Titel: Feuer und Eis
Autor: Nasdyr


1. Eis

Die Nacht ist grimmig kalt und der Sturm, welcher über dem Land wütet, ist der heftigste dieses Winters. Die weiße Pracht, die sonst in sanftem Taumel zu meiner Freude fällt, dringt nun gleich Eisgeschossen in die Haut. Sie nimmt mir die Sicht, so dass ich kaum erkenne, wohin ich meine Schritte lenke.

Schon liegt der Schnee hüfthoch auf unserem Weg, höher noch an Stellen, wo ihn der Sturm zu kleinen Bergen aufgetürmt hat. Meine Männer und die Packtiere kämpfen sich nur noch mühsam vorwärts, erschöpft von dem stundenlangen Marsch.

Glücklicherweise haben wir die große Eiche, welche der Blitz vor Jahresfrist gespalten hat, schon hinter uns gelassen. Nur noch eine Hügelkuppe liegt zwischen meinem kleinen Tross und dem sicheren Unterschlupf.

Plötzlich, inmitten des tobenden Sturmes ist es, als dringe eine Stimme an mein Ohr. Zuerst glaube ich mich getäuscht zu haben. Wie könnte es auch sein, dass sich ein Mensch in solcher Nacht hier in den Wald verirrt hat. Doch dann höre ich den Ruf wieder. Einen Hilferuf. Leise und verzweifelt, übertönt er kaum das Heulen und Tosen der entfesselten Gewalten.

Und dann bemerke ich auch einen schwachen Lichtschein. Eine Sekunde nur, dann verliere ich ihn wieder aus den Augen. Doch ich habe genug gesehen und gebe meinen Männern ein Zeichen, ihre Schritte in Richtung des unglücklichen Geschöpfes zu lenken.

Schon nach wenigen Metern kommen unsere Tiere in dem hohen Schnee nicht mehr voran, und wir lassen sie in der Obhut der Knappen zurück. So dauert es, bis wir die kleine Lichtung erreichen, und der Ruf erklingt erneut. Inzwischen schwingt Hoffnung darin mit, aber ich achte nicht mehr darauf.

Ich achte nur auf den Klang der Stimme, welche ich zu kennen glaube. Sollte das Schicksal sich einen solchen Streich erlauben?

Dann leuchten winzige Flammen vor mir auf. Ein Mann und ein Knabe, welche mit dünnen Zweigen versuchen, sie am Leben zu erhalten, ducken sich gegen den eisigen Wind. Sie haben ihre Gesichter abgewandt, doch etwas in der Haltung des Mannes ist mir vertraut, und noch bevor er aufblickt habe ich Gewissheit.

Du bist es.

Mein Herz vollführt den gleichen kleinen Sprung wie vor so vielen Jahren, daran hat sich nichts geändert. Zu gut kann ich mich noch an den jungen Mann erinnern, der solche Leidenschaft in mir erweckte. Und danach solchen Hass.

Denn wir sind ein stolzes Volk und ich bin darin keine Ausnahme. Wir tragen schwer an Zurückweisung, schwerer noch an Kränkung, und du hast mich beides kosten lassen. Die Jahre haben das Feuer meines Zorns gemildert, doch der Schwur von damals steht noch zwischen uns.

So sehe ich dich an, wie du neben dem Feuer kniest und auf Knien wirst du bleiben. Das ist der erste Gedanke, der mir durch den Kopf geht, während ich noch überlege, was ich nun tun soll.

Der Knabe sieht uns mit Erleichterung und dem Vertrauen in eure Rettung entgegen, doch du bist der schlanken Gestalt zugewandt, die ich erst jetzt bemerke. Ein junger Mann. Auf einer Trage, notdürftig aus Ästen gezimmert, liegt er reglos, und. du ziehst die Decke fester um ihn, während du leise auf ihn einsprichst, dass nun alles gut werde und seinen Namen nennst, der mich stutzen lässt.

Ich verlange nach Licht.

Während mir einer meiner Männer eine Laterne reicht, wendest du dich langsam um. Die Bestürzung in deinem Gesicht sagt mir, dass du nicht vergessen hast, wie sich meine Stimme anhört. Doch noch bist du dir nicht sicher, und so lasse ich den Lichtschein auf mein Gesicht fallen und sehe, wie sich deine Augen weiten, als du erkennst, wen ein grausames Geschick dir gesandt hat. Nicht den erhofften Retter, sondern mich.

Dann schwenke ich das Licht auf die Gestalt am Boden. Es ist tatsächlich deines Königs Sohn. Ich hörte schon, das er verschollen sei. Du also hast ihn nun gefunden, doch was Gutes tat es ihm?

Das kleine Feuer, welches du entfacht hast, wird nicht mehr lange brennen. Und selbst wenn, kann es die erbarmungslose Kälte der Nacht nicht abhalten, und auch nicht ihre Kreaturen, die ich in der Ferne heulen höre. Selbst wenn ich dich nicht auf der Stelle niederstrecke, könnt ihr in diesem Schneesturm niemals überleben.

Nur meine Barmherzigkeit vermag euch jetzt zu retten. Doch will ich sie dir zugestehen? Ich weiß es nicht, und während ich noch zögere, beginnst du zu sprechen.

Du bittest mich.

Nein, nicht für dich, das würde dein Stolz niemals zulassen. Und stündest du allein vor mir, da bin ich mir sicher, du würdest mir vor die Füße spucken. Aber für deinen Prinzen und den Knaben bittest du um mein Erbarmen, und ich kann nur erahnen, was es dich kostet. Aber wie solltest du auch nicht? Wie solltest du deinen Stolz über sein Leben stellen, ist er doch deines Königs einzig Kind?

Ich höre dich gern betteln.

Und so rühre ich mich nicht, gebe dir kein Zeichen meines Mitgefühls, sondern höre einfach nur zu, wie deine Stimme verzweifelter klingt, dann leiser, bis sie vom Brausen des Sturmes übertont wird. Schließlich schweigst du, wohl ahnend, dass du sich umsonst erniedrigst, und jede Hoffnung weicht aus deinem Blick.

Und noch immer stehe ich da und sehe dich nur an. Meine Männer werden unruhig, ich höre ihr verwundertes Gemurmel. Sie verstehen nicht, wieso ich dir meine Hilfe verweigere.

Auch der Knabe ist verwirrt. Er schmiegt sich unsicher an dich, und du legst den Arm um ihn, doch kein Wort der Beruhigung kommt über deine Lippen. Du hast euch verloren gegeben und schaust trostlos auf ihn nieder. Ich kann fast hören, wie du denkst, er sei zu jung zum Sterben.

Der Knabe blickt dich fragend und dann sagt er das einzige Wort, von dem du wohl wünschst, dass es nicht aus seinem Munde käme. Vater. Du schrickst zusammen und nun endlich habe ich die Genugtuung, Furcht in deinen Augen zu sehen. Am liebsten hättest du das unbedachte Wort zurück genommen. Aber es ist gefallen, voller Unschuld gibt es dich vollends in meine Hand.

Dein Sohn.

Ich halte die Laterne höher, um sein Gesicht besser sehen zu können. Ich habe nicht darauf geachtet, ob dir der Knabe ähnelt, und suche nun etwas, durch das ich dich in ihm erkenne.  Du ziehst ihn von mir weg, hinter deinen Rücken. Wie lächerlich. Glaubst du etwa, dass du ihn vor mir beschützen kannst? Doch durch die Geste habe ich genug erfahren. Du liebst ihn und wirst alles tun, um ihn zu retten.

Nun, ich bin nicht grausam. Ich will nicht deines Kindes Tod, noch will ich Theoden seines Sohnes berauben. Doch ich verlange etwas für ihr Leben. Und ich weiß, ich kann fordern, was ich will. Du wirst es mir nicht verwehren.

Ich nenne dir mein Begehr.

Selbst im unsteten Licht der Laterne sehe ich dich erblassen. Der Preis, den ich dir abpressen will ist hoch, und alles in dir sich weigert, ihn an mich zu zahlen. Einen Augenblick lang schließt du die Augen vor Verzweiflung, doch du kannst sie nicht für immer geschlossen halten. Du musst dich entscheiden. Aber eigentlich hast du gar keine Wahl. Nicht als treuer Diener deines Königs. Nicht als Vater dieses Knaben.

So trittst du vor mich, mit starrem Gesicht, die Augen zu Boden gerichtet, damit sie nicht zuviel von deinen Gefühlen preisgeben. Und kniest vor mir nieder. Demütig und bezwungen, bindest du dich mit deinem Wort an mich, zu Gehorsam und zu Dienstbarkeit.

Nun bist du mein.

Ich vermag es kaum zu fassen, dass mir endlich gegeben wird, was ich so lange vergebens begehrte. So viele Jahre habe ich davon geträumt, dich mir zu unterwerfen. Dies wird nun die Vergeltung sein, die ich geschworen habe vor zwanzig Jahre, denn mein Volk bricht seine Eide nicht, gleich wie lange sie zurück liegen. Was kümmert mich da, dass dieser Sieg so billig ist, so leicht errungen?

Eine Sturmbö fegt über uns hinweg, mahnt mich, dass dies nicht die Nacht ist, sie im Freien zu verbringen. Der heftige Windstoss beugt die Gipfel der Bäume über uns und schüttelt den Schnee von ihren Ästen. Er fällt auf uns herab und löscht das kleine Feuer.   

Sofort wird die Nacht noch dusterer. Das schwache Licht unserer Laternen kann das Dunkel kaum durchdringen. Schon höre ich den Ruf der nächtlichen Jäger näher kommen. Auch unsere Packtiere haben ihn vernommen. Ihre ängstlichen Laute werden die Beutemacher noch schneller anlocken.

Wir sollten nicht länger hier verweilen.

Ich gebe meinen Männern ein Zeichen. Sie nehmen die Trage mit dem Sohn des Königs auf und stapfen uns voraus, zurück auf den Weg, welcher kaum noch erkennbar ist. Doch ich kann die Richtung nicht verfehlen. Nur noch eine Hügelkuppe bis zum sicheren Unterschlupf. Ich werfe einen Blick auf dich, während du hinter mir gehst.

Wie drängt es mich, ihn zu erreichen.

 

2. Feuer

Ich betrete die große Halle und finde alles zu meiner Zufriedenheit gerichtet. Ein großes Feuer lodert im Kamin und in der Luft hängt der rauchige Geruch brennender Holzscheite. Ihr Knacken und Prasseln klingt anheimelnd nach der Kälte der Nacht.

Die Knappen haben auf dem langen Tisch in der Mitte des Raumes das Mahl angerichtet. Es besteht nur aus Brot und Fleisch und Speck, doch hungrig wie ich bin, störe ich mich nicht an den einfachen Gaben. Und der große Krug neben meinem Teller ist wohl gefüllt.

Ich nehme meinen Platz am oberen Ende der Tafel ein. Der Platz des Herrschers, wie er mir gebührt. Die beiden Stühle neben mir sind frei, und ich winke dich und deinen Sohn heran, euch zu mir zu setzen.

Du folgst dem Geheiß nur widerstrebend, aber der Knaben hat die Augen schon lange auf die vollen Silberplatten gerichtet. Er ist esslustig, wie alle Jünglinge in seinem Alter. Wie meine eigenen Söhne. Und er geniert sich nicht, herzhaft zu zugreifen.

Doch dein Teller bleibt unberührt. Nur den Weinkrug führst du gelegentlich zum Mund, während du düster vor dich hin starrst. Nie schweift dein Blick zur Seite, nie achtest du auf die Worte und das Lachen meiner Männer. Freudlos wartest du darauf, dass das Mahl vorüber geht.

Was dich wohl mehr bedrückt, dein Schicksal oder das deines Prinzen?  Es steht schlecht um Theodens Sohn. Ich habe seine Wunden gesehen, so wie du auch. Noch lebt er, doch wir beide wissen, er ist nicht mehr zu retten. Ist es die Trauer um ihn, die dich so still macht, oder fürchtest du  dich so vor dem, was kommen mag?

Ich weiß es nicht, und in deinem verschlossenen Gesicht vermag ich nicht zu lesen. Ich glaubte dich zu kennen, doch in Wahrheit weiß ich nichts von dir. Nur das ich dich einst liebte, vor langer Zeit.

Ich erhebe mich.

Ich bin gesättigt. Es ist ein anderer Hunger, den ich zu stillen wünsche. Ich bedeute dir, mich zu begleiten. Nun hebst du den Kopf, und in deinen Augen steht eine solcher Grimm, dass ich schon glaube, du wirst dich hier vor allen meinen Männern auf mich stürzen.

Doch dann hörst du die Stimme deines Sohnes, und dein Widerstand erlischt. Du zögerst, mit mir zu kommen, ich sehe die Unruhe in deinem Gesicht. Sei unbesorgt. Meine Vergeltung gilt nur dir allein, nicht deinem Kind. Niemand wird ihm in meinem Hort ein Leid antun.

So legst du dem Knaben aufmunternd die Hand auf die Schulter  Er sieht dich an und lächelt und wünscht dir arglos eine gute Nacht.

Wortlos folgst du mir in meinen Raum.

Ich trete nach dir ein und schließe die Tür. Sofort umfängt mich Halbdunkel und Stille. Kein Laut dringt durch das feste Holz, kein Geräusch durch diesen dicken Fels. Es ist so ruhig, dass ich deinen raschen Atem hören kann.

Ich gebe vor, nicht auf dich zu achten, während ich meinen Überrock ablege und mir die Stiefel von den Füßen streife. Doch bin ich mir deiner Nähe nur allzu sehr bewusst. Ich fühle sie so deutlich, dass ich glaube, die Wärme deines Körpers auf meiner Haut zu spüren. Ich denke, ich kann sogar vernehmen, wie dein Herz schlägt.

Ich beeile mich nicht.

Ich möchte den Moment hinauszögern, da ich mich umwende und in deinen Augen sehe, dass sich nichts geändert hat in all den Jahren. Dass du mich immer noch verachtest. So erledige ich barfüßig und nur in Unterkleidung all die kleinen Handgriffe, um mich für die Nachtruhe vorzubereiten.

Bei jedem Schritt fühle ich, wie dein Blick mir durch den Raum folgt, abwartend und voller Vorsicht. Du mir gabst dein Versprechen, um dein Kind zu retten. Nun bist du dir nicht sicher, wie viel ich von deinem gegebenen Wort einfordern werde, und plagst dich mit schlimmen Ahnungen. Und ich lasse dich im Ungewissen.

Schließlich entzünde ich den mehrarmigen Leuchter neben meinem Bett. Ich setzte mich auf dessen Rand und wende mich dir endlich zu.

Ich befehle dir, dich zu entkleiden.

Du zuckst zurück bei meinen Worten, die dir brüsk und ungehobelt klingen, aber dein Zögern ist nur kurz. Du hast geahnt, dass ich dies verlangen würde, und so entledigst du dich voller Widerstreben deiner Gewandung. Deine Hände sind unstet dabei, und du kämpfst mit den Verschlüssen deines Wamses, aber endlich stehst du so vor mir, wie ich es mir stets erträumte.

Dein Anblick lässt mein Herz um vieles schneller schlagen, auch wenn ich nicht den Jüngling aus meiner Erinnerung vor mir sehe. Du hast dich verändert, seit jenen Tagen in Edoras. Du bist reifer nun, und aus deinen Zügen spricht Milde und Besonnenheit. Das überrascht mich. Du schienst so hoffärtig und kalt zu sein in jungen Jahren.

Auch bist du fülliger geworden. Dein Gesicht ist voller, und so ist dein Leib. Das Leben an Theodens Hof ist dir sehr wohl bekommen. Aber auch ich bin nicht mehr so schlank, wie ich es einst zu sein pflegte. Zuviel des guten Bieres, und dem Geräucherten bin ich auch nicht abgeneigt. So sind wir beide ein wenig rund in der Mitte.

Doch dein Fleisch ist wie damals weiß und fest, und dein rotes Haar, welches ich so liebte, glänzt wie Kupfer im weichen Licht der Kerzen.

Ich begehre dich mehr denn je.

Mein gieriger Blick treibt dir die Röte in die Wangen. Du bist unfähig, ihm Einhalt zu gebieten, und dein Unbehagen ist fast greifbar. So wie deine Scham. Es gefällt mir, dich fühlen zu lassen, wie verletzlich du bist ohne den Schutz von Stoff und Leder, wie wehrlos in deiner Blöße.

So verletzlich, wie ich war, als ich dir so unverhohlen meine Zuneigung enthüllte. Und nur Geringschätzung von dir erfuhr. Nun, ich war ein alter Tor, der nach einem Jüngling lüstet, doch verdiente ich nicht solche Schmach. Du wiest mich zurück vor allen deinen Freunden, und noch heute klingt mir ihr Gelächter in den Ohren, höre ich ihren derben Scherze. In meinem ganzen Leben wurde ich nie wieder so gekränkt.

Die Erinnerung erbost mich immer noch. Ich bin ein Mächtiger unter meinem Volk und dir an Rang und Ansehen überlegen. Wer gab dir je das Recht, auf mich herab zu sehen? Wer gibt es dir jetzt? Es ist nichts an mir, was dich abstoßen müsste, auch nicht mein Wuchs.

Und auch wenn du mich heute nicht zurückweisen kannst, und die Scherze, welche meine Männer draußen an der Tafel machen, auf deine Kosten gehen, kann dies den Zorn in mir nicht mildern. Er verlangt nach Genugtuung, und ich werde dich meine Macht in vollem Maße spüren lassen. Wahrlich, es ist ein berauschendes Gefühl, dich in meinen Händen zu wissen.

Wie viel von diesem Rausch siehst du in meinem Blick?

Du erbleichst und schlägst die Augen nieder. Du willst nicht, dass ich die Furcht und den Abscheu darin sehe. Doch ich bemerke wohl, wie sich deine Hände zu Fäusten ballen, und wie du dich versteifst. Ich weiß, dir graust vor dem, was ich von dir begehre. Und ich begehre es sofort. Ich habe zwanzig Jahre auf diesen Moment gewartet, jetzt reicht meine Geduld nicht länger.

So bedenke ich dich mit einem kalten Lächeln, während ich mich gänzlich von meiner Kleidung befreie. Der Gedanke, dich nunmehr zu besitzen, erregt mich und lässt dich meine Männlichkeit sehen. Du starrst darauf nieder, wohl begreifend, und dein Blick verdüstert sich.

Ich gebe dir zu verstehen, was ich erwünsche.

Unwillkürlich weichst du einen Schritt zurück. Mein Ansinnen bestürzt dich zu sehr, als dass du deinen Gräuel verbergen könntest. Alles in dir sträubt sich gegen mich, und so verharrst du regungslos an deinem Platz. Wirst du es wagen, dich mir zu widersetzen? Doch wie könntest du? Du gabst dein Wort, mir zu willfahren. Auch willst du mich um deines Sohnes willen nicht erzürnen.

Und doch rührst du dich nicht. Ich kann dir ansehen, wie du mit dir ringst. Schon überlege ich, ob ich dich wirklich zwingen muss, da trittst du langsam auf mich zu. Ein jeder Schritt kostet dich Überwindung, doch du kommst und kniest dich zwischen meine Beine.

Ich drücke deinen Kopf in meinen Schoß.

Dein Mund ist erfahren, damit habe ich nicht gerechnet. So bist du freigiebiger mit deiner Gunst, als ich erwartet habe. Dabei dachte ich, du könntest keine Männer lieben, doch nun begreife ich, du liebtest nur mich nicht. Die Erkenntnis ist bitter und sollte meinen Zorn verstärken, doch ich bin zu gefangen in der Lust, die du mir bereitest, als dass ich etwas anderes empfinden kann als dich.

Geschickt treiben deine Lippen ihr Spiel mit mir, und schon bald spüre ich, wie ich nach Erleichterung strebe. Doch so schnell mag ich es gar nicht haben.  

Ich halte dich zurück und bedeute dir, dich zu mir zu legen. Du tust es ohne Aufbegehren, doch deine Bewegungen sind ungelenk dabei. Sie zeigen mir, welch Mühsal es dir ist, dich mir zu fügen. Auch ist in deinem Blick erneut ein solcher Groll, dass er mich denken lässt, ob ich dich nicht besser hätte binden sollen. Aber ich habe dein Wort und deinen Sohn, und beides hält dich sicherer als jede Fessel.

So liegst du endlich bei mir, und ich strecke meine Hand nach dir aus, um alles an dir zu erkunden. Du verwehrst mir nichts, doch ich fühle, wie du unter meinem Griff erstarrst. Ich habe nicht geahnt, wie hart es dich ankommt, dein gegebenes Wort einzulösen. Nun erträgst du nur schwer und voller Unwillen meine Berührung. Wenn ich dich so nehme, werde ich dich verletzen. Das ist nicht meine Absicht.

Ich zögere und halte inne.

Ich bin kein arger Herrscher. Ich führe meine Männer mit leichter Hand, und sie folgen mir aus freien Stücken. Auch in meinem Bett erhalte ich stets willig, wonach es mich verlangt. Gütig nennt man mich und gerecht.

Doch in diesem Augenblick ist keine Güte in mir, und auch Gerechtigkeit erfährst du durch mich nicht. Und du hast auch nichts von dem erwartet. Was bin ich für dich, als ein Barbar, der dich zu einem Akt der Willkür zwingt? Und dächtest du, du hättest eine Wahl, du würdest nicht so fügsam darauf warten, dass ich mich an dir ergötze.

Ich fühle mich beschämt.

Noch nie habe ich einen Mann genötigt, sich mir hinzugeben. Und würde ich dich nicht so sehr begehren, dann würde ich jetzt von dir lassen. Doch das vermag ich nicht. Zu nah ist die Erfüllung meiner Wünsche.

Aber nicht mit Gewalt will ich es ertrotzen, das ist auch gar nicht nötig. Ich habe schon mit manchem Mann das Bett geteilt und weiß durchaus, wie Lust zu schüren ist. Auch bin ich nicht ganz unbegabt in diesen Dingen.

So werde ich nichts von dir verlangen, ohne dich bereit zu wissen.

Ich nehme mich zurück, und du erkennst es mit Verwunderung. Unsicher und argwöhnisch ist dein Blick. Mein Sinneswandel kommt dir wohl auch gar zu unvermutet, als dass du an ihn glauben könntest, und ich grolle dir deswegen nicht. Ich weiß, ich gab dir heute keinen Grund anders als niedrig über mich zu denken, doch drängte ich mich dir nicht nur aus Rachsucht auf.

Ich bin nicht dein Feind.

Das war ich nie. Ich bin nur ein verliebter Narr, der seinen Traum in Armen hält. Und traust du meinen Worten nicht, so traue meinen Taten. Ich berühre dich mit sanfter Hand.

Behutsam erwecke ich eine Leidenschaft in dir, von der du nicht geglaubt hast, dass du sie durch mich erfahren könntest. Und so koste ich von dir, bis ich fühle, wie ein Beben dich durchläuft und dein Atem heftiger geht. Er erfüllt die Stille meines Raumes, und dann höre ich den ersten Laut der Lust von deinen Lippen.

Mein Verlangen ist nun so groß, dass es mich schmerzt. Ich kann und will mich nicht länger zurück halten. Dir entgeht nicht, dass ich mich nun nicht mehr zügeln werde, und letztlich gibst du deinen Stolz auf.

Ich beobachte, wie du dich für mich vorbereitest, und allein der Anblick raubt mir fast schon die Beherrschung. Ich kann es kaum erwarten, dich endlich zu besitzen. Du spürst meine Ungeduld, und mich willkommen heißend legst dich für mich zurecht.

Ich mache dich mir zu eigen.



3. Feuer und Eis

Ich erwache, und mein Gefühl sagt mir, es ist schon wieder Tag. Du liegst neben mir, noch tief in Schlaf versunken. Es ist dunkel in meiner Kammer, die Kerzen sind herabgebrannt. Sie waren es schon längst, als ich meinen Hunger nach dir endlich gestillt hatte.

So lausche ich deinen ruhigen Atemzügen, während ich denke, dass ich ein Tor war und es wohl immer bleibe. Denn den Jüngling, den ich meinte letzte Nacht, gibt es schon längst nicht mehr. Ich habe einen völlig Fremden in mein Bett gezwungen.

Doch ich bedaure nicht, was ich dir angetan. Es ist schon lange her, dass ich auf meinem Lager solche Freuden genaß. Du bist ein kundiger Liebhaber, hast du dich erst in dein Geschick gefügt.

Der Gedanke daran erregt mich erneut.

Aber ich weiß, dass meine Männer auf mich warten. Wir sind schon seit Wochen unterwegs, und sie wollen endlich weiter ziehen. Es drängt sie an den heimischen Herd, und auch ich sehne mich nach meiner Frau und meinen Kindern.

Es ist Zeit für die Heimkehr.

Vorsichtig, um dich nicht zu wecken, erhebe ich mich. Bett. Du rührst dich kurz und murmelst den Namen deines Königs.

Theodens Name auf deinen Lippen überrascht mich, doch nicht all zu sehr. Du warst sein Page und ich wahrlich blind vor Liebe, dass ich nicht sah, was du sonst noch für ihn warst. Jetzt verstehe ich den Zorn, mit dem er mich sein Reich verlassen hieß.

So gab dein König unser Bündnis auf wegen seines Buhlen. Nun, ich dachte noch nie er sei ein kluger Mann. Doch auch ich bin nicht viel weiser, und es ist wohl dein Unglück, dass alle deine Herren Narren sind.

Leise verlasse ich den Raum.

Auf meinem Weg durch die Halle sehe ich, dass meine Knappen schon alles für den Aufbruch rüsten. Ich spüre ihre Neugier und ahne, sie machen sich so ihre Gedanken über die letzte Nacht. Doch sie schweigen, natürlich, nur mein alter Kämmerer erlaubt sich einen wissenden Blick.

Er tritt zu mir und trägt mir zu, dass Theodens Sohn noch am Leben sei. Es erstaunt mich, dass noch genug Willen in dem jungen Manne war, um diese Nacht zu überdauern. So hängt  dein Prinz mehr an seinem Leben, als ich glaubte. Wohl denn, ich bin nicht nachtragend. Ich wünsche Theoden nicht, dass sein Kind schwindet, ohne dass er es noch einmal sieht.

Schon wähle ich in Gedanken die Männer aus, welche deinen und deines Königs Sohn nach Edoras begleiten werden. Ich entbehre sie nur ungern, denn die Zeiten sind unsicher und wir ohnehin nicht viele, aber ich kann einen Knaben und einen Sterbenden nicht ungeleitet ziehen lassen. Werde ich dir gestatten, mit ihnen zu gehen?

Ich kann es nicht sagen.

Der Gedanke an dich macht mich rastlos und unentschlossen. Auch bringt er die Erinnerung an letzte Nacht zurück. Noch glaube ich spüren, wie sich deine Haut anfühlt, weiß ich genau, wie dein Mund schmeckt. So habe ich zuletzt erhalten, was ich begehrte, und zwei meiner Knappen grienen hinter meinem Rücken, als sie glauben, dass ich es nicht bemerke. Ich frage mich, ob mir die Zufriedenheit so deutlich anzusehen ist..

Ich trete vor die Pforte.

Der Sturm der letzten Nacht hat sich gelegt, und friedlich liegt die Welt zu meinen Füßen. Ich blicke über das Land, auf welches nun die Wintersonne scheint. Sie lässt den frischen Schnee wie reinstes Mithril funkeln.

Müßig beobachte ich, wie die Knappen die Packtiere beladen. Unser Tross ist bereit weiter zu ziehen, aber ich bin es noch nicht. Noch habe ich nicht über dich entschieden, und ich zögere meinen Entschluss hinaus. Wohl könnte ich verlangen, dass du mit mir kommst. Du gabst dein Wort. Und die Aussicht auf weitere Nächte mit dir ist gar verlockend.

Doch will ich dich zu einem fremden Volk entführen, das selten nur das Licht der Sonne sieht? Könntest du leben in meinem kalten Haus aus Stein?

So grüble ich und übersehe fast die schmale Gestalt unweit der Pforte. Dein Sohn steht da und hält unter meinen Männern nach dir Ausschau. Sein junges Gesicht ist voller Sorge, als er dich nicht finden kann.

Ich trete zu ihm, und er sieht mir unsicher entgegen. Er ahnt, es ist etwas geschehen zwischen dir und mir, doch noch ist er zu unschuldig, um zu verstehen. Freundlich frage ich ihn nach seinem Namen, den er mir dünner Stimme nennt, ehe er befangen schweigt. Und er ist zweifellos dein Kind, wie konnte ich es nicht erkennen. Er blickt mich aus den gleichen Augen an wie du.

Wie grausam scheint es mir nun, dich von ihm zu trennen. Auch lässt der Knabe mich an meine eigenen Söhne denken, voran mein Ältester, der ein wahrer Streiter seines Volk ist. Wahrlich, kein anderer schwingt die Axt so vortrefflich wie er.

Das Gesicht deines Sohnes hellt sich plötzlich auf. Er sieht mich um Erlaubnis heischend an, und als ich nicke, läuft er los. Ich wende mich um und sehe noch, wie der Knabe sich in deine Arme wirft. Du ziehst ihn an dich und birgst dein Gesicht in seinem Haar.

So habe ich dich also doch geweckt, oder war es die Sorge um deinen Sohn, die dich nicht mehr schlafen ließ?

Der Knabe spricht auf dich ein, und du lächelst und läßt ihn reden, während deine Augen mit Bangen auf ihm ruhen. Doch er ist arglos und unbekümmert und ahnt nicht einmal, was du fürchtest. Es geht ihm gut, und deine Erleichterung ist offenkundig, so wie die Dankbarkeit, die in deinen Augen steht.

Es gibt mir einen kleinen Stich, dass da so gar nicht mehr in ihnen ist als dies nach letzter Nacht.

Hufschläge schrecken mich auf. Jäh ist der friedliche Morgen erfüllt von den Rufen fremder Reiter. Das Wiehern der Pferde und Klirren ihrer Rüstungen klingt laut auf dem kleinen Platz vor der Pforte meines Hortes. Es sind ihrer zwanzig, und ihre Blicke sind nicht freundlich, und sie verdüstern sich noch mehr, als sie dich und deinen Sohn in unserer Mitte sehen.

Meine Knappen greifen nach den Waffen.

Einen Augenblick glaube ich schon, es wird zum Kampfe kommen, denn meine Männer sind hitzige Kämpen und eine Gelegenheit zum Händel ist ihnen stets willkommen. Doch ich weiß, wen wir vor uns haben und wünsche keinen neuen Zwist mit deinem König.

So trete ich vor ihren Anführer und nenne ihm meinen Namen. Herrisch frage ich ihn nach seinem Begehr, obwohl mir längst bekannt ist, nach wem er hier in dieser Abgeschiedenheit sucht.

Der Rohirrim blickt auf mich herab. Ich sehe den gleichen Dünkel und die Hoffart in seinen Augen, die auch dir zu eigen waren. Fast scheint es mir, dass alle eure jungen Männer an dieser Art von Hochmut leiden. Doch dann nimmt er den Helm ab. Sein Gesicht ist müde, und in seinem Blick finde ich nur wenig Zuversicht. Er ist lange geritten und hat verzweifelt gesucht, und ich habe ihm schlimme Kunde zu geben.

Ich bin besänftigt.

Mit einer Geste bedeute ich, den Sterben zu herbei zu bringen. Es dauert nicht lang, bis meine Knappen mit der Trage zurück kehren.

Mit ihnen verlassen die letzten meiner Mannen diesen Hort. Sie löschen die Lichter, und nun ist nichts mehr ihn ihm als kalter Stein und Dunkelheit. Die Pforte schließt sich, und wird für immer nun geschlossen bleiben, denn kein Auge außer dem unseren vermag sie in der rauen Felswand auszumachen.

Ich werde nicht hierher zurückkehren.

Die Rohirrim achten nicht mehr auf mich und meinesgleichen. Ich höre das entsetzte Raunen beim Anblick ihres Prinzen. Es ist nun kaum noch Leben in Theodens Sohn, und sie haben einen schweren Gang vor sich, ihres Königs Kind nach Haus zu tragen. Still heben sie den jungen Mann auf das Pferd des königlichen Neffen, und dieser schließt die Arme fest um seinen Vetter. Sein stolzes Antlitz ist finster und bedrückt dabei.

Es hellt sich auch nicht auf, als sich sein Blick auf dich und deinen Sohn fällt. In stummer Frage runzelt er die Stirn, und ich ahne, er wird nicht ohne dich reiten wollen.

Doch so leicht werde ich nicht auf dich verzichten. Ich habe schon so manchen Kampf bestritten, und so haben es meine Männer, und wir sind genug, um es mit mehr als zwanzig Reitern aufzunehmen. Ich werde dich nicht kampflos aufgeben, wenn du mit mir kommen willst. Doch willst du dies?  

Ich wende mich dir zu.

Was dein Mund nicht bittet, bitten mich deine Augen. Sie flehen mich an, dich frei zu geben.

Noch wagst du nicht zu hoffen, denn auch wenn die Ankunft eurer Reiter dir neuen Mut gibt, magst du nicht glauben, dass ich dich gehen lasse. So stehst du da, mit deinem Sohn in deinen Armen, und schwankst zwischen Hoffen und Verzweifeln. Es berührt mein Herz, dich so unglücklich zu sehen.   

Ein leises Geräusch ganz nah bei mir lässt mich stutzen, und ich bemerke eine Fackel, deren Wärme das Eis über ihr zum Schmelzen bringt. Wasserperlen rinnen an den Zapfen entlang, und die Flamme zischelt ärgerlich, als sie in ihr vergehen. Ich sehe zu, wie der nächste Tropfen fällt, und denke, dass es also entschieden ist.

Theodens Männer werden euch sicher zurück nach Edoras bringen.

Denn so, wie das Feuer dieses Eis schmilzt, so schmolz mein Zorn auf dich in letzter Nacht. Was immer ich dir nachtrug, es ist nun abgegolten. Mein Wunsch nach Vergeltung ist versiegt.

Ich kann dich gehen lassen.

Zwei Rohirrim drängen ihre Pferde zu dir und deinem Sohn heran. Mit geübter Bewegung nehmen sie euch hinter sich auf, und dann sprengen die Rösser davon. Sie tragen dich fort, und ich weiß, wir werden uns nicht wieder sehen.

Doch bleibt mir die Erinnerung, und auch du wirst diese Nacht kaum je vergessen. Durch sie bist du mein und wirst es immer bleiben.

Ich schaue dir nach, bis ich dich an der Gabelung des schmalen Weges aus den Augen verliere.

Du gönnst mir keinen Blick zurück.

Ich, Gloin, gebe meinen Männern das Zeichen zum Aufbruch.


~~~~~