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Titel:
Wege Autor: Ilkiran
Im Innern
Unserer Führer betritt mit uns den kleinsten, und – für uns
schon zu anfangs sehr niedrigen – Stollen. „Hier müssen wir hergehen.
Dies ist der Beginn zu einem recht unbekannten Areal. Alte Stollen und Gänge aus
neuerer Zeit liegen eng nebeneinander, oft verbinden sie sich durch enge
Durchlässe. Wir sind leider noch nicht dazu gekommen, diese Wege zu
kartographieren. Und die alten Aufzeichnungen sind alle bei den Kriegen um den
Berg verlorengegangen. Aber wir vermuten, das dieser Gang zu den tiefsten
Stellen führt, die meine Vorfahren jemals erreicht haben. Aber niemand kann es
so genau sagen,… Die Alten, die sich noch genau an die Überlieferungen erinnern
können, munkeln von ungeahnten Lagerstätten dort unten.“
„Hier traf
Gimli diesen rätselhaften Erdgeist, dem er in beständig größere Tiefen folgte,
sich locken ließ von der Aussicht, dieses Lager zu finden?“, hakt Aragorn nach.
„Nein, das ist weiter vorne gewesen, wie mir gesagt wurde. Verzeiht,
Herr, Gimlis Begleiter bemerkten diesen Geist nicht, sie haben das alles für ein
Gehirngespinst gehalten. Sie hörten auch seine Worte nicht. Bald darauf
verbrachte Gimli ganze Monde allein im Fels, wurde mit jedem Tag schweigsamer –
und verklärter. Er verlor an allem das Interesse, sogar an seiner Verlobten, der
Tochter unseres Fürsten. Sie glaubte ihm ebenfalls nicht. Da hat er sich
abgewendet, kam überhaupt nicht mehr herauf zu uns, …“
„So, so, Gimli
wollte eine Familie gründen. Wie schön. Und diese Macht hielt ihn davon ab.
Verklärt sah er aus? Kann ich mir gar nicht vorstellen!“. Kopfschüttelnd drängt
mein König den Zwerg weiter. So eilig, als würde die Zeit davonlaufen.
Mir wird von Schritt zu Schritt mulmiger zumute. Der Zwerg kennt sich in
diesem Gangsystem noch aus, und wird sowieso bald umkehren. Aber wir? Aragorn
denkt anscheinend nur an die Rettung unseres Gefährten, von dem aber niemand
auch nur annäherungsweise weiß, wo er sich in diesem Labyrinth befinden mag,
ganz abgesehen davon, daß es äußerst unwahrscheinlich ist, ihn noch lebendig
anzutreffen – er soll seit Monaten verschollen sein in dieser Gruft! Was
soll das alles? Gewiß, Gimli war mein Freund, aber eine derartig
unvorbereitete Suche in diesem unbekannten Gewirr von Gängen nach so langer
Zeit? Obwohl, in Moria ist alles möglich. Der Schauder vor diesem Ort
ergreift mich wieder einmal. Alles in mir will zurück an die Oberfläche, in die
Wälder. Immerhin gibt es keinen Balrog mehr. Dafür ominöse Berggeister. Auch
nicht viel besser.
Da Aragorn weiter vorwärtshastet ohne daran zu
denken, daß wir vielleicht auch wieder einen Rückweg finden müssen, mit oder
ohne Gimli, übernehme ich die Aufgabe, mir die Richtungen der Gänge, ihre Anzahl
und die Art der Verzweigungen einzuprägen. Ein unterirdisches Verwirrspiel,
nicht zu vergleichen mit den Irrgärten der undurchdringlichsten Wälder die ich
je durchwandert habe. Und dabei so steinkalt. Bedrückend. Noch ist
der Stollen verzimmert. Stempel aus hartem Eichenholz stützen die Decke und
bilden um das bröckelige Gestein eine Gebälkverkleidung. Dahinter sehe ich
Schieferplatten und die ungefüge, raue und glanzlose Masse der Sandsteinblöcke.
Vollgesogen mit Wasser. Je weiter wir kommen, um so enger werden die Gänge,
desto niedriger die Decke. Hätten wir nicht unsere Lederhelme, würden wir uns an
der unebenen Decke häufiger die Köpfe aufschrammen. Diese Stollen wurden für
Zwerge in die Erde getrieben, nicht für Menschen oder gar Elben!
An
einer Kreuzung hält der Zwerg inne.
„Dies ist die Stelle, an der Gimli
das das letzte Mal gesehen wurde. Geht geradeaus weiter. Und viel Glück!“
Ein Stück weiter drehe ich mich um. Seine Lampe verbreitet einen dämmerigen
Schein. Nun sind wir auf uns allein gestellt. Aragorn folgt verbissen dem
Gang, der mit jedem Schritt enger und schlechter ausgebaut wird. Die
Verzimmerung ist stellenweise zusammengedrückt unter der Masse des
darüberliegenden Gesteins. Herabgebrochene Felsbrocken liegen auf dem Boden,
versperren uns den Weg. Sich Durchgänge zu graben, ist beschwerlich und
zeitraubend. Sowohl Aragorn als auch ich müssen in der staubigen, feuchtheißen
Luft öfter innehalten. Unser angestrengtes Keuchen wird von dem Platschen
herabfallender Tropfen begleitet. Durch die gemeinsame Wühlerei kommen wir
uns näher. Zumindest körperlich. Mit Genugtuung bemerke ich, daß es ihm nicht
mehr möglich ist, mir auf dem engen Raum ganz aus dem Weg zu gehen. Es
möglicherweise auch gar nicht mehr anstrebt. Nachdem wir uns durch einen
größeren Gesteinsabbruch gearbeitet haben, lassen wir uns schnaufend auf einen
Geröllhaufen fallen. Der Gang hat sich zu einer kleinen Höhlung verbreitert, von
der mal wieder mehrere Stollen abzweigen. Stollen, denen deutlich anzusehen ist,
daß sie seit Generationen verfallen.
„Aragorn, langsam fällt es mir
schwer, hier unten die Orientierung nicht ganz zu verlieren.“, fange ich ein
Gespräch an. Eigentlich zuversichtlich, trotz allem. „Weißt du überhaupt, wo du
suchen willst? Wenn schon die Zwerge diese Gänge meiden, sich nicht in diese
Tiefen trauen. Aragorn, ich möchte Gimli auch helfen, aber ohne jeden
Anhaltspunkt? Er war mein Freund! Aber er ist seit Frühjahr hier unten
verschollen! Und jetzt haben wir fast Winter!“ Schlagartig weicht all meine
Hoffnung tiefer Unsicherheit. Meine Stimme wird lauter, fast schreie ich Aragorn
an vor Ratlosigkeit. „Das ist hoffnungslos! Niemandem ist geholfen, wenn wir
hier unten ebenfalls krepieren! Denke an dein Reich. Willst du es aufgeben bei
dieser Suche? Wenn du scheiterst?“
Weiter komme ich nicht, denn Aragorn
zerrt mich unsanft aus der Hocke hoch, presst meine Schultern an den spitzen
Fels. Mit vor Wut funkelnden Augen fährt er mich an: „ Elb, zuerst läßt du mich
in meinen Regierungsgeschäften allein, hurst mit sonstwem herum; und als dein
Vater deine Ausschweifungen nicht mehr mitansieht, wirst du zum Kräutertrinker.
Voller Selbstmitleid, weil sich nicht alles deinem Willen und deiner
Maßlosigkeit unterworfen hat. Weil du einmal nicht mehr die Kontrolle hattest.
Über dein Leben, über deine Liebhaber. War Haldir eigentlich auch so fügsam wie
ich? Oder konnte er sich die besser widersetzen? Hat er den Spieß auch mal
umgedreht, ist nicht widerstandslos deinem unterkühlten Elbencharme erlegen?“
Heftig werde ich gerüttelt, schlage mit dem Hinterkopf an den harten Fels.
Ich stoße den König mit aller Kraft von mir, komme jedoch nicht mehr zu
einer Entgegnung, da er mich voller Empörung weiter anfaucht: „Ich hoffe, du
hast in der Stadt gezeigt bekommen, was es heißt, keine Macht mehr zu besitzen,
weder über dich selbst, noch über Andere! Und kaum hast du dich etwas
aufgerafft, kommst du zu mir geschlichen, jammerst mich an, ich solle dich
wieder als Geliebten aufnehmen. Als wäre nichts geschehen. Bis du wohl wiederum
Lust verspürst, zu verschwinden und mich sitzen läßt mit meinen Pflichten! Was
bildest du dir eigentlich ein? Folge mir oder lasse es bleiben!“ Als er sich
bereit macht, weiterzugehen, bekomme ich noch ein herablassendes „konnten dich
all die Männer in dem Schenkenviertel, dieser Abschaum, eigentlich befriedigen?
Oder war das einfach nur mal was anderes?“ hingeworfen.
Unter seinem zornigen Wortschwall zitternd, mit gesenktem Kopf und über und über
mit Schamröte bedeckt, höre ich zu. Zu einer Antwort fähig bin ich nicht. Was
sollte ich darauf auch sagen? Außer daß er recht hat.
Aber ich brauche
ihn! Aragorn ist noch der einzige, der mir helfen könnte, den ich - lieben? –
könnte? Wo ist mein Herz? Wollte ich es ihm nicht einmal schenken, vor so
endlos langen Jahren? Oder war das alles nur der Trug eines überschwänglichen
Gefühls? „Natürlich folge ich dir weiter. Mein König“, denke ich nur. „Was
sollte ich auch sonst tun?“
Solche Überlegungen ziehen weiter ihre
Kreise, nehmen immer düstere Farben an, als wir durch die Hohlräume kriechen,
oft auf allen Vieren. Immer bergab, tiefer in den Bauch der Erde hinein.
Verschwitzt, durchnässt, mit aufgescheuerten Händen und geschundenen
Gliedmaßen. In dem Bewusstsein, daß uns jederzeit herabfallendes Gestein
erschlagen kann, denn die Decke des Ganges ist längst nicht mehr durch die
Verschalungen sicher gestützt. Auf dem unebenen, mit tückischen Gruben
durchsetzten Boden finden sich immer häufiger Wasserpfützen, ganze Lachen, durch
die wir knietief durchwaten müssen, im Zweifelsfall sogar bäuchlings
hindurchrutschen. Jederzeit in der Erwartung, ein tieferes Loch wird uns
verschlingen. Alles ist glitschig, der Fels tropft, schmiert unter unseren
Schritten, läßt uns eher stolpern und rutschen als gehen; oder eben kriechen.
Überall Schlamm. Unter der Kleidung, zwischen den Zehen, sogar im Mund
knirscht es. Dabei wird es von Schritt zu Schritt wärmer. Die feuchtheiße,
stickige Luft erschwert unser Vorwärtskommen zusätzlich. Aber Aragorn
arbeitet sich unermüdlich vorwärts. Durch alle Hindernisse hindurch. Er achtet
weder auf die zunehmende Nässe um uns herum, noch auf das Knirschen und Ächzen
des Felses. Als würde sich der Berg bewegen, uns zerquetschen wollen. Uns
ungebetene Eindringlinge. Orientierung ist selbst für mich schon lange nicht
mehr möglich. Ich weiß nur noch, daß wir stetig nach unten gestiegen, gerutscht,
gekrochen sind. Daß uns aber dabei weder Gimli noch ein Berggeist begegnet
waren.
Vor uns, im dunstigen Schein der Lampe vorher nur zu erahnen,
öffnet sich ein kleiner Durchgang. Gerade groß genug für einen schmalen Mann,
Aragorn hätte da schon seine Schwierigkeiten. Der Durchgang führt steil nach
unten, soweit es im Schummerlicht erkennbar ist. Unser Weg dagegen will
ansteigen. Mein König zögert. Wendet seine Lampe zweifelnd in beide
Richtungen, versucht zu erahnen, wohin die Gänge sich wenden könnten. Und
sieht mich unerwartet an. Graue Augen blitzen aus dem dunkelbraun verschlammten
Gesicht, gleiten prüfend über meine hockende Gestalt.
„Du willst mir
also folgen, Elb? Dann komm mit mir!“
Eine unvermittelte Bewegung, schon
beugt er sich in den Durchlaß hinein, zieht seinen Beutel an den Körper und
stößt sich ab. Der Untergrund ist dermaßen glitschig, der Spalt im Fels so steil
nach unten geneigt, daß er fast augenblicklich außer Sichtweite rutscht. Es
poltert, Steine rollen nach, ich höre ein Platschen. Dann Stille. Ich
lausche, strenge mein von den Menschen beneidetes Gehör an. Nichts.
Außer den üblichen Geräuschen im Fels. Leises Knarren, unregelmäßiges
Tropfen. Das Fallen von Steinbrocken.
Soll ich ihm folgen? Und was dann? Aus welchem Grund? Um noch mehr Abweisungen,
Vorwürfe aushalten zu müssen? Wie viel leichter wäre es, … Nässe läuft mir die
verdreckten Wangen hinunter. Dieser Fels ist wie eine Gruft. Die stickige Luft
verhilft meinen Vorstellungen wieder ins Bewusstsein, läßt mich müde, kraftlos
werden.
Hier an dieser Stelle ausruhen. Mich in den Stein kauern und
vergessen. Nichts mehr denken, nichts mehr fühlen, nur Ruhe finden.
Schlafen. Was soll mich daran noch hindern? Wer soll mich daran
hindern? Niemanden mehr enttäuschen müssen. Nie mehr zurückgestoßen
werden. Keine Kontrolle über andere mehr haben zu müssen, oder um die
Vorherrschaft kämpfen zu müssen. Mich nur noch fallen lassen können, jetzt, in
den warmen, angenehmen, weichen Felsen. Das Gestein umarmt mich, wie zuvor
die Kräuter. Fließt in mich hinein, will sich mit mir verbinden. Sirk’an?
Leise Wehmut zaubert mir ein Lächeln um den Mund. Nie werde ich das Alte
Volk kennenlernen? Nun gut, es sei so. Zufrieden lasse ich mich von der
Dunkelheit umfassen. Warte auf den Schlaf.
Eine grelle hohnlachende
Fratze kreischt mich an. Springt aus dem Nichts auf mich zu. „Keine
Flucht sei dir gegönnt, Legolas du Elbenprinz. Du gehörst zu uns. Wir sind das,
was du wirklich willst. Und wir warten,…“
Das schiere Entsetzen reißt
mich hoch, treibt mich mit einem Satz in den Schacht. Endlos gleite ich
hinunter. Voller Furcht, allein diesem Grauen ausgeliefert zu sein, lande ich in
einem unterirdischen See. „Aragorn!!“
Dieser sitzt ein gutes Stück
entfernt auf einer Sandbank und macht Rast. Mit seinen gereinigten Kleidern fast
schon wieder als Mensch zu erkennen. Vollständig aufgelöst haste ich durch
das knietiefe Wasser zu ihm, stolpere, falle hin. Raffe mich überstürzt wieder
auf, renne weiter. Bis ich bei ihm bin. Unverständliches Gestammel
bricht über meine Lippen, als ich mich vor ihm auf den Boden werfe. Ihn um
Rettung anflehe, um ein Zeichen, ein einziges nur, daß er mir helfen wird, mich
wieder annerkennen kann. Als was auch immer. Bereit bin, mich allem zu
unterwerfen, wenn er mich nur annimmt. „Dir ist eben wohl dieser Berggeist
begegnet, Elb ohne Herz?“ ist seine kalte Reaktion. „Hat er dir nicht
gefallen?“, seine schneidende Stimme überbietet noch seinen Blick. Am ganzen
Körper bebend, mit in den Boden gekrallten Fingern krümme ich mich zusammen.
Keine Hoffnung mehr, es ist vorbei. Soll mich doch holen wer will. Mein
Geist ist aufgelöst, meine Seele schon längst verdorrt. Alles ist gleichgültig.
Ewigkeiten kauere ich vor den Füßen meines Königs. Irgendwann gewinne
ich etwas von meiner Fassung zurück, bin wieder fähig, zu sprechen. Ohne ihn
anschauen zu können. Mit leisen Worten berichte ich von dem ausgestreckten
Arm der bösen Macht. Der nur darauf wartet, daß ich mich greifen lasse. Daß ich
mich endlich aufgebe, mein Widerstand schwächer wird. Daß ich meinem Bedürfnis
nach Macht, der Begierde, Kontrolle auszuüben zu erliegen drohe. „Aragorn,
sie kennen mich seit tausend Jahren. Sie rufen mich!! Es wird mit jedem Tag
stärker! Sauron ist nicht vernichtet, die Ringgeister gibt es immer noch. Sie
lachen über mich, sie lauern auf mich, bald werden sich mich in ihre Reihen
gezogen haben. Warum glaubst du mir nicht?“. Ein dürres Schluchzen dringt aus
meiner Kehle. „Ich kann nicht mehr!“ Stockend wage ich es, meinen Kopf zu
heben, ich suche seinen Blick, eine Reaktion, eine Antwort. „Du bist der letzte,
der noch da ist, mein König – Aragorn – Freund?“
Hoffen kann zerreißen.
Die Halle unter der Erde
Gleichmäßiges Tropfen von Wasser erzeugt
Zeitlosigkeit.
„Du siehst immer noch furchtbar aus, Legolas.“
Geflüsterte, zarte Worte in dieser dunklen Unterwelt, die ich zunächst für
eine meiner Sinnestäuschungen halte. „Du nennst meinen Namen, Aragorn?“ Eine
bekannte, denoch so fremd gewordenen Hand fährt über den Schlamm, der meine
Haare bedeckt. Ich schaue auf. Sehe den freundlichen Blick meines Gefährten.
Ernst, fast feierlich beugt er sich zu mir herab, nimmt mein Gesicht behutsam in
beide Hände. „Ich freue mich, daß du mir gefolgt bist, Legolas. Nach Moria,
in diese Tiefe, durch den Schacht bis an diesen Ort. Dieser Weg muß dir als Elb
schwer gefallen sein, ungeheuer schwer. Ich hätte nicht geglaubt, daß du ihn mit
mir zuende gehen würdest. Es wäre jederzeit leichter für dich gewesen,
umzukehren, weiter bei den Menschen zu leben. Ich habe deine Bitten gehört, jede
einzelne. Ich wollte dich erproben“ Aragorn hält inne, schaut versonnen in
der Steinhalle herum, mustert den See, in dem er vor meinem Auftauchen wohl
gerade gebadet hat. Flüstert mir liebevolle Worte zu. Worte, die ich nie
mehr zu hören gehofft habe. Worte, die mir Schauer über den Rücken jagen.
„Aragorn, mein König, ich brauche dich,…“, ist das einzige, was ich
entgegnen kann. „Ich weiß es. Aber dir ist dies recht spät eingefallen,
scheint mir. Einzeln wird jeder von uns scheitern an den Kräften der dunklen
Macht, jedoch zusammen?“ Seine Finger fangen an, meine verkrusteten Haare zu
entwirren. Behutsam lösen sie die Knoten, streichen die ineinander verfilzten
Strähnen aus meinem Gesicht. „Dir ist es wirklich elend ergangen, melarnin,
musstest du denn auch so selbstherrlich zu allen sein, die dich lieben wollten?“
Die Schnallen meines Beutels öffnen sich, die nassen, schweren Ledersäcke
schiebe ich achtlos beiseite. Ich möchte nur noch seiner anziehenden Stimme
zuhören. Harre auf weitere Berührungen, die ich so lange vermisst hatte. Ich
führe seine Hände zu den Verschlüssen meines Lederüberwurfes, helfe nach, die
Haken zu lösen. Voller Erwartung. Und Furcht. Furcht, mein König
könnte es sich wieder anders überlegen, mich reizen, nur um mich dann
zurückstoßen. War das nicht das Spiel, das ich so gerne mit allen anderen
gespielt hatte? „Aragorn, du mordest mich, wenn du mich jemals wieder so
lange abweisen wirst. Noch nie bin ich irgendjemandem so lange hinterhergefolgt
wie dir. Mein ganzes langes Leben nicht. Ist das nicht Beweis genug für meine
Liebe?“ Behutsam werde ich Stück für Stück entkleidet. Mit leichten,
unmerklichen Handbewegungen zieht er mir die schlammstarrenden Kleider vom Leib.
„Und wie oft hast du auf diese Weise getötet, mein Prinz?“ höre ich nahe an
meinem Ohr. Unmerklich fahren die Lippen über meine empfindlichen Ohrläppchen,
saugen sanft an den Spitzen. Stellen fast unhörbar die Frage: „Wirst du jemals
wieder versuchen, mich zu verlassen?“ Meine Antwort ist ein gehauchtes:
„Nie. Nie mehr. Ich gehöre zu dir. Ich brauche dich, mein König.“, während mein
gesamter Körper unter dem lang entbehrten Streicheln erschauert. Alle mir
verbliebene Zärtlichkeit lege ich in meine Umarmung als ich ihn zu mir ziehe,
beglückt darüber, daß er sich mir nicht mehr entzieht, meinen Kuß
uneingeschränkt erwidert. Daß er mich wieder angenommen hat. „Zwischen
deinen Zähnen knirscht der Sand, Legolas,“, werde ich aus meiner Versunkenheit
in unser Zungenspiel geholt, „komm mit ins Wasser, damit ich dich wieder als Elb
erkennen kann. Es ist angenehm warm. Ich war eben auch schon baden.“ Dem
Angebot ist nicht zu widerstehen. Die restlichen Kleider fliegen auf den
nächstliegenden Steinhaufen, dann lasse ich mich in den unterirdischen See
gleiten. Aragorn hat recht, das Wasser ist hautwarm, glasklar und spült
leicht den lästigen braunen Dreck von meinen Gliedern. Während ich mich
behaglich reinige, meine schon empfindsame Haut sowie die Haare von den letzten
Schlammflecken befreie, schaue ich Aragorn zu, der sich entschlossen hat, ein
zweites Bad zu nehmen und sich gemächlich auszieht.
Wie lange hatte ich nicht mehr die Gelegenheit, meinem König zuzuschauen, wenn
er sich bereit macht, mich zu lieben? Seinen muskulösen und dennoch so biegsamen
Körper bei jedem Kleidungsstück, das er sich herunterzieht, mehr zur Schau
stellt. Beleuchtet von dem gedämpften Licht unserer Lampen, das seine braune
Haut geheimnisvoll und so begehrenswert aussehen läßt. Vor dem Hintergrund einer
Höhle aus hellem Gestein, das sich an mehreren Stellen in Säulen vom Boden bis
zur Decke hinzieht. Ein unwirklicher, aber äußerst fesselnder Anblick, der mich
aufwühlt, meine Begierde immer stärker entflammt. Lässig, sich seiner voll
Stärke bewusst, steigt er schließlich ins Wasser, spritzt sich mit natürlichen
Gesten naß, bis er schließlich mit einem Sprung in meine Richtung untertaucht.
Seine Erregung ist nicht zu übersehen, fest und groß ist sein Glied bereits
aufgerichtet, die Pobacken zusammengepresst.
Aragorn, ich will dich.
Jetzt. Für dein ganzes kurzes Menschenleben lang. Ja, ich werde dich auf deinem
Weg in dein Reich zurück begleiten. Ich werde dir helfen. Aber ich werde
dich nicht mehr teilen.
Sämtliche Gedanken an die dunkle Bedrohung, die
auf mich lauert, sind abgedrängt in die undurchsichtigen Ebenen meines Geistes.
Ich will nur noch meinen Gefährten. Ihn lieben. Ihn besitzen. So wie
früher.
Um mein Verlangen nach ihm aufzuschieben, hechte ich ihm mit
einem Sprung durchs Wasser entgegen. Ich will meinen König noch in der Bewegung
erreichen, ihn umfassen und festhalten. Seine Hitze spüren, noch mehr steigern.
Sein Begehren in die Höhe treiben, von der er ohne meine Hilfe nicht mehr
herunterfindet. Ihn flehen hören, ich solle ihn befreien aus seiner
Leidenschaft. Seinen Schwur hören, mich immer zu begleiten. Ich will ihn an mich
binden, um nie wieder von ihm zurückgestoßen werden zu können.
Wir
treffen uns in der Mitte des kleinen Sees in fast hüfthohem Wasser.
Erregt und unbeherrscht ist unserer Begegnung. Ein kleiner Rest der
vorhergegangenen Zärtlichkeit ist noch geblieben und bewahrt uns vor einem
ernsthaften, verletzenden Kampf. Jeder von uns möchte die Dominanz über den
anderen erlangen. Seinen Körper besitzen, seine Seele beherrschen. Unsere
Lippen treffen heiß und hart aufeinander, meine Zähne graben sich in sein
Fleisch. Unser Blut vermischt sich, läuft warm das Kinn herunter. Die roten
Tropfen im Wasser breiten sich aus. Aus der Umarmung wird rasch eine
Umklammerung, die uns vor Anstrengung schwitzen läßt, nicht nur vor Erregung.
Genährt aus der Angst vor Verlassenwerden, vor der Verlassenheit. Keuchend
ringen wir miteinander in dem wellenschlagenden Wasser, jeder bemüht, den
anderen zu Fall zu bringen, ihn dann umso erfolgreicher verführen, enflammen zu
können. Lust und Machtwille verbinden sich unlösbar. An unserer Umklammerung
festhaltend, rollen wir prustend und spucken durch den See, tauchen uns
gegenseitig unter, schnappen heftig nach Luft. Bis zum Äußersten angespannt,
diesen Kampf gewinnen zu wollen und gleichzeitig bemüht, unsere Erregung nicht
überschießen zu lassen, erreichen wir schließlich seichteres Wasser am sandigen
Ufer. Meine feuchte glatte Haut rutscht über die etwas rauere Haut meines
Geliebten, meines Widersachers. Irgendwann glitschen seine Arme durch den Griff
meiner Hände, ich verliere den direkten Körperkontakt zu ihm. Mit einer
unvorhersehbaren, ungestümen Drehung bringt Aragorn mich zum Stolpern. Als ich
versuche, mein Gleichgewicht in diesem Kampf, diesem Liebesspiel, durch einen
kleinen schnellen Ausfallschritt wieder zu erlangen, ist Aragorn schon
blitzschnell vor mir, zieht mit der einen Hand meine Hüfte zu sich, und beugt
sich über meinen zurückgelehnten Oberkörper.
Ein unerwarteter
Blickkontakt, in den ich ungewollt meine ganzen Wünsche hineinlege.
Diese Unaufmerksamkeit wird auf der Stelle ausgenutzt, ich sehe nur noch ein
erleichtertes Lächeln über das Gesicht meines Königs huschen und merke erstaunt,
daß ich jegliche Standfestigkeit verloren habe. Der kurze Flug durch die Luft
läßt mir Zeit genug, um mir bewusst zu werden, daß er der Überlegene ist. Es
wohl auch zu allen Zeiten gewesen war. Wie konnte ich jemals nur das
Gegenteil glauben? Unsanft lande ich mit dem Rücken auf dem harten Sand,
noch halb im Wasser. Die nassen Körner schürfen mir den Rücken auf, als ich
darüber rutsche. Der Versuch aufzustehen, mißlingt, denn Aragorn ist direkt
über mir, presst mir beide Arme in den nachgiebigen Untergrund. Sein gesamtes
Gewicht lastet auf meinem Oberkörper. In der Stellung ist Bewegung fast
unmöglich. „Na, Legolas, ist es nun endlich entschieden? Ich liebe dich, du
verbohrter Elb, aber,“ Seine Hüfte beginnt, sich aufreizend über meinen
Bauch zu bewegen, kreist hin und her. Stöhnend schaue ich zur Seite, suche mir
eine Steinsäule, um meinen Blick daran zu ketten. Nur nicht mehr in seine Augen
schauen! „…, aber du wirst mich immer mit meinem Reich teilen müssen. Und
ich erwarte von dir Loyalität. Mir gegenüber, und meiner Arbeit gegenüber. Und
ich fordere deine Hilfe ein.“ Der Druck gegen meinen Unterkörper wird
stärker. Sein Glied bettet sich in meinen hartgewordenen Bauch ein, reibt sich
an meiner Haut. Wellen der Erregung breiten sich aus, lassen sich durch keine
Gedanken mehr zurückdrängen. Ich will ihn. Egal wie. Er hält inne,
richtet sich, auf mir sitzend, auf. Seine Finger streichen zart, aber denoch
besitzergreifend über meine Brust, umfahren die harten, aufgerichteten
Brustwarzen. Widerwillig suche ich sein Gesicht, weiß ich doch, daß ich nun
meine Niederlage zugeben muß. Ich berühre ihn ebenfalls, möchte sein Verlangen
ebefalls so anfachen, daß er seine Aufgabe darüber vergisst, jedenfalls für
jetzt, diesen Augenblick. Sofort sind meine Handgelenke in einem harten Griff
umfasst. Die Stärke dieses Menschen ist außergewöhnlich. Und seine
Zielstrebigkeit ebenfalls. „Aragorn, laß uns später darüber reden, komm zu
mir, liebe mich. Ich habe so lange darauf gewartet,…“ Meine gestammelten
Worte beeindrucken ihn nicht im Geringsten. Immer noch meine Hände festhaltend,
beugt er sich über mich, läßt seine Zunge über meinen Hals spielen, über die
Brust, sie gleitet tiefer, saugt sich zärtlich in der Leiste fest. Mein ganzes
Ich sehnt sich nach dem wilden, ungezügelten Rausch der Bewegungen, der kurz vor
der Erlösung einsetzt. „Beende das, Aragorn, mein König.“, flüstere ich heiser,
während mein Körper sich ihm entgegenbäumt, „nimm mich auf, laß mich in dich
hinein“. Seine Zunge umkreist geruhsam meine Gliedspitze, leckt mal hier mal
da, ungeachtet meiner krampfhaften Versuche, das Geschehen zu beschleunigen. Er
denkt ganz und gar nicht daran, mich in meiner Erregung zu begleiten, sondern
steigert meine Lust weiter ins Unermeßliche. Gezügelt, gekonnt und mit
Genuß. „Eigentlich warte ich noch auf deine Antwort, mein Prinz. Oder soll
ich mich zurückziehen?“ Mein Körper drückt ein einziges „Nein!“ aus. Ich
flehe ihn an, fortzufahren, mich jetzt nicht allein zu lassen. „Siehst du
nun, wie es ist, ausgeliefert zu sein, angewiesen auf den guten Willen eines
Partners?“ „Aragorn, was willst du noch? Du hast mich. Mit allem!“ „Das
dachte ich auch früher schon einmal, … mein Prinz. Bin ich dir zu folgsam
gewesen? Habe ich dich gelangweilt, daß du gegangen bist?“ Aragorn wirft
sich wiederum behende und kraftvoll über mich, saugt sich mit einem weiteren,
unendlichen und doch so besitzergreifenden Kuß in mein Wesen. Nie hätte ich ihm
diese Entschiedenheit zugetraut, nach unserer ganzen gemeinsamen Wanderung
nicht. Verzweifelt presse ich ihn an mich, verfluche in Gedanken mich und meine
Sehnsüchte. Gebe meinen Eigenwillen auf. Überlasse mich seiner Führung
und erwiedere seinen Kuß auf eine mir bei meinem König ungewohnte, nachgiebige
Art. Soll er mich haben wie er möchte. Mein Körper sehnt sich nach seinen
Berührungen. Mein Geist möchte sich an ihm reiben. Und meine Seele? Meine
Seele braucht ihn. „Ich folge dir, mein König. Nimm mich, nimm mein Herz.
Wenn du es noch willst?“ Eine plötzliche Unsicherheit überkommt mich. Wenn
er mein Angebot nun doch noch ablehnt, sich nicht die giftige Spinne in meinem
Herzen ins Haus holen will? Warum zögert er? „Dreh dich um, mein Prinz.
Bitte. Fordern will ich nur deine Loyalität. Ansonsten bitte ich dich.“
Ungeduldig folge ich seinem Wunsch, erlebe seine festen Muskeln, als er mich von
hinten umschlingt. An sich presst. Sich zwischen meine Pobacken drängt. Auch er
kann sein Temperament nun nicht mehr zurückhalten, heftig erzwingt er sich
Einlaß in meine noch enge Öffnung. Der altbekannte Schmerz zieht sich durch die
Eingeweide, läßt mich innehalten. Warten, bis die Welle abgeebbt ist und meinem
übermäßigen Verlangen Platz macht, unter dem ich mich im feuchten Sand winde,
nichts mehr wahrnehme außer meinem König neben mir, über mir, in mir.
Inzwischen ist er ebenso leidenschaftlich berauscht wie ich. In seiner
Umklammerung, unter seinen Stößen jagen wir untrennbar vereint unserem Höhepunkt
zu. Befreiend, rettend, verschlingend. Als wir danach eng umschlungen
auf dem feuchten Sand liegen, den Nachhall unserer wiedergewonnenen Einigkeit
genießen, bohren sich Aragorns geflüsterte Worte in meinen Verstand: „Dein Herz
nehme ich gern, mein Prinz, jedenfalls das, was davon noch übrig ist.“
Ich schließe die Augen, kauere mich in seinen Armen zusammen und lausche
mit wachsendem Entsetzen den wiedererwachten Stimmen. Verlassen an der Seite
meines letzten Geliebten.
Zarte Finger streichen mir wiederholt die
verschwitzten, klebenden Haare aus der Stirn. „Sorge dich nicht mehr über
die Rufe der dunklen Macht, mein Prinz. Die Nazgul werden dich an diesem Ort
nicht erreichen können. Hier haben sie keine Macht. Schau dich nur um, wir sind
im Reich des Berggeistes, im Inneren der Erde. Und an die Oberfläche werden wir
nie wieder zurückkehren. In dieser Halle werden wir Sterben. In Frieden.“
Irrgarten
Diese Worte habe ich nicht gehört. Oder doch? Das kann
doch nicht wahr sein!! „Aragorn, was hast du gerade gesagt? Los, das
wiederholst du!“. Das Befremden muß mir ins Gesicht geschrieben sein, denn
Aragorn verliert sein abwesend – verklärtes Aussehen ein wenig. „Legolas,
mein Prinz,“, seine Finger gleiten wiederum so unendlich liebevoll über meine
Haare, „…, was sollen wir noch in der korrupten Welt der Menschen und Orks.
Nichts als Leid, Geldgier und Betrug. Und wenn du wirklich von den Nazgul
gerufen wirst,…, Legolas, dann kann ich dich nicht schützen. Niemand kann das.
Aber gehen lasse ich dich ebenfalls nicht. Versteh doch. So schlimm ist der Tod
nicht. Alle Menschen sterben. Irgendwann. Und warum nicht jetzt? Bevor größeres
Unheil über Mittelerde hereinbricht?“. Er drückt mir einen trägen Kuß auf
die Wange, will mich zu sich herabziehen. „Bevor ich, ich Legolas, größeres
Unheil über Mittelerde bringe, wolltest du wohl sagen?!“, rutscht es mir
aufgebracht über die Lippen. „Du hast mich unter dem Vorwandt, Gimli suchen zu
gehen, hergelockt, um mit mir zu sterben? Du willst mich nicht einmal mehr
kämpfen lassen gegen diese, diese Geister. Diese Untoten? Hat dir dieser
Berggeist ins Gehirn gespuckt? Wir gehen. Steh auf, Los, hoch mit dir. Jetzt
wird noch nicht gestorben!“ Mit wachsendem Eifer rede ich auf meinen
lethargisch daliegenden Geliebten ein. Ohne großen Erfolg, mit einer abwehrenden
Handbewegung wischt er meine Aufforderungen, sich aufzurappeln, beiseite.
„Und ich habe allen Ernstes gedacht, du würdest mich lieben. Mit mir in die
Menschenwelt zurückkehren, um von Neuem zu beginnen. Du, du bist der Verräter,
nicht ich. Verräter aus Schwäche!“. Während dieses Ausbruchs kann ich mich
nicht mehr beherrschen und schlage Aragorn zweimal heftig ins Gesicht, während
ich ihn hochzerre und die Kleider zuwerfe. Noch nie hatte ich eine stärkere
Sehnsucht danach, im Freien zu sein, frische Luft zu atmen und über weichen
Waldboden zu laufen. Diese verfluchte Höhle! Kein Wunder, daß bizarre
Gedanken, eigenartige Wünsche den Willen umformen, bis nur noch Sterben und
Auflösung die Gedanken beherrschen. In dieser dumpfen, brütenden Luft die
bewegungslos in der Halle steht. Trotz der Eile beim Anziehen und den
Befehlen an den sich sträubenden Aragorn, sich doch endlich ebenfalls für den
Weitermarsch bereit zu machen, gönne ich mir einen Augenblick Zeit, um mich in
dem Hohlraum, in dem wir uns befinden, umzusehen.
Zur Orientierung,
sicher, aber auch aus Bewunderung für die Formen des hellgrauen Gesteins. Die
Höhle, deren Boden die ungefähr zur Hälfte von dem kleinen See bedeckt ist,
bietet einen wahrhaftig märchenhaften, unwirklichen Anblick. Säulen aus dem
hellen Stein säumen die Wände, reichen vom Boden bis zur gewölbten Decke. Sie
erinnern an Eiszapfen, die in langen Wintern von den Dächern kalter Gegenden
wachsen. Nur etwas grauer, nicht so durchsichtig. Im Schein der Lampen glitzern
die Wände, werfen ab und an auch das Licht zurück. Farbige Bänder laufen rötlich
schimmernd an der Wand entlang. Ein aus natürlichem Stein gewachsener
Säulenpalast. Der Hintergrund der Halle verschwindet im Dunkel, sodaß ich ihre
Ausdehnung nur erahnen kann. Und nirgendwo sehe ich herumliegendes Gestein, das
von der Decke heruntergebrochen ist, wie sonst überall in den Gängen, durch die
wir hierher gelangt sind. Auch der Fels ist vollkommen unterschiedlich von dem
der Zwergengrube, hellgrau, hart und fest, nicht schwarzbraun und bröckelig,
sodaß er überall abgestützt werden muß, damit die Gänge nicht zusammenbrechen,…
Wo sind wir angekommen, nach unserer Fahrt durch den schmalen Stollen? Das ist
nicht das Zwergenbergwerk, das ist nicht von Zwergenhand geschaffen.
Das ist älter, viel älter.
Ich treibe Aragorn weiter zur Eile an, denn
mit wachsendem Grausen fallen mir Bruchstücke uralter Erzählungen, Sagen über
die Berge, natürliche Höhlensysteme und deren Bewohner ein. Die Elben waren
wesentlich älter als die Zwerge und bei weitem nicht so stark mit edlen Metallen
oder glänzenden Steinen zu blenden. Nicht so unbeherrscht mit der Gier danach
geschlagen. Aber was beruht bei Erzählungen aus den Vorzeiten auf Tatsachen, was
ist Ausschmückung? Wie könnte ich das auseinanderhalten? „Sirk’an, hilf mir,
ich bin doch nur Krieger, kein Gelehrter, und du kommst doch aus dem Alten
Volk, du weißt soviel mehr als ich,…“ murmele ich halblaut vor mich hin, als ich
Aragorn die letzten Ausrüstungsgegenstände überhänge, ihn endlich auf die Füße
getrieben habe. Menschen! Zuerst besiegt er mich im Kampf und in der Liebe,
dann nimmt er mein Herz – oder den Teil meines Herzens, über den ich noch frei
verfügen konnte, wie ich mich schaudernd berichtigen muß – und dann will er sich
einfach fallen lassen und sterben. Wie ein abbrennendes Feuer! Und ich
muß den Retter spielen. Wer soll das verstehen? Aber die Zwerge schienen von
diesem Höhlensystem nichts zu wissen, sie hätten diesen geheimnisvollen Gängen
niemals widerstehen können. Und die Nachricht davon wäre auch zu uns Elben
gedrungen, in den Zeiten, als Moria jahrhundertelang besiedelt gewesen war um
ausgebeutet zu werden. Lauerte in diesen Gängen der vielbeschworene Fluch von
Moria? Älter als der Balrog, als jedes lebende Kreatur in Mittelerde? Außer
vielleicht die Wesen vom Alten Volk mit ihrer Magie,…
Jäh werden in
meinen verwickelten Überlegungen durch die harsche Frage meines Geliebten „Was
soll das mit dem alten Volk, wer ist Sirk’an?“ unterbrochen. Erleichtert
grinsend sehe ich ihn an, froh über die Lebenswillen versprechende Eifersucht in
seiner Stimme. „Sirk’an? Hmm, da muß ich überlegen, soll ich euch beide mal
vergleichen? Zumindest würde er sich nicht so hängen lassen!“, fahre ich ihn
schließlich an. Die Betroffenheit in seinen Augen, stimmt mich milder,
während wir nun unter meiner Führung das unbekannte Ende der Halle erkunden.
„Sirk’an ist ein Vertreter des rätselhaften Alten Volkes, uralt und den
Göttern gleich. Bis auf wenige haben sie sich zurückgezogen, gehen mit Magie um.
Ihn habe ich kennengelernt – vor tausend Jahren“, betone ich rasch mit einem
Seitenblick auf den mit jedem Wort finsterer werdenden Aragorn, „auf meiner
ersten Wanderung. Im Norden. Dort wurde ich gefangen, nun ja, ich war noch recht
unerfahren, und bin unbedacht dort oben herumgelaufen. Ich wurde also gefangen.
Meine erste Erfahrung mit Folter und Tod – und den dunklen Mächten.“ Aragorn
zuckt merklich zusammen bei meinem äüßerst lückenhaften Bericht. „Dieser
Mann aus dem Alten Volk war auch dabei. Wir sind zusammen geflohen, haben uns
dann irgendwann getrennt. Ich ging wieder in den Düsterwald zurück. Und Sirk’an?
Ich weiß nicht, jedenfalls, er suchte mich einmal in der Stadt auf, ..“ „Als
was?“, eifersüchtelt mich Aragorn weiter an, als wir gerade daran gehen, zwei
weiterführende Gänge am Ende der Halle zu untersuchen. „War er gut? Bestimmt
besser als ich gewöhnlicher Mensch. Mit wem hast du eigentlich nicht im Bett
gelegen?“ Beruhigend nehme ich ihn in den Arm, flüstere ihm meine Liebe ins
Ohr. „Ja, du hast mir dein Herz gegeben, Legolas, aber nicht aus Liebe,
nicht mit aller Freiwilligkeit. Sondern weil du mich brauchst, wie du denkst.
Das macht mich traurig. Verstehst du, das nagt an mir! Wir Menschen leben nicht
ewig! Ich kann nicht Jahrhunderte auf dich warten, du Elb, bis du dich wieder an
mich erinnerst, mich haben willst! Begreife endlich, daß ich ein Mensch bin.
Jemand der nur noch eine kurze Zeitspanne leben wird, nach Elbenbegriffen
gemessen. Und du redest von Jahrtausenden! Was willst du eigentlich mit mir?“
Betroffen ziehe ich den schwer atmenden Aragorn zu mir. „Jetzt verstehe ich
deinen Wunsch, mit mir zusammen hier zu sterben. Aber es ist noch nicht Zeit,
wir haben unser Schicksal noch nicht erfüllt. Du, mein König noch nicht, und
ich, ich ebenfalls nicht.“ Wie empfindsam und zerbrechlich ein Mensch sein
kann! „Und ich hoffe, ich kann meinem Geschick entgegentreten, wenn ich ihm
schon nicht entfliehen kann.“, füge ich leise hinzu. Voller Zuneigung und
Kummer. Dann erzähle ich Aragorn das Wesentliche von Sirk’ans Idee, ein
Reich zu gründen, in dem alle Wesen Mittelerdes ihren friedlichen Platz haben
können. „Ein guter Gedanke, aber wie soll das aussehen? Schon die Völker,
aus denen die Verbündeten kamen, vertragen sich nicht mehr miteinander, nicht
auf Dauer. Und dann mit Orks zusammen leben? Jeder Mann, sei es Mensch, Zwerg
oder Elb, gerade die Elben, würde die Idee als Hochverrat anprangern. Wie willst
du das erreichen? Elb, du träumst.“ Bedenkliches Kopfschütteln begleitet
seinen Einwand. Aragorn hat recht, es wird die schwierigste Aufgabe meines
Lebens werden. Nein, die zweitschwerste. Und erst müssen wir raus aus dieser
verfluchten Unterwelt!
Zwei Gänge gähnen uns dunkel an. Ein kleinerer,
der noch weiter in die Tiefe zu führen scheint. Der eindeutig nicht für die
Größe von Elben und Zwergen geeignet ist. Und vom blinden Kriechen in höchstends
hüfthohen Stollen haben wir beide genug. Übergenug, wie Aragorn mir mit
einem Stirnrunzeln bestätigt. Also den anderen Gang. Der sieht zumindest
anfangs bequemer zu durchgehen aus. Immerhin müssen wir uns nur bücken und uns
nicht mit der Nase auf dem Boden hindurchquälen,… Dafür verzweigt sich
dieser Gang an jeder Biegung. Nach rechts, links, in die Höhe, selbst
treppenähnliche Stufen locken zum Herabsteigen. Die Pracht der Steinsäulen, das
Schimmern an den Wänden nimmt zu. Hin und wieder fällt mir ein besonders
schöner, farbiger Stein auf, oder mächtige Kristalle, die halb aus dem Stein
herausgewachsen sind. „Wenn Gimli hiergewesen ist, diese Schönheit, diese
Wunder gesehen hat. Einfach nicht zu glauben, dieses Pracht, hier. Legolas,
berührt dich dieser Glanz unter der Erde denn gar nicht? Ich kann verstehen, daß
Gimli dem nicht widerstehen konnte, sich verirrt hat.“ „Nicht mehr
losgekommen ist, an diese Steine gekettet worden ist, wolltest du wohl sagen!
Das ist zu unwirklich, zu trügerisch. Aragorn, um wahr zu sein. Ist dir noch
nicht aufgefallen, das die Zwerge hiervon nichts wussten? Daß noch nie jemand
über eine solche Höhle in Moria berichtet hat? Selbst die Zwerge hätten das
nicht geheim halten können, nicht über Jahrhunderte! Und wo sollen wir Gimli
eigentlich suchen? Ist dir inzwischen etwas dazu eingefallen?“ Ich muß den
staunenden Menschen wieder einmal von einem zugegebenermaßen besonders strahlend
funkelnden Kristall wegziehen, fast mit Gewalt: „Los, weiter, weiter. Unser
Licht wird nicht lange halten. Oder willst du auch als Steinsäule enden? Wir
gehören noch oben, in die Sonne, unter den Mondschein. Und den Weg nach draußen
suchen wir jetzt. Und Gimli werden wir schon noch finden. In diesem Labyrinth,…“
Ohne Orientierung stolpern wir weiter. Die Gänge nehmen kein Ende, höhnen
uns mit ihren Verzweigungen nach. Wie oft sind wir schon an dieser
Kristallgruppe vorbeigekommen? Nach rechts oder eher nach links? Diese Fragen
stelle ich mir schon gar nicht mehr. Als würden die Steine näher rücken, uns
einschließen wollen in unserem planlosen Umherstolpern. Beklemmung stellt sich
ein. Auch Aragorn verliert letztendlich die Faszination über die Farben und
Formen,… Plötzlich öffnet sich vor uns die Säulenhalle mit dem See. Wie
kommt die dahin? Gut, in solchen Höhlen läuft man leicht im Kreis, aber der
Gang, durch den wir die Halle betreten,… Der war doch vorhin noch nicht
dagewesen? Das Reich des Berggeistes. Ein greifbarer Balrog wäre mir jetzt
lieber als diese Trugbilder, diese sich veränderten Irrgärten. Erschöpft lasse
ich mich auf den nächstliegenden Stein fallen. „Was nun?“
Aragorn antwortet nicht, läßt sich stattdessen ebefalls ziemlich verzagt neben
mir nieder. „Im Kreis gelaufen wie zwei Narren.“, stellt er treffend fest. „Wie
lange reicht unser Licht noch?“ „Halbvoll sind sie noch, unsere Lampen. Aber
Zeitgefühl habe ich keines mehr. Und Orientierung? Was war das noch schnell?“
„Spar dir deine Ironie, Legolas. Denk lieber nach. Da wir uns entschieden
haben, nun doch nicht zu sterben. So langsam möchte ich raus aus diesem Loch!“
„Hmm, wer ist hier ironisch? Ist dir schon aufgefallen, daß sich die Gänge
verändern, das Gestein mit jeder Biegung neue Möglichkeiten ausformt, sich zu
verlaufen? Das ist keine Höhle, Aragorn, das ist Magie. Und wir sind mitten
drin, mit uns wird gespielt.“ „Und was sagt die tausenjährige Weisheit
deines Volkes dazu?“ „Aragorn, laß das endlich! Ich bin zwar Elb, aber nicht
weise. Weder Magier noch Gelehrter. Woher soll ich den Weg zum Ausgang wissen?“,
schnaube ich zurück. „Noch einen Versuch? Zum Sterben kommen wir wieder hierher
zurück, Aragorn, da es dir vorhin an diesem Platz so gut gefallen hat,…“
Stöhnend rappeln wir uns wieder einmal auf, gelangen zum Höhlenende. Die
beiden weiterführenden Gänge sind überraschenderweise noch vorhanden, sie haben
sich auch nicht vermehrt, wie ich zuerst befürchtet hatte. In diesem
Kristallgrab halte ich inzwischen alles, wirklich alles für möglich. Wir
schauen uns an. „Denn größeren Gang hatten wir eben, nehmen wir jetzt den
kleineren?“ Ergeben nicke ich meine Zustimmung. Also doch mit der Nase auf
dem Boden durch die Felsspalten zwängen, bis wir uns nicht mehr umdrehen können,
stecken bleiben, der Berggeist uns frißt,… Ich mache den Anfang und robbe
mich die ersten hundert Schritte weit durch die Lücke. Habe ich nicht eben
ein dumpfes Lachen gehört oder beginnen meine Trugbilder von Neuem, mich zu
narren?
hier geht´s weiter
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