Titel: Dunkelheit (3/?)
Autor: Brilas


Die schmerzende Zorneswelle ebbt langsam ab und das kühlende Nass um mich herum schenkt mir einen kostbaren Atemzug der Ruhe. Sanft streichelt es über meine Haut und schenkt mir Geborgenheit. Und ich möchte das Wissen verdrängen, darüber, das dies nur ein flüchtiger Hauch längst verlorener Hoffnung ist.

Warm fühlt sich die Hand an, die vergebens versucht, meinen Haarschopf zu reinigen und zu entwirren. Nur kurze Momente seiner Berührung auf meiner Stirn lassen eine Sehnsucht in mir aufkeimen, die mein Herz krampfhaft zusammenschnürt. Berührungen, die nicht aus Schmach oder Pein bestehen - war dies möglich in dieser, meiner Welt? Mein Herr, ja, ich weiß, dass mich der Fremde verbotenerweise berührt und ich weiß, ich sollte mich dagegen wehren, doch mein Herz vermag sich dem Gehorsam nicht zu beugen. Ich schaffe es nicht, mich aufzubäumen und ich bete zu wem auch immer, dass die Augen meines Herrn diesmal mit Blindheit getrübt sind. Der Krieger mag mich täuschen wollen, doch es ist mir gleich, auch wenn die Angst vor dem Schmerz fast übermächtig aufzukeimen beginnt.

Langsam habe ich die Kraft, meinen Kopf zu erheben und sehe an meinen Körper herunter, soweit ich es im Sitzen vermag. Meine Haut erscheint mir fremd, denn sie ist heller als dunkler Stein und solange ich mich entsinnen kann, habe ich die Farbe der schwarzen Erde auf meinem Fleisch. Nun ist sie bleich und mit vielen Malen meines Herrn bestückt. Rote Narben, Striemen und kleine, aber tiefe Wunden haben sich in mir festgebissen und blaugelber, fleckiger Schimmer durchdringt so manche bleiche Stelle. Über meiner linken Lende thront das Mal meines Herrn und schmerzliche Erinnerungen daran werden wach. Mein Herr sagte, es wäre eine Ehre für mich, sein Zeichen zu tragen, er hätte es extra anfertigen lassen. Tief brannte er sein Wappen in mein Fleisch und ich war außer mir vor Schmach und Wut. Die sengenden Schmerzen und der Geruch nach verbranntem Fleisch ließen mich ins Dunkle abgleiten, doch der Halsreif ließ mich stets sofort folgsam erwachen. Wut... ja, es musste eine Zeit gegeben haben, da ich so etwas empfand.

Mein Herr, verzeih mir diese Gedanken. Ich war ein schlechter Diener und, mein Herr, Du brachtest mich auf den rechten Weg und zeigtest mir, dass alles andere vertane Mühe war, denn mein Herr ist allmächtig, es gibt keinen machtvolleren, also werde ich Dir gehorchen mein Herr.

Eine Berührung lässt mich aufschrecken und ich schäme mich dafür, dass ich in der Gegenwart des Fremden Ruhe genossen habe. Auch wenn es nur für ein paar Momente war, denn neuer Zorn meines Herrn lässt mich aufkeuchen.

Herr, verzeiht, ich wollte mich dagegen wehren... doch ich... Herr, bitte!

Der Halsreif schnürrt mir die Kehle zu, ich muss Atem finden... Japsend versuche ich mich aufzubäumen... zu fliehen, damit mein Herr mir Gnade schenkt. Doch ich finde keinen Halt, versuche, mich der Griffe des fremden Mannes zu erwehren, gleite von seiner feuchten Haut ab.... Herr ich schaffe es nicht, bitte!!

Krampfhaft versuche ich Luft in meinen Leib zu saugen, doch nur mühsam bahnt sich der Atem seinen Weg zum Ziel, schneller, immer schneller atme ich kostbare Luft, immer enger schließt sich der Reif um meinen Hals, bis der letzte Luftzug unmöglich durch meine Kehle dringen kann, und Panik bemächtigt sich meiner. Fest hält mich der Mann fest und versucht, mich zur Ruhe zu zwingen, doch meine Brust scheint zu bersten.

Endlich lässt mein Herr mich wieder ein wenig mehr zu Atem finden und begierig sauge ich die Luft in mich auf. Schwindel umfängt mich immer noch und ich versuche krampfhaft, nicht ins Dunkel abzugleiten, denn dies würde neue Pein heraufbeschwören. Langsam finde ich wieder den Weg frei zu atmen, hustend und zitternd liege ich nun im Gras, denn der Fremde hatte ein Einsehen, dass mein Herr dieses Bad nicht duldet. Warum musste er mich auch verführen!

Völlig kraftlos und nicht im Stande, mich zu rühren, lasse ich es über mich ergehen, dass er mir eine grüne, schleimige Paste auf meine Wunden streicht und mich mit seinem viel zu großem Hemd bekleidet. Müdigkeit bemächtigt sich meiner. Jedoch ich darf nicht schlafen, bitte, ich ertrage solch Qual nicht noch einmal!

So heftig hat mich mein Herr selten seinen Zorn spüren lassen. Meine Augen brennen wie Feuer, langsam schließen sich die Lider und ich kämpfe dagegen an, doch übermächtig fordert mein Körper Tribut für seine letzten Qualen.

Dunkelheit... Ruhe... einen Augenblick... und sengende Stiche ziehen durch meinen Schädel, doch weiteres bleibt aus, denn ich werde in die Höhe gehoben. Friedvolle Stille erfüllt mein Herz und ich fühle, wie sich meine Seele vom Körper trennt. Zum wiederholten Male nehme ich eine grüne Lichtung wahr, tanzende Baumfrauenwesen und ein ruhiges Brummen umfängt mich und schließt mich wohlig ein. Wieder will mein Herr mich testen, doch ich vermag es nicht mehr, mich zu wehren. Und wenn dies nur einen Augenblick sein soll, so werde ich diesmal eintauchen in diesen Frieden, danach wirst Du, mein Herr, mich sicher weiter tadeln. Doch mein Herz sehnt sich nach Ruhe und vielleicht vergisst Du, mein Herr, Dich ganz und bringst mir den letztendlichen Frieden.

Ich versuche, die Ruhe in mich aufzunehmen soviel ich es vermag, und ich habe Angst, dieses Gefühl wieder loslassen zumüssen. Keinerlei Schmerzen fühle ich, die Müdigkeit von sehr langer Zeit, meine Schwäche - vergessen - meine Seele ist frei wie ein Blatt im Wind und ich finde die Kraft, mich umzusehen.

Grüne Wälder überfliege ich in meinen Geist; Wälder, die mich magisch anziehen. Es ist, als würde ich sie kennen, doch ich kann mich nicht erinnern, woher mein Herz diese Gefühl in sich birgt. Es ist wie ein kostbarer Schatz und ich atme den frischen Duft der Pflanzen. An einer kleinen Waldlichtung macht mein Geist halt und senkt sich behutsam auf den moosbewachsenen weichen Boden nieder. Rings um mich sitzen uralte Bäume im Kreis und schauen mich freundlich an. Auch wenn ich weiß, dass dies eine List ist, so werde ich es zulassen - denn es bedeutet einen kurzen Frieden für mich und meine geschundene Seele.

"Weißt Du, wer wir sind?" höre ich einen der Bäume sagen, doch werde ich ihnen nicht antworten, denn ich will die Geduld meines Herren nicht herausfordern. "Weißt Du, wer Du bist?" fragt erneut die Stimme des Baumwesens, doch ich vermag ihm nicht ins Antlitz zu schauen. Lange herrscht nun Stille und ein sanftes Leuchten macht sich auf dem Boden vor mir breit, denn ich wage es immer noch nicht aufzublicken und nehme mit dem Moos unter mir vorlieb. Erschrocken spüre ich, wie eine Hand mein Kinn nach oben führt und ein alter, erhabender Mann kniet vor mir. Sein Blick strahlt trauernde Liebe aus, er sagt kein Wort, doch seine Gefühle, in die er mich bettet, sind überwältigend. Lange weiße Haare umspielen sein Gesicht und kleine Fältchen liebkosen sein freundliches Lächeln. Er nimmt mich wie ein kleines Kind in seine Arme und umschließt wärmend meinen Leib. Ich fühl mich geborgen und ein leises Summen geleitet mich in einen tiefen Schlaf.

"Glador, ergreif ihn! Wir werden Dir den Rücken freihalten!" Boromirs Stimme ist voll des Sieges, denn einen Augenschlag zuvor hat er Grima mit dem Knauf seines Schwertes ins Reich der Träume geschickt. Es ist einer Einladung gleichgekommen, dass sie es bis hierher geschafft haben, doch der Rückweg dürfte kein Spaziergang werden. Die Orks haben sich zusammengerottet und hinter jedem Strauch vermutet Boromir eine Handvoll der dunklen Gestalten. Die Männer müssen nun all ihre verbliebene Kraft aufbringen, um die lebende Mauer der Orks durchbrechen zu können. Geschwindigkeit und Geschick sind nun gefragt. Boromir versucht das Gewirr zu überblicken, und der aufgeganene Mond scheint ihm hilfreich zur Seite zu stehen. Denn durch das fahle Licht kann er hier und da ein leichtes Blitzen ausmachen, welches nur von einem Schwert herrühren kann. Und der Hauptmann glaubt eine Lücke zu erkennen.

'So schnell sie auch sind, genauso dumm sind sie', denkt Boromir bei sich. Und er hofft, dass dieser Gedanke nicht bald auch für ihn Gültigkeit findet, denn völlig sicher ist er sich nicht, dass da wirklich eine Stelle sein soll, an der sich kein einziger Ork aufhält. Doch es bleibt den Männern keine Wahl. Sie müssen versuchen, dieses Fünkchen der Hoffnung als Fluchtweg zu nehmen, sonst sind sie verloren. Und sie müssen sofort handeln.

Die Orks kommen schnell näher und das Schnaufen und Knurren dröhnt unerträglich in den Ohren. Fast glaubt Boromir schon, den fauligen Atem der finsteren Wesen in seinem Nacken zu spüren und schnellt herum. Von dieser Richtung her sind die Orks inzwischen bedrohlich nahe gekommen.

Ein kurzer Blick zu Glador und Boromir erkennt, dass der ohnmächtige Grima quer vor des Kriegers Körper liegt. Das ist für ihn das Zeichen. Er zieht sein Schwert und treibt sein Pferd erneut an. "Folgt miiir!!!" Der Trupp prescht los und mit dem wilden Geschrei der Horde vermischt sich zunächst das Surren herabschlagender Schwerter, gefolgt von den klingenden Geräuschen aufeinanderprallenden Metalls. Die Orks strömen von überall herbei. Das Kampfgeschrei wird lauter, Schwerter werden wild durch die Dunkelheit geschlagen, Köpfe rollen. Und die Pferde geben alles, was sie können. Sie spüren die Gefahr und lass all ihre Kräfte los. Sie preschen über den waldigen Boden und trampeln alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellt.

Die Orks sind unerschrocken und stark, doch ohne Führung sind sie nur halb so gefährlich, denn sie überrennen sich teilweise gegenseitig und verlieren mitunter den Überblick. Hinzu kommt, dass das schnelle Handeln der Menschen viel zu schnell gewesen ist, als dass ihr lahmer Geist wirklich begreifen kann, was passiert ist. Sie haben noch nicht in Ruhe das Geschehene verarbeiten können, und somit laufen sie wie aufgescheuchte Hühner wild durcheinander. Das einzige, was sie wirklich begreifen ist, dass sie die Menschen töten müssen. Dass ihr Anführer jedoch von den Soldaten verschleppt wird, werden die wenigsten mitbekommen haben. Doch das alles trägt dazu bei, dass die Menschen es nicht so schwer haben, sich ihren Weg zu bahnen. Und Boromir hat Recht gehabt in der Annahme, dass der von ihm entdeckte Pfad nicht mit Orks übersät ist. Zwar springen einige wenige Orks hervor, doch das ist nicht der Rede wert. Auch sie werden überrannt und niedergestreckt.

Das Gebrüll der tobenden Unwesen beginnt sich zu entfernen. Sollten sie es wirklich geschafft haben, aus diesem Kessel des Bösen unbeschadet herausgekommen zu sein? Es sieht danach aus, doch sind die Männer weiterhin auf der Hut. Sie rechnen jeden Augenblick mit einer Falle. Angestrengt halten sie Ausschau nach den Büschen. Glücklicherwerise gibt es in dieser Gegend, in welcher sie sich nun befinden, keine Bäume, was den Überblick sehr erleichtert. Doch der Mond beginnt sich hinter einigen dichten Wolken zu verstecken.

Das Getrappel der Pferdehufe hat nun vollends das Geschrei der Meute hinter ihnen abgelöst. Nur noch dieses Geräusch hallt in den Ohren der Menschen wider, so wie der leichte Wind, der inzwischen aufgekommen ist.

Sie wissen nicht, wie lange sie wirklich geritten sind, ob es nun länger dauerte oder weniger lang als der Hinweg, doch sie finden sich am Rande Isengarts wieder. Anzeichen dafür sind immer dichter wachsende Bäume. Das kann nicht mehr Isengart sein, doch auch nicht der Ort, an dem sie hereingeritten kamen. Ein kurzer Blick zum Himmel und Boromir kann anhand der wenigen Sterne gerade noch erkennen, dass sie zu weit südlich herausgekommen sind. Geradewegs nach Norden wollen sie nicht reiten, denn das wäre zu gefährlich. Daher schlagen sie zunächst den Weg nach Osten ein, um dann später die korrekte Richtung einzuschlagen.

Eine zeitlang noch so gut es geht im Gallopp, lassen sie ihre Pferde nach und nach in einen schnellen Trab übergehen. Alles ist ruhig und die Männer halten weiterhin wachsam Ausschau.

Plötzlich ein Stöhnen.

"Hauptmann, der hier scheint zu sich zu kommen!" Glador erwartet seinen Befehl. Und Boromir erteilt ihn umgehend: "Wir halten für ein paar Augenblicke an und binden und knebeln ihn. Wir brauchen ihn lebend, denkt daran! Aber rasch, dass wir hier bald weiterkommen!"

Nach ein paar Handgriffen liegt ein gefesselter, doch ganz und gar nicht stillhaltender Grima wieder quer auf dem Pferd Gladors. Hätte ihm der Knebel nicht im Rachen gesteckt, so würden Verwünschungen und dergleichen böser Wortschwälle über die Männer hereinbrechen, so aber lässt es sich ertragen. Mit einem siegreichen Grinsen und hämischem Blick auf Grima gerichtet setzt Glador sein Pferd wieder in Bewegung und der Trupp kann bald den Weg nach Norden einschlagen.

Es ist bereits nach Mittag, als die Soldaten vertrautes Gebiet erreichen. Es war schwierig, den richtigen Weg beizubehalten, doch dass sie es geschafft haben, ist das Wichtige. Und schon sieht Boromir zwei seiner Krieger hinter einem Baume hervorstapfen.

"Schnell, wo ist Aragorn?" fragt Boromir sichtlich ermüdet.

"Hier bin ich! Habt Ihr es tatsächlich geschafft?!" Dann fallen seine Blicke auf Grima, dessen Strampeln inzwischen stark nachgelassen hat. "Da ist er ja, dieser Unhold!" ruft Aragorn erbost. "Legt ihn dort drüben ab. Ich werde mich um ihn kümmern. Und Ihr werdet nun erst einmal schlafen. Ihr habt es mehr als verdient."

Die Männer lassen sich von ihren erschöpften Pferden gleiten und suchen sich eine sichere Lagerstatt. Doch Boromir kann jetzt nicht schlafen, zu wichtig ist es ihm, dass Legolas von dem unheiligen Reif befreit wird.

Unter dumpfem Fluchen wird Grima von Boromir zu der von Aragorn gewünschten Stelle geschleift. Dieser kann es kaum erwarten, sich Grima vorzunehmen. Denn während Boromir und seine Männer auf der Suche nach ihm gewesen sind, ist er zu Untätigkeit verdammt gewesen. Die Ents haben ihre Versammlung noch nicht beendet und so ist Aragorn nichts übriggeblieben als sich um die Versorgung von Legolas´ Wunden zu kümmern. Und er hat ihn eingehend beobachtet. Oft ist der Elb von wilden Träumen geschüttelt worden und immer wieder aus dem Schlaf erwacht, in welchen er von Aragorn versetzt wurde. Es sollte ein Heilschlaf sein, den der König mit einem Gemisch von Kräutern herbeirief. Doch die Träume müssen so unerträglich gewesen sein, dass die geschundene elbische Seele alle Kraft daran setzte, aus diesen Träumen in die Wirklichkeit zu entfliehen.

Und die Zeit hat sich für Aragorn erstreckt bis ins Unendliche. Es gibt nichts Schlimmeres als einem verletzten Kameraden nicht helfen zu können. Nichts hasste der Dûnedan so sehr, wie zur Untätigkeit verdammt zu sein. Doch so sehr er auch gewollt hat, er vermochte seinem Freund nicht zu helfen. Das erste Mal seit lange Zeit hat er sich hilflos und überflüssig gefühlt. Und die Ents kamen auch nicht voran. Aragorn hat zwischendurch ernsthaft überlegt, seinem Statthalter mit weiteren Kriegern zu folgen, doch dann besann er sich, dass es zwecklos wäre, jetzt noch hinterherzureiten. So hat er sich also weiterhin in Geduld geübt und seinem leidenden Freund gewidmet. Er hat sich mit ihm unterhalten, wie man sich mit alten Kameraden zu unterhalten pflegt, welche man nach Jahren einmal wiedertrifft. Er hat gehofft, dass Legolas auf irgendeines seiner Worte eine Reaktion zeigt. Doch nichts dergleichen ist geschehen. Und doch hat Aragorn nicht aufgegeben. Er hat seinem Kampfgefährten alles erzählt, von Elronds Rat bis hin zur finalen Schlacht. Natürlich hat er auch die Armee der Toten nicht ausgelassen. Doch es half nichts, Legolas zeigte keinerlei Anzeichen, dass er irgend etwas mitbekam.

Nun ruht alle Hoffnung auf Grima, auch wenn es den Menschen zuwider ist, sich mit dieser Kreatur herumzuschlagen. Doch nur er kann Legolas´ Pein mildern.

Die Ents standen auf ihrer heiligen Lichtung beisammen und schauten schweigend auf das Jammerbild, welches sich vor ihren Füßen darbot. Es hätte zu lange gedauert, sich auf herkömmlicher Weise zu beratschlagen, also baten sie die Baumgeister um Hilfe. Die Huorns hatten die Macht der Gedanken in sich wohnen und diese Gabe war der einzig mögliche Weg, die Wahrheit und damit eine gerechte Entscheidung zu treffen. Diese Einsicht bekamen die Ents sehr schnell, denn es dauerte nur eine Nacht, bis sie sich an die Baumgeister wandten.

Alsbald schaffen die Huorns eine Welt der Gedanken und laden die Ents ein, mit in ihre Visionen einzutauchen.Der Wald bebt, als Ents und Huornälteste in Trance verfallen und in die vorübergehende Scheinwelt eintauchen. Wundervolle Stille umgibt ihre Geister, sanftes Licht spielt mit den Blättern längst vergangener Tage - sie treten ein in den altehrwürdigen Düsterwald. Auch wenn sie wissen, dass dies nur eine Illusion ihrer Seelen ist, so lässt es sie doch frei aufatmen und den Blick zurück richten auf die köstliche reine Welt der Waldelben. Hier wird das gequälte Wesen sich frei fühlen und ihnen berichten können, wer Feind und wer Freund sei.

Nun ist es so weit, das Wesen schließt die Augen und es musse schnell gehen, denn lange wird es ihm nicht vergönnt bleiben, in die Traumwelt einzutauchen. Sie hatten bereits gesehen und gespürt, wie eine unsichtbare Kraft, jenseits dieser Gestade, das arme Geschöpf aus dem Zustand des Schlafes riss und peinigte. Diesen Zeitpunkt müssen sie vorherahnen und schneller als diese Macht sein.

Gebannt warten sie und die Seelen tausender Bäume heben mit gewaltiger Macht den Geist des Geschändeten empor und tragen seine Seele sanft auf ihre erwobene Welt der Elben. Jenseits von Raum und Zeit halten sie nun inne und warten auf eine Regung der Seele, die sie behutsam auf weichem Moos betten. Selbst für einen Ent scheint lange Zeit zu vergehen, bis sich der leise Hauch eines Lebensfunken in den Gesichtszügen des Elben rührt. Seine Augen spiegeln erst Ablehnung und Furcht wider, doch die Wärme dieser für ihn geschaffenen Umgebung läst seine Züge weich und friedlicher werden. Es ist, als beginne er aufzuatmen, und der Wunsch nach purer Ruhe scheint aus jeder Pore seines Daseins zu strömen. Der Entälteste hält es nicht mehr aus, denn jede Faser seiner Borke spürt den Wusch und das Bedürfnis des Elben nach friedvollem Schlaf. Er fragt ihn abermals, ob er sich erinnere wer er sei, doch der anscheinende Elb ist mit keiner Silbe bereit zu reden, denn tief nagt die Angst vor seinem Herrn an ihm. Ungeduldig und voller Mitleid schaut der Ent die Huorns eindringlich und betend an und mit sanftem Blättergeraschel greifen sie zu ihrem letzten Mittel; sie lassen eine Vision von Gandalf dem Grauen entstehen. Aragorn, der Mensch, sagte, sie seien Freunde des guten alten Olorin und vielleicht erinnert sich der Elb an ihn.

Sie tauchen seine Erscheinung in sanft schimmerndes Licht und bei aller Macht, die sie in ihren Wurzeln tragen, hauchen sie ihrer Vision kurzzeitiges Leben ein. Endlich geht eine Regung durch den Geist des Elben und langsam macht sich zartes Vertrauen in seinem Antlitz breit. Sie haben genug gesehen und beschließen, ihm das Gefühl des erholsamen Schlafes zu schenken. Mit letzter Kraft umarmen sie den nun erkannten Elben in der Gestalt des alten Freundes und geben ihm das Gefühl, geborgen und lange zu ruhen. Sie wissen, dass dies nur innerhalb dieser Seelenwelt geschieht und nur ein Bruchteil eines Augenschlages in der Wirklichkeit vergangen ist, und doch hoffen sie inständig, dass es ihm helfen möge.

Langsam lösen sie den Kreis der Gedanken auf und kehren in ihre tranceumwobenen Borken zurück. Die Seele des Elben geben sie schweren Herzens zurück in seine Wirklichkeit und es scheint, als halte der uralte Wald für einen Herzschlag lang die Luft an. Kein Windhauch bewegt die sonst raschelnden Blätter, kein Vogel vermag einen Laut von sich zu geben und mitempfundenes Leid entläd sich schließlich durch das Beben der Erde.

Wie aus einem längst vergangenem Traum reißt mich die Woge des stechenden Schmerzes aus einem friedvollem Augenblick meiner Seele. Frieden, Ruhe? War das wirklich ein Augenblick des Himmels? Ich fühle mich irgendwie leichter, erholt; und die kleineren Schmerzen des Halsreifes sind fast eine Wohltat. Ich kenne diese Schmerzen, sie suchen mich heim, wenn ich in den Schlaf gleite. Mein Herr wünscht nicht, dass ich schlafe und tadelt mich, doch bin ich befreiter als in den Stunden zuvor. Die Pein des Reifes sucht mich nicht mehr heim, keine Folter, weil ich von ihm weggebracht wurde. Warum? Was ist passiert? Ich sehe mich vorsichtig um und erblicke die gleichen Bäume, ja, ich bin noch hier. Mein Herr, lässt du mich allein oder ist das die Ruhe vor deiner Sturmeswut? Langsam versuche ich den Kopf zu erheben, mühsam gelingt es mir und ich unterdrücke die Wahrnehmung der Schwäche meines zitternden Leibes. Die Luft ist still, kein Blatt bewegt sich und ein unheilvolles Beben durchdringt den Boden des Waldes.

Was hat mein Herr sich diesmal ausgedacht, welche Qual will er mir bereiten? Doch ich versuche mich zu beruhigen, denn hier scheint es keine tiefen, schwarzen Stollen zu geben. Mein Herr, bitte nur keine dunklen fauligen Löcher mehr. Bitte! Ich mussß an den Zorn meines Herrn denken, zu oft hat er mir gezeigt was es heißt, nicht zu gehorchen. Ich weiß nicht wie oft Ihr,, mein Herr, mich tief in die Gänge der Stollen geschleift habt.... Tage, Wochen, Jahre? Ich weiß es nicht, ob es gestern oder schon Gezeiten her ist, als ihr mich das letzte mal auf solch grausame Weise... verzeiht - meiner Strafe angemessenen Weise... gescholten habt. Die Orks zerrten mich auf eurer Geheiß in ein schmales, stinkendes Loch, umgeben von nassem Stein. Sie machten sich nicht die Mühe, mich in diesem Gefängnis aus Stein anzuketteten, denn ich konnte mich nicht frei bewegen. Sie rollten einen großen Fels mit Hilfe eines Höhlentrolls vor die winzige Öffnung und Dunkelheit machte sich in diesem Loch und mir breit. Die Enge dieses Gefängnisses ließ mich nur kauernd ausharren und ich hatte das Gefühl, 1000 Tode zu sterben. So mußte es sich anfühlen, wenn man starb, denn es gab nichts Vergleichbares.

Ich versuchte mir jedes Orkgesicht vorzustellen, zählte sie auf und ab, dachte mir jeden Stein zusammen, die ich in diesen Stollen einmal gesehen und abgetragen habe. Doch bald begannen mir die Gedanken auszugehen und ich versuchte, einst empfundene Lieder zu singen, denn die Stille ist so zerreißend. Doch schon lange habe ich vergessen, wie sie sich singen lassen, und ihr Inhalt ist wie der Rauch einer verloschenen Kerze. Oh eine Kerze, kleines Licht, ich würde alles dafür geben... Herr, ich würde mich Euch dafür hingeben - eine Farce, als wenn ich das nicht auch so müsste... verzeiht: "darf".

Laut pochend nehme ich den Herzschlag in mir wahr, mir ist, als halle er an den vom herabrinnnenden Wasser nassen Wänden wieder.

Wasser... ich versuche das Wasser aufzufangen und lasse es plätschernd über mein Gesicht rinnen, ein anderer Ton... ein anderes Gefühl.

Angst, rasende Angst, die Dunkelheit frisst sich durch jede Pore - wieder und wieder... Erlösung... Tage, Wochen... dröhnend schlage ich mit meinem Kopf gegen den Fels. Etwas anderes fühlen... hören, überhaupt etwas fühlen... mein Körper ist taub, dröhnendes Beben bemächtigt sich meiner und....

Stöhnend schrecke ich aus meinen furchtsamen Gedanken auf, denn das Dröhnen kam nicht von innen. Ungläubig sehe ich einen Baum auf mich zukommen, er geht an mir vorbei und ich folge seinem langsamen Schritt. Mein Herr!! Er liegt da, mein Herr liegt gefesselt im Gras, ich kann es nicht glauben! Welche Macht ist im Stande, ihn sich Untertan zu machen? Ist er es wirklich, oder willst du mich prüfen mein Herr?

Ich wage nicht zu atmen...

Mit erhabenem und angemessenem Gang schreitet der Älteste der Ents zu den Menschen.
"Ihr habt die Wahrheit gesprochen und tief mitempfundene Pein des Elben lässt uns schneller handeln als gewöhnlich... Ihr seid nun im Schutze unserer Brüder. Wir werden keinem Zweig Ruhe gönnen und wachsam die Blätter über Euch halten!"

Der Ent erblickt in diesen Minuten seiner Rede das Gesicht Grimas und er erinnert sich überaus schnell an die Gedanken des Elben und begreift, dass er sein Peiniger ist. Sein Körper beginnt zu beben und ein markerschütterndes Grollen durchflutet den Hain. Wütendes Grollen umschließt das Lager der Gesellschaft und die kurz zuvor eingetroffenen Männer erheben sich ehrfürchtig von ihrer eben erst errichteten Schlafstatt.

Stampfend rücken die Baumhüter näher und bedrohlich flimmert die Hitze des Zorns in der Waldluft."WAS...IST... DAS!!!! IHR HABT DIESE ABSCHEULICHKEIT BEI EUCH..?!!!" Knirschend streckt der erboste Ent seine Wurzelarme nach Grima aus, welcher vor Angst an seinen Fesseln zerrt und lauthals zu schreien beginnt.

Aragorn und Boromir springen beide auf und rennen zu dem verhassten, brüllenden Grima und können diesen im letzten Augenblick beiseite schleudern.

Boromir fängt den verfehlten Hieb des Ents mit seinem Rücken ab und stürzt zu Boden. Fluchend erhebt er sich und hasserfüllte Blicke richten sich auf Schlangenzunge.


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