Titel: Annaluva - Teil 5
Autor: Naurdolien


Nach einigen Stunden erwachte sie und weckte Boromir, der auch eingeschlafen war mit einem zärtlichen Kuß. Sie spürten beide Hunger in sich aufsteigen und machten sich auf den Rückweg zu ihrem Zimmer. Als sie fast dort waren, kam ihnen Haldir entgegen stolziert. Er hatte seinen Arm in einer Schlinge und der weiße Verband war das einzige was von seiner Verletzung zeugte. Die Wunden eines Elben heilten erstaunlich schnell. Er grüßte sie mit einem breiten Lächeln. „Hey, Annaluva! Herr Celeborn rüstet die Armee zum Gegenschlag. Wirst du uns begleiten?“ Laietha sah sich mit geübten Blick die Wunde an seiner Schulter an. „Meinst du im Ernst, daß du sie begleiten wirst, Haldir?“ Der Galadhrim lachte. „Natürlich. Also, wirst du mit uns kommen?“ Boromir sah sie erwartungsvoll an. Laietha schüttelte den Kopf. „Nein. Wir werden uns in einer Woche auf den Weg nach Gondor machen. Ich werde diesmal nicht an deiner Seite kämpfen. Ein anderes Mal vielleicht.“ Der Waldelb zuckte mit den Schultern. „Und, Herr Boromir, seid ihr zu eurer Mahlzeit gekommen als ich euch das letzte Mal gesehen habe?“ Er grinste spitzbübisch und erhoffte sich, daß Boromir ihm von einer schallenden Ohrfeige von Laietha berichten würde, aber der Mann legte seinen Arm um ihre Hüfte und zog sie mit einem breiten Lächeln fest an sich. „Ich danke euch für euren Unterricht. Ja, mein Hunger ist gestillt worden.“ Innerlich kochend, mit einem gequälten Lächeln verabschiedete sich Haldir von ihnen und sie begaben sich ins Haus, um zu frühstücken.

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Drei Tage später erwachten sie mitten in der Nacht von einem entsetzlichen Lärm. Schnell sprangen sie auf und liefen zum Fenster. Der Himmel war so rot, als hätte man ihn in frisches Blut getaucht. Laietha riß entsetzt die Augen auf. Boromir nahm sie in den Arm. „Was ist das?“ brachte sie stockend hervor. Boromir blickte lange nachdenklich in die Ferne. „Der Schicksalsberg. Etwas ist dort im Gange.“

Er unterdrückte die aufsteigende Furcht. War das der Triumph des dunklen Herrschers? War seine Stadt gefallen und dieses schreckliche Leuchten das Freudenfeuer Saurons? Er war sein ganzes Leben lang im Schatten dieses brennenden Berges aufgewachsen. Wie oft war er als Kind mitten in der Nacht aufgeschreckt und hatte den Berg in Flammen aufgehen sehen. Wie oft war Faramir weinend zu ihm ins Bett geklettert, weil ihn das gräßliche Feuerwerk Saurons geängstigt hatte. Boromir hatte den Kleinen immer versucht zu beruhigen, obwohl er selbst vor Angst gezittert hatte. Wie viele seiner Freunde, Kameraden, Ausbilder hatte er durch die Hände von Saurons Schergen verloren. Wie viele Leben würde dieser Krieg noch fordern. Was würde er vorfinden, wenn er in seine Stadt zurückkehrte. Plötzlich verspürte er den Drang, sofort aufzubrechen. Er fühlte sich wieder stark genug. Was würden vier Tage noch verbessern oder verschlechtern an seiner Gesundheit. Sein Herz zerriß ihn vor Sorge. Sein Vater, sein Bruder - was war mit ihnen geschehen, wenn dies das Triumphgeheul der Finsternis war?

„Boromir?“ Er sah sie an. Laietha schien schon länger mit ihm gesprochen zu haben, denn ihr Blick war besorgt. „Boromir, bitte, sag etwas!“ Er strich ihr über die Wange. „Wir werden morgen früh aufbrechen.“ Schnell legte er ihr den Finger auf die Lippen, als sie protestieren wollte. „Ich fühle mich wieder blendend.“ Ihr Blick verriet, daß sie die Lüge durchschaut hatte. Schnell schenkte er ihr ein Lächeln. „Oder kam ich dir noch so schwach vor, letztens im Wald bei unserem...“ er grinste breit, „...Picknick.“ Laietha senkte den Kopf. Sie machte sich ja selbst Sorgen um Aragorn. Schließlich wußte sie weder, wohin ihr Bruder gegangen war, noch ob er an seinem Ziel angekommen war. „Nein. Du hast völlig Recht. Wir sollten morgen aufbrechen. Ich werde gleich in der Frühe mit Frau Galadriel sprechen.“ Es würde lange genug dauern, bis sie in Gondor angekommen waren.

Der Schicksalsberg tobte bis in die frühen Morgenstunden und Laietha und Boromir lagen dicht beieinander, keiner fähig zu schlafen. „Erzähl mir vom Meer, Boromir,“ flüsterte sie gegen seine Schulter als eine weitere Eruption den Schicksalsberg zu schütteln schien. Er lächelte und küßte ihre Schulter.

„Ich war einmal mit meinem Bruder am Meer, als er kaum 14 war. Er hatte es sich so gewünscht und wir gingen jeden Abend an die selbe Stelle der Klippen, um die untergehende Sonne zu beobachten.“ Sie hatten ihren Onkel Imrahil in Dol Amroth besucht und Boromir mußte an seine Mutter denken. Dol Amroth -das würde für ihn immer Finduilas bedeuten.

Laietha spielte mit seinem Haar und legte ihren Kopf auf seine Brust. „Ist das nicht langweilig? Es muß doch immer gleich ausgesehen haben.“ Er lachte leise, aus seinen Erinnerungen gerissen. „Nein. Das Meer ist nie gleich. Der Himmel schimmerte jeden Abend in anderen Farben, das Wasser war einmal tiefblau, dann smaragdgrün, dann türkis oder so grün wie deine Augen. Der Wind strich uns durch die Haare und die Luft roch nach Salz. Wenn du dir die Lippen lecktest, konntest du es schmecken. Die Gischt spritzte gegen die Felsen und uns ins Gesicht. In der Ferne sahst du die Sonne untergehen - manchmal als feurigen Ball, manchmal als Widerschein in den Wolken.“ Das Meer - was würde er dafür geben, noch einmal so jung wie damals zu sein, ohne all die Sorgen um sein Land zu tragen, ohne die Grausamkeiten seines Vaters zu bemerken. Laietha seufzte leise. „Erzähl mir mehr vom Meer,“ bat sie. Boromir lächelte und schloß die Augen. „Die Seevögel kreisen über dir und du fühlst dich so frei, als gäbe es auf einmal nichts anderes mehr. Wenn du siehst, mit welcher Unermüdlichkeit das Wasser dem Strand Kieselstein um Kieselstein raubt und als Gegenleistung wunderbare Sachen ans Ufer schwemmt, fühlst du dich gleichzeitig unbedeutend, klein, vergänglich und auf eine andere Art Teil dieser Unendlichkeit.“ Laietha fuhr mit ihrem Finger seine Lippen nach und lächelte versonnen. Boromir küßte ihre Fingerspitzen und sie sah ihn an, als wäre sie eben erst aus einem Traum erwacht. „Das hört sich wunderschön an.“ Seine Hand fuhr ihren Rücken entlang. „Das ist es auch.“ Er sah sie lange an, langsam begreifend, wie glücklich er war, sie zu haben. „Kann man das Meer von deiner Stadt aus sehen?“

Seine Stadt, sein Bruder, sein Vater...

„Wenn man auf dem höchsten Turm steht und gute Sicht hat - ja.“ „Ich will das Meer sehen, Boromir. Ich will mit dir das Salz riechen und die Schätze suchen, die das Wasser preisgibt.“ Und Boromir wünschte sich sehnlichst das Gleiche. Wenn wieder Frieden herrschte.

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Galadriel war zuerst nicht begeistert davon, daß die beiden schon so früh aufbrechen wollten. Die Grenzen wimmelten von Orks und sie hielt Boromir noch nicht für kräftig genug, die lange Reise zu überstehen. Aber sie sah ein, daß dieser Zeitpunkt so gut wie jeder andere sein mochte. Die Herrin des Waldes ließ ihnen Proviant und Ausrüstung geben. Sie sollten mit einem Boot den Anduin hinunterfahren, obwohl diese Strecke gefährlich war, denn sie bildete die Grenze zwischen den Streitmächten Dol Guldurs und Lothloriens. Als sie am Flußufer standen, kam ein Bote herbeigeeilt und flüsterte Galadriel etwas zu. Sie begann zu lächeln. „Ich fürchte, ihr werdet nicht auf dem Fluß reisen. Kommt mit mir.“

Verwundert sahen sie sich an und Boromir konnte sich gerade einen bissigen Kommentar verkneifen, denn er war ungeduldig, endlich aufzubrechen. Als sie auf dem großen Platz unter den Blättern des riesigen Baumes, der den Palast von Galadriel barg ankamen, rissen die Menschen erstaunt die Augen auf. Ein schwarzes und ein braunes Pferd kamen sofort auf sie zugaloppiert. „Ascar!“ rief Laietha froh. Das Pferd rieb seinen Kopf an ihrer Schulter und schnaubte zufrieden. Auch Boromir streichelte glücklich den Hals seines Hengstes. Die beiden konnten gar nicht fassen, daß die Tiere ihnen so weit gefolgt waren. Aber das war nicht die einzige Überraschung, die sie erwartete, denn aus dem Baum stiegen zwei hochgewachsene dunkelhaarige Männer in glänzender Rüstung herab.

Laietha stieß einen Freudenschrei aus. „Elrohir! Elladan!“ Ungeachtet der umstehenden Elben und der Herrin des Waldes, rannte sie auf die beiden zu, die sie mit offenen Armen empfingen. „Elrohir, muindor! Le nach kuila!“ Weinend warf sie sich in seine Arme. Der Elb schmunzelte und preßte sie an sich. „Ja, ich lebe. Es geht mir gut, Schwesterchen.“ Laietha ließ von ihm ab und sah ihn mit großen Augen an. „Aber die Warge...wie konntest du? Es waren doch so viele! Ich dachte, du wärst tot! Ich habe mir solche Vorwürfe gemacht...ich...“ Er verschloß ihre Lippen mit einem Kuß. „Elladan kam und hat mir geholfen.“ Die Frau sah den anderen Elben überglücklich an und umarmte ihn heftig. Sie verschoben ihre Abreise um einen Tag, sehr zu Boromirs Bedauern.

Den ganzen Abend über saßen sie zusammen und Elladan und Elrohir mußten Laietha erzählen, was passiert war, nachdem sie in die Berge gelaufen war. Sie riß erstaunt die Augen auf und lächelte überglücklich. Immer wieder nahm sie Elrohirs Hand. Boromir seufzte resigniert, immer, wenn sie sich in der Sprache der Elben unterhielt. Mit einem Seitenblick auf Boromir fragte Elrohir: „Was ist mit dir, Schwester, hast du gefunden, wonach du gesucht hast?“ Lachend ergriff sie Boromirs Hand und drückte sie fest. Der Elb sah sie lange an und umschloß schließlich die Hände der beiden. „Ich sehe, daß deine Mühen nicht umsonst gewesen sind, Schwesterchen.“

Das Beisammensitzen ging bis in die frühen Morgenstunden. Elladan hatte nun die Aufmerksamkeit seiner Schwester für sich gewonnen und erzählte ihr alle Neuigkeiten aus Bruchtal. Boromir beobachtete sie mit einem Lächeln in den Mundwinkeln, als Elrohir plötzlich leise zu ihm sprach. „Wenn ich du wäre, würde ich gut auf sie achtgeben, oder du wirst meinen und den Zorn meiner Brüder zu spüren bekommen.“ Boromir sah ihn ernst an. „Das werde ich nicht, keine Sorge. Sie bedeutet mir sehr viel. Ich wäre ein Dummkopf, wenn ich sie nicht hüten würde, wie einen Schatz.“ Elrohir hob eine Augenbraue und erinnerte Boromir in diesem Augenblick nur zu sehr an Herrn Elrond. „Wir werden ja sehen,“ knurrte der Elb.

Als sie zu Bett gingen, achteten die beiden Elben genau darauf, daß Laietha sich in ihr eigenes Bett legte. Sie warf Boromir ein entschuldigendes Lächeln zu. Er mußte grinsen. Die beiden Elben starrten mit offenen Augen aus dem Fenster. Wurden sie denn nie müde, fragte sich Boromir im Stillen. Er drehte sich auf die Seite und sah sehnsüchtig zu Laiethas Bett hinüber. Ein Seufzer entrang sich seiner Kehle und er drehte sich mit einem frustrierten Stöhnen wieder auf die andere Seite. Es dauerte nicht lange und er hörte nackte Füße über den Boden schleichen und kurz darauf hob sich seine Decke und ihr warmer Körper schmiegte sich an seinen Rücken. Geschwind drehte er sich um. „Bist du des Wahnsinns? Sie werden mich ausweiden, wenn sie dich hier sehen,“ zischte er. Laietha versiegelte seine Lippen mit ihren. „Keine Angst, sie schlafen.“ Boromir schielte über seine Schulter und blickte in Elrohirs - ? - geöffnete Augen, die ihn ansahen. Zu seiner Überraschung unternahm der Elb nichts. Laietha kicherte und dann fiel es ihm wieder ein - Elbenschlaf. Er schüttelte den Kopf. Daran würde er sich nie gewöhnen, auch wenn er es bei Legolas oft genug gesehen hatte. Er war froh, daß Laietha ein Mensch war. „Sie werden bald aufwachen, aber einen Moment haben wir für uns.“ Er lachte leise. Laiethas Finger strichen über seinen Bart. „Der alte Bilbo läßt dich grüßen. Er sagt, du sollst mich gut behandeln, weil ich dir sonst davonlaufe.“ Boromir küßte sie. Das mußte man ihm wahrlich nicht zweimal sagen. „Niemals, Herrin. Diesmal höre ich auf ihn und sobald ich etwas Seil habe, werde ich dich festbinden und dann läufst du mir nie mehr davon. Ich lasse dich nicht mehr gehen.“

Sie lagen eine Weile so beisammen und Laietha gähnte, denn die letzte Nacht ohne Schlaf machte sich bemerkbar. Boromir gab ihr einen Klaps auf den Po. „Geh in dein Bett, bevor du hier einschläfst und dein Bruder mich umbringt.“ Sie gab ihm einen letzten Kuß und schlich in ihr Bett zurück. Boromir warf ihr noch eine Kußhand zu und bald waren sie eingeschlafen.

****

Am nächsten Morgen rüsteten sie sich endgültig zum Aufbruch. Boromirs Verletzungen waren noch einmal versorgt worden und Galadriel hatte inzwischen kaum noch Bedenken wegen seiner Reise. Der Mann war erstaunlich stark.

Boromir hatte sehr gute Laune, denn nun würden sie sich endlich auf den Weg in seine Heimat machen - so sehr er die Goldenen Wälder mochte. Als sie bei den Pferden angekommen waren, kam Ascar sofort auf Boromir zu und stupste ihn an, so daß der Mann fast das Gleichgewicht verloren hätte. Der Gondorianer sah den Hengst fragend an. „Was hast du denn, Ascar? Ist etwas nicht in Ordnung?“ Das Tier schubste ihn erneut, diesmal fordernder und vergrub seine Nüstern an Boromirs Seite. Der Mann begriff plötzlich, was das Tier von ihm wollte und brach in Gelächter aus. „Ach so. Du willst etwas haben! Tut mir leid, mein Guter, aber diesmal habe ich nichts für dich.“ Er zeigte dem Rappen seine leeren Hände. Das Pferd schnaubte und stieß ihn mit der Schnauze an und Boromir prallte unsanft gegen Laietha. Ascar ließ nicht locker. Er fuhr so lange fort, Boromir in den Rücken zu stoßen, bis er mit einem Seufzer nach ihren Vorräten griff und die heißbegehrte Karotte hervorzauberte. „Hier, du gieriges Tier!“ brummelte er. Laietha lachte laut. „Es ist deine eigene Schuld, denn er weiß genau, wo es etwas zu holen gibt.“ Boromir küßte sie flüchtig. „Er ist genauso fordernd wie du.“ Sie grinste breit.

Sie sattelten die Pferde und machten sich auf den Weg nach Gondor.

Elrohir ritt dicht neben Laietha. „Wenn er dich noch einmal nachts in sein Bett lockt, bringe ich ihn um.“ Sie lachte und zerzauste ihm das Haar. „Vielleicht interessiert es dich, daß er um meine Hand angehalten hat.“ Der Elb sah mit hochgezogenen Brauen an. „Er kann vor dir um deine Hand anhalten, sooft er will, aber ich würde zu gerne sein Gesicht sehen, wenn er mit dieser Bitte vor Vater treten muß.“ Laietha seufzte. Es war nicht einfach, die kleine Schwester von drei großen Brüdern zu sein.

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Viele Tage waren sie unterwegs. Wohin sie kamen, sahen sie Spuren des Krieges und einige Male wurden sie selbst in kurze Scharmützel mit umherstreifenden Orks verwickelt. Aber sie trafen keine von Saurons Armeen an, wie Boromir im Stillen befürchtet hatte.

Auf halben Weg nach Gondor kam ihnen eine Gruppe Reiter entgegen. Zunächst gingen sie in Deckung, bis Elladan schließlich flüsterte: „Männer aus Rohan.“ Geschwind verließen sie ihr Versteck und warteten darauf, daß die Gruppe näher kam. Boromir erkannte unter ihnen den Marschall der Rittermark Eomer. Sein Gesicht war ernst und Boromir konnte Schmerz darin sehen. Besorgt wandte er sich an den Mann. „Herr Eomer, kommt ihr aus Gondor? Sagt mir, gibt es Nachrichten aus der Weißen Stadt?“ Eomer musterte ihn lange. „Herr Boromir, nicht wahr? Ja, es gibt Nachrichten. Der Feind ist besiegt, aber euer Vater ist tot und euer Bruder schwer verletzt. Die letzte Schlacht auf den Pelennor Feldern hat viele Opfer gefordert.“

Boromir war, als würde sich der Boden auftun und unter ihm verschwinden. Krampfhaft hielt er sich an seinem Pferd fest. Laietha eilte an seine Seite und drückte seine Hand. Er reagierte kaum. Mit gesenktem Haupt nickte er langsam. Eomer kam zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Es tut mir leid, daß ihr es so erfahren mußtet. Vielleicht ist es nur ein schwacher Trost, wenn es Trost für euch gibt, eure Stadt ist schwer zerstört worden, aber sie ist wieder frei.“ Boromir hob den Blick und ließ ihn über die Soldaten des Reitervolkes schweifen. Von ihrem König fand er keine Spur. Er sah Eomer in die Augen und der Schmerz, der in ihnen wütete ließ ihn begreifen, daß auch Theoden gefallen war. Auch er legte dem Krieger die Hand auf die Schulter und so standen die beiden Männer einige Zeit und spendeten sich stillen Trost - ohne eine Träne zu vergießen.

Die Reiter waren weitergezogen und Boromir ritt langsamer als an den Tagen zuvor, fast als würde er sich nun fürchten seine geliebte Heimatstadt zu erreichen. Die meiste Zeit schwieg er, was Laietha mit großem Unbehagen feststellte. Sie wünschte sich, daß sie seinen Schmerz lindern könnte, wußte aber nicht wie. Und was war aus Aragorn geworden? Sie hatte Eomer nicht gefragt, denn was hätte sie sagen sollen? Habt ihr einen Waldläufer gesehen?

Sie hatten noch gut zwei Wochen Reise vor sich und bis dahin würde sie sich wohl gedulden müssen. Elladan hatte ihr erzählt, daß Elrond sich bald auf den Weg nach Minas Tirith machen wollte und sie darauf vorbereitet, daß sie sich eine gehörige Standpauke für ihr eigenmächtiges Verhalten abholen können würde. Im Moment interessierte sie die Schelte, die ihr bevorstand herzlich wenig.

Sie waren an der Grenze zu Gondor angelangt und rasteten in der Nähe des Firienwaldes. Die Sonne versank langsam hinter dem Weißen Gebirge und tauchte das Land in goldenes Licht. Elladan und Elrohir sammelten Feuerholz und Laietha band die Pferde fest.

Boromir stand unschlüssig herum und starrte auf die Berge. Sie ging zu ihm und legte ihm den Arm um die Hüfte. „Es tut mir leid, wegen deinem Vater.“ Die Worte kamen ihr so leer und bedeutungslos vor. Boromir wandte seinen Blick nicht von den Gipfeln, die schwarz gegen die sinkende Sonne hervorstachen ab. Laietha streichelte seinen Arm. Er ließ sich plötzlich in ihre Arme sinken und preßte seinen Kopf gegen ihre Schulter. Sie umschloß seinen Körper und streichelte sanft seine Schultern. Etwas anderes als beruhigende Laute brachte sie nicht hervor. Nach einer Weile hub er mit rauher Stimme zu sprechen an. „Er war ein harter Mann. Manchmal habe ich ihn gehaßt. Er hat meinen Bruder immer ungerecht behandelt und oft habe ich geglaubt, er würde uns nicht lieben. Als ich älter wurde, habe ich ihm mehr als einmal im Stillen vorgeworfen, daß Mutter nur wegen seiner Kaltherzigkeit gestorben ist. Aber er war mein Vater und ich habe ihn geliebt. Ich wünschte mir, ich hätte noch einmal mit ihm sprechen können. Und was ist, wenn mein Bruder tot ist, wenn wir in Minas Tirith eintreffen?“ Er klammerte sich nun fast verzweifelt an sie. Laietha antwortete nicht, sondern hielt ihn nur fest im Arm. Schließlich löste er sich von ihr und seine Wangen färbten sich mit Scham, daß er sich so hatte gehen lassen. Das war eines Kriegers nicht würdig. Sie strich ihm übers Gesicht und zog ihn in die Wärme ihrer Umarmung zurück, bereit, ihm weiter Trost zu spenden. „Hast du nicht gesagt, du würdest spüren, wenn deinem Bruder etwas passiert?“ Er erschauderte, als er sich an das Gefühl des Verlustes in Lothlorien erinnerte. Laietha erriet seine Gedanken. „Vielleicht hast du den Tod deines Vaters gespürt, aber ich bin sicher, daß du deinen Bruder bald wiedersehen wirst und er wird leben.“ Boromir wünschte sich, daß er ihre Zuversicht teilen könnte.

Die Sonne war hinter den Bergen untergegangen und der Himmel leuchtete in Tönen von rot, blau und violett. Boromir hob den Kopf und sah sich um. „Ein schönes Fleckchen Erde ist das hier. So friedlich und still. Ich würde zu gerne hier leben.“ Er sah sie an. „Mit dir,“ setzte er hinzu. Laietha strich ihm die Haare aus dem Gesicht. „Be iest lîn, Boromir,“ lächelte sie.

Elladan und Elrohir kehrten zurück und sie hatten nicht nur Feuerholz gefunden, sondern auch ein paar Kaninchen erlegt. Das Abendessen war gesichert.

****

Die Gegend war belebter geworden und sie hatten die letzten Nächte in kleinen Gasthäusern verbringen können. Boromir hatte zwar etwas unglücklich dreingeschaut, weil die Elben darauf bestanden hatten, mit ihm in einem Raum zu schlafen, während Laietha ihr eigenes Zimmer bekommen hatte, aber er dachte sich, daß das vielleicht nicht der geeignete Zeitpunkt für einen Disput mit seinen zukünftigen Schwägern wäre. Wenigstens kamen sie zügig voran und nicht nur Boromir brannte darauf, endlich in der Weißen Stadt anzukommen.

Die Nachricht von Saurons Fall hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet und überall waren die Leute guter Dinge. Und noch etwas erfuhren sie - in der Stadt liefen die Vorbereitungen für die Krönung von König Aragorn. Als Laietha das hörte, machte ihr Herz einen Freudensprung, denn das hieß, daß es Aragorn gutging. Aber nicht nur die Nachrichten aus der Stadt verbreiteten sich schnell. Boromir war wohlbekannt in dieser Gegend und die Nachricht von seiner Rückkehr in Begleitung einer fremden Frau eilte ihnen voraus und so wurden sie schon bald in den Dörfern als Herr Boromir und seine Frau begrüßt. Laietha und Boromir sahen sich schmunzelnd an, während Elronds Söhne ihren Ärger nur mühsam unterdrückten - zumindest Elrohir kochte innerlich. Noch hatte Boromir nicht bei Elrond vorgesprochen und nichts war entschieden! Und ob ihr Vater von dieser Verbindung so angetan sein würde, wagte er zu bezweifeln.

Sie konnten in der Ferne schon den weißen Turm von Ecthelion aufragen sehen, als sie an diesem Abend ihre Reise beendeten und ihr Lager am Ende des Steinkarrentals aufschlugen. Boromir lächelte, als sein Blick auf Laietha fiel. Mit offenem Mund starrte sie in die Richtung der Weißen Stadt, die sich in weiter Ferne erhob. „Ein schöner Anblick, nicht wahr?“ fragte er und sein eigenes Herz schlug schneller - vor Freude und Angst zugleich. Laietha nickte nur, wandte ihren Blick aber nicht von dem schimmernden Turm ab. „Wunderschön,“ brachte sie schließlich leise hervor. Boromir legte den Arm um sie. Morgen abend würden sie in den Mauern der Stadt schlafen. Er würde ihr alles zeigen - die Zitadelle, die Ringe der Stadt mit ihren verwinkelten Gassen, den Weg zum Fluß und er würde mit ihr auf den Turm steigen und das Meer betrachten. Elladan reichte ihnen etwas zu Essen und setzte sich zu ihnen. Er musterte den Krieger lange und schenkte seiner Schwester schließlich ein verstohlenes Lächeln. „Gute Wahl,“ griente er nach einer Weile. Laietha lächelte und nahm Boromirs Hand.

****

Es war ein wunderschöner Tag. Aragorn hätte sich keinen besseren wünschen können. Die Sonne schien warm auf sie herab und kein Wölkchen verdeckte den Himmel. Draußen hatten sich schon die Massen versammelt, die sich darauf freuten, ihn bald schon ihren König nennen zu können. Er warf einen letzten Blick in den Spiegel und betrachtete sich in der festlichen Kleidung. Es war ein wenig ungewohnt und er hatte es nie so gewollt, aber die letzten Monate hatten ihn verändert. Er fühlte sich nun stark genug, diese Aufgabe zu übernehmen. Faramir war ihm eine große Hilfe gewesen. Der jüngste Sohn des Truchsesses hatte ihn in den vergangenen Tagen unterstützt, wo er nur gekonnt hatte. Zwar war seine Trauer noch tief - Aragorn hatte fast den Eindruck, daß ihn der Tod seines Bruders mehr getroffen hatte als der seines Vaters - aber ihm war auch nicht entgangen, daß er und die Nichte von König Theoden sich gegenseitig Trost spendeten und Aragorn lächelte. Eowyn war eine wunderbare Frau und er war sich sicher, daß Faramir keine geringere verdient hätte. Seine Hand umfaßte den Griff von Anduril und er straffte sich. In weniger als einer Stunde würde es losgehen.

„Nervös?“ Die Stimme des Elben ließ ihn herumfahren und Aragorn lachte. „Ein wenig, ja.“ Legolas schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Kopf hoch, mein Freund. Du hast schon so viel durchgestanden, da wird das hier nicht so schwer sein.“ Aragorn lächelte unsicher. „Oh, ich weiß nicht. Es ist einfacher, sich einen Weg durch ein Heer Orks zu bahnen, als zum König gekrönt zu werden.“ Der Elb schüttete sich vor Lachen aus. Aragorn setzte sich auf einen Stuhl und seufzte. „Ich wünschte nur, meine Schwester wäre jetzt hier. Sie würde mir sicher den Kopf waschen, wenn ich so schrecklich aufgeregt bin. Für sie ist immer alles ganz einfach.“ Legolas kniete sich vor ihn hin. „Sie wird sich bestimmt alles von Merry und Pippin erzählen lassen und die werden ihr schamlos jeden Fehler berichten, den du gemacht hast.“ Aragorn lächelte. Fast fürchtete er sich ein wenig, Laietha wiederzusehen, denn dann würde er ihr Boromirs Tod eröffnen müssen. Keine schöne Aufgabe.

Die Fanfaren erschallten und er stand auf. Legolas nickte ihm aufmunternd zu. „Eure Zeit ist gekommen, mein König.“

Die Massen jubelten, als Aragorn vor sein Volk trat. Die Hobbits strahlten vor lauter Stolz und Gimli und Legolas klatschten begeistert in die Hände, als das Volk seinen neuen König hochleben ließ. Auch Eowyn strahlte glücklich, denn sie gönnte Aragorn von Herzen, daß er nach so vielen Mühen seinen Lohn erhalten hatte. Er würde ein weiser und gütiger König werden.

Auch Faramir rang sich ein Lächeln ab, aber er war noch immer voller Trauer über den Tod seiner Familie. Nun war er ganz alleine. Zwar hatte er Eowyn, aber sie würde den Platz seines Bruders in seinem Herzen nie einnehmen können und er spürte, daß die Leere, die Boromir hinterlassen hatte, nie ausgefüllt werden konnte. Während sich die anderen zum Fest begaben, entschuldigte er sich und verließ den Raum. Eowyn sah ihm besorgt nach, aber Legolas griff nach ihrer Hand und bat sie um einen Tanz. Mit einem Blick auf Faramir, der gebeugt den Raum verließ, nickte sie und der Elb begann mit ihr zu tanzen.

Faramir lief ziellos durch die Straßen der Stadt und hatte keine Augen für die prachtvollen Girlanden aus Blumen, die man überall aufgehängt hatte oder das schöne Wetter, die fröhlichen Menschen. Er wollte jetzt nur alleine sein. Es zog ihn auf den weißen Turm hinauf. Wie oft hatte er dort mit Boromir gestanden und sein Bruder hatte ihn hochgehoben und ihm das Land gezeigt.

Boromir - sein großer starker Bruder, sein Vertrauter. Es war so viel geschehen, seit er die Nachricht von seinem Tod bekommen hatte. Ein Krieg war gewonnen worden, sie hatten einen neuen König bekommen und für Trauer war keine Zeit geblieben. Vielleicht war die Zeit jetzt reif dafür. Faramir atmete tief durch. Der Wind fuhr ihm durch das Haar und kühlte seine heiße Stirn. Der Schmerz zerrte an ihm, als wollte er sein Herz zerreißen. Sein Blick schweifte in die Ferne, wissend, daß sein Bruder nie wiederkommen würde, solange er auch wartete. Als er noch klein war, hatte er Boromir für einen Gott gehalten - allwissend, mit übermenschlicher Kraft, grenzenloser Güte, unsterblich. Er hatte ihm zu jeder Waffe erklären können, wie man sie führte, hatte die Jungs, die ihn verhauen wollten durch seine bloße Anwesenheit in die Flucht geschlagen, hatte jedes seiner Probleme ernst genommen und ihn vor allem beschützt. Und er hatte nie ein Versprechen gebrochen, bis auf eins: „Ich werde dich nie verlassen, Faramir.“ Warum gerade dieses Versprechen, Bruder? Warum nicht ein anderes, geringeres? Faramirs Hände gruben sich in den Stein des Turmes, bis seine Fingerkuppen schmerzten. Ihr Vater hatte seinen Tod nicht verkraftet und wenn Frau Eowyn nicht gewesen wäre... Vielleicht würde der Schmerz verblassen, aber er würde nie verschwinden. Ihm war jetzt nicht nach feiern zu Mute.

Oft hatte Faramir von diesem Ort Ausschau gehalten, um der erste zu sein, der seinen siegreich heimkehrenden Bruder begrüßen konnte. Er hatte immer Zeit gefunden, zwischen all den Berichten, taktischen Besprechungen, Kriegsvorbereitungen, um mit seinem Bruder hier hinauf zu kommen und gemeinsam über das Land zu blicken. Wie sehr hatte Faramir gehofft, daß sein Traum ihn getäuscht hatte. Er hatte lange auf Boromir gewartet, bis Aragorn ihm den Tod seines Bruders bestätigt hatte.

Es war bereits Nachmittag geworden und Faramir hatte nicht bemerkt, daß er so lange dort gestanden hatte. Mit einem Seufzer machte er sich an den Abstieg. Er sollte wohl besser zu den anderen zurückgehen, bevor sich jemand um ihn Sorgen machte.

****

Boromir beobachtete sie mit einem Lächeln, als sie durch die Straßen der Stadt ritten. Sie bekam den Mund gar nicht mehr zu vor lauter Staunen, als sie durch die Ringe der Stadt ritten. Die Soldaten sahen ihn mit großen Augen an und wo sie vorbeikamen, wurde großes Freudengeschrei laut, daß Denethors ältester Sohn lebend zurückgekehrt war. Boromir legte seine Hand stolz auf Laiethas, denn er wußte sehr wohl, wem er das zu verdanken hatte.

Sie waren schon dicht am Palast, als er eine gebeugte Gestalt durch die Straßen gehen sah. Sein Herz machte einen Freudensprung. Er versetzte seinem Pferd einen Stoß in die Flanken und überholte den Mann. Schnell sprang er vom Pferd und baute sich vor ihm auf. Langsam erhob der andere den Kopf und stieß einen entsetzten Schrei aus.

Faramirs Hände zitterten. Was für einen üblen Trick gaukelten ihm seine Augen vor? Er brachte kein Wort hervor und wagte es nicht, die Augen zu schließen, weil er fürchtete, seinen Bruder dann nie wieder zu sehen. Boromir sah ihn ernst an. Faramir legte seine bebende Hand an sein Gesicht und er erschauderte, als er die warme Haut berührte. Plötzlich verschwand alles um ihn herum. Es war ein Traum - es mußte ein Traum sein - und er hoffte, niemals wieder zu erwachen. „Boromir.“ Der Ältere schloß ihn fest in den Arm und Faramir stieß den Atem ungläubig keuchend aus. Er klammerte sich an seinen Bruder, als würde sein Leben davon abhängen und auch Boromir tat es ihm gleich. „Du lebst!“ brachten beide im selben Augenblick hervor. Faramir hob den Kopf und sie starrten sich einem Moment lang fassungslos an. Endlich fand Faramir seine Sprache wieder. „Ich dachte, du wärst tot! Wir fanden dein Horn, wir haben es gehört, Aragorn sagte...“ Boromir lächelte glücklich. „Eomer aus Rohan sagte, du wärest verletzt und ich hatte so ein schlechtes Gefühl...“ Wieder umarmten sie sich. Als Faramir diesmal den Blick hob, sah er eine junge Frau und zwei Elben, die auf ihren Pferden neben ihnen standen und sie beobachteten. Er wandte sich wieder seinem Bruder zu, immer noch fassungslos über sein Glück. „Aber ich hatte einen Traum! Ich sah dich tot und...“ Ihm versagte die Stimme und Boromir drehte sich plötzlich zu der fremden Frau um und half ihr vom Pferd. Faramir sah ihn verwundert an. Die junge Frau trug die Kleidung einer Kriegerin und er hatte sie noch nie zuvor gesehen. Sie sah aus, als wäre sie schon lange unterwegs gewesen und erst jetzt kam Faramir der Gedanke, daß sie mit seinem Bruder gekommen sein könnte. Dann bemerkte er den Gesichtsausdruck seines Bruders, als er sie bei der Hand nahm und zu ihm führte. Faramir lächelte. Die Frau machte einen wohlerzogenen Knicks vor ihm und Boromir lachte laut. „Das ist mein Bruder, Laietha! Heb dir deine Manieren für den König auf!“ Sie schmunzelte und Boromir wandte sich seinem Bruder zu. „Ich wäre gestorben, wenn sie nicht gekommen wäre und mir geholfen hätte.“ Faramir ergriff Laiethas Hand und verbeugte sich tief vor ihr. „Vielen Dank, Herrin. Ich stehe tief in eurer Schuld.“ Boromir mußte kichern, als er sah, wie Laietha rot wurde und sich unbehaglich wand. „Gern geschehen,“ murmelte sie verlegen.

Faramir küßte ihre Hand und Boromir zog ihn lachend auf die Beine. „Hey, Brüderchen, das ist meine Braut! Such dir eine eigene!“ Die beiden Männer sahen sich noch einmal an und schlossen sich in die Arme. „Es ist gut, daß du wieder hier bist,“ sagte Faramir, dessen Stimme immer noch belegt war. Boromir drückte ihn fest an sich. „Ja, ich bin zu lange fort gewesen.“ Einer der Elben meldete sich zu Wort. „Ich denke, die Krönungsfeier ist in vollem Gange. Wir sollten uns auf den Weg machen. Ich will nicht noch mehr von Elessars Fest verpassen.“ Die Frau, die mit Faramirs Bruder gekommen war erwiderte etwas in der Sprache der Elben, von dem Faramir nur den ungefähren Wortlaut mitbekam und er fing an zu lachen - das erste Mal seit Monaten. Laietha und Elrohir blickten ihn erstaunt an und der Elb meinte trocken: „Ich glaube, du hast dir den falschen Bruder ausgesucht, Schwesterchen.“

****

Das Fest war in vollem Gange. Die Hobbits machten sich über die köstlichen Speisen her, Gimli bewunderte die Arbeit an dem Gebäude und Legolas tanzte und erfreute sich an der Musik, die gespielt wurde. Aragorn sah sich suchend im Raum um und fand Eowyn alleine am Tisch sitzend. Er stand auf und ging zu ihr. „Was habt ihr, Herrin?“ Sie schreckte aus ihren Gedanken auf. „Ich habe mich nur gefragt, wo Faramir ist. Er ist schon seit Stunden fort und ich mache mir große Sorgen um ihn.“ Aragorn lächelte sie aufmunternd an. „Gebt ihm Zeit, Herrin. Er hat in kurzer Zeit seinen Bruder und seinen Vater verloren. Macht euch keine Sorgen, er wird bald wiederkommen.“ In diesem Moment öffnete sich die Tür und ein Herold meldete Besucher an. Aragorn wunderte sich. Wer könnte jetzt eingetroffen sein? Er bat die Gäste hinein.

„So kann ich nicht gehen! Es ist eine Krönungsfeier und ich trage Hosen und ein zerschlissenes Hemd!“ Laietha stampfte mit dem Fuß auf und Elladan zuckte mit den Schultern. „Wir haben uns doch auch nicht umgezogen!“ Sie schnappte nach Luft und klopfte gegen seine schimmernde Rüstung. „Ihr seht ja auch anständig aus!“ Dann wedelte sie mit der Hand vor ihrer Kleidung herum. „Ich könnte schon ein Bad vertragen und“ sie deutete auf Boromir „er auch!“ Hinter ihnen räusperte sich jemand. Der Herold sah sie erwartungsvoll an. „Der König erwartet euch.“ Laietha lief rot an und warf Elladan einen giftigen Blick zu. Dann straffte sie sich und betrat zwischen ihren Brüdern laufend, den Raum.

Aragorns Augen weiteten sich, als er seine Schwester und seine Brüder erblickte. „Aiwe!“ rief er fröhlich aus und lief ganz und gar nicht königlich auf sie zu, aber es war ihm in diesem Moment auch egal, ob man ihn für den König oder einen Landstreicher hielt. Laietha gab einen Freudenschrei von sich und warf sich in seine Arme. Er schwenkte sie wild herum und als er sie wieder auf den Boden ließ, trat sie schnell einen Schritt zurück. Sie sah ihn bewundernd an. Wie stolz er auf einmal aussah und wie weise. Dann dachte sie wieder an ihre eigene Kleidung und strich ihm sachte über die teuren Stoffe, die er trug. „Ich habe dich bestimmt ganz schmutzig gemacht, Duna...Elessar.“ Er lachte laut und hob sie auf den Arm. „Und wenn du ganz und gar voller Matsch wärst! Du ahnst gar nicht, wie glücklich ich bin, dich zu sehen!“ Er wollte sie gerade fragen, wo ihr Vater wäre und blickte an ihr vorbei. Jetzt erst fiel ihm auf, daß alle im Raum verstummt waren und auf die Tür starrten.

Aragorn blinzelte ungläubig und ließ seine Schwester wieder runter. Dort stand Boromir mit seinem Bruder. War es eine Täuschung? Der Krieger machte ein ernstes Gesicht und kam langsam auf ihn zu. Aragorn konnte sich nicht rühren, sondern starrte nur fassungslos auf den Kameraden, den er tot geglaubt hatte. Boromir kam vor ihm zum Stehen und fiel auf die Knie. Er beugte seinen Kopf. „Zu euren Diensten, mein König.“

Er hob sein Haupt und lächelte Aragorn an. Der König sank zu ihm hinunter. „Wie konntest du...“ Seine Frage blieb in der Luft hängen und dann fiel sein Blick auf seine Schwester. Natürlich. Sie war ihnen gefolgt. Eigentlich hätte er wütend auf sie sein müssen, aber nun war sie hier, es ging ihr gut und Boromir, um den sie alle lange getrauert hatten, war am Leben.

Merry und Pippin hatten ihre Sprache wiedergefunden. Sie rannten auf ihren Freund zu und fielen ihm um den Hals. Was für Vorwürfe hatten sie sich gemacht, denn sie hatten geglaubt, daß er sich für sie geopfert hätte. Auch Boromir war überglücklich, denn lange hatten ihn Albträume gejagt, weil er versagt hatte, sie zu beschützen.

Es wurde ein so fröhliches Fest, wie es vielleicht seit Bilbos einhundertundelfzigsten Geburtstag keins mehr gegeben hatte. Bis in die frühen Morgenstunden saßen sie bei gutem Essen, Gesang und Tanz beieinander. Die ganzen Anstrengungen und Mühen der letzten Monate waren vergessen. Kurz bevor die Sonne aufgehen wollte, gingen die letzten von ihnen zu Bett und vor dem Mittag erhoben sich nicht einmal die Hobbits am nächsten Tag.

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Laietha machte sich am nächsten Tag gleich nach dem Aufstehen auf die Suche nach ihrem Bruder. Nur, wo sollte sie anfangen? Eine Weile lang irrte sie durch die Gänge des fremden Palastes. Einer der Bediensteten war so freundlich, ihr zu sagen, daß er sich vielleicht in seinen Gemächern befand. Sie bedankte sich und der Mann lief geschäftig davon. Dann fiel Laietha auf, daß sie nicht wußte, wo Aragorns Gemächer waren. Sie seufzte. Plötzlich legten sich ihr zwei Hände um die Hüften und sie wirbelte herum. Boromir stand lachend hinter ihr. „Hast du dich verlaufen?“ Laietha nickte zögerlich. „Ich fürchte schon. Ich bin auf der Suche nach meinem Bruder.“ Boromir nahm sie bei der Hand. „Ich auch. Komm, wir werden ihn schon finden. Er ist bestimmt in seinem Arbeitszimmer.“

Boromir sollte recht behalten. Vorsichtig klopfte Laietha und streckte ihren Kopf zur Tür rein. Zu ihrer Überraschung war Aragorn nicht alleine, sondern in ein Gespräch mit Faramir vertieft. Laietha kam hinein. „Störe ich, Majestät?“ fragte sie mit einem Grinsen und die Männer schenkten ihr ein Lächeln. Sie baten sie herein und Boromir folgte ihr. Aragorn erhob sich aus seinem Stuhl. „Es ist gut, daß du kommst, Boromir. Wir haben gerade über dich gesprochen und ich wollte schon nach dir schicken lassen.“ Der Krieger hob skeptisch eine Braue. Das Gesicht seines Freundes sah ernst aus und Faramir machte den Eindruck, als wäre er sehr nachdenklich. „Ist etwas nicht in Ordnung?“ fragte Boromir irritiert. Aragorn schüttelte den Kopf. „Oh nein. Es ist nur Folgendes - ich wollte Faramir zum Fürsten von Ithilien ernennen, aber heute vormittag kam er zu mir und...“ „Ich bitte um Vergebung, mein König,“ fiel ihm der junge Mann ins Wort und er trat zu seinem Bruder. „Ich bin der Meinung, daß du den Posten eher verdient hättest als ich. Schließlich bist du der Ältere von uns beiden und hättest ein Anrecht darauf. Du wärst der nächste Statthalter von Gondor gewesen und da ist es ja nur recht und billig, daß dir diese Aufgabe gebührt.“ Aragorn nickte bedächtig. „Ja, ich möchte dich nicht übervorteilen. Als ich die Entscheidung, Faramir zu meinem Fürsten zu machen traf, dachten wir...viele Dinge haben sich gestern geändert.“

Faramir beobachtete Laietha, die keine Anstalten machte, den Raum zu verlassen. Zwar war sie zum Fenster gelaufen und blickte über die Stadt, aber er konnte auch sehen, daß sie sich nichts von der Unterhaltung entgehen ließ. Er mußte schmunzeln. Sein Bruder hatte sich eine Braut mit hellem Köpfchen ausgesucht.

Boromir lachte erleichtert. „Wenn das alles ist, was euch Kopfzerbrechen bereitet!“ Er ging zu Aragorn und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Deine Wahl war weise, als du meinen Bruder batest. Ja, ich bin der Ältere und ich hätte unseren Vater abgelöst, aber ich bin ein einfacher Soldat.“ Faramir wollte protestieren, aber Boromir brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen. „Faramir ist sehr klug und bei weitem überlegter als ich. Er hat es sich redlich verdient, den Titel zu tragen.“ Dann blickte er zu Laietha hinüber und Aragorn lächelte verstehend. „Aber was ist mit all den Mühen, die du...“ Boromir lachte seinen Bruder an. „Hab keine Sorge, Faramir. Ich bin reichlich entlohnt worden.“

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Faramir und Laietha verstanden sich prächtig miteinander und Boromir sah es gerne, daß sein jüngerer Bruder ihr die Stadt zeigte. Er selbst hatte sich ein wenig zurückgezogen, um seine Rückkehr zu begreifen. Die Stadt sah furchtbar aus - obwohl man ihm versicherte, daß alles noch schlimmer ausgesehen hatte. Es war ihm kein rechter Trost. Wer hätte gedacht, daß die festen Mauern der Stadt jemals fallen würden? Nie wäre es ihm in den Sinn gekommen. Und sein Vater war tot - dem Wahnsinn verfallen hatte er versucht, seinen Bruder mit ins Grab zu reißen und die Zitadelle der Sterne war seiner Brandstifterei zum Opfer gefallen. Nichts war wie früher in seiner geliebten Stadt. Vielleicht bin ich diesmal zu lange fort gewesen. Vielleicht gehöre ich nicht mehr hier her, dachte er sich.

Boromir schlenderte in den Palastgarten. Hier sah alles wie früher aus. Die Blumen blühten und ein kleiner Springbrunnen plätscherte vor sich hin. Boromir atmete tief durch. Es tat gut, etwas Vertrautes zu finden. Auf einer Bank sah er eine kleine Gestalt sitzen und nach einigen Augenblicken erkannte er Frodo. Sein Herz blieb für einen Moment stehen. Bis jetzt hatte er sich mit dem Hobbit noch nicht auseinandersetzen müssen, aber die Schuldgefühle begannen sich zu regen und Boromir hatte das Bedürfnis, davonzulaufen. Er machte auf dem Absatz kehrt und wollte sich fortschleichen.

„Boromir!“ Er hielt inne und drehte sich langsam um. Frodos Gesicht zeigte noch immer die Spuren, die seine Reise an ihm hinterlassen hatten. Seine Schuldgefühle verdoppelten sich. Der Arme - er hatte ein schweres Los zu tragen gehabt und Boromir, der sein Freund hätte sein und ihm die Last erleichtern hätte sollen, hatte es ihm noch schwerer gemacht. „Komm zu mir, mein Freund.“

Boromir tat, wie man ihm geheißen hatte, auch wenn seine Beine bleischwer schienen. Auf Frodos Gesicht war keine Spur von Groll.  „Setz dich, mein Freund.“ Daß er ihn seinen Freund nannte... Boromir senkte schuldbewußt den Kopf. „Hör zu, Frodo, es...was geschehen ist...es tut mir leid. Wenn es etwas gibt, wie ich es wieder gutmachen kann...“ Er kam sich so dumm vor - selbst seine Entschuldigung klang in seinen Ohren nach Lüge und Verrat, aber der Hobbit lächelte milde. „Wir haben beide für unsere Fehler bezahlt, Boromir,“ sagte er und bevor der Krieger etwas erwidern konnte, streckte Frodo ihm seine Hand entgegen. Es fehlte der Ringfinger. Boromir sog scharf den Atem ein und langsam begann er zu verstehen. „Ich weiß besser als jeder andere, welch schreckliche Macht der Ring hat. Nun, da ich deine Stadt gesehen habe, kann ich dein Verlangen, das alles zu schützen verstehen.“

Boromir wagte noch immer nicht, ihm in die Augen zu sehen. „Fast hätte ich durch meine Dummheit das alles zerstört, Frodo. Schlimmer noch - ich habe dich verraten, wollte dich töten. Nichts kann das entschulden!“ Frodo nickte langsam. „Es ist schwer, sich selbst zu vergeben. Auch ich habe Fehler gemacht. Fast hätte ich meinen besten Freund nicht mehr erkannt, aber er hat nie Groll gegen mich gehegt. Versuch dir zu verzeihen, Boromir. Meine Vergebung hast du.“ Damit stand er auf und ging gebeugt zurück zum Palast. Boromir saß noch lange stumm im Garten.

Lachen wurde hinter ihm laut - er kannte es genau, denn es waren Faramir und Laietha, die da scherzend in den Garten kamen. Die junge Frau küßte ihn auf die Wange und als er ihre leuchtenden Augen sah, war auch sein Herz um einiges leichter. „Faramir sagte, heute sei Markttag! Willst du uns nicht begleiten?“

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Einige Wochen waren seit Aragorns Krönung vergangen und schließlich traf auch Herr Elrond in Gondor ein. Boromir hielt um Laiethas Hand an. Zwar war der Elbenherr zunächst nicht angetan von dieser Bitte, aber das Zureden von Elladan und Aragorn erweichte schließlich sein Gemüt und er stimmte zu.

Als der Tag der Hochzeit vor der Tür stand, war Boromir aufgeregter als vor seinem ersten Kampf. Faramir lachte, denn noch nie hatte er seinen Bruder so erpicht darauf gesehen, daß seine Kleidung ordentlich war. „Was meinst du, Faramir?“ fragte Boromir mit einem hilfesuchendem Blick. Denethors jüngerer Sohn grinste. „Bruder, nach allem was du mir erzählt hast, hat sie dich schon von Kopf bis Fuß verdreckt, zerlumpt, verschwitzt und halbtot gesehen! Du wirst ihr gefallen!“ Boromir lief zum vierten Mal innerhalb weniger Minuten zum Spiegel, als sich die Tür öffnete und einer der Bediensteten hineintrat. „Mein Herr, man erwartet euch.“ Boromir atmete tief durch und Faramir schlug ihm aufmunternd auf die Schulter. Dann trat er hinaus in den warmen Sommernachmittag.

Aragorn bedachte seine Schwester mit einem bewundernden Blick. Nervös zupfte sie an ihrem Kleid herum. „Es ist zu eng, Dunai. Es wird bestimmt mittendrin reißen!“ Am liebsten wollte sie sich in ihre Hosen und ihr Hemd werfen und davonlaufen. Aragorn legte ihr die Hände auf die Schultern. „Du siehst bezaubernd aus, Laietha.“ Lächelnd strich er ihr eine der wilden Locken aus dem Gesicht. Sie lief aufgeregt zum Fenster und spähte hinaus. All die Menschen, die sich vor dem Palast versammelt hatten...ihr wurde ganz schwindelig. Schnell lief sie zurück ins Zimmer und strich über ihr Kleid. Es war zu eng! Aragorn zwang sie, sich auf einen Stuhl zu setzen. Er sah ihr tief in die Augen. „Bist du dir sicher, daß du das tun willst, Aiwe? Ich meine, das ist ein großer Schritt...“ Sie errötete und legte ihm die Hand auf die Lippen. „Wenn es heute eins gibt über das ich mir im Klaren bin, dann ist es, daß ich ihn heiraten will. Ich liebe ihn von ganzem Herzen.“ Aragorn küßte sie auf die Stirn. „Dann hab keine Angst. Ich werde die ganze Zeit bei dir sein. Du wirst wunderbar sein, Laietha.“ Sie fiel ihm in den Arm und er drückte sie fest an sich.

Es klopfte an der Tür und Elrond trat ein. Mit einem Lächeln streckte er seiner Tochter die Hand entgegen. „Es wird wohl Zeit, daß ich dich in seine Obhut übergebe, nicht wahr?“ Laietha lachte und nahm seine Hand. Dann verließen sie den Raum, gefolgt von einem mehr als stolzem König.

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Boromir drehte sich um, als er ihre Schritte in der großen Zitadelle hörte und hielt den Atem an. Da kam sie - in einem Kleid aus weißer Seide, die roten Haare hochgesteckt, mit einem Kranz aus weißen Blumen im Haar und so schön, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte. In diesem Augenblick konnte er sein Glück kaum fassen. An ihrer Seite liefen Herr Elrond und Aragorn, beide stolz, mit ernsten Gesichtern. Es war ihm, als träumte er das alles nur und er fürchtete, jede Sekunde aufwachen zu müssen, aber als seine Augen vor Anstrengung zu tränen begannen, wußte er, daß dies die Wirklichkeit war.

Laiethas Herz schlug ihr fast bis zum Hals. Dort vorne am Altar stand Boromir - aufrecht und stolz in seiner Paradeuniform. An seiner Seite hing sein Lieblingsschwert und seine Stiefel waren so poliert, daß sich die Sonne in ihnen spiegelte. Sie fürchtete zu stolpern und der Länge nach hinzufallen, weil ihre Knie sich plötzlich in warme Butter verwandelt zu haben schienen. Dann spürte sie den festen Griff ihres Vaters an ihrem Arm und wußte, daß sie nie fallen würde, solange er an ihrer Seite war. Endlich kamen sie an Boromirs Seite an und die Zeremonie begann.

Faramir lächelte glücklich, als er seinen großen Bruder beobachtete, wie er seinen Treueschwur ablegte. Er sprach mit feierlicher Stimme und wandte seine Augen keinen Augenblick von seiner Braut. Die Hobbits rutschen aufgeregt auf ihren Plätzen hin und her, denn das war nun das zweite große Ereignis in Folge, dem sie beiwohnen durften. Davon würden sie noch ihren Kindern und Enkeln erzählen.

Selbst Elrohir konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als seine sonst so kecke Schwester mit fast brüchiger Stimme ihrem zukünftigen Mann die Treue schwor.

Laietha verstummte und der Priester weihte sie einander. Boromir ergriff ihre Hand und strich ihr beruhigend mit dem Daumen über den Handrücken. Sie sahen sich tief in die Augen und er zog sie zärtlich an sie heran. Nun waren sie Mann und Frau. Laietha begann zu strahlen und er legte seine Hand an ihren Hinterkopf. Ihre Herzen schlugen im Gleichklang und indem sich ihre Lippen trafen, brach in der Zitadelle ein lauter Jubel los. Als sie sich voneinander lösten, fielen ihre Blicke auf die Gratulanten, die sich an ihrer Seite eingefunden hatten.

„Ich wußte gar nicht, daß er so lachen kann,“ sagte Pippin mit einem Blick auf Boromir und in der Tat befürchteten die Hobbits, daß das Gesicht ihres Freundes zerbersten müßte vor lauter Strahlen. Er sah gar nicht mehr wie der besorgte ernste Mann aus, den sie auf ihrer Reise so oft gesehen hatten, sondern rundum glücklich.

Das Volk Gondors jubelte ihnen zu, als sie vor die Zitadelle traten. Laietha drückte seine Hand fest, aber inzwischen war nichts mehr von Furcht oder Aufregung in ihrer Miene. Sie sahen sich freudestrahlend an. Mit lauten Stimmen forderten die Menschen einen Kuß. Boromir drehte sich zu ihr und legte ihr den Arm um die Hüfte, sie dicht an sich heranziehend. Er glaubte, in ihren Augen versinken zu müssen. Laietha legte ihm die Hand auf die Wange. „Warum zögerst du noch? Wir sind verheiratet - du mußt dich nicht mehr vor meinen Brüdern fürchten.“

„Ein Kuß! Ein Kuß!“ johlte die Menge wie aus einer Stimme. Boromir schüttelte den Kopf und lachte. Dann fanden sich ihre Lippen und die Menschenmassen applaudierten und riefen ihnen Glückwünsche zu. Aragorn sah mit einem breiten Lächeln zu. Er glaubte schon, daß sich die zwei nie mehr voneinander lösen würden, aber schließlich wandten sie sich doch wieder dem Volk zu und machten sich auf den Weg zum Palast.

Es hatte Stunden gedauert, bis sie den Festsaal erreicht hatten und das Brautpaar sah erschöpft aber glücklich aus. Die Hochzeitsgesellschaft geleitete sie an ihren Platz an der Tafel, neben dem König.

Das Essen wurde aufgetragen und die Feierlichkeiten begannen. Faramir und Eowyn saßen nebeneinander und sahen zu den Brautleuten hinüber, die den Tanz eröffneten. Faramir griff nach ihrer Hand und sie sahen sich lange an. Er lächelte. Vielleicht würde er auch einmal so glücklich sein, wie sein Bruder heute. Eowyn erwiderte seinen Blick und er drückte ihre Hand.

****

Die Feier war weit vorangeschritten und heimlich hatte es das Brautpaar geschafft, sich aus dem großen Saal zu stehlen. Boromir nahm sie bei der Hand und führte sie durch die langen Gänge. Neugierig sah sie ihn an. „Wo willst du mit mir hin?“ Er schenkte ihr ein Lächeln. „Dir etwas zeigen. Komm.“ Sie kicherte, ein wenig beschwipst vom Wein, und ließ sich weiterführen. Er hatte ihr in den vergangenen Wochen viel gezeigt und dennoch fühlte sie sich noch ein wenig fremd in diesem großen Gebäude. Leise öffnete Boromir eine Tür und zog sie mit sich hinein. Es war ein dunkler Raum mit einer schmalen Wendeltreppe dahinter. Ihre Augen brauchten einen Moment, um sich an das Licht zu gewöhnen. „Willst du mir endlich sagen, wo du mit mir hin willst?“ grinste sie. Er drückte sie sanft gegen die Wand und verschloß ihre Lippen mit einem zärtlichen Kuß. „Nicht so ungeduldig, meine liebste Frau.“ Sie lachten beide über den ungewohnten Gedanken, daß sie nun verheiratet waren. Liebevoll nahm er sie an die Hand und zog sie die Treppen hoch.

Nach einigen Minuten waren sie endlich an einer verschlossenen Tür angekommen und Laietha rang nach Atem. „Ich hoffe, es war die Mühe wert,“ keuchte sie und Boromir lächelte als er die Tür öffnete. Wind blies ihnen entgegen und er führte sie hinaus ins Abendrot. Laietha hielt den Atem an. Der Ausblick war unglaublich. Sie konnte über das ganze Land sehen und am Horizont versank die Sonne. Sie standen auf dem höchsten Turm der Stadt, die von den letzten Strahlen der Sonne in glühendem Licht erstrahlte. Boromir legte den Arm um sie und zeigte auf einen Punkt in weiter Ferne. „Siehst du das Meer, Laietha?“ Sie strengte ihre Augen an und konnte unendlich weit entfernt einen dunklen Streifen am Horizont ausmachen. Sie nickte langsam und ließ sich in seine Umarmung sinken. Sie sahen so lange in diese Richtung, bis die Sonne untergegangen war, froh, ihr Glück in diesem Moment mit niemandem teilen zu müssen.

Ein Windstoß fegte ihr den Brautkranz aus dem Haar. Er segelte über die Stadt und Laietha wünschte sich im Stillen, daß er demjenigen, der ihn fand, genausoviel Glück bringen mochte, wie sie in diesem Augenblick empfand.


~~~~~     Ende