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Titel:
Häute dich, Schlangel Autor: Nyx
Wer
vor den Verließen Mordors und vor den Kerkern
Isengards zitterte, der kannte nicht die dunklen Schrecken
Rohans, die Gefängniszellen, die sich bis tief
in die Erde des Berges gruben, auf dem Edoras thronte.
Theoden hatte seinen einstigen Berater verbannt von
seinem Hof, ihn hinausgeworfen um ihn zurück zu
Saruman zu schicken. Doch die Sturmkrähe, lästig
und schlau, hatte anderes mit ihm im Sinn gehabt. Die
graue Krähe war zu einer weißen Taube geworden,
zu mächtig, um sich ihm erfolgreich zu widersetzen.
Auf Befehl Gandalfs wurde er festgenommen und im Land
der Pferdeherren festgehalten.
Schimpfend und nervös befeuchtete Grima die
Lippen, wie eine züngelnde Schlange. Er saß
in der Dunkelheit und Kälte des Verließes,
den schwarzen Umhang eng um den ausgemergelten, aber
zähen Körper geschlungen.
Er wünschte dem Zauberer genügend Flüche
an den Hals, um ihn damit die nächsten Zeitalter
zu versorgen, doch gab er sich nicht eine Sekunde der
Hoffnung hin, dass auch nur eine der Verwünschungen
eintreffen würde.
Stunde um Stunde, in der man ihn in bedrückender
Finsternis und klammer Kälte warten ließ,
breitete sich ein ungutes Gefühl in ihm aus. Was
mochte ihn hier erwarten? Oft genug hatte er anderen
Schlimmes angetan - sie verraten und verkauft, gequält
und erpresst im Namen Sarumans - um zu wissen, was Gefangenen
drohte und welche Gräuel ihnen angetan wurden.
Grima starrte ins Nichts der Dunkelheit, die zurückstarrte
und ihn durchbohrte, um denen, die hier über sie
herrschten, wispernd und verräterisch die Neuigkeiten
zuzutragen, die sie in den verdorbenen Untiefen seiner
Seele gesehen hatte.
Wie in Schmerzen legte der gefangene Lakai Sarumans
die Arme um die Knie und verbarg den Kopf vor den neugierig
tastenden Fühlern, die seine Gedanken erkunden
wollten.
„Ja, jetzt, da der Schutz deines Herrn von dir abgefallen
und du nicht mehr nach Isengard zurückkehren kannst,
befällt dich die Angst wie eine Geißel, die
dich nicht wieder los lassen wird, Grima Schlangenzunge.
Nicht, solange ich es nicht erlaube.“
Die dröhnende Stimme, die Grima vernahm, gehörte
Gandalf - dem grauen Zauberer, der weiß geworden
war. Obwohl er bereits in einer Ecke des Verließes
kauerte, versuchte Grima noch weiter zurück zu
weichen. Verängstigt, deswegen aber nicht weniger
von Hass erfüllt, starrte er den Zauberer an.
„Es ist Zeit, erhebe dich, Grima.“
Ohne sich zu sträuben oder zu wehren, folgte
Grima dem Befehl, denn er wusste, dass er keinen Sinn
hatte.
Es hatte niemals Sinn.
Nie.
Er hatte es selbst erlebt. Früher oder später
gehorchte jeder. Ein bitteres, abgrundtief böses
Lachen erfüllte den kargen Raum. Aragorn hätte
dagegen angekämpft, mit all seinen idiotischen
Idealen, oder Legolas - dese verdammten Elben. Ja, selbst
der junge, beherzte, aber nichts desto trotz naive Thronfolger
Rohans, Theodred, hätte es versucht. Keiner von
ihnen hätte es geschafft, aber *sie* hätten
lieber unsägliche Schmerzen ertragen als sich sofort
in ihr Schicksal zu ergeben. *Er* nicht.
Er war weder Thronfolger noch Elb oder Held.
So stand Grima vor Gandalf, gebeugt, geschlagen,
dem Ende nahe, aber er stand. Der weißhaarige
Istari musterte ihn aufmerksam, harmlos, wie ein alter
Wanderer auf seinen Stab gestützt. Doch Grima wusste,
dass der geschnitzte und polierte Stab das Folterwerkzeug
sein würde, das ihn erwartete.
„Nun Schlange... häute dich!“
Die Bestimmtheit in Gandalfs Stimme ließ keinen
Zweifel daran, dass er meinte, was er sagte. Grimas
Augen wurden groß vor Entsetzen. Selbst seine
kranke Ausgeburt an Gedanken wäre nicht fähig
gewesen, so etwas zu gebären.
Häuten.
Er sich.
Grima schluckte hart, starrte Gandalf bewegungslos
an und wog doch in Erwägung, sich zu weigern. Das
Gesicht des Zauberers war eine undurchdringliche Maske,
als er den Blick des anderen auffing und festhielt.
Seine Stimme noch immer ruhig, aber gebieterisch.
„Du willst es nicht selber tun...? Die Schlange weigert
sich und zieht sich in ihr Loch zurück, wo sie
so lange auf hilflose Beute gelauert hat. Nun dann...“
Der Zauberer hob seinen Stab und richtete ihn auf
Grima, murmelte Worte in einer alten, längst vergessenen
Sprache und seine Augen ließen den Gefangenen
keinen Moment aus den Augen.
Grima Schlangenzunge erstarrte. Ein Ziehen und Zucken
fuhr durch seinen Körper und er wartete auf den
unvermeidlichen Schmerz, der kommen musste, sobald sich
die Haut von Muskeln und Sehnen löste, Streifen
um Streifen abgezogen wurde und ein sich windendes Etwas
zurück lassen würde, kaum mehr as Mensch zu
erkennen.
Und dann löste sich die erste Schicht... so
anders als erwartet. Der Umhang rutschte von seinen
Schultern, glitt seinem Körper entlang und fiel
wie von Zauberhand bewegt zu Boden.
Das Ziehen wurde stärker.
Dem Umhang folgten Weste und Wams.
Er hörte Gandalf unermüdlich die Worte
sprechen, bis das Ziehen in ihm von einem neuen Gefühl
begleitet wurde. Es schlich seine Beine hinauf, konzentrierte
sich auf seine Körpermitte, wurde stärker
und ließ ihn an Stellen anschwellen, die er bisher
als sinnlos erachtet hatte. Ein erstauntes Stöhnen
löste sich von seinen Lippen.
Auch die quälend eng gewordene Hose löste
sich und gab ihn frei - zuckend, pulsierend, sich aufrichtend
und gierig nach der Freiheit lechzend, die ihm so lange
verweigert worden war.
Der Ausdruck in Gandalfs Augen änderte sich,
doch vermochte Grima nicht zu sagen, ob zum Guten oder
zum Schlechten. Fast ängstlich drehte er sich ein
wenig beiseite, seine Nacktheit und den eigenen Willen
seines Körpers zu verbergen suchend.
„Halt, Grima! Gehäutet und bereit... es ist
Zeit für die Schlange.“
Mit diesen Worten bewegte Gandalf den Stab erneut
und wies dem Gefangenen den Weg, lotste ihn und führte
ihn näher zu sich heran.
Grima wehrte sich nicht - weder gegen den Willen,
der ihm aufgezwungen wurde noch gegen die Nähe
des verhassten Feindes. Es wehrte sich nicht gegen die
Hände, die ihn erkundeten und die neue Haut, die
freigelegt worden warm prüften. Und auch nicht
gegen den anderen, bisher verborgenen Stab, nicht minder
mächtig, nicht minder kraftvoll, der sich seiner
bemächtigte.
Stück für Stück drängte er sich
weiter vor und Stoß um Stoß fühlte
Grima wie die Macht Sarumans zurückgedrängt
und vernichtet wurde, wie die Schlange in ihm starb
und sich etwas, das er lange vermisst und tot zu sein,
geglaubt hatte, in ihm regte.
Mensch.
Unter einem lauten Aufschrei starb die giftige Otter
in ihm, bäumte sich ein letztes Mal auf, ehe sich
ihr Lebenssaft siedend heiß über die Hand
des Zauberers ergoss und aus ihrem letzten Atemzug,
den sie tat, eine neue Kraft geboren wurde - genauso
rein und weiß wie ihr Schöpfer.
Grima spürte noch immer den prüfenden Blick
Gandalfs auf sich, während er erschöpft und
überwältigt nach Atem rang, seine Hände
in das weite Gewand des anderen grub, um Halt zu finden
und die schweißnasse Stirn an seine Schultern
lehnte.
„Willkommen zurück im Leben der Menschen, Grima.“
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