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Titel:
Der Verzicht Autor: The Secret of Rohan
1. Der Verzicht
Boromir hatte sich
still und in Gedanken versunken in eine Nische des Goldenen Waldes auf den
Boden gesetzt. Die Abendruhe brachte seine aufgewühlten Gedanken nur noch mehr
zum Kochen. Was, wenn Frodo den
Ring nicht nach Mordor brächte... Was, wenn er,
Boromir, den Ring in die Hände bekäme... Was könnte er alles
damit tun... Gutes für Gondor... Das Reich wieder
aufrichten, es beschützen, es zu einer mächtigen Feste in Mittelerde machen,
gerecht und milde beherrscht... von Aragorn, sei es drum, er würde ihm den Ring
geben, seinem König... aber welch Macht hätte Gondor... MIT dem Ring... welch
unglaubliche Macht... unzerstörbar von niemandem mehr...
Boromir schloss die
Augen. Noch immer hallten
Galadriels Worte in seinem Kopf. "Noch immer besteht Hoffnung!" hörte er sie sprechen. Hoffnung... Wo war schon
Hoffnung... Frodo würde den Ring
vernichten, dann wäre es um Gondor geschehen... Hoffnung... Worauf...! Er schüttelte den
Kopf. Er fühlte sich einsam, allein, schwach. Was würden die anderen denken,
wenn sie wüssten, mit was für einem Gedanken er spielte... sie würden ihn
verachten! Dabei wollte er nur Gutes - nur Gutes! Nichts Böses würde der
Herrschaft des Einen Ringes anhaften, nur Schutz und Hoffnung... aber wer würde
es verstehen von den anderen. Niemand. Und er war eh allein
hier. Die Hobbits hatten
einander. Gandalf war tot. Gimli schien keine
Sekunde länger hier bleiben zu wollen. Und Aragorn und
Legolas - Boromir verwarf den
Gedanken. Zu absurd erschien er ihm.
Aragorn zog seine
Stirn in Falten. Auch er saß für sich, unter einem uralten Baum, dessen Blätter
im silbernen Licht des Mondes wie kostbares Metall glitzerten. Ein Vogel sang
ein Lied, was ihm seltsam und wunderbar vorkam, wie alles in Lothlorien. Dennoch
fragte er sich, ob dieser Aufenthalt wirklich zu ihrem Besten sein würde... oder ob Gimli mit
seinen anfänglichen Bedenken Recht hatte... ob Galadriel zu ihrem Wohle oder zu
ihrem Wehe in ihre Seelen geflüstert hätte. Noch jetzt besteht Hoffnung... Aragorn seufzte, als
er an das Geschehnis dachte, das Gandalf ihrer Gefährtenschaft auf immer
entrissen hatte... Hoffnung... sie waren nur noch acht...
"Ich habe es
auch gehört, Aragorn..." Fast unbemerkt hatte
sich Legolas neben den nachdenklichen Mann gesetzt und sah ihn ernst an. "Legolas, mein
Freund... wir stehen auf Messers Schneide... " "Ich weiß... und
ich sollte dir Gesellschaft leisten, anstelle mich zu grämen... und anstelle
dich alleine zu lassen... gerade heute Nacht sollte keiner alleine sein..." "Da hast du
sicher Recht, doch die anderen...?" "Ich bin bei
dir, Aragorn. Die anderen werden zueinander finden, so oder so." Aragorn betrachtete
den langhaarigen Elben. Das feine, ebenmäßige Gesicht, die doch uralte Augen
trugen, die glatte Stirn, von keiner tausendjährigen Angst durchfurcht, die
Lippen, deren Worte wie Balsam klangen... unwillkürlich streckte sich seine
Hand aus und er berührte Legolas' seidige Haare, streichelte eine seiner
seitlichen geflochtenen Strähnen. Der Elb sah ihn an. Es war keine Rückweisung
in diesem Blick, eher ein Verstehen und Zuneigung. "Was würdest du
tun, Legolas, wenn ich dich jetzt... küssen würde?" flüsterte Aragorn und
wunderte sich im gleichen Moment über seine Worte, doch sie waren seinem Munde
entsprungen, bevor er darüber nachdenken konnte. Legolas lächelte
nicht. Er sah Aragorn nur an. Ein inniger Kuss
vereinte Mensch und Elben. Aragorn ließ seinen unbedachten Worten die
unbedachte Tat folgen, unter dem Mond von Lothlorien. Legolas schlang seine
Arme um Aragorn und hielt ihn fest. Noch ein Kuss folgte,
tiefer und fordernder. Aragorns Hand hatte sich in Legolas' Zopf verhakt, er
hielt ihn so eng an sich gedrückt und trank des Elben willige Zärtlichkeit.
"Legolas,
Galadriel wünscht dich zu sprechen!"
Aragorn ließ den
Elben ruckartig los, Legolas starrte den Friedensstörer ungnädig an.
"Haldir. Was ruft Galadriel so spät nächtens nach mir? Ist es ihr Ruf,
oder ist es dein Ruf, der hier stört?"
Haldir lächelte
leicht herablassend. "Es ist in der Tat der Ruf der Herrin des Lichtes,
der euer wohl ungeplantes Zusammensein stört, Aragorn, du magst entschuldigen.
Aber es ist von äußerster Wichtigkeit, dass Legolas nun mit mir kommt und nicht
bei dir verweilt, wie gerne du ihn nun auch an deiner Seite haben mögest."
Legolas ließ Aragorn
los, den er immer noch umfangen hielt, und stand auf. "Es tut mir
leid, Estel..." flüsterte er und warf einen bedauernden Blick auf Aragorn,
der den Blick von Haldir abwandte. Dann folgte Legolas
seinem fernen Verwandten.
Sei mir
gegrüßt, Legolas, Sohn Thranduils, zu dieser späten Stunde...", Galadriel
stand vor ihrem Spiegel, eine Karaffe Wassers in ihren Händen. "Es war in
der Tat nötig, dass du hier zu mir kommst, jetzt, sofort, keinen Moment später.
Haldir, du magst bitte bleiben... ich möchte, dass du erfährst, weshalb ich
Legolas zu mir bringen ließ, zumal dein Auftrag heute Nacht noch nicht zu Ende
ist...", Galadriel lächelte geheimnisvoll. "Was wünscht die
Herrin des Goldwaldes von mir?" Legolas' Unwilligkeit hatte sich längst
gelegt, was blieb, war Sorge und Spannung. "Ich möchte,
dass du in den Spiegel siehst, Gefährte... dass du mir sagst, was du siehst...
bist du bereit dazu, Kind des Waldes?"
Legolas zögerte, dann
trat er hinzu. "Ich bin bereit."
Galadriel goss
frisches Wasser auf und Legolas beugte sich über den Spiegel.
Er sah....
~~~~~
2.
Die Vision
Boromir, in tiefer
Einsamkeit und Verzweiflung. Er rang mit sich,
Schweißesperlen auf der Stirn, das Antlitz verborgen in seinen Händen. Frodo. Den Entschluss
fassend, den Ring alleine zum Schicksalsberg zu bringen. Boromir und Frodo. Im Gespräch, in
Verzweiflung, miteinander ringend! Boromir trachtete den Ring zu entwenden! Wieder Boromir in
Verzweiflung. Am Boden liegend. Totes Laub in seinem Haar, Resignation in
seinem Gesicht, Tränen. Orks. Große Orks. Pfeile. Wunden. Das Horn von Gondor. Boromir. Tot. Aragorn küsste den
Toten, weinend, trauernd.
Legolas schreckte
auf. Sein Gesicht hatte sich vor Furcht und Schmerz verzogen. "Boromir!"
flüsterte er. "Herrin, willst
du, dass ich DAS hier sehe? Dass ich zusehe, wie Boromir stirbt?" Galadriels Gesicht
war ebenfalls von großer Trauer erfüllt. "Ich habe dich nicht gerufen, zu
sehen, wie Boromir stirbt... sondern zu sehen, wie es verhindert werden
kann!" "Ich? Ich kann
es verhindern?" Der Elb starrte die Elbenkönigin hilflos an, das
Schrecknis immer noch nicht aus seinem Gesicht gewischt. "Ja. Du, und
niemand anderer. Du kannst es verhindern." "Dann sage mir
wie!" Galadriels Lächeln
verschwand. "Du bist bereit,
ein Opfer zu bringen?" Legolas nickte,
sofort. "Jedes Opfer, um Boromir DAVOR zu bewahren!" "Jedes... auch
das deines Herzens?" Der Waldelb zuckte
zusammen, zögerte, und nickte erneut. "Ich habe es
nicht anders erwartet, Legolas. Was ich von dir erbitte ist, dass du diese
Nacht nicht mit dem verbringst, dem dein Herz gehört. Dass du nie wieder eine
Nacht mit ihm verbringst und auch nicht danach trachtest, es zu tun. Obwohl du
noch nie mit ihm zusammenwarst... und heute die Gelegenheit dazu gehabt hast.
Oder sagen wir, du hast sie noch. Kehre zu Aragorn zurück... und geschehen
wird, was du im Spiegel sahst. Bleibe hier... und Boromir wird gerettet werden.
Seine Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit wird geheilt werden, noch heute
Nacht..." "... von
Aragorn..." vollendete Legolas den Satz und schloss seine Augen.
Galadriel nickte.
Der Seufzer, der sich
Legolas entrang, war unirdisch. Er wusste, was er verlor, kaum, dass er es
annähernd hatte.
"Kein Opfer ist
zu groß für das Leben Boromirs..." murmelte er und sah zu Boden.
"Haldir!"
Galadriel winkte dem Elben zu, der betroffen zugesehen hatte, was sich zwischen
Galadriel und Legolas abspielte. Haldir trat zu
Legolas und legte seinen Arm um dessen Schultern. "Du sollst nicht alleine
sein heute Nacht..." sagte er leise und streichelte den Gefährten sanft. "Ich - oder
meine Brüder... oder wir alle... wähle, Legolas, suche Trost bei uns... wir
sind Deinesgleichen... und wir werden dir alles geben, was du begehrst..." Alles außer
demjenigen, den ich liebe, dachte Legolas, und sah auf.
Galadriel gab ihm mit
den Augen ein Zeichen. "Ja, das ist genau das, was du geben musst, mein
Freund... denjenigen, den du liebst. Damit er für jemanden da sein kann, der
ihn braucht... der Hoffnung braucht... den Arm, in dem du lagst... die Worte,
die ihn stärken... damit nicht scheitert, was auf Messers Schneide steht."
"Haldir, es ist
nicht nötig, dass du dich aufopferst, einer reicht!" Legolas wandte sich
an den Elben, der ihn immer noch an den Schultern hielt. "Nein, du
verstehst nicht. Es ist nicht, dass ich mich opfere, es ist, dass du nicht
alleine bist. Für mich ist es kein Opfer, dir Gesellschaft zu leisten." "Ihr dürft nun
gehen..." murmelte Galadriel erschöpft und wandte sich ab. Haldir gab dem
Waldelben ein Zeichen mit den Augen, das dieser sofort verstand und sich sofort
von der Herrin des Goldwaldes verabschiedete. Haldir folgte ihm einige
Schritte, hielt ihn dann erneut fest. "Ich möchte,
dass du mit mir mitkommst. Es sei denn, du entscheidest dich jetzt dafür, zu
Aragorn zurückzugehen. Es ist deine Wahl." "Eine andere
habe ich nicht, nicht wahr? Zum Beispiel, einfach alleine zu sein und zu tun,
was ich möchte?" Legolas unterdrückte den Würgereiz, der ihn überkam, als
er spürte, dass sich seine Augen mit Tränen füllten. Jetzt nur nicht weinen. Haldir trat zurück.
"Ich will mich dir nicht aufdrängen. Wenn du lieber alleine sein
möchtest..." "Ich möchte!" gab Legolas zurück, ohne zu zögern.
Und er wandte sich ab, ohne einen Blick zurück.
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3. Ich halte deine Seele
Aragorn wunderte
sich, wo Legolas so lange blieb, und beschloss, nach ihm suchen zu gehen. Es
waren Stunden vergangen, die Nacht näherte sich ihrem Ende, ohne dass er auch
nur eine Stunde geschlafen hätte, und Legolas war nicht wieder aufgetaucht. So
machte er sich auf den Weg, den Gefährten zu suchen, der sein Herz berührt
hatte.
Sein Weg führte ihn
zu Galadriel, doch sie ließ sich durch ihre Wachen entschuldigen. Haldir selbst
sprach mit ihm, doch der Elb wusste nicht, wohin Legolas gegangen war, nachdem
er seine Gesellschaft abgeschlagen hatte.
Aragorn
verabschiedete sich von den Wachen in nachdenklicher Stimmung. Hier in Lothlorien
waren sie sicher - zumindest diese Nacht. Doch warum war Legolas einfach verschwunden,
anstatt zu ihm zurückzukehren und den Aufruhr seines Herzens zu besänftigen?
Wieder und wieder auf dem Rückweg zu seinem Nachtlager sah er das Gesicht des
Sohn Thranduils vor sich, die leuchtenden Augen, die erwartungsvollen Lippen,
das offene Herz... dieser Anblick war ihm direkt in sein eigenes Herz gefahren,
hatte es bewegt, hatte in ihm Gefühle wachgerufen, die er nicht für möglich
gehalten hatte... ja, er hatte sie sich verboten, seitdem er in Rivendell zum
ersten Mal wieder auf den Elben mit den
herbstroten Haaren getroffen war, seit Jahren. Arwen war da, seine Arwen - es
war kein Platz für Legolas. Doch er schuf ihn sich, Aragorn würde mehr als
Schwierigkeiten bekommen, später, doch wer sagte, dass sie die Reise überhaupt
überleben würden? Heute war heute, und heute war es Legolas, den er begehrte,
mehr als alles andere. Nur seine Nähe spüren, nur seine Lippen auf den seinen,
nur seinen Arm um ihn legen - mehr wollte Aragorn gar nicht. Aber dieses wollte
er. Es würde nicht nur ihm Geborgenheit schenken, sondern auch dem Elben, von
dem er annahm, dass er ebenso verwirrt war wie er selbst.
Aragorn beschloss, im
Umkreis zu suchen. Irgendwo musste er sich aufhalten, sein Licht dieser Nacht.
Goldene Blätter
säumten den Weg, im Glanz des Mondes forschte Aragorn nach dem Elben. Beinahe hätte er
Boromir übersehen, der an einen Baum lehnend saß.
"Streicher!",
lächelte Boromir mühsam und stand auf, "auch ohne Schlaf heute Nacht! Ich
tue kein Auge zu hier. Ich traue den Elben Loriens nicht!"
Aragorn schüttelte
den Kopf, seine sorgenvolle Stimmung konnte er nicht verbergen. "Fürchte nichts,
Gondors Sohn. Den Elben ist zu trauen. Ich traue eher mir nicht." "Was geht dir
durch den Kopf?" Boromir sah Aragorn aufmerksam an, die Furchen auf der
Stirn des Königs ohne Thron waren unübersehbar. Ob ausgerechnet ihm Aragorn
vertrauen würde? "Nichts",
wehrte Aragorn ab, Boromirs Gedanken bestätigend. Der Sohn des
Statthalters von Gondor wandte sich wieder ab und setzte sich erneut an den
Baum. "Du lügst, Streicher.
Aber ich habe nicht erwartet, dass du dich mir mitteilst." Aragorn zuckte
zusammen, aber er schwieg. Stattdessen setzte er
sich zu seinem Gefährten.
Sie schwiegen lange. Dann brach Aragorn
das Schweigen.
"Es ist Legolas.
Er ist verschwunden. Auf seltsame Art und Weise." Boromir richtete sich
auf. "Es ist wegen dem Ring, nicht wahr? Du fürchtest, er könne den Ring
an sich genommen haben!" Aragorn lächelte
wider Willen. "Nein, Boromir, das nicht... wir sprachen miteinander, dann
wurde er abberufen zur Herrin des Waldes und seitdem ist er nirgends mehr zu
finden... es beunruhigt mich, nicht zu wissen, wo er ist. Nicht wegen des
Ringes, ich traue Legolas unbedingt und ohne Grenzen!" "Anders als mir,
nicht wahr?" brach es aus Boromir heraus, Schweiß stand ihm auf einmal auf
der Stirn, obwohl die Nacht kühl war. Der Erbe von Gondor
starrte erschrocken auf diesen Gefühlsausbruch seines Gefährten und betrachtete
eben so unverwandt dessen Gesicht. Boromirs Gesicht war
eine Maske des Zweifels und der Versuchung, des Selbsthasses und des Trotzes.
Wilde Gedanken flogen über sein Gesicht wie Sturmvögel und seine Augen hatten
sich verdüstert. Unwillkürlich
streckte Aragorn seine Hand aus und berührte die Schulter Boromirs, dabei stieß
er einen Laut aus, den er für gewöhnlich ängstlichen Kindern oder Tieren
angedeihen ließ. Boromirs Ausdruck
änderte sich nicht wesentlich. Da zog ihn Aragorn zu
sich. Heute scheint die
Nacht zu sein, in der ich nicht nachdenke, durchlief ihn der Gedanke, als er
Boromir wie ein Kind in seinen Armen wiegte, was zur Folge hatte, dass sein
Gefährte anfing unkontrolliert zu weinen. "Psssst,
beruhige dich, Boromir, mein Gefährte..." flüsterte er, und mit dem Zipfel
seines Mantels wischte er die Tränen aus dem rauhen Gesicht des Mannes. "Ich vertraue
dir... es wird alles gut ausgehen... hab Hoffnung!" "Oh Aragorn,
wenn ich das doch nur glauben könnte!" gab Boromir mit gebrochener Stimme
zurück. "Wenn ich doch nur Hoffnung hätte! Aber der Ring ruft mich, er
sagt mir, was aus Gondor werden könnte, wenn er in meinem Besitz wäre, in
UNSEREM Besitze, Aragorn... du als mächtiger König, du wärst Ringträger, ich
dein Statthalter... lass uns den Ring nehmen, Aragorn, und lass uns gegen alles
Böse ankämpfen!" "Schweig,
Boromir...", Aragorns Befehl war sanft und nicht hart, denn er sah, dass
Boromir in Versuchung war, er selbst hörte den Ring rufen. Er wusste um die
Unschuld des Mannes in seinen Armen und um dessen guten Willen. "Frodo wird den
Ring seinem Schicksal übergeben und wir werden ihn dahin begleiten. Es gibt
keinen anderen Weg!" "Du verachtest
mich!" rief Boromir und seine Augen füllten sich wieder mit Tränen, er
versuchte sich von Aragorn loszureißen, doch der hielt ihn fest. "Bleibe bei mir,
jetzt... bleibe mir nahe, Boromir, wir stehen das gemeinsam durch!"
beschwor Aragorn den Versuchten und streichelte seine langen, schweißnassen
Haare aus dem fiebernden Gesicht. Er überlegte nicht,
sondern ließ seine Lippen auf die Stirn des Gepeinigten sinken, gab Boromir
einen zarten Kuss auf den Haaransatz. Sofort entspannte
sich der Sohn des Statthalters seltsamerweise. Die beiden Männer
sahen sich an. Lange trafen sich
ihre Augen, die blauen Boromirs und die grauen Aragorns. "Ich bin bei
dir!" flüsterte Aragorn erneut und streichelte Boromirs Rücken. "Hab
keine Angst, mein Freund, wir schaffen das, aber nur, wenn wir treu
bleiben..." wiederholte er die Worte Galadriels. "Halt mich fest,
mein König!" flüsterte Boromir und schloss seine Augen vor seiner eigenen
Schwäche sich schämend. Aragorn drückte den
zitternden Körper des sonst so starken Kriegers fest an sich und fühlte, wie
sich hinter seinem eigenen Rücken Boromirs Arme schlossen. Boromirs Kopf sank
auf seine Schulter, Aragorn streichelte seine Haare, küsste Boromir erneut.
"Ich bleibe bei dir!" versicherte er ihm wieder und wieder. Boromir sah auf und
wieder fingen sich die Blicke der beiden Männer für lange Zeit. Dann näherte
sich Boromirs Gesicht dem Aragorns, und ihre Lippen berührten sich. Es war ein
keuscher Kuss, doch er ließ beiden das Herz zum Rasen bringen. Durch Aragorns
Kopf schoss der Gedanke an Legolas, doch Boromirs Gegenwart überlagerte die
erst frische Erinnerung an den Kuss des Elben und Aragorn spürte die
Notwendigkeit, hier und jetzt da zu sein, und es war mehr als Notwendigkeit.
Der Mann in seinen Armen brauchte ihn lebensnotwendig, und wenn Aragorn ehrlich
war, so fühlte er sich ihm sehr nahe jetzt. Er brauchte ihn auch.
Als der Morgen
dämmerte, trat Legolas an die beiden Männer heran, die in inniger Umarmung
eingeschlafen waren. Der Bogenschütze
betrachtete sie lange und lautlos. Er versuchte seine
Gefühle zu unterdrücken, seine Gefühle, die wirr und stürmisch durch seine
Seele jagten... Eifersucht, Schmerz,
Einsamkeit und etwas, was golden durch diese dunklen Emotionen leuchtete...
eine selbstlose Freude daran, dass sein Verzicht nicht sinnlos gewesen war,
dass Aragorn tatsächlich seiner Bestimmung nachgegangen war, den hoffnungslosen
Boromir zu trösten. In seinem Herzen
flackerte Sehnsucht auf... sich den beiden dazuzugesellen, sich berühren zu
lassen... er liebte Aragorn, doch er liebte Boromir ebenso... wie sonst hätte
er sich so entschieden... in seiner Seele kämpften verwirrte Gefühle... und das
Bewusstsein, hier als Dritter zu viel zu sein.
Die Vernunft gewann
Überhand, sein Gesicht erstarrte zu kalter Maske. Er beugte sich über
die beiden schlafenden Männer und rüttelte beide sanft wach.
~~~~~
4. Schicksal erfüllt
sich
Vorbemerkung: Ich
habe den Film gesehen. Ich kann ihn auswendig. Ich habe das Buch gelesen. Ich
kann es auswendig. Dies ist Fanfiction, ich erlaube mir die Freiheit, es so
darzustellen, wie es in meinem Herzen lebt...
"Boromir,
NEIN!"
Aragorn lehnte sich
über den Sohn des Statthalters von Gondor, der kaum Atem schöpfen konnte. Drei
Pfeile staken in seiner Brust, das Gesicht erbleichte, Aragorn bettete Boromir
in seinen Armen.
"Es waren zu
viele, ich habe getan, was ich konnte, um euch zu schützen... sie haben Merry
und Pippin... rettet sie... geht weiter und vernichtet den Ring..."
Boromir rang nach Luft. Aragorns Augen füllten sich mit Tränen. "Geh nicht
von uns... geh nicht von mir!" flüsterte er.
Aragorn hörte hinter
sich Laub rascheln, er drehte sich kurz um und sah Legolas, mit einem Blick,
der ihn zu Stein rührte. Unendliche Traurigkeit, unendliche Hilflosigkeit.
Tränen erstarrt zu
Eis, bereits in der Seele tot geboren. Genug Trauer, zu sterben. Aragorn sah
es... doch er musste nun dem Sterbenden in den Hafen der Ewigkeit helfen... Er wandte sich wieder
zu Boromir.
"Du hast gut
gekämpft, Boromir... du bist in Ehre... du meinem Herzen Lieber..." Aragorn beugte sich
herunter und küsste Boromirs Stirn, dann seine Lippen. "Mein König...
mein Bruder... mein Freund...." dann schwieg Boromir, seine Augen
schlossen sich.
Aragorn fühlte
bittere Schwärze in sich aufsteigen, er konnte nicht gegen die Tränen
ankämpfen, die sich nun ihre Bahn brachen. Er legte seinen Kopf an Boromirs
Schulter und akzeptierte das Unaussprechliche. Boromir war tot. Nichts konnte
ihn retten, nichts konnte ihn wieder zurückbringen, es blieb einzig und allein,
ihm ein würdiges Begräbnis zu bereiten...
Legolas fühlte sich
zerbrechen. Wie vergeblich war
sein Opfer gewesen. Wie unsinnig das, was Galdriel ihm sagte... wie wahr jenes,
was er im Spiegel sah. Er wusste nicht, was dem vorausging... ob es Frodos
Gegenwehr war, ob es Boromirs Begehren für den Ring war, aber das Ergebnis war
das Gleiche: Boromir war tot. Nur trauerte Aragorn viel tiefer, als er es ohne
sein sinnloses Opfer getan hätte, das die beiden Männer tief miteinander
verbunden hatte. Der Elb unterdrückte
dunkle Gedanken, die er nach Lothlorien schicken wollte. Das Schicksal ließ
sich eben doch nicht beeinflussen. Er hätte auf sein Herz hören sollen.
Aragorns stille Tränen zerrissen sein Herz, doch er konnte nichts tun, um ihn
zu trösten. Schweigend ging Legolas in den Wald. Dort ließ er seiner Trauer
freien Lauf, nur seine Freunde, die Bäume, waren Zeugen seiner Verzweiflung. Er
hatte Boromir verloren... den er retten wollte... er hatte Aragorn verloren,
den er liebte, und er hatte sich selbst verloren. Was Legolas nicht
wusste, war, dass es einen Zeugen seiner Trauer gab. Einen Zeugen, der
lieber vom Erdboden verschluckt worden wäre als diese Qual zu erleben. Einen Zeugen, der
still ausharrte, weil er sich nicht bemerkbar machen wollte... nicht, weil er
dies miterleben wollte, sondern weil er es nicht stören wollte.
Sie entschieden sich
dafür, Boromir in eines der Boote zu legen, mit denen sie Lothlorien verlassen
hatten. Aragorn drückte ihm sein Schwert in die Hand und gab ihm das Horn von
Gondor an die Seite, bevor er den Fluss bat, die sterblichen Überreste des
Mannes zu bergen, den er in den Tagen zuvor so liebgewonnen hatte. Legolas sah mit
versteinerter Miene zu, wie das Boot den Fluss herabschwamm, und wie es
verschwand.
Dann fiel ihm auf,
dass Sam und Frodo fehlten.
"Aragorn, wo
sind Sam und Frodo?" fragte er, ausspähend. Dann nahm er sie wahr.
"Sie sind am
anderen Ufer, lass uns schnell aufbrechen und ihnen folgen, sie brauchen
unseren Schutz!"
Aragorn schüttelte
nur stumm den Kopf. "Lass sie gehen, Legolas... sie müssen nun alleine
weiter... wir werden sie wiedersehen... aber nun... - ", Aragorn hob sein
Kinn energisch und unterdrückte jeden Schmerz, der ihm immer noch die Kehle
zuzuschnüren schien - "lasst uns Orks jagen!"
Gimli warf Legolas
einen Blick zu und zwinkerte den Elb an, der zunächst stutzte, dann aber
zurücklächelte. Aragorn schulterte
sein leichtes Gepäck. "Lasst alles
zurück, was wir nicht brauchen."
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5. Der Rat eines Freundes
WOZU, schrie es
immerzu in Legolas' Kopf. Er versuchte sich
voll und ganz auf die beiden Gefährten zu konzentrieren, auf ihre Aufgabe,
spähte wie von ihm erwartet in den Wald, versuchte die Luft auf ihre Stimmen zu
erforschen und alle seine Sinne auf mögliche Gefahren zu richten, doch immer
wieder hallte diese Frage in seinem Kopf. Wozu habe ich dieses
Opfer gebracht, wozu habe ich auf Aragorn verzichtet, auf die Nähe zu ihm, auf
seine Arme, auf seine Lippen - wozu? Dafür, dass sich das Schicksal erfüllte?
Dafür, dass Boromir eines gewaltsamen Todes starb? Dafür, dass Aragorn sich vor
Schmerz verzehrt? Er braucht nicht zu denken, dass ich ihn nicht sehe, seine
heimlichen Tränen, die er wegwischt, das Leid seines Herzens, ich sehe es, mehr
als ich es sehen sollte, und es reißt mir das Herz auseinander. Dafür habe ich
ihn aufgegeben? Dass alles doppelt so schlimm kam? Ich hätte mein Leben für
Boromir gegeben, ja, ich HABE es gegeben. Und nun das. Galadriel hat mich
betrogen.
Aragorn litt still. Gimli betrachtete mit
düsterer Miene seine beiden Gefährten. Als Aragorn sich
eines frühen Abends allein auf den Weg machte, Begleitung ablehnend, gesellte
sich der Zwerg zu dem Elben.
"Meine Worte
werden dich nicht interessieren, Legolas, Elb, ", begann er, räusperte
sich, "aber ich habe dir etwas zu sagen." Legolas seufzte.
"Ich werde kaum verhindern können, dass mir ein sturer Zwerg etwas sagt,
wenn er sich das in den Kopf gesetzt hat", gab er zurück und versuchte ein
aufgesetztes Lächeln, was aber gründlich misslang.
"Das ist eine
gute Einstellung, sturer Elb. Und jetzt hör mir zu."
Gimlis grimmiger
Blick brachte den Waldelb wider Willen doch zum Lächeln, er nickte. "Ich sehe, dass
du leidest. Ich sehe, dass Aragorn leidet. Und ich selbst habe mich von den
Schrecken Morias noch nicht mal annähernd erholt. Aber was ich weiß ist eines:
Aragorn und du könnt einander trösten. Ich weiß es, ich habe eure Blicke
gesehen, als wir in Lothlorien waren. Ich weiß nur nicht, was mit dir los ist.
Du gehst seitdem Aragorn aus dem Weg. Rede mit ihm. Tröste ihn. Das wird dich
selbst trösten. Ich kann das nicht, ich habe nicht die Geduld, mit einem
Menschen umzugehen oder gar mit einem dickköpfigen Elben. Ich sag dir, was ich
sehe, und ich sag dir, was ich davon halte. Und ich halte von eurem stillen
einsamen Leiden gar nichts. Geh zu Aragorn. Wenn ihr mich aus dem Weg haben
wollt, gehe ich gerne ein paar Schritte für mich. Aber wie gesagt, es ist meine
Ansicht der Dinge, ich erwarte nicht, dass ein Herr Elb mir auch nur
zuhört." Gimli zwinkerte und
legte dann seinen Arm um Legolas' Schulter, der zunächst überrascht zurückwich,
sich aber schnell besann und die Berührung des Zwerges zuließ. Er nickte nur. Aragorn kehrte
zurück. Gimli gab Legolas ein
verstecktes Zeichen und stand auf. "Ich gehe jetzt
Feuerholz sammeln. Haltet die Stellung hier!" polterte er rauh und
entfernte sich laut stapfend.
Der Erbe Isildurs
setzte sich zu dem schweigenden Elben.
"Legolas",
hob er an, doch der Elb hob seinen Arm, unterbrach Aragorn. "Bitte,
Aragorn... mein Herz ist weh, ich sehe, wie es dir geht und in meiner Seele ist
es dunkel. Ich wollte, ich hätte all dies verhindern können, doch es lag nicht
in meiner Macht. Vielleicht habe ich alles sogar noch schlimmer gemacht, falls
das so sein sollte, es tut mir leid... verzeih mir... ich wollte, ich könnte es
dir erleichtern... doch ich weiß nicht wie...."
Legolas sah weg. Er
wollte sich nicht der Demütigung hingeben, dass der ungekrönte König von Gondor
die Tränen in seinen Augen erkennen hätte können. Instinktiv wich er von
Aragorn ab, in dem Moment, wo dieser die Hand nach ihm ausstreckte.
"Ich weiß nicht,
von was du redest, Legolas..." flüsterte dieser und zog seine Hand zurück.
"Du hast nichts damit zu tun, dass Boromir fiel... nichts und wieder
nichts... wofür entschuldigst du dich?"
Legolas schwieg.
"Er war ein
tapferer Krieger", flüsterte Legolas und stand dann auf, um Aragorns Nähe
zu entgehen. Was hatte dies alles noch für Sinn, es war alles zu spät, es war
gründlich schief gegangen und Legolas hatte nicht vor, Aragorn einen weiteren
Schmerz zuzufügen, indem er von seinem nächtlichen Ausflug zu Galadriel
berichtete. Davon, nicht bei ihm geblieben zu sein... stattdessen für Boromir
Platz gemacht zu haben, auf dass Aragorn nun noch tiefer Trauer trug... entgegen des Rates
des Zwerges floh er vor Aragorn.
Der Moment war
vorbei, ein für alle mal gegangen, wo zwischen ihm und Arathorns Sohn so etwas
wie Nähe hätte sein können.
Er hatte falsch
entschieden in dieser Nacht damals, so falsch.
Vorbei.
Legolas folgte Gimlis
Spuren in den Wald, Aragorn alleine lassend. Er würde den Zwerg nur ansehen und
vielleicht würde er weinen. Gimli würde verstehen. Legolas fühlte Freundschaft,
nicht nur aufkeimen, sondern blühen, inmitten dieser Schwärze. Ausgerechnet ein
Zwerg.
~~~~~
6.
Estel - Hoffnung
Dunkelheit um mich. Es tut weh. Es tut so
weh. Wasser kühlt meinen
Schmerz, aber er ist da. Dreifach. Es gelingt mir kaum
zu atmen. Es tut so weh. Ich versuche an meine
Brust zu greifen, doch die Quelle meiner Pein ist nicht mehr da. Nur drei
Wunden, die schmerzen. Unaufhörlich. Wasser umspült mich. Kühlung. Ich sehe nichts. Es ist dunkel. Es ist so... dunkel....
"Du solltest dir
das mal ansehen." Rumil hielt den
schlaffen Körper in seinen Armen und beugte sich ganz nahe an das Gesicht. Die Augen waren
geschlossen, doch der Elb konnte etwas erspüren. Atem. Dieser Mensch hier
lebte.
Orophin kniete nieder
zu seinem Bruder. "Drei
Verletzungen in der Brust", konstantierte er, als er die durchnässte
Tunika des Mannes geöffnet hatte. "Unbehandelt. Ein Wunder, dass er noch
lebt. Sieh zu, dass du so schnell wie möglich mit ihm weiterkommst. Nimm ihn
über deine Schultern, ich will sehen, ob hier noch mehr sind!"
Rumil schulterte
vorsichtig den bewusstlosen Verletzten und trug ihn durch den Wald, der an den
Fluss angrenzte. Orophin zog seine
glatte Stirn in Falten und überlegte. Er kannte das
Gesicht. Irgendwo hatte er ihn
gesehen, erst vor kurzem. Dann durchzuckte ihn
die Erkenntnis. Boromir von Gondor,
Sohn des Denethor. Hatten ihn seine
Feinde in den Fluss geworfen?
"Rumil, es ist
Boromir von Gondor!!!" Orophin starrte noch einmal in das bleiche Gesicht,
das über Rumils Schulter sah, die Augen geschlossen, der Mund halb offen.
"Es ist Boromir. Einer der Gefährten. Da war etwas... wir müssen sofort
zurück nach Lorien, nicht nur des Verwundeten wegen, da war etwas, Haldir weiß
es! Er hat mir gegenüber Andeutungen gemacht, aber ich bin nicht sicher. Los,
versuchen wir zu laufen!"
Rumil konnte seinem
Bruder kaum folgen, denn Boromir lastete schwer auf ihm. Der schlaffe Körper
war schwer zu tragen, zudem versuchte der Elb, ihm so wenig wie möglich weh zu
tun, war er doch nicht ganz sicher, ob er bewusstlos war oder doch mehr spürte,
als er hoffte.
Nach einiger Zeit
erreichten sie Lothlorien. Celeborn kam ihnen
besorgt entgegen. Galadriel hat
es mir schon angekündigt", sagte er leise, dann befahl er Rumil, seine
schwere Bürde in einen Baderaum zu tragen. "Das ist nicht,
was sein sollte", murmelte Celeborn und folgte den beiden Brüdern Haldirs.
Der Elbenfürst selbst
half mit, Boromir zu entkleiden. Die drei Wunden hatten durch den Transport
wieder angefangen stärker zu bluten, Rumils Umhang war blutdurchtränkt, ebenso
war es Boromirs Tunika, die nun achtlos auf dem Boden lag. Celeborn hielt den
bleichen Kopf des Gefährten in seinen Händen, öffnete vorsichtig ein Augenlid. "Besorgniserregend,
doch nicht ohne Hoffnung", wandte er sich zu den Brüdern und wies sie an,
Operationsmaterial zu holen. Dann krempelte sich Celeborn die Ärmel hoch und
wusch sich gründlich. "Haldir soll
kommen, und zwar sofort. Ich brauche seine medizinischen Kenntnisse!"
~~~~~
7.
Bekenntnis
Gimlis grimmiges
Gesicht verzerrte sich zu einem genötigten Lachen. "Du willst mit
mir wetten, Elb? Na gut. Ich werde dich in Grund und Boden trampeln, mit meinen
kurzen Beinen, über die du so oft spottest!"
Legolas nickte
kampflustig. "Eine gute Wette, Zwerg. Im allgemeinen Interesse. Nicht
wahr, Estel?"
Aragorn, der nur mit
halbem Ohr den freundschaftlichen Sticheleien von Legolas und Gimli zugehört
hatte, nickte gedankenversunken. Er hatte nicht gehört, dass die beiden gerade
darum gewettet hatten, wer beim nächsten Zusammentreffen mehr Orks töten würde,
sondern seine Gedanken waren bei Boromir. Legolas sah auf,
wohlwissend, dass Aragorn nicht zugehört hatte. Er hob eine Augenbraue und
Gimli stand auf, unausgesprochen wissend, dass einer der Momente gekommen war,
über die er mit dem Elb gesprochen hatte, nachdem Legolas ihm in den Wald
gefolgt war. Gimli hatte den Elben aufgefangen, seine Tränen getrocknet, seine
Hand gehalten und nachdem Legolas' Augen trocken waren, ihn mit
freundschaftlichem Sarkasmus wieder in die Bahn gebracht. Es war abgemacht,
dass Legolas nicht aufgeben sollte... und dass Gimli jederzeit die beiden
alleine lassen würde, wenn auch nur ein Auge Legolas' dies erbitten sollte.
Jetzt war so ein Moment. Gimli wusste, dass Legolas etwas zu Aragorn sagen
wollte, das keinen Dritten duldete.
"Was dagegen,
wenn ich mal kurz austrete?" polterte Gloins Sohn und wandte sich im
gleichen Moment schon um, um in den Wald zu stapfen. Der Waldelb erhob
sich und nahm Platz neben Aragorn. "Was trübt dein
Herz?" flüsterte er, vorsichtig eine Hand auf die Schulter des Mannes
legend. "Ach,
Legolas...", Aragorn seufzte, dann füllten sich seine Augen unvermittelt
mit Tränen, bevor er seinen Kopf von Legolas wegdrehen konnte. "Weine, Estel...
weine einfach... du warst lange genug stark..." Der Elb umfasste die
Schultern Aragorns und hielt ihn, während Aragorns gequälte Seele sich fallen
ließ. Legolas war bewusst,
dass er selbst die Kraft aus der Freundschaft mit Gimli schöpfte, und sandte
ihm wortlos Dank dafür. Nur so konnte er jetzt Aragorn halten... weil er selbst
gehalten worden war. "Warum war ich
nicht da?" brachte der Erbe Isildurs hervor, während ihm die Tränen aus
den Augen stürzten. "Warum konnte ich es nicht verhindern?"
"Es konnte
keiner verhindern, Estel... es geschah, es musste wohl geschehen..."
Legolas rang mit sich, dann fuhr er fort: "Ich habe versucht, es zu
verhindern, denn ich sah, was gekommen ist. Ich sah es in jener Nacht, in der
ich mich dir näherte, dir Einsamkeit zu nehmen. Erinnerst du dich, als Haldir
uns störte?"
Aragorns graue Augen
richteten sich auf Legolas. "Fahre fort."
"Haldir brachte
mich zu Galadriel, die ließ mich in ihren Spiegel sehen. Ich sah Boromirs Tod.
Und ich sah auch, wie ihn verhindern... und dies tat ich, Estel, ich schwöre
bei meinem Leben. Doch ich konnte es nicht verhindern. Es geschah. Mein Herz
ist verwundet, so wie auch deines."
"Du hast
versucht, seinen Tod zu verhindern? Du wusstest es?" Aragorn fand kaum
Worte. Er war zutiefst erschüttert.
"Wie hast du es versucht? Warum hast du mir nichts gesagt?"
Legolas schüttelte
den Kopf.
"Es erfüllte
sich, was sich erfüllen musste. Es war nicht deine Schuld, es war auch nicht
meine. Meine Schuld liegt woanders, Estel. Nicht in Boromirs Tod. Aber darüber
möchte ich nicht mehr sprechen. Bitte nimm dies an."
"Es bricht mir
das Herz!" Erneut traten Aragorn Tränen in die Augen. Nun aber wurden auch
Legolas' Augen gefüllt, denn diese Worte waren genau dies, was ihn so leiden
machte. Aragorns Leid. Sein
Schmerz. Verursacht durch seinen Gehorsam Galadriel gegenüber. Wäre er doch nie
mit Haldir gegangen!
Gimli erschien in der
Ferne, Legolas stand auf. "Ich kann mich nur entschuldigen, dass ich mein
Herz betrogen habe... und mich der Furcht unterwarf, und nicht der Liebe. Es
tut mir leid, Estel. Es fehlen mir die Worte. Dringe nicht weiter in
mich."
~~~~~
8.
Erwachen
Celeborn beugte sich
über Boromir, dessen Brustkorb fest verbunden war und sich nur kaum sichtbar hob
und senkte. "Er kommt
durch", wandte er sich an Haldir, der lächelnd auf den Verwundeten sah. "Es war kein
Gift auf den Pfeilen, wie deine Brüder vermutet hatten, es war nur die
Entzündung durch das Holz, die wir gestoppt haben und die Wunden, die alle drei
ihr Ziel verfehlten. Tiefe Wunden, aber nicht tödlich. Er kommt durch. Er ist
ein starker Mann, ehrgeizig, lebenswillig. Ich möchte, dass du bei ihm wachst,
lasse dich von Rumil und Orophin ablösen, sein Leben gebe ich in eure Hände,
wacht über ihn. Nur ein einziges Zeichen einer Verschlechterung, dann ruft mich
sofort."
Celeborns Gesicht
näherte sich dem Boromirs. Er konnte den flachen Atem des Mannes von Gondor
spüren. Celeborn legte seine Hand auf die Stirn und murmelte einen elbischen
Segen. Da schlug Boromir plötzlich seine Augen auf.
Der Elbenfürst
lächelte. "Wie ich sagte. Er kommt durch!" wandte er sich an Haldir,
dessen Lächeln nicht aufgehört hatte, und dann sagte er sanft zu Boromir:
"Willkommen in Lothlorien, erneut heiße ich dich als meinen Gast
willkommen, Sohn Gondors!"
Boromir holte tief
Luft und flüsterte dann: "Wo - sind - die
- anderen?"
Celeborn legte seinen
schlanken Zeigefinger auf Boromirs bleiche Lippen. "Nicht sprechen jetzt.
Du bist verwundet worden durch drei Pfeile. Wir fanden dich am Fluss. Nur dich,
niemand anderen. Wir werden nach ihnen senden, sobald es dir besser geht. Ruhe
dich aus, mein Freund."
"Aragorn...
" flüsterte Boromir matt, um dann wieder die Augen zu schließen. "Schlaf jetzt,
Mensch", Celeborns Hände auf Boromirs Augen. Haldir beobachtete den Moment
und sein Herz machte Sprünge, als er sich an Celeborn wandte: "Was du hier
siehst, Celeborn, ist die Erfüllung einer Prophezeiung... und die Frucht eines
Opfers... komm mit mir, ich werde dir davon berichten..."
"Oh mein Freund,
ich weiß es doch längst... ", Celeborns weit auseinander stehende Augen
strahlten, und er beugte sich erneut über den Menschen, der nun schlief, und
küsste seine Stirn. "Sollte er es
auch wissen?" fragte der Oberste Wächter des Goldwaldes und sah seinen
Fürsten an. "Ja, er sollte
es wissen. Du wirst ihm berichten, sobald er stark genug ist, dir zuzuhören,
diese Freude, einen solchen Freund zu besitzen wie Legolas, sollten wir ihm
nicht verschweigen."
Celeborn wandte sich
um, Haldir am Ärmel seiner Tunika mit sich nehmend, und sie gingen beide aus
dem Raum, in dem Boromir seiner Gesundheit entgegenruhte. Nach einigen Tagen
hatte sich Boromir so weit erholt, dass er aus eigener Kraft das Bett verlassen
konnte. Sowohl Haldir als auch seine Brüder waren eigens zu seiner Betreuung
von ihren Pflichten als Wächter des Goldwaldes entbunden worden und hatten Tag
und Nacht am Bett des Mannes aus Gondor gewacht, jeden Fortschritt seiner
Genesung mit Freude im Herzen notierend. Boromir saß, ein
Kissen in seinen Rücken gestützt, in seinem Bett, ein Glas kühlen Wassers in
seiner Hand, und sah Haldir aufmerksam mit klaren Augen an. "Ich erinnere
mich gut an dich, Haldir!" lächelte Boromir und nahm einen Schluck. "Dein Pfeil war
direkt auf Legolas gerichtet... als ihr uns umzingelt hatten. Ich hielt euch in
dieser Minute wahrhaftig für gefährlich und vor allem feindlich gesonnen!"
"Welch Irrtum,
Freund!" lächelte Haldir und setzte sich zu Boromir auf das Bett.
"Wir waren nur irritiert ob der Gefährtenschaft eines Zwerges in eurer
Gesellschaft. Aber man kann seine Meinung wohl ändern."
Die beiden Männer,
Elb und Mensch, schwiegen eine Zeit lang, betrachteten sich. Dann brach Haldir
das Schweigen. "Ich möchte dir etwas erzählen, Boromir. Eine Sage von
einem Elben, der für einen Freund etwas opferte, was ihm unendlich wertvoll
war."
Haldir ließ einen
Moment der Ruhe einkehren, dann fuhr er fort: "Es gab einen aus unserem
Volke, der einem Menschen von Herzen zugetan war. Er sehnte sich nach dessen
Nähe und in einer Nacht, da war er seinem Ziel sehr nahe. Der Mensch sehnte
sich ebenso nach seiner Nähe, und sie kamen zueinander. Schicksal wollte es,
dass graue Wolken sich verfinsterten und dunkle Stimmen andere heimsuchten und
es einen anderen Menschen gab, dessen Herz in Dunkelheit fiel. Der Elb sah, was
geschehen würde, wenn er dem nachgeben würde, was sein Herz begehrte... wenn er
weiterhin die Nähe des Menschen suchte, den seine Seele liebte... und er
verließ diesen Menschen, um dem, dessen Herz in Dunkelheit war, die Möglichkeit
zu geben, zu dem Menschen zu gelangen, den er selbst begehrte... doch wäre er
geblieben, so wäre dieser Mensch in Dunkelheit und Verzweiflung dem Tode
anheimgefallen. So verließ der Elb seine Liebe und ließ zu, dass das Schicksal
einen anderen Lauf nahm... der Mensch mit dunklem Herzen wurde gerettet... sein
Leben wurde ihm wiedergeschenkt... weil er Licht gesehen hatte in den Armen
eines anderen Menschen."
Boromir hatte
aufmerksam zugehört. Bei den Worten "Herz in Dunkelheit" war er kurz
zusammengezuckt. Nach langen Minuten
des Schweigens fragte Boromir leise: "Und... das bin ich... der Mensch in
Dunkelheit... dem das Leben neu geschenkt wurde?"
Haldir streckte seine
Hand aus und streichelte sanft die bärtige Wange des Mannes. "Ja, das bist
du, Boromir."
"Ich... verdanke
mein Leben... Legolas?" flüsterte Boromir ungläubig und griff nach Haldirs
Handgelenk. "Ja. Er hat
keine Sekunde gezögert, dich zu retten; mit allem, was er ist, hat er alles,
was er wollte, in dein Leben gegeben."
Boromir ließ Haldirs
Hand los. "Das kann ich nie wieder gutmachen...." murmelte er. "Doch, das
kannst du. Aber das musst du selbst wissen", erwiderte Haldir lächelnd und
stand auf. "Ihr werdet euch wiedersehen, ihr alle drei, du, Legolas und
Aragorn. Es ist so bestimmt. Legolas hat es so bestimmt, in dem er mir damals
folgte und in Galadriels Spiegel sah. Es war seine Entscheidung, und ihr werdet
euch wiedersehen."
Als Haldir gegangen
war, schüttelte Boromir immer noch ungläubig den Kopf. Legolas. Der Name des Elben
hallte in seiner Seele wider.
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