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Titel: Der
geschenkte Tag
(Seite 8) Autor: Naurdolien
Der
Junge erschrak, als er Laietha sah. Sie sah blass und
müde aus. Auf dem kleinen Tisch neben ihrem Bett
lag ein unberührtes Buch. In einer Vase stand ein
Blumenstrauß, den bestimmt Auranor gepflückt
hatte, aber zwischen den vielen Medizinflaschen sah
er verloren aus. Seine Mutter drehte müde den Kopf,
aber als sie ihren Sohn erblickte, stahl sich ein Lächeln
auf ihr Gesicht. "Aiglos! Worauf wartest du? Willst
du nicht reinkommen?"
Mehr Aufforderung benötigte der Junge nicht.
Er stürzte zu Laiethas Bett und warf sich in ihre
Arme. Sanft strich sie über den Kopf ihres Sohne,
den er gegen ihre Brust gedrückt hatte. Sein Körper
begann zu beben und auf ihrem Nachthemd breitete sich
ein feuchter Fleck aus. "Du hast deine Aufgabe sehr gut erfüllt,
mein Sohn. Du bist so tapfer gewesen." Mit keinem
Wort erwähnte sie die Tränen, sondern spendete
ihm stillen Trost. Es dauerte eine ganze Weile, bis
er sich beruhigt hatte, aber dann zog er sich aus den
Armen seiner Mutter zurück und versuchte erwachsen
zu wirken. "Wie geht es dir, Mama?" Laietha lächelte und schluckte die aufsteigende
Übelkeit herunter. "Oh, es ist wie Ferien.
Ich habe meine Ruhe, kann endlich lesen so viel ich
will, muss nicht kochen..." Sie winkte ihn zu sich
heran. "Ich habe eine kleine Überraschung
für dich." Nun war Aiglos neugierig. Laietha streichelte seine
Hand. "Du wirst für eine Weile bei deinem
Onkel und deiner tante wohnen. Außerdem wirst
du zusammen mit Ionvamir Unterricht bei Herrn Taljan
nehmen - zumindest so lange, bis wir zurück nach
Hause gehen. Und ich möchte, dass du dich anständig
benimmst." Die Erwähnung von Unterricht machte Aiglos zwar
nicht sonderlich glücklich, aber wenn sich seine
Mutter Sorgen um seine Bildung machte, schien sie nicht
in Lebensgefahr zu schweben. *** Aragorn und Boromir saßen gemeinsam an dem
großen Schreibtisch, auf dem sich Berge von Briefen,
Anträgen und Urteilen stapelten. Auch über
den verbleib der Kriegsgefangenen musste noch entschieden
werden und Aragorn wusste, was das Volk von ihm erwartete.
Sein Blick aus dem Fenster fiel auf die Galgen, die
ursprünglich für Eowyn und die Hobbits bestimmt
gewesen waren. Ein Schauder lief ihm über den Rücken,
als er daran dachte, was hätte geschehen können,
wenn seine Familie und seine Freunde nicht so viel riskiert
hätten, um Mornuan zu besiegen - wozu er nicht
in der Lage gewesen war. Er hatte sich ausgiebig bei Den Hobbits und Eowyn
entschuldigt, aber seine Freunde hatten ihm nicht die
Vorwürfe gemacht, die er verdient hätte. Insbesondere
Frodo hatte ihn von jeder Schuld freigesprochen, aber
auch wenn Sam ihn nicht offen angefeindet hatte, spürte
er doch, dass ein Knoten in ihrer Freundschaft durch
den Vertrauensbruch entstanden war. An diesem Nachmittag waren er und Boromir zu laietha
ins Krankenzimmer gegangen. Als sie sich versichert
hatten, dass die Frau kräftig genug war, hatten
sie Laietha zu dem befragen wollen, was sie von Bergil
erfahren hatten. Das Gespräch war nicht sehr fruchtbar
gewesen. Boromir schüttelte den Kopf und nahm einen großen
Schluck Wein. "Deine Schwester ist und bleibt ein
dummes, störrisches Maultier, Aragorn, du hättest
mich ruhig warnen können." Weder Boromir selbst,
noch Aragorn lachten über den Scherz. Sie waren
viel zu entsetzt gewesen, als Bergil ihnen offenbart
hatte, was die Ursache für ihre Vergiftung war
und obwohl Boromir kein Wort darüber verlor, sah
Aragorn das gleiche Entsetzen in den Augen seines Schwagers,
das auch ihn bei der Vorstellung ergriffen hatte, dass
Laietha bereit gewesen war, ohne zu Zögern an ihrer
Stelle zu sterben. Sie hatten die Kriegerin gescholten, aber die hatte
sich taub gestellt und nur etwas davon gemurmelt, dass
sich die Männer an die eigene Nase fassen sollten
und sie jetzt Ruhe brauchte. Aragorn schüttelte den Kopf. Sie hatte ihm Vergebung
erteilt, für all die Schmerzen, die er ihr zugefügt
hatte und er wusste, dass er ihre Vergebung selbst dann
bekommen hätte, wenn er sie nicht darum gebeten
hätte. Aragorn war sich nicht so sicher, ob Boromir
darüber ähnlicher Meinung war, aber der König
hatte nicht den Mut, dieses Thema jetzt anzusprechen. Boromir starrte in die Flammen des Kamins. Er hatte
sie fragen wollen, warum sie das alles getan hatte,
aber im Stillen kannte er die Antwort und sie ängstigte
ihn. Es wäre die selbe gewesen, die er vor vielen
Jahren erhalten hätte, hätte er sie gefragt,
warum sie ihm eines Traumes wegen durch Gefahren gefolgt
war, nur um im rechten Moment sein leben zu retten.
Boromirs Hand umschloss fest den Elbenstein, den Aragorn
ihm vor einigen Augenblicken zurückgegeben hatte. Vielleicht würde er noch einmal mit ihr darüber
reden, aber das hatte Zeit, sollte sie erst wieder zu
Kräften kommen. *** Es klopfte leise an der Tür und Laietha erwachte.
Der Mond stand am Himmel und sie blinzelte den Schlaf
fort. Welcher Besucher hatte es zu dieser Stunde geschafft,
an den strengen Heilerinnen vorbeizukommen? "Herein,"
rief sie neugierig. Erstaunt rieb sie sich die Augen,
als sie Bergil in der Tür stehen sah. "Wie
bist du um die Uhrzeit an den Wachhunden vorbeigekommen?"
scherzte sie. Bergil zuckte mit den Schultern. "Eine
davon ist meine Schwägerin." Er nahm sich einen Stuhl und setzte sich neben Laietha
ans Bett. "Oh, ich soll dir das hier geben."
Er zog eine Flasche mit Medizin hervor. Laietha schnitt
eine Grimmasse. Mit zugekniffenen Augen schluckte sie
das Heilmittel und musste alle Willenskraft aufbringen,
um nicht vor ihrem Freund zu würgen. Als der bittere
Geschmack vergangen war, sah sie ihn erwartungsvoll
an. "Du bist nicht gekommen, um mir einen Standpauke
darüber zu halten, dass ich mein Leben nicht wegwerfen
soll, oder? Die hatte ich nämlich schon."
Bergil schmunzelte. "Nein." Er ergriff
die kalte Hand seiner Freundin und wärmte sie mit
seiner. "Ich bin gekommen, um nach dir zu sehen.
Ich hatte Dienst, aber man hat mir gesagt, du wärest
wach und ich wollte nicht bis morgen warten." Laietha
sah ihm tief in die Augen. "Ich danke dir, Bergil,
wenn du nicht gewesen wärst..." Er winkte ab. "Was redest du da? Hab ich mit
meinem Leben gehandelt oder du?" Aber Laietha war
nicht nach Scherzen zumute. "Ich weiß nicht,
was mich am Leben gehalten hat. Ich hatte wirklich seltsame
Träume in den letzten Nächten, aber eins weiß
ich sicher - wenn du mich im Wald nicht auf die Beine
gezogen hättest, wenn du meinen Vater nicht geholt
hättest, Bergil, Boromir, Aragorn und ich wären
tot ohne dich!" Er wand sich voller Unbehagen. Bergil stand auf und
schon den Stuhl zurück an seinen Platz. "Weißt
du," sagte er, schon fast im Gehen begriffen, "es
war ganz und gar egoistisch von mir, dir zu helfen.
Meinst du vielleicht, ich wollte meine beste Freundin
verlieren?" Er kniete vor ihrem Bett nieder und drückte
ihre Hand. "Du siehst müde aus, meine Schwägerin
hat gemeint, ich solle dich nicht so lange wach halten.
Ich komme dich zu zivileren Zeiten wieder besuchen.
Versuch bitte bis dahin nicht, die Welt zu retten."
Die Kriegerin lachte und nickte. Sie war sich absolut
sicher, dass sie dieses Versprechen halten konnte. *** In den folgenden Wochen magerte die Kriegerin bedrohlich
ab.. Elrond erklärte, dass das Gegengift Mornuans
Trank aus ihrem Körper schwemmte. Aber Laietha
verfügte über eine beneidenswerte Kondition,
die sie nicht zuletzt den langen Jahren verdankte, in
denen sie durch die Wildnis gereist war und von ihrem
Bruder gelernt hatte, wie man dort überlebte. Ihr
Zustand verbesserte sich sehr langsam, aber stetig. Die Hobbits waren schon lange abgereist, auch Elrond
und seine Söhne waren nach Bruchtal zurückgekehrt
und langsam aber sicher kehrte wieder der Alltag nach
Minas Tirith zurück, als Boromir seine Frau zum
ersten Mal mit in den Palastgarten führen konnte.
Die Herbstsonne schien auf sie hernieder und die Blätter
färbten sich bunt. Es war noch recht warm, aber
Laietha fror schnell. Sie wussten beide, dass es noch
lange dauern würde, bis die Kriegerin wieder sie
selbst war - wenn sie je wieder so stark werden würde
wie früher. Diesmal war sie dem Tod wirklich nur
um Haaresbreite von der Klinge gesprungen. Laietha lehnte sich an die starke Schulter ihres
Mannes und schloss die Augen. Sie lauschte seinem kräftigen
Herzschlag und badete in seinem warmen Geruch. In der
Ferne hörten sie Luthawen und Olbern reden und
Laietha lächelte zufrieden. Die Stille war himmlisch
und obwohl sie jeden Augenblick damit rechnete, irgendwo
zerbrechendes Glas und den Namen ihres Jüngsten
zu hören, geschah nichts dergleichen. Aiglos hatte
es geschafft drei Wochen lang nichts anzustellen - und
dabei hatte er in dieses drei Wochen bei seinem Cousin
Ionvamir gewohnt! Laietha hatte schon scherzhaft spekuliert,
ihr Jüngster würde erwachsen werden. Sie genoss es, endlich wieder an der frischen Luft
zu sein. Die Wochen in den Häusern der Heilung
waren zäh wie Sirup gewesen und Laietha hatte ein
ums andere Mal betont, dass sie gewiss noch kränker
würde, wenn sie noch einen Tag länger im Bett
bleiben müsse. Zum Glück war Eowyns Tochter
Auranor jeden Nachmittag vorbeigekommen und Laietha
hatte so viele Geschichten erzählen müssen,
dass sie ihr fast ausgegangen waren. An diesem Abend sollte nun ein fröhliches Essen
stattfinden, denn Olbern hatte bekannt gegeben, dass
er am nächsten Tag abreisen würde. Er musste
zurück in den Düsterwald, denn obwohl sein
Vater wieder ganz gesund war, musste er Bereg doch öfter
bei den Regierungsgeschäften unterstützen,
denn der alte Beorninger hatte angekündigt, dass
er sich bald zur Ruhe setzen wolle. Sie spazierten noch ein wenig durch den Garten, aber
bald schoben sich Wolken vor die Sonne, die verdächtig
nach Regen aussahen. Laietha war von dem kurzen Aufenthalt
im Freien erschöpft. "Lass uns hineingehen,
Boromir. Ich hatte genug Bewegung für heute Morgen.
Schließlich will ich heute Abend nicht über
meinem Essen einschlafen." Der Krieger lachte und
bot seiner Frau den Arm an. Dankbar stützte sie
sich auf ihn. *** Auf ihrem Zimmer angekommen, ließ sich Laietha
erschöpft auf das geräumige Bett fallen. Boromir
zog sein Hemd und seine Stiefel aus und legte sich zu
ihr. Gegen eine Stunde Ruhe mit seiner Frau hatte er
nicht das Geringste einzuwenden. Seine Frau schmiegte
sich in seine Arme und er genoss den Augenblick voller
Ruhe. Lange würde das nicht mehr anhalten. Wenn
Laietha kräftig genug für die Rückreise
war, würden sie wieder Streitigkeiten zwischen
Aiglos und Luthawen schlichten müssen - Boromir
stöhnte bei dem Gedanken daran. Neben sich vernahm
er die ruhigen Atemzüge seiner Frau. Es klopfte an der Tür. Laietha gähnte und
blinzelte verschlafen. Vor der Tür entstand Gemurmel.
Boromir grollte ärgerlich. "Hat man denn nicht
einen Moment lang seine Ruhe?" Ächzend schwang
er sich aus dem Bett und ging zur Tür. "Ich
will hoffen, dass es etwas wirklich Dringendes ist,"
brummte er verstimmt. Mit einem Ruck öffnete er die Tür und fast
hätte Olbern ihm mit seinen Knöcheln gegen
die nackte Brust geschlagen. Boromir sah ihn mit zusammengekniffenen
Augen an. "Was gibt es?" fragte er in einem
Tonfall, der nicht gerade nach einer Einladung klang.
"Wer ist es denn?" hörten sie Laiethas
Stimme aus dem Hintergrund. Schnell hatte sie sich ein
Tuch um die Schultern geschlungen und trat an die Seite
ihres Mannes. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als
sie den jungen Beorninger und ihre Tochter in der Tür
stehen sah. Sie schob sich an ihrem mürrisch dreinblickenden
Mann vorbei, legte den beiden die Arme um die Schultern
und führte sie in ihr Gemach. Boromir verschränkte
die Arme vor der Brust und machte mehr als deutlich,
dass er unwillig war sich mit Besuch auseinander zu
setzen. Laietha musterte die Beiden. Olbern sah aus, als
hätte er etwas zu sagen, wartete aber auf eine
Aufforderung. Laietha lächelte wohlwollend. "Was
gibt es, Kinder? Nun sprecht schon, wir beißen
ja nicht!" "Ich hoffe, es geht nicht um einen
Streit mit deinen Bruder. Ihr seid alt genug, um solche
Kinderein alleine aus der Welt zu schaffen," brummte
Boromir. Olbern ergriff Luthawens Hand. Sein Adamsapfel hüpfte
aufgeregt auf und ab. Boromirs Miene wurde sehr skeptisch.
Der Beorninger straffte sich. Er verneigte sich knapp
vor Boromir, küsste Laiethas Hand, die sich ein
Schmunzeln verkneifen musste und sah Luthawens Vater
dann fest in die Augen. "Herr Boromir, ich liebe
Luthawen von ganzem Herzen und ich möchte um ihre
Hand anhalten." Der Satz schwebte wie ein bedrohliches Insekt in
der Luft. Boromir schwieg und Laietha beobachtete ihn
interessiert. Sie selbst hatte geahnt, dass dieser Tag
früher oder später kommen würde. Luthawen
trat einen Schritt vor und stellte sich fast schützend
vor Olbern. "Vater, Mutter, ich werde mit Olbern
in den Düsterwald gehen. Ich bin eine geschickte
Heilerin, Großvater sagt das immer wieder, und
die Beorninger haben zwar fantastische Heilkräuter,
aber wenig ausgebildete Heiler. Ich werde mich nicht
von meiner Entscheidung abbringen lassen." Luthawen, Olbern und Laietha warteten darauf, dass
Boromir einen Wutausbruch bekommen würde, aber
der blieb aus. Der Gondorianer sagte gar nichts, griff
sich sein Hemd, verneigte sich nur kurz vor seiner Frau
und verließ dann mit schnellen Schritten den Raum.
Seine Schritte hallten auf dem Flur nach. Luthawen starrte
ihm perplex hinterher. Olbern starrte auf seine Füße,
Laietha verkniff sich ein Lachen und von irgendwoher
aus dem Palast hörte sie, wie jemand wütend
den Namen ihres Sohnes rief. *** Boromir marschierte durch die engen Gassen der Stadt,
über den Marktplatz, an den Schänken vorbei
und schließlich wieder zurück, bis er vor
den Toren der Zitadelle stand. Er verharrte dort einen
Augenblick, atmete tief durch und betrat schließlich
die Gruft. In seinem Kopf toste ein Orkan. Jetzt war es also
raus. Der Bursche wollte seine kleine Tochter heiraten.
Er hatte es kommen sehen, aber sollte er das wirklich
zulassen? Boromir ballte die Hand zur Faust. "Vater, ich möchte mit Faramir zusammen
Elbisch lernen. Er berichtet mir immer von spannenden
Geschichten und davon, dass er die alten Schriftrollen
in der Bibliothek lesen kann. Bitte erlaube es mir,
Vater." Denethor hatte ihn schroff abgewiesen. Boromir fielen
so viele Dinge ein, die er gern getan hätte, aber
sein Vater hatte immer hohe Erwartungen an ihn gestellt
und er hatte immer alles getan, um ihnen gerecht zu
werden. Wie oft hatte er seinen Vater dafür im
Stillen verflucht. Willst du, dass deine Tochter dich
hasst, weil du ihr diesen Weg versperrst? Nein, er könnte
es nicht ertragen, wenn Luthawen für ihn das selbe
empfinden würde, wie er für seinen Vater.
Er würde ihr gestatten, in den Düsterwald
zu gehen, aber Olbern... Es war richtig - Beregs Sohn war ein feiner Kerl,
Boromir kannte jede Menge feine Kerle, aber das war
noch lange kein Grund dafür jedem feinen Kerl seine
Tochter hinterher zu werfen. Lange betrachtete er das Grab seines Vaters. Auf
dem Sarkophag war das strenge Profil des letzten Statthalters
von Gondor abgebildet. Boromir strich mit der Hand über
das kalte Metall. Was hättest du wohl zu mir gesagt,
wenn ich dir verkündet hätte, dass ich Laietha
heiraten will? Eine Frau, die unter Elben aufgewachsen
ist, die keine Jungfrau war, die sich in Männerkleidung
in den Kampf wagt und die dir ins Gesicht gelacht hätte,
wenn du versucht hättest, sie nach deinem Bild
zu formen. "Du bist eine Schande für dein Land, Boromir!" Du hättest mich am liebsten an der Seite einer
reichen Dame aus dem Adel gesehen, die mir ein Dutzend
prächtige Söhne geschenkt hätte, die
du nach deiner Vorstellung hättest erziehen können,
aber ich habe noch nie Gefallen an diesen Frauen gefunden,
Vater und du hast mich ein ums andere Mal daran erinnert,
dass es meine Pflicht gegenüber Gondor wäre,
eine von ihnen zu erwählen und zur Mutter meiner
Kinder zu machen, damit unsere Linie nicht ausstirbt.
Was sagst du nun, Vater? "Was sagst du nun, Vater?"
fragte Boromir laut. Seine Stimme hallte von den Wänden
des Grabes wieder aber eine Antwort blieb aus. Boromir
lachte. Er verließ die Zitadelle und stellte erschreckt
fest, dass es schon später Nachmittag war. Boromir
blickte an sich herunter. Sein Hemd war verschwitzt
und seine Kleidung entsprach nicht geraden seinen Vorstellungen
davon, was man zu einem festlichen Abendessen tragen
sollte. Er musste sich beeilen, denn wenn er in diesem
Aufzug beim Abendessen erschien, würde Laietha
ihn gründlich schelten. *** Als Boromir den Festsaal erreichte, war er erstaunt,
seinen Sohn unter den Bediensteten zu sehen. Laietha
zwinkerte ihm zu. Schnell nahm der Krieger Platz neben
seiner Frau. "Er hat einen Kellner umgerannt, als
er im Schloss Schwertkampf übte, was ich vorher
verboten hatte. Ich hoffe, es war in deinem Sinne,"
flüsterte Laietha ihm ins Ohr. Boromir drückte
lächelnd ihre Hand. "Deine Strafe ist vorbei, Aiglos, du darfst
dich jetzt zu uns setzen und ich hoffe, es war dir eine
Lehre und du hast gelernt, die Arbeit eines Kellners
zu schätzen." Boromir musste aufpassen, dass
er den Vers, der ihm mehr als vertraut war nicht betonungslos
herunterleierte. Aiglos senkte beschämt den Kopf.
"Ja, Papa, ich werde es nie wieder tun." Wer´s
glaubt... dachte Boromir. Schnell nahm der Junge am
Tisch Platz. Luthawen saß artig zwischen ihrem Bruder und
ihrem Onkel Faramir. Olbern hatte einen Ehrenplatz neben
Aragorn bekommen und die jungen Leute vermieden es,
Boromir direkt anzusehen. Sie haben Angst vor dir, schoss
es ihm durch den Kopf und er zuckte zusammen. Laietha
streichelte behutsam seine warme Hand. Aragorn brachte einen Trinkspruch aus und alle begannen
das Mahl zu genießen. Die Stunden verstrichen
und es war ein heiteres Essen, nur Luthawen und Olbern
wirkten unglücklich. Boromir konnte es nicht mehr
mit ansehen. Er erhob sich und wartete, bis alle verstummten
und ihn ansahen. Boromir räusperte sich. "Wir alle haben schwere Zeiten hinter uns,"
er sah zu Aragorn hinüber, dessen Haare grauer
waren als vor ein paar Monaten und der müder wirkte.
Dann schweifte sein Blick zu seiner Frau, die ihm ein
strahlendes Lächeln schenkte, das ohne die eingefallenen
Wangen schöner gewesen wäre. Er atmete tief
durch. "Aber wir wollen den Jammer vergessen, der
uns lange beschäftigt hat. Wir kamen, um einer
Hochzeit beizuwohnen, aber stattdessen hätten wir
um ein Haar einige Begräbnisse gehabt." Boromir senkte den Kopf und räusperte sich erneut.
Er sollte zum Punkt kommen, bevor er sich um Kopf und
Kragen redete. "Wie dem auch sei, ich habe etwas
zu sagen, wie ihr schon gemerkt haben werdet."
Gespannt lauschten alle. Boromir ging um den Tisch herum
und zog Luthawen von ihrem Stuhl hoch. Sie sah ihn erwartungsvoll
an. Boromir lachte und nahm sie in den Arm. "Ich
bin ein glücklicher Mann. Ich habe eine wunderbare
Frau, einen prächtigen Sohn und eine wunderschöne,
kluge Tochter. Es gibt nur eine Sache, die einen Mann
wie mich noch glücklicher machen könnte und
das ist, wenn meine Tochter einen liebevollen Ehemann
findet, mit dem sie ihr Glück machen kann."
Boromir nahm die Hand seiner Tochter und führte
sie zu Olbern. Er bedeutete dem jungen Mann aufzustehen
und legte die Hände der beiden jungen Leute übereinander.
Boromir lächelte seiner Frau über den Tisch
hinweg zu und sie formte stumm nun mach schon mit ihren
Lippen. Sie zwinkerte ihm zu und Boromir lächelte
gelöst. Er legte die Arme um seine Tochter. Luthawen
sah ihn lächelnd an. "Ich wünsche dir,
dass du mit Olbern ebenso glücklich wirst, wie
ich mit deiner Mutter." Boromir küsste seine
Tochter auf die Stirn. Die Halle wurde von donnerndem Applaus erfüllt.
Luthawen fiel ihrem Vater um den Hals und pflasterte
sein Gesicht mit Küssen. "Du bist der beste
Papa der Welt!" jubelte sie. Boromir schmunzelte
nicht ohne Stolz. "Vielleicht solltest du lieber
deinen Verlobten küssen, sonst wird er noch eifersüchtig.
Olbern ist ein guter Kämpfer, wie ich gehört
habe und ich bin aus der Übung." Er zwinkerte
dem jungen Beorninger zu. Die Anwesenden gratulierten den jungen Leuten von
Herzen und Boromir nahm erleichtert neben seiner Frau
Platz. Sie küsste ihn liebevoll auf den Mund. "Das
hast du gut gemacht," flüsterte sie und Boromir
wischte sich erleichtert über die Stirn. Er war
froh, dass er nur eine Tochter hatte, denn noch mal
würde er so eine Aufregung nicht mitmachen wollen.
Nun war es also soweit - sein erstes Kind würde
das Haus verlassen. Wehmütig seufzte er leise. Als Olbern und Luthawen wieder ein wenig Luft zum
Atmen hatten, straffte sich auch Boromirs Tochter und
hob ihr Glas. "Auch ich möchte etwas bekannt
geben." Boromir zuckte zusammen. Bitte lass sie
kein Kind erwarten, dachte er. Es war eine Sache, die
eigene Tochter zu verloben, aber an einem Tag zum Schwiegervater
und Großvater gemacht zu werden.... Alle im Saal lauschten gespannt. Luthawen trat zu
ihren Eltern und legte ihrer Mutter die Hand auf die
Schulter. "Großvater sagt, ich bin eine geschickte
Heilerin. Deshalb habe ich beschlossen erst dann in
den Düsterwald zu gehen, wenn es Mutter besser
geht." Und das kann eine Weile dauern, dachte Boromir erfreut.
"Den Valar sei Dank," sagte er laut.
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