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Titel: Der
geschenkte Tag
(Seite 5) Autor: Naurdolien
*** Am späten Nachmittag trafen die Hobbits endlich
in Minas Tirith ein. In der Stadt herrschte ein Gewimmel
wie in einem Ameisenhaufen. Die Leute eilten hin und
her, um die Stadt für das bevorstehende Fest zu
schmücken. "Da sind wir wohl gerade recht
gekommen, was?" bemerkte Pippin und die anderen
Freunde stimmten ihm zu. "Gewiss werden wir die
letzten sein," grummelte Sam. Sie alle waren nun schon sehr aufgeregt und freuten
sich darauf, Aragorn wiederzusehen und seine Braut kennen
zulernen. "Und außerdem könnte ich schon
etwas zu Essen vertragen!" setzte Merry hinzu.
Alle lachten laut. Sie ritten schnurstracks zum Palast
und wurden von den älteren Soldaten fröhlich
begrüßt. Pippin suchte mit seinen Blicken
nach Bergil, aber er wusste, dass der junge Mann unter
Faramirs Befehl stand, also würde er ihn nach Dienstschluss
aufsuchen. Erst mal hatte der König Vorrang. Als die Hobbits den Palast betraten, sahen sie sich
verwundert um. Statt der gondorianischen Stadtwache
wurden die Tore zu Aragorns Reich von seltsamen Volk
bewacht. Sie waren dunkelhäutiger als die Menschen
Gondors, aber allein schon ihre Rüstungen und Waffen
waren von größter Kostbarkeit. Die gondorianischen Soldaten, die sie bis zum Palast
gebracht hatten, beäugten ihre neuen Kollegen skeptisch.
Zwar weigerten sich die fremden Soldaten, die Hobbits
hinein zu lassen, aber schließlich konnte die
alte Palastwache die Männer doch davon überzeugen,
dass es sich nicht um Kinder, sondern Freunde des Königs
handelte. Die Hobbits warfen sich vielsagende Blicke
zu. Tja, die Gastfreundschaft war ein wenig anders als
sonst, aber sicher hatte das nur etwas mit der bevorstehenden
Hochzeit zu tun. Schließlich wollte niemand ein
Attentat auf den König riskieren. Sie durchschritten die langen Gänge und waren
schon sehr aufgeregt. Schließlich hatten sie ihren
Freund schon seit gut drei Jahren nicht mehr gesehen.
Sam entdeckte im Vorübergehen noch mehr dieser
seltsamen Soldaten, aber niemand von ihnen kehrte sich
daran. Zu ihrer Überraschung war Aragorns Arbeitszimmer
verlassen und so beschlossen sie, sich auf den Weg zu
seinen privaten Gemächern zu machen. Vor der Tür
zu seinem Gemach trafen sie eine wunderschöne Frau
mit rabenschwarzem glatten Haar. "Schwarzes Haar,
Merry. Ich hab's dir ja gesagt, dass er eine Frau aus
seinem Volk erwählen wird," triumphierte Pippin.
Sein Cousin grummelte leise. "Schon gut, ich werde
daheim drei Tage für dich kochen und den Abwasch
machen. Ein Mann, ein Wort." Sam gab ihnen einen kräftigen Stoß in
die Rippen, dann verbeugte er sich tief vor der Frau.
"Ihr seid gewiss Aragorns Braut, nicht wahr?"
Die Frau beugte sich lächelnd zu ihm hinunter.
"Ganz recht. Darf man erfahren, wer ihr seid?"
Sie verbeugten sich geschwind und nannten ihr ihre Namen. Frodo fühlte sich plötzlich schlecht. In
seinem Kopf drehte sich alles und seine Schulter begann
zu schmerzen. Alle Farbe entwich aus seinem Gesicht
und die Stimmen seiner Freunde klangen, als wären
sie weit entfernt. Panisch sah er sich um. Er begriff
zunächst nicht, was vor sich ging. Es war weder
der Jahrestag seiner Nazgulwunde, noch konnte es etwas
mit der Verletzung zu tun haben, die ihm Kankra beigebracht
hatte. Frodo stützte sich mit der Hand gegen die
Wand und kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. "Ihr habt Glück, morgen werde ich Königin
dieses Reiches werden - ihr seid gerade recht hier eingetroffen,"
lächelte Mornuan und Pippin verbeugte sich tief
vor ihr. "Als Soldat Gondors stehe ich euch ganz
zu Diensten, meine schöne Gebieterin!" Merry
lachte und auch er verneigte sich. "Herrin, könnt
ihr uns wohl sagen, wo sich der König befindet?
Wir würden ihn zu gerne begrüßen!"
Sie lachte und legte dem Hobbit ihre kühle Hand
auf die Schulter. "Natürlich weiß ich
es! Folgt mir!" Obwohl er verloren hatte musste
Merry doch zugeben, dass er noch nie zuvor eine so schöne
Frau gesehen hatte. Frodos Schulter schmerzte noch mehr. Er wünschte
sich nichts sehnlicher, als ein Zimmer zu bekommen und
sich hinlegen zu können. Nun bemerkte auch Sam,
dass mit seinem früheren Herren etwas nicht
stimmte. "Was ist denn mit dir, Herr Frodo?"
fragte er besorgt und blieb stehen. Auch die anderen
hielten inne und Mornuan trat auf Frodo zu. "Ist
etwas nicht in Ordnung?" fragte sie und legte ihm
die Hand auf die Schulter. Ein jäher Schmerz, als hätte man ihm einen
Speer aus Eis durch die Schulter gejagt, begann in seinem
Körper zu wüten und er konnte nicht anders,
als ein Stöhnen zwischen den zusammengebissenen
Zähnen hervorbringen. Sam war sofort an seiner
Seite und stützte ihn. Frodo selbst begann zu zittern
wie Espenlaub und brachte keinen Ton hervor. Eine tiefe
Furcht erfüllte ihn. Diese Frau hatte etwas Furchterregendes
an sich, als wäre sie ganz und gar böse. Auch Merry und Pippin hatten sich mit besorgter Miene
um ihren Freund gescharrt. "Wir sollten ihn in
die Häuser der Heilung bringen. Dort wird man ihm
sicher helfen können." Mornuan nickte und
versprach, Aragorn zu benachrichtigen, dass seine Freunde
dort auf ihn warten würden. Sie sah Frodo mitleidig
an. "Wie schade, dass unsere erste Begegnung so
unerfreulich verlaufen musste, aber ich denke, es wird
nicht die letzte gewesen sein." Damit küsste
sie ihn auf die Stirn und Frodo verlor das Bewusstsein. *** Als er wieder zu sich kam, sah er das besorgte Gesicht
von Sam über sich gebeugt. Ein Lächeln huschte
über das Gesicht des Bürgermeisters von Hobbingen.
"Endlich, Frodo, ich habe mir schon große
Sorgen gemacht!" Vorsichtig fasste Frodo an seine
Schulter, aber sie war von normaler Temperatur und tat
auch nicht mehr weh. Das Schwindelgefühl in seinem
Kopf war verschwunden und die Bewegungen schmerzten
nicht mehr. Langsam sah sich Frodo im Raum um. "Wo
sind Merry und Pippin?" fragte er, als er das Fehlen
der beiden Freunde bemerkte. Sie waren zu Bergil und Eowyn gegangen, erfuhr Frodo
von Sam. Als die Heiler ihnen versichert hatten, dass
sie keine Krankheit oder Verletzung bei Frodo hatten
feststellen können, waren die beiden erleichtert
von dannen gezogen und hatten beschlossen, ihre lieben
Freunde zu besuchen. "Warum Streicher bis jetzt
noch nicht hier war, weiß ich aber auch nicht,
Herr Frodo. Das sieht ihm so gar nicht ähnlich."
Frodo nickte langsam. "Was war denn eigentlich mit dir los?"
fragte sein Freund, als er aufstand, und sich wie selbstverständlich
anzog. Die Heiler hatten keinen Krankheit feststellen
können und trotzdem war Frodos Zustand beunruhigend
gewesen. "Es geht mir gut." Sam sah ihn an und bat
stumm um Erklärung. Frodo setzte gerade zum Sprechen
an, als es sachte an der Tür klopfte und Aragorn
den Raum betrat. Die beiden Hobbits erschraken. Aragorns Haar war fast weiß und er hatte es
gewiss seit Tagen nicht mehr gewaschen. Der Bart war
zottelig und ungepflegt, seine Kleidung liederlich und
er schlurfte wie ein alter Mann. Sam öffnete und
schloss den Mund ein paar Mal, aber er war so verdattert,
dass kein Wort über seine Lippen kam. Frodo hingegen
hatte einen Verdacht, und er würde ihn sofort ansprechen,
denn die Erscheinung seines Freundes traf ihn wie ein
Stich ins Herz. "Aragorn, ich muss mit dir sprechen. Es ist
wichtig." Aragorn sah ihn neugierig an, fast so,
als bräuchte er einen Moment, um seinen Freund
zu erkennen. In Frodos Schulter begann es leicht zu
ziehen. Es war also noch nicht überstanden. "Worum
geht es?" fragte der König und setzte sich
zu Frodo aufs Bett. Der Hobbit legte ihm vorsichtig
eine Hand auf den Arm. Es waren schließlich keine
angenehmen Nachrichten, die er seinem Freund zu übermitteln
hatte. "Es geht um deine Braut - um Mornuan."
Allein bei der Erwähnung ihres Namens leuchtete
sein Gesicht, als wäre er Jahre jünger geworden
und Frodo zuckte zusammen. Es tat ihm so leid, dass
er Aragorn diese unangenehme Vermutung offenbaren musste.
Der Schmerz in seiner Schulter aber erinnerte ihn daran,
was er vor Aragorns Gemächern gefühlt hatte.
Es war wichtig, dass der König es erfuhr. "Es
tut mir leid, dir das zu sagen, aber sie hat etwas Schreckliches
an sich." Sam sah ihn aus großen Augen an und Aragorn
erhob sich. Der König straffte sich und verschränkte
die Arme vor der Brust. Das Schweigen lag erdrückend
auf dem Raum und Frodo fuhr fort. "Als sie mich
berührte, war es, als wäre ich von einem der
Nazgul persönlich gestreift worden. Aragorn, diese
Frau scheint durch und durch vom Bösen erfüllt
zu sein. Ich meine, sieh dich doch mal an..." Frodo biss die Zähne zusammen. In seiner Schulter
begann der Schmerz erneut zu wüten. Sam und Frodo
sahen Aragorn erwartungsvoll an, der eine gute Weile
lang gar nichts sagte. Schließlich baute er sich
zu seiner vollen Größe auf und Sam meinte
den Waldläufer wiederzuerkennen, den sie vor so
vielen Jahren getroffen hatten. Der König holte
tief Luft und wandte sich an Frodo. *** Laiethas Laune hatte sich nicht gehoben - im Gegenteil,
sie verfiel immer mehr ins Grübeln. Boromir hatte
es bemerkt und beobachtete es mit großer Sorge.
Er konnte ihr nicht helfen, sie musste selbst damit
fertig werden. Sie ritten nach Düsterwald, aber
oft ertappte Boromir sie dabei, dass sie anhielt und
nach Minas Tirith zurückschaute. Er wusste genau,
was ihr durch den Kopf ging, denn schließlich
war auch er zugegen gewesen, als Aragorn sein Urteil
über sie gesprochen hatte. Auch Bergil war die Stimmung seiner Freundin nicht
entgangen. Als sie anhielten, um zu rasten, ging er
zu ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter. Sie
sah ihn an, als wäre sie gerade erst aus einem
Traum erwacht. Bergil grinste sie breit an und verbeugte
sich tief vor ihr, so wie er es damals getan hatte,
als er noch ein Junge gewesen war - und schrecklich
verliebt in sie. "Frau Annaluva, darf ich euch um einen Gefallen
bitten?" Sie musste über seine Förmlichkeit
schmunzeln. Mit einem Nicken bedeutete sie ihm, zu sprechen
und erwartete mit hochgezogenen Augenbrauen seine Bitte.
"Unterweist mich ein wenig mehr im Schwertkampf."
Natürlich hatte sie über Aragorn nachgedacht,
aber nun musste sie einfach laut lachen. Sie zerzauste
ihm das Haar. "Aber erwarte nicht zu viel von mir
- ich bin ordentlich aus der Übung!" Sie hatte keine Zeit mehr gehabt, ihr Schwert zu
holen, darum gab Boromir ihr seine Waffe. Das Schwert
war zu groß für sie und auch ungewohnt schwer,
aber sobald sie ein paar Probestreiche damit geführt
hatte, breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht
aus und sie begab sich an Bergils Seite. Die Klingen schepperten, als sie aufeinander prallten
und Boromir dachte versonnen an jenen Tag, als er zum
ersten Mal gegen sie angetreten war. Sie war noch immer
schön - anders als damals, vielleicht noch schöner
für ihn. Mit erstaunlicher Geschicklichkeit und
großer Kraft führte sie die Waffe. Ihre Schläge
waren gut gezielt und sie verfolgte eine Taktik von
schnellen Angriffen und Rückzügen. Boromir
war gespannt, ob sie in der Lage sein würde Bergil
zu schlagen, denn der junge Mann war einer der besten
Kämpfer der Wache von Ithilien. Die anderen Soldaten ließen sich dieses Spektakel
auch nicht entgehen und schließlich setzte sich
Aiglos neben seinen Vater. Der Junge schüttelte
ungläubig den Kopf. "Warum hast du mir nicht
gesagt, dass Mama so gut darin ist? Ich hätte sie
fragen sollen, ob sie mir Unterricht gibt, statt dir
auf die Nerven zu gehen!" Boromir verpasste ihm
eine Kopfnuss. "Frecher Bengel!" lachte er. Laietha nahm einen unbedachten Schritt auf dem unebenen
Waldboden, stolperte über eine Wurzel und fiel
nach hinten über. Bergil hielt ihr das Schwert
vor die Nase. "Sieht wohl so aus, als wäre
ich nun der Meister von uns beiden, liebe Freundin,"
scherzte er, aber Laietha lachte leise. "Nicht
so voreilig, mein Freund. Noch ist nichts entschieden."
Bergil schüttete sich vor Lachen aus und deutete
auf ihr Schwert, das außer Reichweite lag, denn
sie hatte es im Sturz nicht halten können. "Ich gebe zu, du hattest erschwerte Bedingungen,
denn schließlich war es nicht dein eigenes Schwert,
aber Frau Annaluva, du bist entwaffnet. Gib auf!"
Er deutete mit seinem Kopf zu dem am Boden liegenden
Schwert. Laietha grinste und nutzte seine Unaufmerksamkeit,
um ihm hart gegen das Schienbein zu treten. Er stieß
einen überraschten Schmerzensschrei aus und Laietha
verlor keine Zeit. Sie schnappte sich seinen Knöchel,
zog mit aller Kraft und brachte Bergil zu Fall. Er hatte nicht einmal Zeit, zu begreifen, was geschehen
war, denn schon hatte sie sich auf seine Brust gesetzt
und ließ ihn auf die Spitze des Dolches starren,
die sie ihm ins Gesicht hielt. Sie schenkte ihm ein
hämisches Grinsen. "Nun, mein lieber Schüler,
ist es an der Zeit, dass ich dir beibringe, wie man
in einer echten Schlacht kämpft." Bergil rieb sich das noch immer schmerzende Schienbein
und Laietha reichte ihm schmunzelnd etwas zu Essen.
"Das war gemein, Laietha. Es war einfach nur unfair."
Laietha setzte ihre Unschuldsmiene auf und streckte
entschuldigend die Hände aus. "Es war nur
eine Lektion, die du noch lernen musstest, mein lieber
Bergil. Vielleicht wird sie dir eines Tages in einer
Schlacht den Hintern retten." *** Elrond und Elrohir waren die letzten, die sich aus
dem Haus begaben. Bereg und seine Frau warteten schon
und Olbern half Luthawen gerade auf ihr Pferd. Einige
von Beregs Männern begleiteten sie und die Elben
lächelten. Sie freuten sich schon darauf, wieder
nach Minas Tirith zu kommen. Elrond war froh, dass sein
Ziehsohn letztendlich doch noch eine Frau gefunden hatte,
die ihn glücklich machen würde. Zwar war er
froh gewesen, dass seine Tochter sich gegen ein sterbliches
Leben entschieden hatte, aber er liebte Aragorn wie
einen Sohn und so lag ihm schließlich auch sein
Glück am Herzen. Es war eine fröhliche Reise, denn man ritt zu
einer Hochzeit - und so etwas geschah nicht jeden Tag.
Bereg ging es wieder blendend. Er hatte sich Dank Elronds
Pflege schnell erholt. Olbern wich nicht von Luthawens
Seite und hielt ihre Hand während sie ritten. Sein
Vater lachte laut. Wenn er daran dachte, dass Luthawen
vor noch nicht gar so langer Zeit ein Kind gewesen war
- und nun war sie eine bezaubernde junge Frau und die
Freundin seines Sohnes! Sie hatte sich prächtig
entwickelt. "Sag mir, Lutha, willst du immer noch eine tapfere
Kriegerin wie deine Mutter werden?" fragte Bereg
lachend. Luthawen errötete und schüttelte
den Kopf. "Nein, das Kriegshandwerk ist nichts
für mich. Ich kann ja nicht mal ein Schwert anheben
und bringe es nicht übers Herz, eine Spinne zu
töten." Bereg schmunzelte. Sie sah ihrer Mutter
zwar sehr ähnlich, aber die beiden Frauen waren
doch so verschieden wie Sonne und Mond. "Ich will eine Heilerin werden, wie mein Großvater."
Bereg nahm ihre Hand und lächelte milde. "Das
ist ein ehrenvoller Beruf." Olbern pflichtete seinem
Vater bei. "Er hat recht, Lutha. Sieh dir nur mal
mein Volk an - wir haben viel zu wenige Heiler bei uns,
obwohl so viele heilende Kräuter bei uns wachsen.
Einen großen Teil von ihnen verkaufen wir in den
angrenzenden Ländern und bekommen gutes Geld dafür.
Dennoch wäre mein Vater gestorben, wenn du und
Herr Elrond ihm nicht geholfen hätten. Düsterwald
könnte viel mehr Heiler gebrauchen!" Elrond sah Olbern strafend an. "Ich würde
das nicht Herrn Boromir hören lassen, wenn du dir
seinen Zorn nicht zuziehen willst." Alle brachen
in schallendes Gelächter aus - nur Luthawen war
sehr still. *** "Was willst du damit sagen?" Aragorn hatte
die Augen zu kleinen Schlitzen verengt und musterte
Frodo kalt. Sein Blick war stechend und Frodo biss die
Zähne zusammen, denn in seiner Schulter stach und
brannte es, genau wie an jenem Tag im Oktober, wenn
er wieder jedes Jahr aufs neue an die Begegnung mit
dem Nazgul erinnert wurde. "Etwas ist nicht in
Ordnung, Aragorn! Sie ist durch und durch böse!
Ich kann es fühlen." Der König ließ ein wütendes Schnauben
hören und packte den Hobbit am Kragen. "Du
wagst es, meine zukünftige Frau so zu beleidigen?!"
donnerte er. Frodo sah ihn entsetzt an. Sollte es möglich
sein, dass er in ihrer Gewalt war? Sam war nicht so sprachlos wie Frodo. "Streicher!
Was ist denn in dich gefahren?" Der König
wirbelte herum und fast konnte Sam Wahnsinn in seinen
Augen blitzen sehen. "Wie hast du mich genannt?"
fauchte er. Die beiden Hobbits tauschten einen Blick
aus und wussten in diesem Moment, dass sie sich in Gefahr
befanden. Doch nun war es zu spät. Aragorn rief
lauthals nach seinen Wachen und es eilten vier Männer
in exotischen Rüstungen herbei. "Schafft sie
fort! Niemand beleidigt meine Frau und den König
von Gondor! Morgen nach der Hochzeit sollen sie sterben.
Lasst es in der Stadt verkünden!" Die Wachen packten die Hobbits unsanft am Arm und
schleppten sie in Richtung Kerker. Als sie die Tür
passierten, sahen sie Mornuan, die eng umschlungen mit
Aragorn im Flur stand. Sie warf den Halblingen ein triumphales
Lächeln zu. "Niemand wird es wagen zu bezweifeln,
dass du die wahre Herrscherin dieses Königreiches
bist. Dafür werde ich sorgen," hörten
sie Aragorn sagen. Dann hatten sie den Palast verlassen
und waren auf dem Weg in die Verliese. Wenn sie doch
nur Merry und Pippin hätten warnen können! *** Merry und Pippin waren zunächst bei Bergils
Haus gewesen, aber es war verlassen und die beiden hatten
sich verwundert angesehen. Das war seltsam. Nun ja,
vielleicht würde Eowyn ihnen Auskunft geben können.
So machten sie sich auf den Weg zu ihrer Freundin. Es
war schon später Nachmittag, als sie endlich beim
Haus von Eowyn und Faramir ankamen. Die Haushälterin
öffnete ihnen die Tür und musterte sie eine
Weile lang streng und gründlich. Dann aber erkannte
sie, dass es keine Kinder, sondern Halblinge waren und
sie ließ die beiden Besucher ein. Eowyn stand im Wohnzimmer und packte ihre Sachen.
Ihr Aufbruch nach Edoras hatte sich ein wenig verzögert,
aber sie wollte sich noch vor Einbruch der Dämmerung
auf den Weg machen. Die Kinder freuten sich schon darauf,
dass sie einen Ausflug zu ihrem Onkel Eomer machen sollten
auch wenn Ionvamir zu ahnen schien, dass etwas nicht
in Ordnung war. Es klopfte an der Tür und Eowyn wirbelte erschreckt
herum. Die Haushälterin führte die Gäste
ins Zimmer. Merry und Pippin liefen freudig auf Eowyn
zu, aber die Frau sah sich suchend um. "Seid ihr
denn allein gekommen?" fragte sie mit einem unguten
Gefühl. Merry erzählte ihr, dass Frodo sich
zusammen mit Sam in den Häusern der Heilung befand.
"Aber mach dir keine Sorgen, es wird ihm bald wieder
besser gehen. Aragorn wollte nach ihm sehen." Eowyn entgleisten die Gesichtszüge. "Dann
wisst ihr es noch nicht! Aragorn hat den Verstand verloren!
Denkt euch nur, er hat Laietha wegen Hochverrats zum
Tode verurteilen lassen! Er steht unter dem Bann seiner
zukünftigen Frau..." Die beiden Hobbits schenkten
ihr entgeisterte Blicke. Ihnen war die Verlobte von
Aragorn ganz passabel erschienen. Nun war es an Eowyn,
zu berichten. Die Geschichte war schnell erzählt
und Unruhe machte sich breit. "Wir sollten Frodo
und Sam schnell warnen gehen," stellte Pippin fest.
Es bedurfte keiner weiteren Beratung. Sie wandten
sich zum Gehen, als von draußen vor dem Fenster
Lärm laut wurde. Die Leute brachen in Jubelschreie
aus und verstummten dann plötzlich. Eowyn und die
Hobbits drängten sich ans Fenster. Sie sahen einen
Herold des Königs durch die Straßen laufen.
Er verkündete eine Botschaft. "Höret, Bürger von Minas Tirith, am
morgigen Tage zur fünften Stunde nach Sonnenaufgang
wird unser geliebter König Aragorn die liebliche
Frau Mornuan zu seinem Weibe machen. Der morgige Tag
wird zum Feiertag erklärt. Zur Feier des Tages
wird am Nachmittag eine Hinrichtung stattfinden. Zwei
feindliche Spione aus fernen Landen werden den Tod finden
und ihr seid alle eingeladen, zuzusehen!" "Eine öffentliche Hinrichtung - na, das
hat es ja auch schon seit Truchsess Denethor nicht mehr
gegeben," murmelte Nana und verschwand in der Küche.
Eowyn und die Hobbits sahen sich sprachlos an. Sie ahnten
sehr wohl, wer diese fremden Spione waren. Eowyn sank
in einen Sessel und stützte den Kopf in ihre Hände.
Merry und Pippin waren für einen Moment sprachlos.
Die Frage nach dem Warum lag ihnen auf der Zunge, aber
Eowyn hatte es ihnen ja erklärt. Nur an einem gab
es keinen Zweifel - Eowyn erhob sich und griff nach
ihrem Schwert. "Wir werden sie heute Nacht befreien
müssen. Das ist die einzige Möglichkeit." *** Aragorn lag schwer atmend und erschöpft auf
dem Rücken. Er schloss die Augen und die Welt begann
sich um ihn zu drehen. Mornuan griff nach ihrem Morgenmantel
und schlüpfte aus dem Bett. Mit einem Lächeln
leckte sie sich das Blut aus den Mundwinkeln. Sie trat
ans Fenster und betrachtete den nahenden Sonnenuntergang.
Nun war sie ihrem Ziel so nahe - eigentlich bedauerte
sie es fast, dass ihr Spiel nun ein Ende finden würde
- es hatte gerade begonnen, ihr zu gefallen. Sie würde am Morgen mit ihm vermählt werden
und dann würde sie den Bann von ihm nehmen. Mit
Genuss würde sie ihm vom unglücklichen Tod
seiner Schwester berichten. Das würde sie zumindest
ein wenig für die Mühen der letzten Monate
entschädigen. Vielleicht würde sie ihn so
lange am Leben lassen, dass er den Tod seiner Freunde
mit ansehen konnte, aber dann würde der König
einen bedauerlichen Unfall erleiden. Es war zu gefährlich,
ihn am Leben zu lassen. Aragorn regte sich. Sie warf einen Blick auf die
zusammengekauerte Figur auf dem Bett und plötzlich
schüttelte sie der Ekel vor dem Greis, den sie
zu ihrem Liebhaber gemacht hatte. Aber morgen würde
es vorbei sein. Nun, wenn der König erst tot war,
würde sie sich einen neuen Liebhaber suchen. Sie
hatte gehört, dass König Eomer von Rohan ein
stattlicher Mann war. Mornuan griff in die Schublade
ihres Nachttisches und zog einen dicken Haarzopf hervor.
Sie strich mit einem boshaften Lächeln darüber.
"Die Königreiche von Gondor und Rohan - durch
Liebe vereint! Was hättest du wohl dazu gesagt,
Annaluva?" Mornuan lachte laut. Im Westen ging die Sonne unter und der Himmel sah
aus, als hätte man ihn in frisches Blut getaucht.
Mornuan lächelte in sich hinein und sah den dicken
roten Zopf, der mit vielen silbernen Haaren durchzogen
war, eine Weile lang an. So lange hatte sie darauf gewartet.
Endlich würde sie wieder das Leben führen
können, das ihr zustand - das Leben, um das sie
Annaluva betrogen hatte. War es nicht eine glückliche
Fügung des Schicksals, dass sie über ihren
Bruder dazu kommen sollte? Ihr Gesicht verhärtete sich bei der Erinnerung
an längst vergangene Zeiten. Einst war sie eine
Königin gewesen - die Frau eines mächtigen
Hexers, der ihr nicht nur Liebe geschenkt hatte, sondern
ihr alles beigebracht hatte, was sie wusste. Er hatte
sie nicht nur zu seiner Geliebten und seiner Königin
gemacht, sondern ihr die Macht verliehen, eine der größten
Zauberinnen Mittelerdes zu werden. Ihr Leben war perfekt
gewesen - bis zu dem Tag, als Annaluva aufgetaucht war.
Ja, sie kannte die Kriegerin, auch wenn die Menschenfrau
sie nicht mehr erkannt hatte. Es war sehr lange her - noch vor dem großen
Ringkrieg. Mornuan und ihr Mann waren nach Bruchtal
gereist, um mit Herrn Elrond zu sprechen. Annaluva,
dieses kleine Flittchen, hatte zuerst ihrem Mann schöne
Augen gemacht. Glücklicherweise hatte Herr Elrond
ihnen bald seine Gastfreundschaft versagt, als Mornuans
Mann ihm vorgeschlagen hatte, die Zwerge zu überfallen
und sich die Reichtümer der Mienen zu eigen zu
machen. Mornuans Mann hatte zum Krieg gegen Bruchtal
aufgerufen. Sicher - es war ein Fehler gewesen, das
hatte auch Mornuan gewusst, aber ihr verletzter Stolz
und der Zorn ihres Mannes hatten sie blind gemacht,
gegen die Überlegenheit der elbischen Armee. Annaluva und ihre Männer hatten den Truppen
ihres Mannes an den Grenzen zu Bruchtal aufgelauert
und in einem gewaltigen Scharmützel waren alle,
bis auf den letzten Mann vernichtet worden. Mornuan
hatte abseits gestanden und mitangesehen, wie Annaluva
ihrem Mann den Kopf vom Rumpf getrennt hatte. Die Kriegerin
hatte das Haupt ihres Mannes auf einen Speer gesteckt
und als Warnung für andere Eindringlinge an den
Grenzen aufgestellt. Als das Volk von dieser vernichtenden
Schlacht erfahren hatte, hatte es Mornuan unter Schimpf
und Schande davongejagt und sie hatte viele Jahre in
großem Elend leben müssen. Niemals hatte sie das Gesicht der Kriegerin vergessen
- das wehende rote Haar, die blitzenden Augen - all
das hatte der Hass in ihr Herz gebrannt. Aber nun war
die Frau tot. Mornuan strich über den Zopf. Sie
wäre zu gern dabei gewesen, als der Junge sie ins
Jenseits befördert hatte, aber das hätte vielleicht
ihre Pläne zu Fall bringen können. Es wäre
dumm gewesen, so kurz vor ihrem Ziel alles zu riskieren.
Nein, es war genug gewesen, den Schmerz in Annaluvas
Augen zu sehen, als ihr geliebter Bruder sie zum Tode
verurteilt hatte. Mornuan hoffte, dass der Soldat Annaluvas
Tod langsam und qualvoll gestaltet hatte. Nun, all das gehörte der Vergangenheit an. Es
hatte sie immer nach Macht verlangt und morgen würde
sie die Königin des mächtigsten Reiches dieser
Welt werden. Annaluva war tot und ihr geliebter Bruder
würde ihr folgen, sobald sie Königin war.
Mornuan lachte laut und die Vögel verließen
ängstlich ihre Nester. *** Olbern saß auf einer kleinen Lichtung und beobachtete
die Elben, die das Abendessen zubereiteten. Bereg und
seine Frau ruhten am Lagerfeuer und Luthawen versorgte
einen Schnitt an der Wange von Beregs Frau, wo sie im
Ritt ein Zweig gestreift hatte. Der junge Beorninger
lächelte versonnen. Er fühlte sich so glücklich!
Manchmal gab er sich kurzen Tagträumen über
ihn und Luthawen hin, wie sie in einem kleinen Haus
mit Garten lebten... Aber wenn sie in Minas Tirith ankamen, würde
die schöne Zeit vorbei sein. Er schüttelte
den unangenehmen Gedanken an Trennung ab und griff nach
einem Stückchen Pergament und seiner Feder. Er
begann, etwas niederzuschreiben und als er fertig war,
betrachtete er es eine Weile lang. Elrohir trat an seine
Seite und sah ihm über die Schulter. "Was
ist das, Olbern?" fragte er neugierig. Der junge
Mann sah auf und reichte ihm das Pergamentstück.
"Ein Gedicht für Lutha." Der Elb sah es sich eine Weile an. Olbern wurde abwechselnd
rot und weiß vor Aufregung und als Elrohir das
Schriftstück endlich sinken ließ, sah Olbern
ihn erwartungsvoll an. "Was hältst du davon?"
Der Elb lachte. "Geh und pflück ihr ein paar
Blumen, mein Junge!" Er schlug dem jungen Beorninger
freundschaftlich auf die Schulter. Zunächst sah
der junge Mann ihn etwas verdutzt an, dann aber stimmte
er in das Gelächter mit ein. "Na ja, ich bin eben eher ein Krieger vielleicht
ein Diplomat, aber bei weitem kein Dichter! Man kann
ja nicht alles können!" Damit lief er in den
Wald und kam nach einigen Minuten mit einem kleinen
Strauß Waldblumen zurück. Sie nahmen ein
gemütliches Mittag zu sich und machten sich wieder
auf den Weg. Es waren noch etwa drei Tagesmärsche
bis Minas Tirith, denn schließlich hatten sie
keine Eile. Am späten Nachmittag sahen sie, wie sich jemand
am Horizont auf sie zu bewegte. Sie stiegen von den
Pferden und erwarteten den einsamen Reiter. "Es
ist Elladan!" rief Elrohir schließlich aus
und schwang sich aufs Pferd, um seinem Bruder entgegenzugaloppieren.
Bevor er sich jedoch von den anderen entfernen konnte,
war sein Bruder schon eingetroffen. Er sah völlig
erschöpft aus. "Seit Tagen suche ich nach euch! Ich dachte
schon, ich würde bis Düsterwald reiten müssen!"
Elrond und sein Sohn tauschten einen Blick und Elrohir
dachte wieder an das ungute Gefühl, das er wegen
seiner Schwester gehabt hatte. "Was ist geschehen?"
fragten sie wie aus einem Munde. Elladan berichtete, was er wusste und Elronds Miene
verfinsterte sich zusehends. Luthawen hatte sich an
Olberns Hand geklammert, als Elladan von Laiethas Verletzung
berichtet hatte. Auch Elrond legte die Stirn in Falten
und dachte eine ganze Weile lang nach. Ja, sie hatten
es mit dunkler Magie zu tun, und nach allem, was sein
Sohn berichtet hatte, war diese Frau sehr stark. Warum
hatte er nur nichts bemerkt? Schuldgefühle stiegen in ihm hoch, denn er hätte
allen viel Leid ersparen können. Er hoffte nur,
dass er in der Lage sein würde, etwas gegen diese
Frau zu unternehmen - und dass es noch nicht zu spät
war, um zu handeln. "Wir dürfen keine Zeit
mehr verlieren. Lasst uns aufbrechen. Elladan, du wirst
neben mir reiten und mir noch einmal alles genau berichten.
Vielleicht weiß ich, wie man diesem Weib beikommen
kann." *** Die Dunkelheit hatte ihren schützenden Mantel
über die Stadt gelegt und die drei Figuren schlichen
durch die Straßen zu den Kerkern. "Hoffentlich
sind die Wachen bei den Gefängnissen noch nicht
ausgetauscht worden," flüsterte Eowyn. Sie
waren nur zu dritt und so waren sie auf Verbündete
angewiesen, wo es nur ging. Die Hobbits zogen ein grimmiges
Gesicht - sie waren zu einer Hochzeit gekommen - es
hatte ein fröhliches Fest werden sollen und nun
mussten sie sich Sorgen machen, weil ihre Freunde zum
Tode verurteilt worden waren. Aber das Glück oder die Gunst der Valar waren
mit ihnen, denn vor den Zellen fanden sie Aragorns Männer.
Sie kreuzten ihre Waffen, als Eowyn und die Hobbits
in den Kerker gehen wollten. Der ältere von beiden
erkannte Eowyn sofort. "Was führt euch denn
hierher, Herrin? Wollt ihr nach den Halblingen sehen?"
Eowyn lächelte traurig und legte ihm die Hand auf
die Schulter. "Mein lieber Rangamer, unser König
hat seinen Verstand verloren. Zuerst befiehlt er seine
Schwester zu verhaften - du hast es gewiss gehört
- und nun will er seine Freunde hinrichten lassen. Ich
komme, um dieses Unrecht zu verhindern und bitte dich,
mich nicht zu hindern." Er dachte einen Moment
lang nach, denn schließlich war es ja seine Pflicht,
den Kerker zu bewachen. Aber auf der anderen Seite hatte
auch er sich gefragt, was diese Halblinge wohl getan
haben mochten, um sich den Zorn des Königs aufzuladen.
Dennoch - es blieb Hochverrat, was er tun würde.
Sein Kamerad sah ihn fragend an. Schließlich seufzte Rangamer. "Man munkelt,
Frau Annaluva sei geflohen - andere berichten, man hätte
sie bei der Flucht getötet. Unser König scheint
nicht mehr bei Sinnen zu sein und auch ich war damals
ein junger Soldat, als die Halblinge alles riskierten,
um den Finsteren zu besiegen. Soll man ihnen ihre Mühen
damit lohnen, indem man sie von ihren eigenen Freunden
töten lässt? Folgt mir, ich werde euch den
Weg zu ihrer Zelle zeigen!" Leise liefen sie durch die Gänge des Gefängnisses
und schließlich wies Rangamer auf eine der Zellen.
"Eilt euch, ich werde hier Wache halten."
Eowyn nickte dankbar. "Wir werden uns auf die Suche
nach Faramir und den anderen machen. Keine Sorge, wenn
der König wieder Herr seiner Sinne ist, wird euch
kein Leid mehr geschehen. Fürs erste aber, begleitet
uns, Rangamer. Eure Güte soll vergolten werden." Frodo und Sam saßen zusammengekauert an der
Wand ihrer Zelle. Der Schreck und die Fassungslosigkeit
standen ihnen ins Gesicht geschrieben. "Wenn ich
den in die Finger kriege, Herr Frodo! Hat man so was
schon mal gesehen!" Frodo schüttelte den Kopf.
Natürlich verstand er Sams Zorn, aber er hatte
einen Funken der Macht gespürt, die in Mornuan
steckte - allein die Erinnerung ließ seine Schulter
brennen. Als die Tür sich öffnete, sprang Sam auf,
aber bevor er zu einer Schimpftirade ansetzen konnte,
erblickte er Eowyn und seine Freunde. Sie sahen sich
kurz an, doch dann umarmten sie sich freudig. "Was
geht denn hier vor, Eowyn? Kannst du es mir erklären?"
fragte Sam, doch die Frau schüttelte den Kopf.
"Ich weiß nicht viel, doch das Wenige nimmt
noch zu viel Zeit in Anspruch. Wir alle sind nun in
Gefahr und müssen die Stadt rasch verlassen."
Damit machte sie sich daran, Sams Ketten zu lösen.
Sie konnte es nicht fassen, aber man hatte die Hobbits
tatsächlich an der Wand festgekettet, wie gemeine
Räuber und Mörder. Frodos Schulter wurde eiskalt. Der Schmerz bohrte
sich bis zu seinem Herzen vor und er schnappte nach
Luft. Er kannte dieses Gefühl! Er stöhnte
vor Schmerz und umklammerte seine Schulter. "Was
zum Balrog hat sie nur mit ihm angestellt?" tobte
Sam, als er die letzte Fessel abstreifte. "Wer?"
fragte Pippin, der sich neugierig im Kerker umgesehen
hatte. Er hätte gar nicht für möglich
gehalten, dass es in Gondor solche Verliese gab. "Mornuan!"
brachte Frodo schmerzgepeinigt hervor. Die anderen fuhren herum und als sie seinen gequälten
Ausdruck bemerkten, eilten sie an seine Seite. Frodos
Augen wanderten unruhig im Raum herum. "Mornuan!"
rief er warnend, aber Eowyn legte ihm schnell die Hand
auf den Mund. "Sch, Frodo, still! Wir dürfen
keine Aufmerksamkeit auf uns ziehen!" Sie machte
sich an seinen Ketten zu schaffen. Frodos Kopf begann zu pochen und ihm wurde schwarz
vor Augen. Es war ihm, als breitetet sich die Kälte
von seiner alten Wunde über seinen ganzen Körper
aus. "Mornuan..." flüsterte er heiser.
Sam und Eowyn tauschten einen besorgten Blick und Merry
und Pippin machten sich schon daran, ihrem Freund auf
die Beine zu helfen. "Wir müssen von hier
verschwinden," stellte Sam fest. Ein entsetzter
Schrei entkam Frodos Kehle und er riss die Augen auf.
Hinter ihnen wurde höhnisches Gelächter laut.
"Ihr werdet nirgendwohin gehen!" Eowyn wirbelte herum und starrte auf die Spitze eines
blutbefleckten Schwertes. "Euer verräterischer
Freund von der Palastwache hat mit seinem Leben bezahlt,
und so wird es euch ebenfalls ergehen. Ihr und eure
Freunde werdet morgen sterben!" Zu rasch für die Hobbits und Eowyn, die vom
Erscheinen der Frau überrascht gewesen waren, war
Mornuan zur Tür gehuscht und hatte sie mit einem
Knall ins Schloss fallen lassen. Eowyn war hinter ihr
hergestürmt und hämmerte mit den Fäusten
gegen die schwere Eichentür, aber es war sinnlos.
Durch das schmale Guckloch konnte sie erkenne, wie einige
Männer in den Uniformen von Mornuans Armee einen
leblosen Körper fortschafften. Rangamer - er war
der erste gewesen, der ihrem bösen Spiel zum Opfer
gefallen war, aber er würde nicht der letzte sein.
Eowyn ging mit einem verzweifelten Ausruf in die
Knie. Was würde jetzt aus ihren Kindern werden?
Ihr Vater war fort und sie würde morgen sterben
müssen. Jetzt war alle Hoffnung dahin, denn nicht
einmal ein Wunder würde ihnen helfen können.
Wenn Mornuan erst Königin von Gondor war, würde
niemand in diesem Königreich mehr hoffen können. *** Faramir war am Rande seiner Kräfte. Seit fast
zwei Tagen war er ohne Unterbrechung geritten. Er dachte,
dass er gleich vom Pferd fallen würde. Trotzdem
musste er es schaffen! Er musste Laietha und Boromir
finden und ihnen von den Soldaten in der Stadt erzählen.
Es würde zum Krieg kommen! In einiger Ferne konnte
er den Schein eines Lagerfeuers sehen. Die Sonne war
vor einigen Stunden untergegangen und Faramir hoffte,
seine Freunde dort zu finden. Er gab seinem Pferd die
Sporen und trieb das Tier zu einem Tempo an, als wäre
ein Balrog hinter ihm her. Bergil und Boromir hatten die erste Wache übernommen.
Der junge Soldat schüttelte den Kopf. "Ich
weiß nicht, was in unseren König gefahren
ist! Er ist doch sonst so vernünftig und willensstark!
Man erzählt sich, dass er sogar Sauron am Palantir
gegenübergetreten ist, ohne seinem Bann zu verfallen!"
Schnell verstummte er, denn schließlich war es
bekannt, dass Boromirs Vater durch das Palantir wahnsinnig
geworden war. Aber der Mann schien nicht daran zu denken.
"Er ist sehr einsam gewesen, Bergil. Wir können
nicht immer stark sein. Meine Frau sagt, er steht im
Bann seiner Braut." Bergil schüttelte den
Kopf. "Und warum gehen wir dann nicht einfach hin
und schlagen ihr den Kopf ab?" Nun musste Boromir
lachen. Der Junge war ihm manchmal ziemlich ähnlich.
"Genau meine Meinung, Junge, aber das geht leider
nicht so einfach." Boromir wurde wieder ernst.
"Dieser Bann ist nicht wie der, den unsere Frauen
über uns gelegt haben. Sie ist eine mächtige
Hexe und mit Schwertern kommen wir ihr nicht bei. Deshalb
suchen wir Herrn Elrond. Er wird Rat wissen." Oder
wir sind verloren, setzte er in Gedanken hinzu. Die Männer verfielen wieder ins Schweigen, als
Boromir plötzlich eine Bewegung am Horizont ausmachte.
Er stieß Bergil mit dem Ellenbogen an und deutete
in die Richtung. Bergil sah ihn an und nickte. "Wir
sollten die anderen wecken!" Als Faramir das Lager erreichte, starrte er auf blitzende
Pfeilspitzen, die auf ihn gerichtet waren. "Nicht
schießen! Ich bin es!" rief er aus. Sofort
ließen die Männer ihre Waffen sinken und
Boromir stürzte zu ihm. Sein Bruder rutschte vom
Pferd und kauerte keuchend am Boden. Die Erschöpfung
drohte ihn zu übermannen. Boromir beugte sich zu
ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter und auch
Laietha eilte an seine Seite. Sie sah ihn besorgt an.
"Oh Faramir, sprich, was willst du denn hier?
Ist etwas mit meinem Bruder nicht in Ordnung?"
Faramir hob den Kopf. Das Licht des Lagerfeuers warf
Schatten auf sein Gesicht und nun wurde offenbar, wie
müde er aussah. "Wir werden bald Krieg haben.
Ihr müsst kommen und helfen!" Damit verlor
er das Bewusstsein.
Boromir reagierte sofort
und verhinderte, dass sein Bruder den Boden berührte.
Laietha beugte sich zu ihrem Schwager hinab und untersuchte
ihn gründlich. Sie fand weder Zeichen einer Verletzung
noch von Krankheit. "Er ist erschöpft - schnell,
bringt eine Decke!" befahl sie. Beregond brachte
das Gewünschte und sie trugen Faramir ans Feuer.
Der arme Teufel, dachte sie. Er musste die ganze Zeit
durchgeritten sein. Ich frage mich, was ihn so zur Eile
angetrieben hat. Laietha strich ihm sanft die Haare
aus der Stirn. Aiglos war wohl der Einzige, der Schlaf fand. Laietha
und Boromir hielten bei Faramir Wache und die Soldaten
saßen dicht beieinander und unterhielten sich
leise. Das Lagerfeuer knisterte und knackte und ab und
zu warfen sie frische Äste hinein, um es am Leben
zu halten. Einige der Soldaten spielten gedankenverloren
an ihren Waffen herum. "Krieg," murmelte Boromir
nachdenklich. Sein Blick traf den seiner Frau. "Wir
werden abwarten müssen, bis er wieder zu sich kommt,
aber ich glaube nicht, dass uns seine Kunde gefallen
wird." Ihr Mann nickte gedankenverloren. Sein Blick
schweifte über die Soldaten und er zählte
im Stillen. Es waren nicht mehr als dreißig. Was sollten sie ausrichten können, wenn es zum
Krieg kam? Und Krieg gegen wen? "Wahrscheinlich
hat sie irgendwo eine Armee und Faramir hat davon Wind
bekommen." Laietha zuckte hilflos mit den Schultern.
"Selbst wenn - wir können nichts gegen sie
ausrichten. Es hilft nichts, Boromir, wir müssen
abwarten, was mein Vater sagt." Boromir sah sie
lange an. "Wenn sie ihre Leute schon in die Stadt
eingeschleust hat, werden wir jeden Man brauchen, der
ein Schwert führen kann." Boromir hatte also
den selben Verdacht wie sie - Mornuan hatte ihre Männer
in die Stadt geholt. "Und jede Frau, die kämpfen
kann," setzte Laietha bestimmt hinzu. Als sie sah,
dass Boromir ansetzten wollte, sie zu bitten, dass sie
nicht mit ihm käme, schnitt sie ihm schnell das
Wort ab. "Er ist immer noch mein Bruder, egal was vorgefallen
ist. Verlange bitte nicht, dass ich ihn seinem Schicksal
überlasse. Ihr braucht jeden, der eine Waffe führen
kann." Boromir lächelte traurig und küsste
sie auf die Stirn. "Ich hab mir schon gedacht,
dass du so etwas sagen würdest, Frau Annaluva,
obwohl ich gehofft hatte, du würdest dein Leben
diesmal nicht riskieren." Sein Blick fiel auf Aiglos,
der auf der anderen Seite des Lagers friedlich schlief.
Laietha lehnte sich gegen seine Brust. "Ich werde ihn mit zwei Männern vorausschicken,
damit er meinen Vater sucht. Ihm wird nichts geschehen."
Ich wünschte, du würdest ihn begleiten, Laietha.
Ich könnte es nicht ertragen, dich zu verlieren.
Aber du hast wohl recht, wir brauchen dich hier nötiger,
dachte er und küsste ihren Scheitel. Die Sonne ging auf und der Waldboden war mit Nebel
bedeckt. Dämmriges Licht brach durch das Blätterdach
und die Vögel begannen zu zwitschern. Es sah alles
so friedlich aus, aber sie alle wussten, dass dieser
Friede nicht von Dauer sein würde. Faramir schlief
noch immer und Laietha hatte sich erhoben und ging zu
ihrem Sohn. Sie rüttelte den Jungen sanft an der
Schulter. "Hey, Aiglos, wach auf," flüsterte
sie sanft. Er gähnte und öffnete verschlafen
ein Auge. Sie rang sich ein Lächeln ab und reichte
ihm etwas zu Essen. "Du musst dich heut etwas mit dem Aufstehen
beeilen - ich habe einen Spezialauftrag für dich."
Als der Junge das hörte, leuchteten seine Augen.
Er liebte den Gedanken, etwas sehr wichtiges und ehrenvolles
tun zu müssen. Das roch nach einem Abenteuer! "Was
soll ich tun, Mama?" fragte er aufgeregt und schlang
hastig sein Frühstück herunter. Seine Mutter
kämmte ihm das wilde Haar und band es zu einem
Zopf zusammen. "Du wirst mit Bergil und Daurel
reiten. Ihr müsst deinem Großvater eine wichtige
Botschaft überbringen." Aiglos war nun kaum
noch zu halten. Er mochte Bergil sehr und er würde
ohne seine Eltern reiten! Was für ein Abenteuer!
Laietha hatte ihren Sohn noch nie so schnell beim Waschen
gesehen. Bald schon war er fertig zum Aufbruch. Er umarmte seine Mutter fest und sein Vater schlug
ihm freundschaftlich auf die Schulter. "Mach mir
keine Schande, mein Sohn," grinste er. Aiglos schwang
sich aufs Pferd und die drei jungen Männer stoben
in Richtung Düsterwald davon. Laietha und Boromir
sahen ihnen lange nach. Faramir begann sich zu regen. Sofort eilte sein Bruder
an seine Seite. Der Fürst von Ithilien sah noch
immer müde und mitgenommen aus, aber nach einem
Schluck Wasser und einem Bissen zu essen, begann er
zu berichten. Boromir verzog das Gesicht, als sein Bruder
mit seinen Ausführungen fertig war. "Schlechte
Nachrichten bringst du." Sie hatten so etwas befürchtet,
aber es bestätigt zu wissen, war etwas anderes.
Aus Faramirs Bericht ging hervor, dass Mornuan ungefähr
die selbe Anzahl an Soldaten in die Stadt geschleust
hatte, wie es Männer in der Palastwache Ithiliens
gab. Es waren also nicht allzu viele, aber sie wussten,
wenn diese Frau es geschickt anstellte und alle Wachen
aus dem Dienst entlassen würde, wäre die Stadt
trotzdem besetzt. "Diese Frau hat aber auch an
alles gedacht," knurrte Boromir. "Sie hält
ihn schön in ihrem Bann und platziert in Seelenruhe
ihre Leute in der Stadt. Aber sie wird ihn ja wohl nicht
für den Rest seines Lebens in ihrem Bann halten
können, oder?" Boromir sah seine Frau erwartungsvoll
an. Laietha seufzte. "Ich weiß es nicht,
aber wenn sie den Bann löst, wird sie ihn wahrscheinlich
umbringen - das ist es, was ich fürchte."
Boromir und Faramir sahen sich an. Laietha hatte sicherlich
einen guten Punkt angebracht. Sie überlegten eine ganze Weile, bis Laietha
sich schließlich erhob. "Wir können
jetzt ewig hier sitzen und uns den Kopf zerbrechen,
aber das Beste wird wohl sein, wir gehen nach Minas
Tirith und machen uns selbst ein Bild von der Situation.
Dann werden wir weitersehen. Vielleicht hat sie Aragorns
Geist umnebelt, aber ich bin sicher, seine Männer
stehen noch immer auf der Seite ihres Königs."
Boromir schüttelte leicht den Kopf. "Es wäre das Klügste, auf deinen Vater
zu warten, Liebes!" Laietha kniff die Lippen zu
einem schmalen Strich zusammen. Natürlich hatte
er recht, aber sie hatte ein schlechtes Gefühl.
"Wir werden später darüber entscheiden,
wenn wir erst dort sind. Zur Not können wir uns
auch immer noch im Druadanwald verstecken und dort auf
ihn warten," gab sie zu bedenken. Boromir seufzte.
Manchmal konnte sie sturer als ein Maultier sein. Beregond
trat zu ihr und legte ihr ermunternd die Hand auf die
Schulter. "Frau Annaluva hat recht. Wir sollten nach dem
Rechten sehen. Meine Männer werden sich noch ungehindert
in der Stadt bewegen können und wenn wir erst ein
genaues Bild von den Verhältnissen haben, wird
uns gewiss etwas einfallen." Damit waren alle einverstanden
und sie machten sich zum Aufbruch bereit. Laietha lächelte
düster. Egal was vorgefallen war - sie liebte Aragorn
und würde versuchen, ihn vor allem zu beschützen.
Außerdem - sie griff nach einer der kurzen Haarsträhnen
- hatte sie noch eine Rechnung zu begleichen. Mornuan
würde bitter bezahlen müssen, was sie ihr
angetan hatte. Auch Faramir war aufgefallen, dass Laietha sehr schweigsam
war. Er tauschte einen bedeutungsvollen Blick mit Boromir
aus, aber sein älterer Bruder zuckte nur mit den
Schultern. "Vielleicht wird es besser, wenn wir
aufbrechen und sie nicht mehr das Gefühl hat, nichts
tun zu können," erklärte er. Plötzlich
huschte ein Lächeln über Faramirs Gesicht.
"Das hätte ich ja fast vergessen!" rief
er aus und lief zu seinem Pferd. Er rief Laietha zu
sich. Mit einem Lächeln griff er an die Seite seines
Sattels. "Ich habe mir gedacht, du hättest bestimmt
keine Zeit mehr gehabt, es zu holen - nun, ich hatte
wohl recht. Außerdem hat sich Boromir mehr als
einmal beschwert, dass du ohne es schrecklich unleidlich
wärst." Mit einem Lachen reichte er Laietha
ihr Schwert. Ein Lächeln trat auf ihr Gesicht.
"Dramthala, magol nin." (11)
Laietha strich zärtlich
über die Klinge. Faramir lachte leise. "Starker
Schlag - ist das der Name deines Schwertes?" Laietha nickte und musste schmunzeln. "Aragorn
hat es mir geschenkt, als ich vierzehn wurde - nun der
Name war damals wohl ein frommer Wunsch." Nun fühlte
sie sich bei weitem besser. Sie würden einen Weg
finden, Aragorn zu helfen. "Wir brechen in zwei
Stunden auf!" befahl sie. Die Männer sahen
sie ein wenig erstaunt an. Boromir zuckte nur mit den
Schultern. "Ihr habt gehört, was die Dame
gesagt hat - in zwei Stunden geht es los!" *** Jeder in der Stadt war ganz aus dem Häuschen.
Eine riesige Menschenmenge hatte sich vor dem Palast
versammelt. Eine königliche Hochzeit bekam man
schließlich nicht jeden Tag zu sehen. Die Menschen
erinnerten sich an diesem Tag an die Hochzeit von Boromir
und Laietha und an die von Faramir und Eowyn. Nun sollte
ihr geliebter König die schöne Frau Mornuan
zur Frau nehmen. Alles war in heller Aufregung, aber vereinzelt sah
man auch besorgte Gesichter in der Menge. Am Nachmittag
sollte es eine öffentliche Hinrichtung geben, die
erste seit vielen Jahrzehnten und man munkelte, dass
es sich dabei um vier Halblinge handeln sollte. Böse
Zungen behaupteten auch, dass Frau Eowyn sich unter
den Verurteilten befinden sollte - was natürlich
lächerlich war. Die Kinder tanzten und sangen fröhliche Lieder.
Wer zur Schule ging, hatte an diesem Tag frei und das
Wetter war einfach wie geschaffen für eine königliche
Hochzeit. Die Kinder betrachteten neugierig die fremden
Soldaten, die überall in der Stadt postiert waren.
Sie hatten die Palastwache Gondors und Ithiliens abgelöst.
Ihre glänzende Rüstung und ihre fremdartigen
Waffen ließen die Jungen gar nicht mehr los. Neugierig
versammelten sie sich um die Soldaten, die mit keiner
Miene zuckten. Die Dienstmädchen im Palast eilten geschwind
durch die Gänge. Der König hatte die Hochzeit
sehr kurzfristig beschlossen und nun gab es furchtbar
viel zu tun. Der König und seine zukünftige
Königin mussten noch herausgeputzt werden. "Ich
frage mich nur, wie eine so schöne Frau nur Herrn
Aragorn heiraten kann," flüsterte eines der
jungen Dienstmädchen. "Du lieber Himmel, er ist wirklich ein schrecklich
alter Mann geworden. Ich weiß gar nicht mehr,
wie ich letztes Jahr noch für ihn schwärmen
konnte! Valar, er ist ja ein Greis geworden!" Ihre
Freundin begann zu kichern und eines der älteren
Dienstmädchen kam um die Ecke gefegt. "Hört
auf zu schwatzen, Mädchen! Wir haben noch genug
zu tun! Sputet euch!" Die Mädchen schlugen
die Hände vor den Mund und stoben auseinander. *** Mornuan betrachtete sich zufrieden im Spiegel. Sie
trug ein kostbares Kleid aus weißer Seide und
ihre schwarzen Haare waren kunstvoll hochgesteckt worden.
Man hatte winzige Perlen hineingeflochten. "Du
kannst dich jetzt entfernen, ich will alleine sein,"
befahl sie einem jungen Dienstmädchen. Die junge
Frau verbeugte sich artig und huschte aus dem Zimmer.
Mornuan schlenderte zum Fenster und ließ ihren
Blick auf den Galgen ruhen, die schon für die Hinrichtung
später am Tag aufgebaut wurden. Jetzt war ihr Triumph
zum Greifen nahe. Nichts und niemand würde sich
ihr mehr in den Weg stellen können - sie würde
es nicht zulassen. Obwohl es knapp gewesen war. Dieser
eine Halbling hätte um ein Haar alles verdorben.
Sie zog die Brauen zusammen. Nur, wie hatte er ihr
auf die Schliche kommen können? Nicht einmal Herr
Elrond hatte etwas bemerkt. Es war schon schwieriger
gewesen, den Elbenherrscher hinters Licht zu führen.
Annaluva war von Anfang an misstrauisch gewesen - aber
ihre Eifersucht, wenn es um ihren Bruder ging, war weithin
bekannt. Man hatte ihr sowieso nicht geglaubt. Aber
das war jetzt nicht mehr wichtig. Annaluva war tot,
ihr Mann und ihr Sohn nach ihrem Tod verschwunden und
es interessierte sie auch nicht, wo sie abgeblieben
waren. Aber was war mit diesem Halbling? War er ein Zauberer?
Ein Zauberkundiger? Er schien sie sofort durchschaut
zu haben. Nun, nicht, dass es ihm etwas genützt
hätte - er würde bei Sonnenuntergang tot sein.
Vielleicht würde sie sich noch einmal mit ihm beschäftigen,
bevor er starb. Es spielte keine Rolle, ob der Halbling
etwas über ihre Pläne wusste - die Wachen
waren in der ganzen Stadt ausgetauscht worden,
der Halbling saß im Kerker und wartete auf seinen
Tod, Annaluva verrottete bereits... es war vollbracht. Es klopfte vorsichtig an der Tür. "Herein,"
herrschte Mornuan und der Kopf eines Dienstmädchens
erschien in der Tür. "Herrin, man erwartet
euch." Mornuan nickte und bedeckte ihr Gesicht
mit dem Schleier. Sie sah sich ein letztes Mal im Spiegel
an. Nun trennten sie nur noch wenige Augenblicke davon,
Königin zu sein. Ihre Zeit war gekommen. Mornuan,
die Witwe des mächtigen Hexenkönigs, würde
bald die mächtigste Frau Mittelerdes sein. *** Aragorn winkte müde mit seiner Hand und die
Dienstboten verließen den Raum. Vor der Tür
begannen die jungen Mädchen zu kichern, aber Aragorn
kehrte sich nicht daran. Bald würde er verheiratet
sein und sein Verstand rief ihm zu, dass er überglücklich
sein sollte, aber als er seinem Herzen lauschte, fühlte
er sich von einer entsetzlichen Leere erfüllt.
Etwas fehlte, aber er konnte nicht sagen was. Ziellos wanderte er im Raum umher und suchte etwas
- ohne zu wissen, was es war. Auf Mornuans Nachttisch
stand ein kleines Kästchen. Ohne nachzudenken,
öffnete er es und sein Blick fiel auf ein Schmuckstück
- eine silberne Kette mit einem grünen Juwel daran.
Er kannte dieses Stück, aber ihm wollte nicht einfallen,
woher. Wem gehörte es? Das Gefühl des Verlustes wurde beinahe übermächtig
groß und es schmerzte ihn. Aragorn streckte langsam
die Hand aus und berührte den Stein. Er begann
in einem grünen Licht zu glühen und wohlige
Wärme umfing ihn. Das Bild einer jungen Frau mit
roten Locken und blitzenden grünen Augen tauchte
vor seinem inneren Auge auf. Die Leere wurde größer
und Aragorn erkannte seine Schwester. Ihr hatte dieses
Schmuckstück gehört. Sein Verstand begann zu schreien. Sie war eine Verräterin,
hatte versucht, seinen Thron zu stehlen, hatte ihm Übles
gewollt! Die Stimme war laut und verbreitete Schmähungen.
Sie war überzeugend. Aragorn musste sie doch hassen!
Sein Urteil war gerecht gewesen. Wie eine Schlange hatte
sie an seinem Herzen gesaugt. Eine andere Stimme mischte sich ein. Sie war leise,
kaum mehr als ein Flüstern und sie sprach nicht
von Fakten und Verrat - nur von Liebe. Aragorn griff
nach dem Stein und das Flüstern seines Herzens
bahnte sich seinen Weg zu seinen Augen, aus denen nun
Tränen über seine Wangen rannen. Sein Verstand
verstummte - nur der Schmerz über den Verlust seiner
Schwester blieb. Er selbst hatte das Urteil gesprochen. Tot. Verloren.
Für immer fort, ohne dass er ihr ein letztes Wort
der Liebe zum Abschied hätte schenken können.
Seine eigenen Worte echoten in seinem Kopf und jedes
von ihnen traf ihn wie ein Pfeil ins Herz. Ein Bild kam ihm in den Sinn - er und Laietha in
Bruchtal, in ihrem Zimmer, im Schneidersitz auf ihrem
Bett sitzend und sie erzählte ihm, dass sie sich
zum ersten Mal verliebt hatte. Er hatte sie in den Arm
genommen und sie hatten gelacht. Aragorn presste die
Hand zusammen und der Stein fügte ihm fast Schmerzen
zu. Es war das einzige, was ihm von seiner Schwester
nun noch geblieben war. Aragorn öffnete den Verschluss und legte die
Kette um den Hals. Ja, vielleicht hatte sie versucht,
ihm seinen Thron zu stehlen, aber er liebte sie und
es schmerzte ihn jetzt, dass er es ihr bei ihrem letzten
Treffen nicht gesagt hatte. "Mein Herr, es ist Zeit. Eure Braut wartet."
Aragorn nickte und wandte sich zum Gehen. Plötzlich
fühlte er sich unglaublich alt und müde. *** Eowyn sah sich das Schloss an der Tür zum hundertsten
Mal an. Es musste doch eine Schwachstelle geben! Es
war sinnlos - hier gab es keinen Weg raus. Natürlich
nicht, dummes Kind, rief sie sich zur Ordnung. Dies
war ein Gefängnis, gebaut, um die Leute in seinen
Mauern gefangen zuhalten und nicht hinauszulassen. Sie sah durch das Gitter in der Tür und erblickte
Mornuans Männer im Gang. Sie konnten nicht mehr
auf ihr Mitleid hoffen. Nun waren sie ganz auf sich
gestellt. Faramir war fort und ihre Kinder... Draußen von der Stadt her wurde Jubel laut.
Nun waren sie also Mann und Frau - es war zu spät.
Mornuan war die neue Königin Gondors und sie würden
sterben. Die Hobbits hatten stumm in einer Ecke der Zelle
gesessen. Sam hatte besorgt nach Frodos Schulter gesehen,
aber seitdem Mornuan verschwunden war, ging es ihm wieder
besser. "Schwarze Magie," hatte Frodo erklärt.
"Seit ich von der Morgulklinge des Nazgul verletzt
worden bin, spüre ich, wenn schwarze Magie um mich
herum ist. Sie muss sehr mächtig sein." Merry gähnte und öffnete die Augen. Pippin
schüttelte nur fassungslos den Kopf. Sicher, sie
konnten nicht viel tun, aber woher sein Cousin die Seelenruhe
nahm, im Angesicht des Todes zu schlafen... "Hab ich was verpasst?" fragte Merry und
rieb sich die Augen. "Zwei Stunden deines verbleibenden
Lebens, würde ich meinen," grollte Pippin.
Merry winkte ab. "Wenn es nur das ist..."
Sie waren alle nicht in der besten Stimmung. In Gedanken
waren sie bei ihren Familien und Frodo grübelte,
wie sie wohl am besten aus dieser Misere herauskämen.
Sie hatten darüber nachgedacht, auf dem Weg
zur Hinrichtung einen Fluchtversuch zu starten - was
hatten sie schon zu verlieren? Auf der anderen Seite
hofften sie auf Aragorns Begnadigung. "Doch wer
weiß, ob der König noch selbst die Entscheidungen
trifft," hatte Eowyn eingeworfen und sie wussten,
dass sie recht hatte. Alles was sie jetzt tun konnten,
war abwarten - und sie hassten es. *** Sie traten hinaus auf den Balkon und das Volk jubelte
ihnen laut zu. Der Jubel war ohrenbetäubend. Das
Volk von Gondor war froh, dass ihr König endlich
eine Königin hatte. Aragorn bekam kaum etwas davon mit, denn in seinem
Kopf wirbelte alles durcheinander. An seinem Herzen
glühte eine merkwürdige Hitze und als er die
Hand an diese Stelle legte, bemerkte er, dass die Wärme
von der Kette seiner Schwester ausging. Etwas stimmte
hier ganz und gar nicht. Während er versuchte,
Ordnung in seine Gedanken zu bringen, hörte er
seine eigene Stimme, die Mornuan offiziell zur neuen
Königin Gondors erklärte. Er spürte ihren
sanften Griff an seiner Hüfte und drehte sich um.
Es war Zeit, sie zu küssen. Die Menge forderte
mit einer Stimme diesen Kuss. Aragorn betrachtete sie genau. Sie war wunderschön
- die weiße Seide ihres Hochzeitskleides bildete
einen wundervollen Kontrast zu ihrem schwarzen Haar
und ihren brennenden Augen, die Lippen waren voll und
rot und doch - als sie sich gegen ihn drückte und
er daran dachte, sie zu küssen, überkam ihn
eine so große Abscheu, dass er sie beinahe von
sich gestoßen hätte. Sein Herz schrie ihm
zu, er möge sich von ihr fernhalten, aber sein
Verstand schaltete sich ein und brüllte ihn an,
dass sie doch seine geliebte Frau wäre. Aragorn
spürte, wie er erblasste. Mornuan sah ihn besorgt an. "Ist alles in Ordnung,
mein Liebster?" fragte sie mit ihrer melodischen,
aber eisigen Stimme, die sein Herz zum Schweigen brachte.
Ein Nebel drohte sich über Aragorns Geist auszubreiten.
Er kämpfte darum, seinen Verstand zu behalten.
Mühsam nickte er und drückte ihr einen halbherzigen
Kuss auf, der vom Volk mit donnerndem Applaus bedacht
wurde. Dann stürzte er in sein Gemach und ließ
sich keuchend aufs Bett sinken. Seine Knie waren weich geworden und er fühlte
sich elend. In seinem Kopf drehte sich alles und sein
Magen krampfte sich zusammen. Mornuan trat auf ihn zu
- ein wölfisches Lächeln im Gesicht. Aragorn
sprang auf und wich einen Schritt vor ihr zurück.
Die Hitze an seinem Herzen war fast unerträglich.
Merkst du nicht, wie diese Hexe dich verwunschen
hat? Laiethas Worte echoten in seinen Ohren. "Nein,"
keuchte er und wich zurück. Also hat sie dich ganz in ihrer Gewalt. Kämpf
dagegen an, Aragorn! Kühle Hände legten sich auf seine Brust
und er spürte, wie die Schwäche ihn zu übermannen
drohte. Fast verzweifelt stieß er sie von sich.
"Lass mich!" rief er voller Panik. "Ich
fühle mich nicht wohl," setzte er nach einem
winzigen Augenblick hinzu. Sie lachte leise. Draußen
an der Tür klopfte es und einer der fremden Soldaten
trat ein. "Alles ist zu eurer Zufriedenheit eingerichtet
worden, Herrin. Die Vorbereitungen für die Hinrichtung
sind abgeschlossen und die Wachen Gondors sind aus euren
Diensten entlassen worden." Der Soldat knallte
die Hacken zusammen und nahm Haltung an. Mornuan lächelte
zufrieden. "Gut." Aragorn fühlte Wut in sich aufsteigen. "Was
soll das alles? Warum weiß ich davon nichts? Ich
bin schließlich der König!" Er machte
einen schnellen Schritt auf Mornuan zu, aber sofort
stellte sich die Wache vor sie. Die Frau lachte leise.
"Schon in Ordnung. Du kannst gehen." Der Soldat
verbeugte sich und verließ den Raum. Aragorn kam wütend auf sie zu, nun vollends
verwirrt. Was ging hier vor sich? Mornuan lachte und
presste sich fest gegen ihn. Etwas in seinem Kopf fühlte
sich plötzlich an, als würde jemand mit kalten
Fingern darin herumtasten. Er wehrte sich dagegen und
als Mornuans Hände in sein Hemd glitten und sich
Laiethas Kette näherten, schlug er ihre Hand weg
und umklammerte den Elbenstein, wie um ihn vor ihrer
Berührung zu schützen. Mornuan stieß ein schnaubendes Lachen aus.
"Also bist du schließlich doch noch dahintergekommen,
ja? Ist es nicht bedauerlich, dass es nun zu spät
ist?" In ihren Augen brannte ein grimmiges Feuer
der Befriedigung. "Laietha hatte die ganze Zeit
über Recht. Ich wünschte, ich hätte auf
sie gehört." Mornuan lächelte ihn hämisch
an. "Zu schade, dass sie es nie erfahren wird,
nicht wahr? Ich glaube, es hätte ihr den Tod ein
wenig erleichtert." Mit grausamer Klarheit erinnerte er sich nun an jedes
einzelne Wort ihrer letzten Begegnung - ein Schauer
überkam ihn. Ihr Todesurteil war aus seinem Mund
ergangen, es war seine Schuld, dass sie tot war. Aber
vielleicht war das nur ein Trick von Mornuan! Der winzige
Funken Hoffnung entflammte ein Feuer in seinem Herzen,
das auch den letzten Rest ihres Bannes wie Schnee in
der Sonne schmelzen ließ. "Das ist nicht
wahr," lächelte er. "Du bist die Königin
aller Lügen! Sie ist nicht tot, also sag mir, wo
du sie hingeschafft hast!" Mornuan lachte leise.
"Nicht? Brauchst du noch mehr Beweise? Dass
du ihre Kette gefunden hast, habe ich gesehen - oder
wo glaubst du, hätte ich sie sonst her?" Sie
ging zu ihrem Nachttisch und zog den dunkelroten Zopf
hervor. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht warf sie
ihm die Haare zu. "Oh, ich weiß nicht, ob
es dich interessiert, aber es steht eine Hinrichtung
für heute an - vier Halblinge und Frau Eowyn. Willst
du wissen, wer das Urteil unterzeichnet hat?" Aragorn starrte sie einen Moment lang fassungslos
an. Dann warf er den Zopf zur Seite und stürzte
auf sie zu. Er presste sie gegen die Wand und legte
ihr die Hände an die Kehle. Er begriff, dass sie
die Wahrheit gesagt hatte. Sie hatte ihn dazu gebracht,
seine eigene Schwester töten zu lassen und nun
sollten fünf seiner besten Freunde auf sein Wort
hin sterben! Aragorns Hände begannen zu brennen, als hätte
er ins Feuer gefasst, als er ihren Hals berührte.
Plötzlich konnte er keinen Muskel mehr bewegen
und er spürte, wie seine Knie nachgaben. Er fand
sich auf dem Boden zusammengekrümmt liegend wieder
und jede Faser seines Körpers schmerzte. Mornuan
beugte sich mit einem süffisanten Lächeln
über ihn. "Hast du im Ernst geglaubt, du könntest
mich so einfach erdrosseln? Ich bin viel zu mächtig
für dich oder jeden deiner einfältigen Freunde.
Nun, ich habe was ich wollte. Ich bin Königin von
Gondor und du bist nun mehr als unnütz für
meine weiteren Pläne. Ich will gnädig sein
und dir erlauben, dass du deinen Freunden beim Sterben
zusehen kannst, aber danach wird der altersschwache
König von Gondor einen tragischen Unfall noch vor
der Hochzeitsnacht haben." Damit verschwand sie aus der Tür. Aragorn konnte
noch immer keinen Muskel bewegen, aber der Stein an
seiner Brust begann mit aller Kraft zu leuchten und
langsam ließen Kälte und Schmerz nach und
das Gefühl kehrte in seine tauben Glieder zurück.
Langsam kam er wieder auf die Beine und bewegte sich
vorsichtig durch den Raum. Als er aus dem Fenster sah,
fiel sein Blick auf die fertigen Galgen und er wurde
schmerzlich daran erinnert, wer dort durch sein Wort
sterben sollte. Das konnte er nicht zulassen. Vielleicht hatte er
nichts tun können, um seine Schwester zu retten,
aber diesmal würde er nicht so einfach zusehen.
Alles was er brauchte, war ein Plan - wenn auch einen
verdammt guten! *** Aiglos genoss es sehr, dass er endlich mal ohne seine
Eltern auf Reisen gehen durfte. Zwar hatte ihm der besorgte
Gesichtsausdruck seiner Mutter nicht gefallen, aber
manchmal war sie eben ein wenig pessimistisch. Bergil
ritt neben ihm und lachte ihn an. "Na, tut dir
der Hintern schon weh?" Aiglos lachte laut auf.
"Ich wette, mein Hintern ist das Reiten eher gewöhnt
als deiner!" Bergil klopfte ihm auf die Schulter.
"Gut, dann schieb es ruhig auf mein Hinterteil,
aber ich denke, dass deinem Allerwertesten eine Pause
auch nicht schaden wird!" Es war um die Mittagszeit und sie beschlossen, ihr
Essen zuzubereiten. Aiglos erwies sich als erstaunlich
guter Koch. "Ich hab mehr als einmal zur Strafe,
weil ich etwas angestellt hatte, meiner Mutter in der
Küche helfen müssen. Inzwischen kann ich besser
kochen als sie," erklärte er. Bergil und Daurel
lachten. Laiethas Kochkunst war eher berüchtigt
als berühmt. "Worum geht es eigentlich?"
fragte Aiglos, als sie nach dem Mittag noch eine kurze
Verdauungsrast einlegten. Bergil kaute nachdenklich auf einem Grashalm. "Wir
sollen deinem Großvater sagen, was in der Stadt
vor sich geht und ihn zur Eile antreiben. Deine Mutter
meinte, wir brauchen seine Hilfe und er solle wissen,
was ihn erwartete." Aiglos zog nachdenklich die
Brauen zusammen. "Ist etwas mit Onkel Aragorn nicht
in Ordnung? Ich meine, er benimmt sich eigenartig."
Bergil und Daurel tauschten einen Blick. "Das kannst du wohl laut sagen, mein Junge.
Aber das wirst du wohl erst verstehen, wenn du älter
bist," bestätigte Daurel. Bergil grinste und
zwinkerte Aiglos zu. "Er will damit sagen, er hat
selbst keine Ahnung, was genau vor sich geht."
Plötzlich versteifte sich Daurel und gab Bergil
einen Stups in die Seite. "Sieh mal - da kommt
wer," flüsterte er. Die beiden Männer
sprangen auf und stellten sich vor Aiglos. Angestrengt
versuchten sie, etwas in der Ferne auszumachen. *** "Ich habe es gesehen," sagte Elrond, als
Elrohir zu ihm geritten kam. Er hatte die drei Gestalten,
die in der Ferne ihr Lager aufgeschlagen hatten schon
vor einer ganzen Weile erspäht. Es waren nur drei
und sie waren in einer Gruppe von zwanzig Mann unterwegs,
also würde ihnen nichts geschehen. Aber Elrond
hatte auch gesehen, dass eine der Personen kaum mehr
als ein Junge war - einer mit strohblondem Haar. Was
taten sie hier in der Wildnis? Elrohir schien die selbe
Frage zu bewegen. "Lasst uns schneller reiten.
Wir sollten sie in einer Viertelstunde erreicht haben,"
schlug er vor und sie trieben ihre Pferde zur Eile an. Tatsächlich dauerte es nicht lange und sie hatten
Bergil und seine Begleiter erreicht. Olbern schüttelte
verwundert über die scharfen Sinne der Elben den
Kopf. Er selbst hatte Aiglos und die Soldaten erst wenige
Minuten vor ihrem Zusammentreffen ausmachen können.
Luthawen und Aiglos fielen sich in die Arme. Die beiden
Geschwister waren sehr froh, sich zu sehen. Aufgeregt
fragte Luthawen nach dem Befinden ihrer Mutter und war
mehr als beruhigt zu hören, dass sie wohlauf war.
Aiglos sah seine Schwester lange an. "Was ist
denn mit dir los, Lutha? Du siehst ja so anders aus
als sonst!" Die junge Frau sah ihn verständnislos
an, begann dann aber zu begreifen. "Erzähl
ich dir ein anderes Mal, ja?" murmelte sie rasch.
Dann wurden die Kinder Boromirs durch die Stimme ihres
Großvaters angelockt, der mit Bergil sprach. Der junge Soldat erstattete Bereicht von den Vorfällen
in der Stadt. Alle Umstehenden erblassten und Herr Elrond
legte die Stirn in Falten. Das hörte sich sehr
ernst an. "Wir sollten nicht lange warten. Lasst
uns erst heute Abend rasten." Damit schwang sich
Elrond wieder auf sein Pferd. Er überlegte, was
man gegen diese Frau unternehmen könnte. *** Etwa ein Tagesritt trennte sie von den Grenzen zu
Minas Tirith und Laietha fühlte, wie sich ihr die
Kehle beim Gedanken an ein Treffen mit Aragorn zuschnürte.
Es war die Furcht, dass er sie wieder beschimpfen würde.
Wir sind nicht blutsverwandt! Boromir nahm ihre Hand und schenkte ihr ein aufmunterndes
Lächeln. Sie hatten einen Plan gefasst. Zwei von Beregonds
Soldaten würden in die Stadt gehen. Sie würden
von niemandem erkannt werden, denn sie gehörten
zur Wache Ithiliens und waren erst vor kurzem aus ihren
Heimatdörfern in die Stadt gekommen. Wenn die Wachen
allerdings ausgetauscht waren, würde es sowieso
keinen Unterschied machen. Sie sollten die Lage auskundschaften,
während sich sie anderen am Rande des Druadanwaldes
versteckten. Soweit schien alles ganz passabel zu sein, aber was
sie tun würden, wenn die Stadt besetzt und Aragorn
nicht mehr Herr seiner Sinne war, wussten sie auch nicht.
"Eowyn ist gewiss nach Rohan geritten, um Hilfe
zu holen," warf Faramir ein. Das Wetter war strahlend schön, wie um ihre
trübe Miene zu verhöhnen. Sie ritten im Schutze
des Druadanwaldes. Die Mücken surrten um ihre Köpfe
und mit einem ärgerlichen Ausdruck im Gesicht,
erschlug Faramir eine von ihnen, die sich an seiner
Wange festgesaugt hatte. Er grummelte etwas Unverständliches
vor sich hin. Die Sonne stieg beständig und gegen
Mittag hörten sie aus der Ferne den Schall von
Trompeten. Laietha zuckte zusammen. Sie konnte sich schon denken, was das zu bedeuten
hatte - Aragorn hatte Mornuan das Ja Wort gegeben. Boromir
drückte ihre Hand. "Ihm wird nichts geschehen
sein," murmelte er, aber er fand sich selbst nicht
sehr überzeugend. Auf jeden Fall würde es
nun schwieriger werden, gegen Mornuan vorzugehen. "Vielleicht
schaffen wir es bis zur Dämmerung, nahe genug an
die Stadt heranzukommen, um unsere Männer einzuschleusen,"
versuchte Beregond die Stimmung in der Gruppe zu heben
und tatsächlich huschte ein leichtes Lächeln
auf Laiethas Gesicht. "Danke," flüsterte
sie. *** Aragorn hatte den Kopf in die Hände gestützt.
Er war wild entschlossen, Eowyn und den Hobbits zu helfen
- es gab nur ein Problem: Mornuan hatte die Tür
abgeschlossen und er kam nicht aus dem Raum heraus.
Es war einfach zum Verrücktwerden! Egal was er
versuchte, es hatte keinen Sinn, er saß fest.
Einige Male war er schon zum Fenster gelaufen und hatte
die Höhe abgeschätzt - nur um zu dem selben
Ergebnis zu gelangen - wenn er sprang, würde er
sich sämtliche Knochen brechen. Plötzlich
wurde er ganz still, denn er hörte Stimmen vor
der Tür. Es waren Kinder - zwei. Ein Junge und ein Mädchen
und sie stritten mit einem Erwachsenen, der mit fremden
Akzent sprach. "Ich will zu Onkel Aragorn! Wo ist
meine Mama!" weinte ein kleines Mädchen. "Auf
Geheiß der Königin darf niemand mit dem König
sprechen!" donnerte die Männerstimme und das
Kinderweinen wurde lauter. "Wir müssen zum
König!" Kleine Fäuste trommelten gegen
die Tür. "Onkel Aragorn! Hilfe!" rief
die hohe Kinderstimme. Aragorn sah sich im Zimmer um. Rasch griff er nach
einem Briefbeschwerer auf Mornuans Kommode und verbarg
sich hinter der Tür. Er hatte nur diese eine Chance.
Er hörte, wie das Kinderweinen verstummte und ein
Schlüssel im Schloss gedreht wurde. "Gut,
wenn ihr unbedingt wollt, könnt ihr euch eurem
Onkel gerne anschließen," lachte die Männerstimme
hämisch. Aragorn machte sich ganz klein. Die Tür öffnete
sich einen Spalt weit. Aragorn hob die Hand mit dem
Briefbeschwerer. Auranor betrat den Raum. Ohne zu zögern, stieß Aragorn sie zur
Seite und dann geschah alles ganz schnell. Auranor schrie
erschreckt. Aragorn sprang aus der Tür. Er packte
den Wächter im Genick und schlug ihm den Briefbeschwerer
über den Kopf. Der Soldat brach zusammen und Ionvamir
starrte den König entsetzt an. Auranors Schrei
vergellte und die Stille wurde greifbar. Aragorn zauderte nicht. Er hob den Soldaten unter
den Achseln an und zerrte den leblosen Körper ins
Zimmer. Der Mann atmete noch. Der König fesselte
ihn an das breite Bett und knebelte ihn. Sollte er versuchen,
Alarm zu schlagen. Schnell nahm er Auranor auf den Arm.
Das kleine Mädchen sah ihn mit schreckensweiten
Augen an. "Alles in Ordnung, mein Liebes," beruhigte
Aragorn sie. Ionvamir trat zu ihnen und musterte den
König lange. Er sah furchtbar aus, aber wenigstens
war sein Blick klarer und er wirkte größer
und stattlicher als in den Wochen zuvor. "Onkel
Aragorn, was wollen wir denn jetzt machen?" Beide
Kinder blickten fragend zu ihm auf und Aragorn verpasste
Auranor, die immer noch gegen die Tränen kämpfte,
einen sanften Nasenstüber. "Wir gehen jetzt
eure Mama befreien." Er nahm die Waffe des fremden Soldaten und spähte
auf den Gang hinaus. Es war alles frei. Wahrscheinlich
hatten sie sich schon in der Stadt postiert, denn wenn
die Menschen sahen, wer hingerichtet werden sollte,
würde es zu Protesten kommen und das wusste Mornuan.
Den ganzen Weg zum Kerker hin, fühlte sich Aragorn
entsetzlich elend. Es war seine Schuld, dass seine Freunde in Gefangenschaft
waren. Nur wegen ihm war Mornuan jetzt Königin
von Gondor. Er hatte sein ganzes Volk verraten und nun
wusste er nicht, wie er es rückgängig machen
sollte. Was würde geschehen, wenn er Eowyn und
die Hobbits nicht befreien konnte? Leise schlich er
über den Hof, Auranor noch immer auf dem Arm, als
ihn ein Schlag auf den Hinterkopf traf und er zusammenbrach. *** Der Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt und
Eowyn sprang auf. Es war also soweit. Sie kamen, um
sie zu holen. Sie hatten sich noch immer nicht entschlossen,
ob sie die Flucht wagen sollten oder lieber auf Aragorns
Gnade hofften. Jetzt war es wohl zu spät, um darüber
zu diskutieren. Auch die Hobbits erhoben sich. Keiner
von ihnen wollte Schwäche zeigen, auch wenn die
Angst vor der Hinrichtung ihnen die Eingeweide zerwühlte.
Dass sie so sterben würden, hätte keiner von
ihnen für möglich gehalten. Die Wache betrat den Raum und legte ihnen massive
Ketten an. Sie kamen sich wie Schwerverbrecher vor.
Trotzdem ließen sie sich keine Schwäche anmerken
und erhobenen Hauptes ließen sie sich die Gänge
entlang und die Treppen hinaufführen. Vor dem Kerker
stand ein großer Karren - bewacht von zwanzig
Soldaten der neuen Palastwache. Wohl eher zum Schutz
vor dem Volk, dachte Eowyn bitter. Die Menschen würden
auf ihrer Seite sein, aber nach Faramirs Berichten wusste
sie, dass es ihnen nichts nützen würde. Mornuan
würde schon dafür gesorgt haben, dass die
Gefangenen sicher an der Hinrichtungsstätte ankämen.
Das grelle Tageslicht blendete sie, denn die Fenster
in ihrer Zelle waren winzig gewesen. Die Wachen waren
grob. Sie stießen die Gefangenen auf den Karren
und dort wurden sie festgekettet. Der Kutscher ließ
die Pferde seine Peitsche schmecken. Es war ein Mann
aus Gondor, den Eowyn sehr wohl kannte. Mehr als einmal war er von Faramirs Männern
inhaftiert worden, weil er sich gegen den König
ausgesprochen hatte. Dass er nun freudig in den Dienst
der neuen Königin getreten war, wunderte die Fürstin
von Ithilien wenig. Der Karren setzte sich in Bewegung.
Die Angst wuchs, aber ihre Mienen waren steinern. Am
Ende der Gasse vor den Kerkern sahen sie schon die Menschenmenge,
die auf die Vorführung der zum Tode Verurteilten
wartete. Ihre Gesichter trugen die verschiedensten Ausdrücke
- Entsetzen, Hohn, Blutgier aber über allen lag
die Angst. Sie wussten genau, niemand würde es
wagen, ihnen zu helfen.
(11) Dramthala,
mein Schwert.
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