Titel: Dunkelheit (1/?)
Autor: Brilas

Anmerkung: Die kursive Schrift soll Gedanken darstellen, die ein Wesen hat. Vornehmlich wird es Legolas sein, dessen Gedanken hier niedergeschrieben werden, doch auch ein paar andere Leute werden über "dies und das" nachsinnen. Es wird vielleicht nicht sofort mit den ersten Worten ersichtlich, wer denn nun plötzlich denkt, aber man kriegt es schnell mit. Diese Art zu schreiben ist einfach mal etwas anders, als wir - die beiden Autoren, die sich hinter dem Nick "Brilas" verbergen - es bisher gewohnt sind. Wir bitten daher um Nachsicht, wenn es an der einen oder anderen Stelle vielleicht etwas verworren scheint. Dies war dann nicht beabsichtigt. :-)



Dunkelheit

Ruhe, zwei verkrampfte Atemstöße Ruhe. Grauschwarzer, kalter Stein vermag ich noch einen Augenblick wahrzunehmen, bevor eine salzige, dreckige Masse meine Augen für eine lange Zeit in die Schwärze zurück drängt. Vielleicht ein dritter Atemschlag Stille? Doch diese wird mit einem jähen Gebrüll zerrissen und ich erahne nur noch die Folgen auf meinem zerschundenen Leib. Schon lange spüre ich die Schläge der Orkpeitschen nicht mehr, weiß nicht um die Zeit noch den Ort, an dem ich mich befinde. Ich? Was bin ich? Wer bin ich? Es fällt mir schwer mich zu erinnern, während ich mich gegen das Joch stemme und versuche, den Karren mit Gestein tiefer in die Minenschächte zu zerren. Kriechend ziehe ich auf allen Vieren die schwere Fracht voran. Ein stinkender Ork zerrt am anderen Ende des Stollens an meiner Halskette, um mich anzutreiben. Panik bemächtigt sich meiner, überall Fels und Stein, Dunkelheit, Kälte! Ich möchte entfliehen, doch immer tiefer treibt mich die Kette in den engen Gang. Verzweifelt trete ich rückwärts, doch der Karren lässt mich nicht gewähren und mein Halsring zieht sich zusammen und nimmt mir die letzte Luft zum Atmen.

„Dreckiger Elb“ höre ich die erboste Stimme des keifenden Orks und ich entschließe mich - wie jedes Mal - zur Flucht nach vorn.

Pfeifend ringe ich nach Luft, meine Lungen scheinen zu bersten und es ist mir gleich. Ich möchte sterben wie so oft. Doch ich sterbe nicht, so sehr es mein verbliebener Verstand erfleht - ich starb nie. „Elb“ zieht es durch meinen Kopf. Sie nennen mich oft so, doch ich weiß nicht um dessen Bedeutung. Einsamkeit und Schmerz ist das einzige, was meine Gedanken mir vermitteln.

Licht! Düsteres, graues Licht, aber keine Schwärze. Ich atme erleichtert aus. Nicht einmal die Tritte und Schläge des ungehaltenen Wärters vermögen meine Erleichterung zu trüben.

Stillstand, das Joch wird von meinem geschundenen Balg genommen und man zerrt mich in eine kleine Steinvertiefung. Den Kopf nach vorn gestreckt, schließt sich der Eisenring zwischen Hals und Fels. Dies ist die Zeit des Wahnsinns, der Ohnmacht, und ich sehne ein Ende herbei. Schritte… ich kann nicht aufsehen, der Eisenring hindert mich, den Kopf zu heben. So bleibe ich nackt, verdreckt und keuchend auf dem Fels liegen. Grobe Hände zerren meinen Kiefer auseinander und flößen mir den immer gleichen stinkenden Brei in die Kehle. Sie stopfen mich, denn ich werde nichts freiwillig zu mir nehmen - nie wieder! Danach ereignet sich stets das gleiche Grauen, scharfe Klauen machen sich an meiner Männlichkeit zu schaffen. Ich spüre Reißzähne, die gefährlich nah an ihm vorbeischrammen und raue Zungen, die das geschundene Fleisch belecken. Ekel befällt meinen Leib und die eben herunter gewürgte Masse entlädt sich aus mir heraus. Wieder stopft man mir neue Masse in den Schlund und ich gewinne Zeit. Zeit um das Unausweichliche hinauszuzögern, um nichts mehr wahrnehmen zu müssen. Warum schwindet mein Geist nicht, warum schenkt mir nichts die ersehnte Dunkelheit - keine Ohnmacht, die mich je erlöst. Meine Sinne schreien bei dem Gedanken daran, wie sie mich herumzerren ohne Rücksicht auf den Eisenring, der meine Kehle am Boden hält. Wie sie mich demütigen und schänden. Erneute Panik steigt in mir auf und ich erwarte mit geschlossenen Augen ihr Treiben.

Doch anderer Tumult abseits von mir lässt die dunklen Gänge zu unbekanntem Leben erwachen. Waffen schlagen aufeinander, Schreie der Orks hallen wider und ich versuche, meine Augen zu öffnen. Salz und Dreck brennt in meinen schwachen Augen, doch ich vermag dieser Qual standzuhalten. Meine Augen sind getrübt, ich kann nicht weiter als zwei Hände weit sehen, doch nehme ich einen Fackelschein wahr. Es schmerzt in meinen Augen und eh ich sie schließen kann, nehme ich eine verschwommene Silhouette wahr. Ein Mann oder Krieger kniet vor mir, seine grauen Augen spiegeln Entsetzen wider und er ruft verzweifelt „Legolas!“ Seine Hände greifen nach mir, ich versuche zu entkommen, doch der eiserne Ring und meine verfluchte Schwäche gebieten mir Einhalt. Was für eine Teufelei muss ich noch ertragen, bevor ich Frieden finde!?


Der Hauptmann aus Gondor erwehrt sich mit einer Schar Soldaten der angreifenden Orks. Sie müssen den Rückweg für Aragorn gewährleisten, koste es, was es wolle. Die tobende Meute der Dunkelheit scheint nicht kleiner werden zu wollen, für jeden erschlagenen Ork scheinen zwei neue hinzuzukommen. Doch die tapferen Krieger bleiben standhaft und nutzen ihren Vorteil: sie kämpfen nicht wild ohne nachzudenken wie die Orks, sondern schwingen ihre Schwerter wohlbedacht. Blitzschnell erkennen die Menschen die gegen sie ausführenden Schläge bereits im Ansatz. Aragorn überließ es seinem Statthalter, die besten Männer für diesen Feldzug auszuwählen, und nun zeigt sich, dass Boromir seine Mannen genau kennt. Der Ausgang des Vorhabens steht und fällt mit ihnen, den kampferprobten gondorianischen Kriegern. Und sie geben nicht auf. Sie lassen sich nicht in die Enge treiben und reiben die Orkhorden weiter und weiter auf. Doch irgendwann muss die Kraft nachlassen, und Boromir schaut so oft er kann in die Tiefen der Höhle, in welche sein König entschwunden war.

"Aragorn!" Der Schrei dringt durch die felsige Tiefe und hallt an den Wänden wider. Der Statthalter weiß um die nun immer stärker schwindende Kraft seiner Männer, und er will sie nicht in den letzten Augenblicken vor der Rettung Prinz Legolas´ verlieren.

"Aragorn, wo steckst Du!?!"

Die Orks scheinen sich ihrer Sache sicherer zu werden, vermuten sie in dem Schreien des Menschen auflodernde Angst.

"Macht uns den Weg frei! Schnell!" Die Stimme des Königs dringt durch die stickige Luft und die Orks wenden sich ihr augenblicklich zu. Das ist ein Fehler, denn diesen Moment, da sie sich ablenken lassen, nutzen die Menschen, um so vielen Orks wie möglich das Leben auszuhauchen.

Boromir stellt sich schützend zwischen die wilde Horde und den König, der den geschwächten Legolas mit sich schleppt, und schließlich findet sich Aragorn inmitten eines schützenden Kreises aus den Leibern seiner Soldaten wieder. Langsam erkämpfen sie sich so den Weg nach draußen, und nach schier endloser Zeit haben sie es endlich geschafft. Sie haben den Ausgang erreicht und laufen zu ihren Pferden, welche in einiger Entfernung im Schutze dichten Gebüsches warten. Die Orks folgen ihnen nicht, denn unter ihnen ist niemand, dem das helle Licht des Tages keine Schmerzen bereitet.

So ist den Menschen die Möglichkeit gegeben, sich bei den Pferden ersteinmal von der Tortur zu erholen, bevor sie den Rückweg nach Minas Tirith einschlagen werden.

Die Männer sind mit ihrer Kraft fast am Ende und daher beschließt der Trupp, hier in dem dichten Buschwerk eine längere Rast einzulegen. Auch kommt dies dem verstörten Elbenprinzen zugute, um den sich Aragorn nun kümmern kann. Er durchsucht seine Satteltaschen und nach kurzer Zeit hält er eine Handvoll gemahlener Kräuter in der Hand, die er in etwas Wasser verrührt und dem Elben zu trinken gibt.

Boromir hat sich zu seinem König gesellt und betrachtet nun zum ersten Mal das Wesen, das dem Elb, wie er ihn kennt, nur noch entfernt gleicht. Freude und zugleich Entsetzen ist in Boromirs Blick zu erkennen. "Er lebt! Das ist eine gute Nachricht. Jedoch, was haben die ihm angetan? Und warum?" Diese Worte vermag Boromir lediglich zu flüstern, denn er möchte vermeiden, Legolas, seinen ehemaligen Kampfgefährten, der vor Mut und Gewandheit strotzte, unnötig zu erschrecken. "Ich weiß es nicht, Boromir... Ich weiß es nicht...", antwortet Aragorn in derselben gemäßigten Lautstärke. "Wir rasten noch eine Weile, aber wenn die Abenddämmerung kommt, müssen wir hier verschwunden sein. Und dann können wir endlich den Rückweg nach Düsterwald antreten."

Ja - endlich. Denn die Männer sind seit langer Zeit fern der Heimat. Zwar glaubte inzwischen keiner der Männer mehr daran, den Elben noch lebendig vorzufinden, doch für Boromir und vor allem für Aragorn war es selbstverständlich, solange nicht zurückzukehren, bis sie ihren alten Freund gefunden hätten - tot oder lebendig. Dass sie ihn lebendig gefunden haben - obwohl nicht mehr sehr viel Leben vorhanden war -, grenzt fast an ein Wunder, und nun werden sie versuchen, Legolas von seinen Wunden zu heilen. Für Aragorn steht fest, dass er so lange bei seinem elbischen Freund weilen wird, bis dieser wieder vollends genesen ist.

Die Dämmerung naht und es ist an der Zeit, sich von diesem unheilvollen Ort zu entfernen. Aragorn kennt diesen Ort noch vom Ringkriege her, jedoch Boromir hatte dieses Gebiet zuvor noch nie betreten.
Aragorn denkt an die karge, vom Wasser überschwemmte Landschaft, wie er sie einst vorgefunden hatte, als sie damals auf der Suche nach Merry und Pippin waren und sie hier in Isengart wiederfanden. Boromir war zu der Zeit lange totgeglaubt, doch hätten die Gefährten geahnt, dass Boromir lediglich in einen todesähnlichen Schlaf gefallen war, hätte dies den Lauf der Dinge verändert - ob zum Schlechten oder zum Guten, sei dahingestellt. Boromir jedoch sollte erst nach dem Ringkrieg nach Minas Tirith heimkehren. Er wurde südlich von Gondor von einer Handvoll fahrenden Volkes, welches auf der Flucht war, aufgenommen, nachdem er in dem Boot, in das man ihn bettete, erwacht war. Die Fremden hatten das Wassergefährt mit dem darin kauernden Krieger eines frühen Morgens entdeckt, als es gefährlich nah am Ufer vorbeifuhr. Sie nahmen sich seiner an, der lange Zeit nicht mehr wusste, wer er war, und pflegten ihn gesund. Erst nach und nach kehrte sein Gedächtnis zurück.

Und als er schließlich den Rückweg nach Minas Tirith antrat, geschah dies zu der Zeit, da der große Krieg gerade vorüber war. Überall jubelten die gebeutelten Menschen und machten Freudenfeuer und feierten Feste. Und so bekam Gondors Hauptmann schnelle Kunde über die jüngsten Geschehnisse, auch über den ruhmlosen Tod seines Vaters, obwohl diese Nachricht ihn in gefälschter Form erreichte. Viele verschiedene Geschichten über den Tod des Truchsessen von Gondor hörte er auf seinem Weg. Und die wahren Geschehnisse wurden ihm schließlich in Minas Tirith berichtet, von seinem Bruder. Dieser glaubte einen Geist zu sehen, als Boromir plötzlich durch das Haupttor ging und vor ihm stand. Alles umstehende Volk starrte den Totgeglaubten an und einige alte Frauen fielen in Ohnmacht, doch die Wiedersehensfreude war unermesslich groß und die Brüder fielen sich wortlos in die Arme und die Soldaten stimmten ein in lauten Jubel. Die Hochzeitsfeierlichkeiten von Aragorn und Arwen waren gerade ein paar Tage vorüber und die alltäglichen Geschäftigkeiten hatten wieder Einzug gehalten, doch dieses unerwartete Geschehen war Grund genug für ein großes Freudenfest, welches jedoch sein abruptes Ende fand, als König Aragorn beunruhigende Kunde aus dem Düsterwald über das unerklärliche Verschwinden des elbischen Prinzen Legolas und der Bitte um Hilfe bekam. Noch am selben Abend wude ein Trupp zusammengestellt, und auch Boromir ließ sich nicht davon abbringen, sich dem König anzuschließen. Faramir wurde zum zweiten Statthalter ernannt und ihm wurden nun für die Zeit, da der König abwesend sein würde, die königlichen Geschäfte aufgetragen. Der Trupp kampferprobter Soldaten brach alsbald auf und machte sich auf die Suche - eine lange Suche, wie sie jedoch zu der Zeit noch nicht wissen konnten.

Seither sind nun ungefähr zwei Jahre vergangen. Zwei Jahre der Suche, der wachsenden Hoffnungslosigkeit, des eisernen Willens, nicht ohne den Prinzen den Rückweg anzutreten.

Schmerzen, stechende Schmerzen bemächtigen sich meiner, denn das grellste Licht seitdem ich denken kann durchbricht den Schleier, der meinen Augen auferlegt wurde.

Vorsichtig versuche ich zu atmen, doch bei jedem neuen zögerlichen Beben, kostbare Luft in meine Lungen zu saugen, bringt mich die Leichtigkeit und scharfe Frische zur Raserei.

Nun liege ich hier im Nirgendwo, um mich herum herrscht seltsames Chaos und Geräusche, die ich nicht zu begreifen vermag. Ist das das Ende, darf ich jetzt endlich Frieden finden und sterben? Ist dies das Licht, von dem die Weisen erzählten? - Welche Weisen, wie komme ich darauf? - Worte, die mir nichts bedeuten, nichts zu sagen scheinen, und doch tun sie mir gut in dieser schmerzlichen Stunde. Schon wieder höre ich die Stimme, die ich heute zum ersten Mal vernommen habe. Die Stimme des Kriegers, die den Alltag so jäh unterbrach und mich schaudern lies. Ich wage nicht zu atmen und ein Schauer durchflutet meinen Leib. Sein Schwert ging auf mich nieder und ich hatte Hoffnung, dass er diesem Leben ein Ende setzen würde, doch dieser Wunsch erfüllte sich nicht. Krachend ging des Schwertes Schneide zu Boden und zerschlug die Ketten in naher Entfernung meiner eisernen Fesseln. Hatte er keinen Schlüssel, war sein Unmut so groß das er mich sofort wollte? Es war vergeblich, ihm zu entkommen, er packte meinen Leib und hielt mich mit festem Griff wie eine Puppe in seiner Gewalt und zerrte mich die Gänge entlang. Meine letzten Reserven waren aufgebraucht. Verdammt, wieso war mein Fleisch so schwach! Der Fremde wollte mich nicht teilen und barg meinen Körper in einem Stück Stoff, so dass die Orks böse aufheulten. Nur so kann ich es mir erklären, warum er den Stoff mit meinem dreckigen Körper verschmutzte. Er verband mir die Augen und schleppte mich keuchend weiter.

Ich habe wirklich alles versucht um ihm zu entkommen, Herr!

Ich muß hier weg, der Herr will mich prüfen, er will sehen, ob ich mich von anderen Kreaturen beieinflussen und benutzen lasse.

Herr, bitte glaube mir, ich werde alles tun um zu dir zurück zukehren! Die Orks und Ihr seid meine Herren, ich habs nicht vergessen...ich komme zurück!

Panik, pure Panik - das ist es, was sich meiner bemächtigt. Vor langer Zeit habe ich es gewagt, den Herrn herauszufordern und wollte ihm entkommen. Er ließ mir zur Strafe einen magischen Halsring aus Mithril schmieden und dieser wurde mir auf den Hals gebrannt. Heißes Metall umschloss meine Kehle und von diesem Tage an sollte mein Wille gebrochen werden, je zu entkommen. Ja, ich erinnere mich - es ist das Band des Herrn und sollte ich es je wieder wagen, aus seiner Umgebung herauszuschleichen würde, es mir unsagbare Qualen bereiten. Ich habe sie erlebt, oh ja, das habe ich, und nicht nur einmal: sie lassen meinen Geist vom Körper fliehen und doch auch nicht, denn es verhindert, dass mich Ohnmacht empfangen kann, keine süße Dunkelheit heraus aus dem Schmerz, der sich langsam meiner bemächtigte. Nein, nur eines verschaffte mir Linderung: wenn ich zurück zum meinem Herrn kroch, dann ließ der Schmerz nach.

Doch Herr, du scheinst mir so weit, mein Herz beginnt wild, sich gegen die Rippen zu stemmen und ich werde dir gehorchen! Ich werde zu dir gehen - jetzt!

Mühsam stemme ich mich auf die Arme, auch wenn meine Wunden mir Einhalt gebieten sollten, doch der Versuch, mich zu erheben wird jäh unterbrochen, denn ich werde zurück auf meine Lagerstatt gedrängt.

Ich kenne diese Stimme - es ist der fremde Krieger, doch ich werde mich nicht einschüchtern lassen! Mein Kopf wird empor gehoben, als eine kräftige Hand unter meine Haarsträhnen greift und mein Haupt nach oben befördert. Etwas Kaltes benetzt meine Lippen und es schneidet wie Eis in die wunden Risse der trocknen Haut. Wieder höre ich die Stimme und so dann rinnt eine kalte Flüssigkeit in meinen Schlund, immer nur soviel, dass es mir unmöglich ist, dies wieder von mir zu geben. Ich will das nicht, es hindert mich daran, irgendwann in die ersehnte innerliche Dunkelheit zu gleiten. Oder nur schlafen, was für ein kostbares Geschenk es wäre, zu schlafen, doch der Halsreif des Herrn verhindert dies stets. Andere Wesen wären längst gestorben, doch ich starb nicht. Warum nicht, wer war... bin ich, dass ich nicht starb?

Wieder muss ich an den Herrn denken und an seine gnadenlose Strafe, die mich bald empfangen wird, wenn ich nicht zu ihm zurückkehre.

Ich muss versuchen hier weg zu kommen... Ich muss...


Der geschundene Körper des Elben liegt da in eine Decke gehüllt neben dem kniedenen Aragorn. Auch trägt Legolas eine Augenbinde, die ihm der König noch in der Höhle angelegt hat, damit ihn das grelle Tageslicht nicht schmerzen würde. Vorsichtig drückt er den sich immer wieder schwach aufbäumenden elbischen Körper auf den weichen Waldboden zurück. Es muss schlimm für ihn sein, denkt Aragorn, nicht zu wissen, was gerade mit ihm geschieht. Langsam hebt er einen Teil der Decke, um zu schauen, ob Wunden zu versorgen sind. Und als die Blicke des Königs und seines Statthalters auf den nackten Körper fallen, durchfährt beide ein kalter Schauer. Sie sehen kleine Narben, verkrustete Wunden und kein Stück helle Haut durchdringt den Schmutz der Zeit, der sich auf den gequälten Leib des Elben gesetzt hat. Die Lippen sind aufgesprungen, die Wangen eingefallen. Der elbische Glanz ist verloren gegangen. Nichts erinnert daran, welch edles Wesen sich unter den vielen kleinen Schürfwunden befindet.

Mit großer Vorsicht will Aragorn versuchen, den Körper seines alten Freundes und Gefährten nach inneren Verletzungen abzutasten, doch schon bei der leisesten Berührung zuckt Legolas zusammen und zittert überall.

Auch antowortet er nicht auf Aragorns flüsternden Aufforderungen, mit ihm zu sprechen.

"Boromir, ich brauch Deine Hilfe. Nun kommt langsam die Abenddämmerung herauf und ich möchte ihm die Augenbinde abnehmen, dass er wenigstens sehen kann, wo er ist und wer wir sind. Bitte halte ihn an den Schultern fest, aber vorsichtig. Womöglich sind seine Knochen in Mitleidenschaft gezogen und wir müssen versuchen, ihm so wenig Schmerz wie möglich zuzufügen."

Augenblicklich hockt sich Boromir neben das elbische Haupt und lässt seine Handflächen knapp über den Schultern schweben. Und während Aragorn beruhigend auf Legolas einredet, nimmt er ihm behutsam das Tuch von den Augen. - Ein kurzes Blinzeln, und die Augen öffnen sich langsam. Doch Aragorn sieht in ihnen nur leere Augäpfel, die einen gebrochenen Blick gen Himmel schicken. Und im nächsten Moment folgt ein erneuter Versuch des Elben, sich aufzurichten, doch scheitert dies an Boromirs Händen, welche die Bewegung im Nu unterbinden.

"Bleib ruhig, Legolas. Wir wollen Dir nichts tun. Du bist unter Freunden! Ich bin es, Boromir! Und hier ist auch Aragorn... Elessar..."

Aragorn greift nach Boromirs Arm, um ihm damit anzudeuten, vorerst innezuhalten. "Lass, es hat keinen Sinn. So, wie es aussieht, ist sein Geist völlig verdunkelt. Ich schätze, er hat sehr lange Zeit in den Höhlen zugebracht, und dass er gefoltert wurde, ist offensichtlich. Wenn ein Elb in einer solchen Dunkelheit sein Dasein fristen muss, nimmt sein Geist zwangsläufig großen Schaden. Und diesen Geist wieder aufzurichten ist eine Aufgabe, zu welcher unsere Mittel nicht ausreichen werden. Wir müssen ihn nun schnell in seine Heimat bringen, dort wird man hoffentlich wissen, was zu tun ist."

"Ja, Du hast recht. Ich werde ihn mit mir auf mein Pferd nehmen und dann nichts wie weg hier."

Niemand bemerkte während der Momente des Aufbruchs, dass ein Schwall von Schemrzen den Elben heimsuchte. Er war im Begriff, sich weiter von seinem Gefängnis zu entfernen und die strafende Qual des Halsbandes begann seine Arbeit. Von leichten Krämpfen durchflutet zuckte der elbische Körper zusammen. Boromir bemerkte dies bald, doch konnte er darauf nun noch keine Rücksicht nehmen. Noch immer befanden sie sich im Gebiet Isengart. Erst wenn sie in sicherer Entfernung waren, konnten sie es wieder wagen, eine Pause einzulegen.

Aragorn tat das einzig richtige, als er seiner Gefolgschaft andeutete, in den Fangornwald zu reiten. Dieses Gebiet, so folgerte er, würden die Orks meiden wie das Wasser.

Alsbald erreichten sie den alten Wald und von überall her traten schnarrende und dröhnende Geräusche an die Ohren der Krieger. Boromir war es unheimlich, wusste er doch nichts über diesen Wald. Und bald mischte sich ein wimmerndes Stöhnen in die Stimmen des Waldes. "Aragorn! Aragorn! Wann können wir rasten? Wir müssen nach Legolas schauen! Er scheint zu sich zu kommen!"



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