht auf, als sich sein Blick auf dich und
deinen Sohn fällt. In stummer Frage runzelt er
die Stirn, und ich ahne, er wird nicht ohne dich reiten
wollen.
Doch
so leicht werde ich nicht auf dich verzichten. Ich habe
schon so manchen Kampf bestritten, und so haben es meine
Männer, und wir sind genug, um es mit mehr als
zwanzig Reitern aufzunehmen. Ich werde dich nicht kampflos
aufgeben, wenn du mit mir kommen willst. Doch willst
du dies?
Ich wende
mich dir zu.
Was dein
Mund nicht bittet, bitten mich deine Augen. Sie flehen
mich an, dich frei zu geben.
Noch
wagst du nicht zu hoffen, denn auch wenn die Ankunft
eurer Reiter dir neuen Mut gibt, magst du nicht glauben,
dass ich dich gehen lasse. So stehst du da, mit deinem
Sohn in deinen Armen, und schwankst zwischen Hoffen
und Verzweifeln. Es berührt mein Herz, dich so
unglücklich zu sehen.
Ein leises
Geräusch ganz nah bei mir lässt mich stutzen,
und ich bemerke eine Fackel, deren Wärme das Eis
über ihr zum Schmelzen bringt. Wasserperlen rinnen
an den Zapfen entlang, und die Flamme zischelt ärgerlich,
als sie in ihr vergehen. Ich sehe zu, wie der nächste
Tropfen fällt, und denke, dass es also entschieden
ist.
Theodens
Männer werden euch sicher zurück nach Edoras
bringen.
Denn
so, wie das Feuer dieses Eis schmilzt, so schmolz mein
Zorn auf dich in letzter Nacht. Was immer ich dir nachtrug,
es ist nun abgegolten. Mein Wunsch nach Vergeltung ist
versiegt.
Ich kann
dich gehen lassen.
Zwei
Rohirrim drängen ihre Pferde zu dir und deinem
Sohn heran. Mit geübter Bewegung nehmen sie euch
hinter sich auf, und dann sprengen die Rösser davon.
Sie tragen dich fort, und ich weiß, wir werden
uns nicht wieder sehen.
Doch
bleibt mir die Erinnerung, und auch du wirst diese Nacht
kaum je vergessen. Durch sie bist du mein und wirst
es immer bleiben.
Ich schaue
dir nach, bis ich dich an der Gabelung des schmalen
Weges aus den Augen verliere.
Du gönnst
mir keinen Blick zurück.
Ich,
Gloin, gebe meinen Männern das Zeichen zum Aufbruch.
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