Titel: Respekt, wem Respekt gebührt (2/?): Die Trauer ist noch zu nahe
Autor: The Secret of Rohan



Vorbemerkungen:

Beim dreißigsten oder einundreißigsten Betrachten/Anbeten des Filmes fielen Boromir und mir mal wieder einiges auf. Ungeklärte Fragen, Rätsel in der Dunkelheit... zum Beispiel folgende Details... noch einmal zu erwähnen, warum ist Aragorn dem ihm offenbar bekannten Haldir von Lorien gegenüber derartig unterwürfig? Er erhebt sogar seine Hände zur Kapitulation, spricht beschwörend und äußerst respektvoll auf ihn ein... aber nicht genug! Nein, noch mehr Rätsel, die uns der Film verschwieg und auch das Buch!

Die ganze Situation in Lothlorien ist mehr als mysteriös, und sagt mir ja nicht, das kommt dann alles in der Extended Version der DVD! Nix da. Oder meint ihr im Ernst, es wird geklärt, weshalb Legolas mit einer wirklich albern wirkenden Vase herumläuft und auf die Frage einer Stimme im Off, was denn die Gesänge der Elben bedeuten, etwas ungehalten reagiert? Von wegen, die Trauer ist noch zu nahe. Legolas hatte andere Gründe, so zu antworten.

Ist euch aufgefallen, wie eilig es Aragorn hatte, als ihm Boromir sein Herz ausschütten wollte? Da sitzt dieser Mann, Sohn Gondors, und legt sein ganzes Inneres vor Aragorn bloß. Anstatt sich ausführlich um Boromir zu kümmern, sitzt Aragorn da, als ob er nervös auf eine Uhr schauen würde (falls er eine hätte) und über seinem Kopf ist deutlich (schaut genau hin, wenn ihr den Film das nächste Mal seht!) eine Denkblase zu erkennen, die besagt: "Mach schnell, Alter, ich muss weg!" Doch wohin muss unser attraktiver Exilkönig?

Eine weitere Frage, die das Buch (!) aufwirft, ist folgende: Legolas seilt sich von den Gefährten ab, so lange sie in Lothlorien sind. Kein Wort wird mehr darüber verloren, was genau er so getrieben hat, und warum.Und mit wem. Als ob uns das nicht brennend interessieren würde!!!

Und ein letztes... als Frodo im Film in Galadriels Spiegel sieht, sieht er als erstes... Legolas! Vollkommen unmotiviert, denn Legolas hat mit der ganzen weiteren Sequenz (Verwüstung und Versklavung des Auenlandes im Falle des Scheiterns) rein GAR nichts zu tun. Warum also taucht er im Spiegel auf?

Lest das nächste Kapitel von "Respekt, wem Respekt gebührt", und wisst es. Und reviewt gefälligst, ich weiß, ihr lest es!

Und noch was... nie wieder werdet ihr alle Szenen rund um Lorien ohne Grinsen sehen können. ;-) Ach, ich freu mich schon auf die Extended Version, was mir da noch alles auffallen wird.... oh oh!!

Have fun, fellows, the journey goes on!

Haldir the God of Arrogance and Aragorn, Son of Arathorn, Estel, King Elessar, Telconthar, Strider... and so on, and so on. (Ein Mann, der so viele Namen braucht, IST einfach suspekt!)




"Aber zum Glück habt ihr einen Zwerg bei euch! Ich habe die Ohren eines Luchses und die Augen eines Habichts.... OH!"

Gimlis Worte erstarben, er sah direkt in die Spitze eines Pfeiles, der genau auf ihn gerichtet war. Auch die anderen sieben Gefährten waren von gespannten Bögen umzingelt. Legolas zielte in Gegenwehr, doch wohin - es waren zu viele. Grau gekleidete Männer. Genauer gesagt - Elben.

Einer trat hervor, die anderen behielten ihre Abwehrposition, die Pfeile auf die Eindringlinge gerichtet.

"Der Zwerg atmet so laut, wir hätten ihn im Dunkeln erschießen können!" erklang die äußerst ironische und gefährlich leise Stimme des Elben. Ein spöttischer Blick auf die Runde der verängstigten Hobbits, des verdutzt drinblickenden Menschen mit dem seltsam sperrigen Schild, ein noch spöttischerer Blick auf den Elben, der seinen Bogen sinken ließ und ein verachtender Blick auf den Zwerg, aus dessen Augen Feuer schlug. Und ein sehr herablassender Blick, kombiniert mit einem leichten arroganten Lächeln, auf den Mann, der unmittelbar vor ihm stand und seinerseits den Blick senkte.

Aragorn spürte, wie ihm heiß wurde.
Nicht schon wieder.
Nicht schon wieder Haldir ausgeliefert sein.
Nicht schon wieder verlieren gegen diesen Elben, der ihn bereits ein Mal reichlich gedemütigt hatte.
Nicht schon wieder.

Besser, sich gleich so zu zeigen, wie der Wächter Loriens es wünschte. Nur kein Aufsehen erregen, das konnte das gesamte Projekt zum Scheitern bringen. In dem Falle konnte er nicht riskieren, Haldir genau das zu sagen, was er gerne gesagt hätte...oder zu tun, was er gerne getan hätte...  in dem Falle, Frodo zu Liebe, und dem Auftrag... sollte ich dich mit meinem Schwert oder mit meinem Leben schützen können, so werde ich es tun, hallte es in seinem Inneren wider, und, so ergänzte Aragorn in Gedanken, wenn's sein muss, so werde ich vor diesem Elben auf die Knie gehen, denn das will er ja. Haldir ist mit Vorsicht zu genießen, und er ist nicht allein. Er ist ja nie allein. Damals hatte er auch seine halbe Familie dabei. Irgendwann bekomme ich dich alleine zu fassen, und dann...

Aragorn wischte den Gedanken weg, als er mit erhobenen Händen auf Haldir zuging. Er senkte seinen Kopf und sprach Haldir an: "Haldir von Lorien, wir ersuchen um deine Hilfe!"

Boromir warf Legolas einen fragenden Blick zu, den dieser mit Schulterzucken beantwortete, zudem sah man dem Elben aus Düsterwald die Verwirrung auf die Stirn geschrieben.

Haldirs Augenbrauen bogen sich in amüsierter Blasiertheit nach oben, als er Aragorns Beschwichtigungsversuche zur Kenntnis nahm. Gimlis Vorschlag, zurückzugehen, kommentierte er mit einem kühlen "Ihr habt das Reich der Herrin des Waldes betreten. Ihr könnt nicht zurück! Kommt... sie wartet...!"

Die Gefährten wollten sich in Bewegung setzen, doch Haldir stoppte sie mit einer einzigen Handbewegung.

"Halt. Der Zwerg geht mit verbundenen Augen!" befahl er.

"Aber -" Aragorns Einwurf wurde bereits im Keim von Haldir erstickt. Ein Blick genügte. Aragorn senkte erneut seinen Kopf.

"Nichts aber. Er geht mit verbundenen Augen oder er geht gar nicht. Oder gar keiner geht hier. Niemals zuvor betrat ein - Zwerg - den Goldenen Wald. Er auch nicht. Es ist ein Zugeständnis - Augenbinde, oder kein Zutritt."

"Einem Zwerg werden die Augen nicht verbunden!" grollte Gimli gefährlich und fasste nach seiner Axt. Sofort waren alle Bögen wieder auf die Gefährten gerichtet.

"Die Seuche über die Sturköpfigkeit der Zwerge!" rief Legolas empört.

"Wag es nicht!" Haldirs Stimme war gefährlich und leise, als er Gimli ansah. Aragorn wandte sich an Gimli und sprach beruhigend auf ihn ein. Dann richtete er erneut das Wort an den Wächter Loriens.

"Wir alle werden mit verbundenen Augen gehen, Haldir von Lorien."

"Waaaas?" Legolas riss seine Augen weit auf. "Ich habe mich jahrhundertelang danach gesehnt, die Wunder des Goldwaldes zu sehen, und jetzt soll ICH, ein Elb, Verwandter dieser Elben hier, mir die Augen verbinden lassen? Aragorn, bist du des Wahnsinns? Ich lasse mir auf keinen Fall die Augen verbinden, auf GAR keinen Fall, und schon gar nicht wegen dieses Zwerges!"

Aragorn fühlte seinen eh schon dünnen Geduldsfaden reißen.

"Jetzt können wir alle rufen: Die Seuche über die Sturköpfigkeit der Elben!" rief er entnervt aus, um sich erneut an Haldir zu wenden.

"Verbinde uns die Augen, Haldir. Allen."

"Zu gerne, Aragorn!" schnurrte der lorische Elb in Aragorns Ohr. "Wenn du da drauf stehst... ich bin gerne bereit, dieses Spiel noch zu... erweitern......."

Aragorn schloss seine Augen und ließ das Unvermeidliche über sich ergehen.

Gimli platzte fast vor Zorn, als ihm einer der Männer Haldirs die Augen verband. Legolas wurden von Rûmil die Augen verbunden, wobei Haldirs Bruder seine Hände zärtlich über Legolas' Gesicht gleiten ließ. Der Sohn Thranduils seufzte entmutigt und enttäuscht. "Ich werde dir die Wunder des Goldwaldes zeigen, Bruder..." flüsterte Rûmil in Legolas' Ohr und nahm ihn dann bei der Hand. "Komm jetzt... sie gehen... ich führe dich."

Legolas starrte in das Wasser.

Er konnte nicht glauben, was er sah.

Aragorn und Haldir! In unglaublicher Art und Weise. Aragorn auf Knieen, Haldirs arrogantes Lachen... Aragorn war erregt, es gefiel ihm, Legolas wurde Zeuge, wie Aragorn seine Lust bewies... es musste eine Täuschung sein, ganz klar, das konnte nur eine Täuschung sein, eine Versuchung des Ringes, ein Trugbild, eine Gaukelei seiner überspannten Phantasie!

"Na, Sohn Thranduils, siehst du in den Spiegel?"

Legolas schreckte auf, sah direkt in die blauen Augen der Herrin des Goldwaldes.

"Es... es tut mir leid..." stammelte er.

Galadriels Blick wurde ernst.

"Es braucht dir nicht leid zu tun. Du bist ein Sehender, Sohn Thranduils... einer, der mehr sieht als viele anderen... sogar als viele unseres Volkes... manchmal ist es besser, nicht zu sehen, nicht wahr?"

"Zeigt der Spiegel, was ist?" fragte der Bogenschütze leise und ließ die silberne Kanne sinken.

"Er zeigt, was war, was ist, und was vielleicht sein kann... niemals aber zeigt er deine Ängste, falls du dies denkst. Er zeigt, was ist. Was hast du gesehen?"

Legolas' Augen füllten sich mit Tränen. Er konnte schwer in Worte fassen, was er sah. Zu sehr hatte es ihn getroffen, den Mann, dem sein Herz gehörte, so zu sehen... und zu sehr machte es Sinn, nach allem, was heute vorgefallen war. Aragorn und Haldir. Warum auch nicht. Aragorn und Arwen war ja ein weiterer Pfeil, der in seinem Herzen steckte, warum nicht auch noch Haldir. Arwen konnte er verkraften, es war Pflicht Aragorns, sich zu vermählen und einen Erben zu zeugen. Dennoch dachte Legolas, dass Aragorns Herz ihm gehörte... nach all diesen Jahren, nach all dieser Zeit... und nun Haldir.

"Ich habe Aragorn und Haldir gesehen", murmelte Legolas und eine Träne löste sich aus seinem Auge, kräuselte die Oberfläche des Wasserspiegels.

Galadriels Arm berührte den seinen.

"Ich weiß darum", sagte sie leise. "Die Galadhrim wissen, dass ihr Tun vor mir nicht verborgen ist. Und es ist die Entscheidung Haldirs und Aragorns, wenngleich Aragorn nicht freiwillig zustimmte, was geschah... doch er tat es... und hätte es nicht tun müssen... Legolas, mein Kind, sorge dich nicht... finde hier in Lothlorien deinen Frieden... hänge dein Herz nicht an einen Sterblichen... ruhe nun... und vergiss, was du gesehen hast... vergiss ihn... nicht als Freund, aber vergiss ihn als das, was er dir einst bedeutete... die Zeit hier wird deine Wunde heilen. Nun geh." Galadriel lächelte ihn noch einmal an, dann verließ sie ihn.

Legolas hörte in der Stille des Waldes auf einmal Gesang.

Die Silbervase, mit der er neues Wasser in den Spiegel gegossen hatte, in seiner Hand, hörte er auf die Klänge.

"Was ist das?" unterbrach Pippin die heilige Stimmung.

Legolas bemühte sich um Beherrschung, bemühte sich, seine Seele nicht in die Klagegesänge miteinstimmen zu lassen, nicht um Aragorn zu trauern.

"Ein Klagelied für Gandalf", antwortete er knapp.

"Was singen sie?" insistierte Pippin.

Legolas schüttelte den Kopf. "Meine Trauer ist noch zu nahe, mein Herz vermag es nicht zu übersetzen", wehrte er den Hobbit ab, stellte den silbernen Behälter ab und ging in den Wald herein. Er hoffte, dass ihm niemand folgte.

Es war ihm auch niemand gefolgt, sondern jemand hatte schon auf ihn gewartet.

Starke Arme umfingen ihn von hinten, ein sanfter Kuss wurde in seinen Nacken gepresst und warmer Atem streichelte ihn.

"Nun zeige ich dir die Wunder des Goldenen Waldes", flüsterte eine Elbenstimme in sein Ohr und Legolas schloss seine Augen und gab dem Impuls nach, sich in die Umarmung fallen zu lassen. Vielleicht hatte Galadriel Recht... und Lothlorien würde seine Wunde heilen.


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