Titel: Wenn die Blätter fallen - 15/? - Eldarion
Autor: S.E.


Der Herbst war schon weit fortgeschritten. Deshalb war es noch dunkel als Glorfindel erwachte.

Er öffnete seine Augen und orientierte sich. Er war alleine, stellte der Vanya fest und setzte sich auf.
 
Es waren drei Tage vergangen, nachdem Denethor ihn das letzte Mal besucht hatte und doch schmerzte ihn noch der ganze Körper.
Glorfindel stand auf und zog sich das mit Blut befleckte Hemd aus. Eine seiner Wunden war in der Nacht wieder aufgegangen.  
 
Obwohl der Sohn des Truchsess alles tat um dem Elben zu helfen, heilten die Wunden immer langsamer. Auch an Glorfindel ging die Gefangenschaft und andauernde Folter nicht unbemerkt vorüber.
 
Er war stark und doch litt seine Seele unendliche Qualen. Die Sehnsucht nach Erestor, die ihn am Leben hielt, sorgte auch dafür, dass er fast verging.
 
Er warf das Hemd in die Ecke und ging in das kleine Nebenzimmer, in dem die Wanne mit Wasser stand. Sie war am Abend zuvor mit frischem Wasser gefüllt worden. Glorfindel beugte sich darüber und steckte seinen Kopf samt Oberkörper ins Wasser. Er blieb unter Wasser bis er Luft holen musste.
 
Sein langes blondes Haar fielen beim Aufrichten mit Schwung auf seinen Rücken. Er trocknete sich ab und begann sein Haar zu kämmen und zu flechten, so wie er es jeden Morgen tat, wenn er dazu in der Lage war.
Schließlich zog er ein frisches weißes Hemd an und begann mit seinen Übungen.
 
Er lauschte zuerst an der Tür, ob sich auch niemand seinem Zimmer näherte, denn er wollte ungestört sein. Wenn es ihm gut ging verbrachte er die gesamte Zeit, in der er alleine war, mit seinem "Schwert", wie er das Holzteil nannte.
 
Boromir hatte ihm ein Übungsschwert der Wachen gegeben. Er gab ihm keine echtes, aus Sorge, Glorfindel könnte sich etwas antun, oder etwas Unüberlegtes tun.
 
Glorfindel hatte es lange Zeit nicht beachtet. Es war unter der Spielkiste Denethors versteckt. Doch irgendwann wusste er nichts mehr mit seinen Händen anzufangen. Er hatte begonnen die Holzvertäfelung aufzukratzen, als sein Blick auf die Truhe fiel.
Er hob sie an und holte das Schwert vor.
 
Seit diesem Tag trainierte er täglich mit dem Schwert. Anfangs spürte er das Fehlen seiner Übungen. Er fühlte sich ungelenkig und langsam, doch ein Mensch hätte sicher keinen Unterschied gespürt. Aber er fühlte es und er trainierte hart. Er ließ all seinen Hass und seine Verzweiflung in seine Übungen fließen. Sie sorgten dafür, dass er nicht durchdrehte und er behielt etwas von seiner Selbstachtung.
 
Nun war er wieder mit seinen Übungen beschäftigt und sah gleichzeitig aus dem Fenster.
Arwen ging mit Boromir hinaus aus dem Ring. So wie fast jeden Tag in den letzten Wochen. Glorfindel war froh darüber, dass sich die Königin jemandem anvertrauen konnte. Denn das tat sie, Boromir sprach oft mit ihm über die Elbin.
 
Für einen kurzen Moment war er abgelenkt, denn beinahe zu spät bemerkte er die Schritte vor seiner Tür.
Sofort ließ er das Schwert verschwinden, huschte ins Bad und steckte erneut seinen Kopf ins Wasser. Sie sollten nicht bemerken, dass er nass geschwitzt war.
 
"Elb!" Es war die scharfe Stimme Denethors, die Glorfindel hörte. Er konnte bereits am harschen Tonfall hören, wie erbost der Truchsess war. Es würde ein anstrengender Tag werden. Warum wirkte der Tee nur abends? Er würde am liebsten alles vergessen und seinen Geist in die Unendlichkeit schicken. Doch nun stand er vor dem Mann, der ihm das Leben zu einer Tortur machte.
"Ich will deine Wunden sehen, zieh dich aus!" befahl Denethor und Glorfindel zögerte kurz.
 
Er wollte dem Truchsess lieber an die Kehle, doch er besann sich und zog das Hemd aus.
"Kettet ihn an den Boden!" Die Wachen taten wie befohlen und Glorfindel wehrte sich nicht.
Es ließ es über sich ergehen, nur seine mahlenden Kieferknochen verrieten seine Angespanntheit.
‚Es geht vorbei!' sagte er sich immer und immer wieder.
 
Denethor begutachtete die Wunden, die noch immer nicht verheilt waren.
"Sag, Goldlöckchen, warum dauert es mit einem Mal so lange, bis sich die Wunden schließen? Vielleicht bin ich zu sanft mit dir geworden? Zu verweichlicht? Habe dich zu wenig beschäftigt? Das werde ich heute mal überprüfen! Diegon geh und bring mir die Spinne!
Du musst wissen, dass wir einige junge Spinnen aus dem Düsterwald geschickt bekommen haben. Die Heiler untersuchen sie, und ein Exemplar habe ich. Ich habe gehört, dass das Gift dieser jungen Spinne nicht tödlich ist. Also hab keine Angst. Sie wird dich lähmen und du wirst nicht einmal schreien können und mein missratener Sohn wird dich diesmal nicht retten.
Ich will deinen Angstschweiß ablecken!"
 
Glorfindel begann an seinen Ketten zu zerren. Spinnen aus Eryn versprachen unendliche Qualen, bevor man langsam starb. Je kleiner die Spinne, desto länger dauerte der Todeskampf.
"Sie töten! Es ist gleich wie alt sie sind!" erklärte Glorfindel mit fester Stimme.
 
"Nun.... es stimmt, wenn der Biss unbehandelt bleibt. Aber wenn du ein artiger Elbenlord bist, werde ich dir das Gegenmittel persönlich geben."
 
Die Vorstellung, die Spinne könnte ihn töten, formte immer klarere Bilder in Glorfindels Kopf. Er würde zurückkehren in Mandos Hallen. Die Vorstellung, des inneren Friedens und eine Existenz, befreit von Schmerzen und Demütigungen, war zu verlockend.
Erestor würde es verstehen, er wäre nicht freiwillig gegangen. Natürlich hätte Glorfindel lieber die Ewigkeit mit seinem geliebten Noldor in Valinor verbracht, doch nun hatte er einfach keine Angst mehr vor dem Tod.
 
Er hörte auf an den Ketten zu zerren. Denethor musste die Handlung missinterpretiert haben. Denn er lächelte.
"Gut, du hast verstanden!"
 
Kurze Zeit später kam Diegon mit einem Korb zurück. Denethor befahl, die Spinne auf Glorfindels Rücken zu setzen.
Diegon öffnete den Korb und kippte den Inhalt auf Glorfindels nackten Oberkörper.
 
Der Vanya konnte die pelzigen Füße auf seiner Haut spüren, wie sich das Tier langsam den Weg zwischen seinen Haaren nach unten bahnte. Glorfindel atmete ruhig und gleichmäßig und wartete geduldig auf den Schmerz, der unumstößlich kommen musste.
 
Doch nichts geschah. Denethor wurde ungeduldig.
"Dieses Mistvieh, hat wohl einen Narren an dir gefressen! Verdammt!"
Mit dem Schürhaken aus dem Kamin reizte er die Spinne. "Los jetzt!"
Dabei kratze Denethor eine der verkrusteten Wunden Glorfindels auf und frisches Blut trat hervor.
 
Glorfindel atmete scharf ein. Dann war endlich der erlösende Schmerz da. Er konnte das Stöhnen nicht verhindern, er wollte es auch nicht. Auf einmal war alles ganz leicht und einfach.
"Endlich!" flüsterte er.
 
Die Wirkung des Gifts trat langsam ein. Er spürte wie ihm die Kontrolle seiner Gliedmaßen verloren ging und er sich schließlich nicht mehr bewegen konnte. Er hing in den Ketten und der Schmerz der eisernen Fesseln durchdrang seinen Körper.
,Was für ein grausames Spiel', dachte sich Glorfindel. Er war vollkommen gelähmt, doch er spürte jeden Schmerz.
 
Er spürte wie das Tier von ihm entfernt wurde, wie die kleinen Widerhaken, der Spinnenbeine aus seiner Haut gerissen wurden. Doch er war nicht in der Lage einen Laut von sich zu geben, denn auch seine Stimme versagte. Warum ließ man ihn dann hören? Die Frage quälte den Elben, als er das lüsterne Atmen Denethors vernahm.
 
"Ein schönes Gefühl, nicht wahr mein stolzer Elb?" konnte Glorfindel hören.
"Löst die Ketten und dreht ihn auf den Rücken. Ich brauche euch nicht mehr!" befahl Denethor seinen Wachen, die wie befohlen handelten.
 
Glorfindel stellte fest, dass er seine Augen noch bewegen konnte. So wandte er seine Augen von seinem Peiniger ab. Es sollte nicht das Letzte sein, das seine Augen sahen, bevor er zu Mandos zurückkehrte.
 
"Du wagst es deine Augen abzuwenden?" fragte Denethor erbost, während er sich über ihn gebeugt hatte.
Voller Wut zog der Truchsess den Schürhaken über Glorfindel's Gesicht. "DU SOLLST MICH ANSEHEN!" brüllte er.
 
Glorfindel konnte den brennenden Schmerz, quer über sein Gesicht, fühlen. Er spürte wie eine warme Flüssigkeit seine Wangen und über sein Kinn und den Hals lief. Sein Blick fiel auf seine, von Ketten befreite Hand, die nun nutzlos neben ihm auf dem Boden lag.
,Sie wird wieder ein richtiges Schwert führen dürfen!' war sein letzter Gedanke, bevor ihn die Dunkelheit begrüßte und ihn umarmte. Sie nahm ihn mit in eine friedliche Welt, ohne Schmerz.
 
...
 
Arwen und Boromir gingen außerhalb der Stadt spazieren. Ihr Ziel war, wie immer, der Fuß der nahen Bergkette von Ered Nimreis. Begleitet wurden sie, ebenfalls wie immer, von einer 20 Mann starken Leibwache, die aus besonders gut ausgebildeten Soldaten bestand. Wie immer unterhielten sich die beiden über belanglose Dinge, um so die Soldaten einzulullen und zum richtigen Zeitpunkt das Wichtige zu sagen.
 
"Meine Königin, Ihr seid heute so schweigsam?" stellte Boromir fest, nachdem sie fast eine Stunde gelaufen waren, ohne dass ein Wort gefallen war. "Ist Euch nicht gut? Ihr seht blass aus?"
Arwen lächelte den jungen Mann an. Für seine jungen Jahre war er ein erstaunlicher Beobachter und ein guter Menschenkenner. Und obwohl sie eine Elbin war, kannte Boromir sie sehr gut.
Er hatte Recht. Ihr ging es nicht besonders. Der König hatte sich einmal mehr geholt, nach was ihm verlangte, doch das musste der Junge nicht wissen. Er wusste sowieso schon zuviel.
 
"Ich bin nur etwas müde, mach dir keine Sorgen. Lass uns dort unter dem Baum etwas rasten. Ich mag diese Gegend. Sie ist so friedlich und einsam, genau das Gegenteil der Stadt", stellte Arwen fest und Boromir nickte und sah sich um.
"Ich finde es hier auch wunderbar friedlich."
 
Boromir breitete die mitgebrachte Decke aus und Arwen setzte sich mit Hilfe des jungen Mannes hin.
Ihr Bauch war ständig im Weg und nie hatte sich Arwen so unbeweglich gefühlt. Wie ein Käfer, der auf dem Rücken lag.
Boromir drapierte mehrere Kissen um die werdende Mutter, damit sie einigermaßen bequem sitzen konnte. Dies tat er solange, bis Arwen der Geduldsfaden riss.
"IST GUT!" sagte sie genervt und fuhr sanfter fort: "Setz dich zu mir und erzähle mir von dem Buch, das du gelesen hast!"
 
Der Truchsesssohn setzte sich wie befohlen neben die Königin und begann über ein Buch zu reden, das sie ihm empfohlen hatte. Er erzählte ihr von den Nöten des Hauptprotagonisten, der Schwierigkeiten hatte seine Felder zu bestellen und den Hof zu bewirtschaften.
"Hat der Bauer schon herausbekommen, dass die Vorratsliste fehlt?" fragte Arwen und ohne darüber nachzudenken wusste Boromir was gemeint war.
"Nein, der Knecht hat den Bauern ablenken können, wieder einmal. Ich denke es wird auch noch einige Zeit dauern. In dieser Zeit gelingt es dem Knecht und seinen Freunden, die fehlenden Güter zurückzuholen."
"Das wäre schön!" sagte Arwen und veränderte ihre Sitzposition etwas. Ihr Rücken schmerzte.
"Wie geht es dem verletzten Erntehelfer? Wird er zur nächsten Ernte wieder auf den Beinen sein?"
fragte sie, nachdem sie einen Apfelschnitz in ihrem Mund verschwinden ließ.
"Die Verletzungen heilen und er wird noch einige Tage der Ruhe bedürfen. Ich denke, der Aufseher, wird ihn noch einige Zeit liegen lassen!" erklärte Boromir und versuchte seine tiefe Betroffenheit nicht anmerken zu lassen.
 
Wieder änderte Arwen die Position, das Ziehen im Rücken wurde unangenehm.
"Hoheit? Ist alles in Ordnung?" fragte Boromir schließlich, als er Arwens entsetzten Gesichtsausdruck sah.
"Wie man es nimmt! Ich weiß nicht, aber ich denke. Ich werde wohl..., wir sollten vielleicht zurück!"
"Habt Ihr Schmerzen? Ist etwas mit Eurem Kind?"
Sofort rief er die Wachen zu sich, die sich im großen Umkreis um den Baum verteilt hatten.
"Holt die Pferde, die Königin muss in die Häuser der Heilung! Schickt eine Einheit voraus, um alles vorbereiten zu lassen!"
Die Ruhe und Gelassenheit, mit der Boromir die Worte gesprochen hatte beeindruckten Arwen und sie lächelte.
"Du überraschst mich jeden Tag aufs neue Boromir von Gondor! Hilf mir auf!" befahl die Elbin.
 
Doch als Boromir sie etwas angehoben hatte stöhnte sie auf und Boromir erkannte den großen nassen Fleck auf der Decke.
Arwen hielt sich den Bauch.
"Boromir, ich weiß nicht. Es tut weh, ich denke, mein Sohn hat beschlossen nicht einen ganzen Zyklus zu warten, um das Licht der Welt zu erblicken!"
"Wir müssen sofort zurück Hoheit!"
Doch Arwen schüttelte den Kopf und stöhnte einige Zeit. Als es vorbei war sah sie Boromir an und lächelte.
"Wir werden das Ganze wohl hier vollbringen müssen. Ich fühle, dass mein Sohn nicht bis zur Stadt warten will. Bitte hilf mir!" sagte sie halb lächelnd halb flehend.
 
Boromir stand auf und ging zu einer der Wachen.
"Bitte Boromir lass mich nicht alleine!" rief nun Arwen, mit Tränen in den Augen.
Er drehte sich um und lächelte. "Nein, meine Königin, ich werde Hilfe holen lassen! Niemals würde ich Euch alleine lassen, niemals in meinem ganzen Leben!"
 
Boromir gab den Befehl, einen Wagen und einen Heiler zu holen und schickte einen Teil der Wachen mit zurück. Dann widmete er sich wieder Arwen.
 
Er half ihr in eine möglichst bequeme Position und hielt ihre Hand, als die immer wiederkehrenden Schmerzen kamen.
Arwen litt, das konnte jeder sehen. Ihre Stirn war mit Schweißperlen bedeckt und sie hielt mit ihren Händen krampfhaft entweder die Decke oder Boromirs Arm fest.
 
Die Wachen standen verunsichert herum und keiner wusste was er tun sollte. Boromir sah sich die Männer an und wusste, sie würden keine Hilfe sein.
 
Er beugte sich zu Arwen und wischte ihr den Schweiß ab.
"Meine Königin, ich muss nachsehen wie weit Ihr Euch geöffnet habt und ob alles in Ordnung ist. Gestattet Ihr mir Euch zu berühren?" Seine Stimme klang ruhig und sachlich.
Arwen lächelte. "Du darfst.... Aber nur, wenn du Arwen sagt! Ich kann das Wort Königin nicht ertragen, nicht jetzt. Bitte!"
"Wie Ihr wünscht... Arwen!"
 
Boromir befahl den Soldaten sich umzudrehen und er hob Arwens Kleid hoch und untersuchte sie, so gut er konnte, denn wirklich viel Ahnung hatte er nicht. Er konnte Salben auftragen und Wunden nähen, aber Geburtshilfe?
 
"Woher weißt du was zu tun ist?" fragte Arwen, nachdem sie sich von einer Wehe erholt hatte.
"Ich habe meiner Mutter beigestanden, als Faramir zur Welt kam und später hab ich ihr geholfen die Kinder der Dienerinnen zur Welt zu bringen", erklärte Boromir
"Hast du schon viele Kinder zur Welt gebracht?" wollte Arwen wissen und sah in die noch so jungen Augen des Mannes vor sich.
"Ich... ähm... ich hab schon bei einigen zugesehen und ich habe schon einige Babys versorgen dürfen!"
Arwen atmete tief durch und verkrampfte sich, da die nächste Wehe kam.
"Also keines!" presste sie zwischen den Zähnen vor und Boromir schüttelte nur den Kopf.
 
Nach dem die Wehe vorüber war lächelte Arwen ermutigend. "Du wirst es schaffen!"
"Wir werden es schaffen... Arwen!"
Beide lächelten.
 
Eine Stunde später war es in der Tat soweit. Boromir konnte den Kopf des Kindes erkennen. Arwen hatte bisher alles tapfer durchgehalten. Aber nun begann sie auf Sindarin zu fluchen. Sie sprachen sonst die ganze Zeit in Westron, um die Wachen nicht zu beunruhigen.
Hätten die Wachen verstanden was Arwen alles Aragorn an den Hals gewünscht hätte, wäre sie sicher noch am Abend in das tiefste Verlies gesperrt worden.
 
Schließlich kam das Köpfchen und Boromir nahm es sanft in seine Hand. Er spürte, dass etwas nicht in Ordnung war. Die Haut des Kindes war leicht bläulich gefärbt. Boromir stellte fest, dass sich die Nabelschnur um den Hals gelegt hatte.
Mit einer schnellen Bewegung ließ er sich einen Dolch geben und schnitt die Schnur durch, während sich Arwen erschöpft in die Kissen zurückfallen ließ.
 
Boromir sah sich das Kind an. Es lebte, es lebte und atmete und gab glucksende Geräusche von sich.
"Alles in Ordnung, Eurer Sohn ist wohlauf!" erklärte er der verängstigten Mutter.
Er riss sich ein Stück seines Hemdes ab, tränkte es mit Wasser und säuberte das Kind damit.
Boromir zog den Rest seines Hemdes aus und wickelte das Kind darin ein. Dann übergab er es seiner Mutter, die ihren Sohn lächelnd in Empfang nahm.
"Wie soll er denn heißen?" fragte der stolze Geburtshelfer.
"Eldarion!" sagte sie, glücklich aber erschöpft.
 
"Ich muss auch Euch noch versorgen, Arwen!" Boromir sah sie bittend an.
"Nur zu! Du hast mir das schönste Geschenk gegeben, das eine Frau haben kann. Den Rest ertrag ich spielend!"
 
Doch noch bevor Boromir sich um Arwen kümmern konnte hörten sie schon das Pferdegetrappel.
Die Hilfe aus der Stadt kam endlich!
Dann ging alles sehr schnell, der Heiler sah sich das Kind an und nickte zufrieden. Dann versorgte er Arwen, die eigentlich gar keiner Hilfe bedurfte.
Sie und ihr Kind wurden auf den Wagen gebracht und zurück zur Stadt gefahren. Boromir wurde gnädigerweise gestattet neben Arwen zu reiten, die immer wieder glücklich zu ihm hinüber blickte.
 
...
 
"Wo ist mein Sohn?" fragte Aragorn, als Tieberian hereinkam.
"Er ist in den Häusern der Heilung, mein König!"
 
Aragorn rannte hinunter in den sechsten Ring, direkt in das Gemach, das für die Königsfamilie reserviert war.
Arwen lag in einem Bett, umrahmt von weißer Bettwäsche. In ihrem Arm lag das Kind, das genüsslich seine erste Mahlzeit nahm.
 
Aragorn lächelte glücklich.
"Ihr beiden habt mir einen ganz schönen Schreck eingejagt. Ich sollte euch bestrafen!" sagte er in sanftem Ton, doch Arwen zog instinktiv ihren Sohn dichter an sich heran. Aragorn merkte davon nichts.
Er trat näher und sah sich seinen Sohn an. Er hatte dunkle Haare und nur leicht spitz zulaufende kleine Öhrchen.
 
Aragorn beugte sich hinunter zu ihm und zog ihn von seiner Mutter weg, die ihn sofort losließ, um ihm nicht weh zu tun.
Flehend sah sie zu Aragorn, der seinen Sohn hochhielt und ihn sich genau ansah.
Der Junge begann kläglich zu wimmern, hatte man ihn doch von seiner wohlverdienten ersten Mahlzeit genommen.
 
Arwen sah etwa und glaubte zu träumen. Aragorn küsste seinen Sohn behutsam auf die Stirn und legte ihn auf seinen Arm.
"Willkommen im Leben, Eldarion!" Ganz zärtlich streichelte er über das kleine Köpfchen und gab ihn seiner Mutter zurück.
"Meine liebe Arwen, du hast mir das schönste Geschenk gemacht, das man bekommen kann."
Nun küsste er auch Arwen auf die Stirn und sie sah ihn völlig überrascht an.
 
"Du hast dir einen Wunsch verdient, meine Liebste. Ich werde ihn dir gewähren."
Arwen wusste nicht was sie sagen sollte. Einen Wunsch hatte sie beim König frei? Was sollte sie sich wünschen? Was war ihr wichtig?
 
"Boromir hat Eldarion das Leben gerettet, wusstest du es?" sagte Arwen schließlich.
Aragorn sah sie überrascht an.
"Er hat dir geholfen bei der Niederkunft, aber so schwer ist so eine Geburt ja auch nicht. Schließlich bekommen die Menschenfrauen ihre Kinder auf den Feldern, während sie die Kartoffeln ernten!"
Arwen schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Sie behielt ihre Meinung für sich.
 
"Er wäre beinahe gestorben, Aragorn. Seine Nabelschnur war um den Hals gewickelt. Hätte Boromir sie nicht rechtzeitig entdeckt und durchgeschnitten, wäre unsagbares Leid über uns gekommen!"
"Das hat mir niemand erzählt!" sagte Aragorn leise.
Dann drehte er sich um und ließ nach dem Truchsesssohn schicken.
 
Es dauerte nur eine kurze Zeit, bis Boromir eintrat. Er war noch in den Häusern und hatte dem Heiler genau berichtet was er getan hatte. Nichts trieb ihn nach Hause. Er war überall lieber als im Hause seiner Familie.
"Mein König, Ihr habt nach mir geschickt?" fragte Boromir während er sich noch verbeugte.
"Ja, ich habe gehört du hast dem Thronfolger Gondors das Leben gerettet."
"Es war mir eine Ehre, mein König!"
 
"Aragorn, bitte erfülle ihm einen Wunsch. Er hat es mehr verdient", erbat Arwen.
"Eine gute Idee! Was wünschst du dir Boromir?"
Mit großen Augen sah er den König an. "Wünschen? Ich? Ich weiß nicht, was soll ICH mir wünschen?" Fassungslos stand der junge Mann da.
"Aragorn, gib ihm doch einen deiner Sklaven als Belohnung! Gib ihm Lord Glorfindel! Er wird sicher gut auf ihn achten!" schlug Arwen vor.
 
Boromir sah die Königin entsetzt an und blickte dann zum König. "Ich ... kann ... Vater wird ihn mir niemals freiwillig... er ist sein... Wie soll das gehen?" Völlig verwirrt stand er da, ohne einen klaren Gedanken fassen zu können.
 
Aragorn gab seinem Sohn und Arwen einen Kuss und zog Boromir hinaus. "Lass uns gleich gehen, sonst vergesse ich es noch!"
Ohne einen Ton zu sagen schlich Boromir hinter dem König und seiner Leibgarde her in das Haus des Truchsess'.
 
Aragorn ging hinauf in das letzte Zimmer und noch ehe die Wachen etwas tun konnten, hatte er den Riegel in der Hand.
"Ist er da?" fragte der König und Diegon nickte nur.
 
Der König öffnete die Tür und trat hinein. Der Anblick ließ selbst ihn erschaudern.
 
...
 
Berennil beobachtete von ihrem Balkon aus, wie Saelbeth durch den großen Garten des Haupthauses schritt. Er wollte etwas alleine sein, hatte er ihr gesagt, nachdem er schweißgebadet aufgewacht war.
Die Elbin hatte neben seinem Bett gesessen und ihn beobachtet und sie hielt seine Hand, während er schlief.
Er war noch nicht bereit sie in sein Bett aufzunehmen. Er ließ nicht mehr zu als sanftes Streicheln oder zärtliche Küsse.
Aber sie war eine Elbin und sie hatte alle Zeit der Welt.
 
Berennil war entsetzt darüber, dass Saelbeth noch immer durch die Gärten schlich, mit gesenktem Kopf und unsicher wie nie.
Sie beschloss ihm zu folgen. Er litt und sie wollte ihm helfen.
 
Noch bevor die Elbin das Haus verlassen konnte wurde sie aufgehalten.
"Lass ihn!" hörte sie eine bekannte Stimme hinter sich.
Sie drehte sich um. "Lord Celeborn, er braucht meine Hilfe!"
"Ja in der Tat das stimmt! Aber nicht jetzt, sieh!" und Celeborn zeigte Berennil was sich im Garten tat.
 
Fereveldir näherte sich Saelbeth nicht gerade leise und räusperte sich einige Male, bevor er den Sohn Celeborns erreichte.
Saelbeth sah auf. "Fereveldir, was treibt dich mitten in der Nacht hinaus? Kannst du auch nicht schlafen?"
"Nein, ich wollte etwas alleine sein. Aber jetzt wo ich dich sehen, würde ich gerne ein paar Schritte mit dir gehen!"
Saelbeth war es eigentlich gar nicht Recht, er stimmte aber zu und so gingen die beiden Elben schweigend nebeneinander her.
Schließlich brach Fereveldir das Schweigen: "Du hast ebenfalls Alpträume, nicht wahr?"
Saelbeth sah den Galadhrim überrascht an. Sie kannten sich gut, waren befreundet, so gut es ging, seit er in Bruchtal war. Doch hatte er auf einmal das Gefühl, den Elben nicht zu kennen, der vor ihm stand.
Er hatte sich verändert. Saelbeth wusste, dass die Brüder Gefangene gewesen waren und dass Ferevellon tot war, doch sonst wusste er nicht.
"Was gehen dich meine Träume an?" fragte er barsch, schließlich ging es wirklich niemanden etwas an, er wollte nicht einmal mit seinem Vater darüber reden, geschweige denn mit einem Außenstehenden.
 
Dann tat Fereveldir etwas, womit Saelbeth nicht gerechnet hatte.
Er weinte, es war ein stilles Weinen, es waren nur die Spuren, die die Tränen auf den Wangen hinterließen, die von seiner Pein sprachen.
"Saelbeth, ich habe sie! Ich habe diese Träume, seit ich befreit wurde und ich kann mit allen darüber reden, aber verstehen kann mich keiner. Mein Vater kann mich trösten, kann mir noch so oft sagen, dass ich nicht an Ferevellons Tod schuld bin. Er versteht meine Gefühle nicht. Du kannst es, denn wir haben etwas gemeinsam. Wir leben!"
 
Stumm hörte Saelbeth zu und bemerkte nicht einmal, dass sie sich auf eine Bank gesetzt hatten.
Das erste Mal hatte er das Gefühl nicht alleine zu sein, nicht jemandem vormachen zu müssen stark zu sein. Bei Fereveldir durfte er weinen und er musste nicht Angst haben, getröstet zu werden. Er wollte keinen Trost, er wollte Verständnis.
 
"Was hat dir geholfen zu überleben?" fragte Fereveldir und es war, als würden Schleusen geöffnet werden. Saelbeth erzählte seinem Freund all seine Gedanken, Erlebnisse und Ängste.
Fereveldir war im Gegenzug dankbar zu wissen, dass er nicht zu feige war, zu ängstlich. Nein er hatte sich genauso verhalten, wie Saelbeth.
 
Die beiden Elben redeten bis die Sonne aufging, und auf der Terrasse standen Lord Celeborn, Thandronnen und Berennil und beobachteten zufrieden, wie sich die Freunde umarmten.
 
...
 
Nach dem spärlichen Frühstück trennte sich Orophin von Niniel. Er ging mit Rúmil und Figwit zu den östlichen Grenzen um Ausschau zu halten nach Haldir, der mit der zweiten Gruppe Elben erwartet wurde.
Niniel beschloss alleine spazieren zu gehen. Unbewusst führten ihre Schritte sie zum Verlies von Bruchtal. Sie stand davor und wollte kehrt machen, als sie sich anders entschied und hinging.
Die Wachen ließen sie vor bis zur Tür des Gefangenen.
Man gestattete der Dúnedain, Findegil zu besuchen. Nun stand sie vor ihm. Er saß auf seinem Nachtlager und seine verstörten Augen erkannten sie nicht gleich.
"Was wollt Ihr? Wollt Ihr auch den Menschen sehen? An mir ist nichts Sehenswertes. Verschwinde!"
 
Niniel sah sich den Mann an. Sie kannte ihn schon ihr ganzes Leben. Schließlich war er einer der besten Freunde Aragorns. Doch nun war er nur noch ein Schatten seiner Selbst, nur noch ein Zerrbild, des Monsters, für das sie ihn schon immer gehalten hatte.
"Dich gedemütigt zu sehen macht mein Herz glücklich!" sagte Niniel und drehte sich wieder um, um hinaus zu gehen. Doch Findegil hatte ihre Stimme erkannt.
"Niniel? Hol mich hier raus!"
Sie stellte sich vor Findegil und ballte ihre Fäuste. "Was hat Lord Saelbeth dir angetan? Warum das ganze?" fragte sie ihn.
Der Dúnedain sah sie verächtlich an. "DU hast jedes Recht etwas zu fragen verloren. Wenn Aragorn wüsste, dass du es mit einem Elben treibst, würde er dir persönlich die Kehle durchschneiden!"
Niniel schlug Findegil ins Gesicht. "Ich verachte dich! Du hast als letzter das Recht irgendjemanden zu verurteilen. Du hast den Sohn des Herren aller Elben gedemütigt, gequält und gefoltert! Warum? Wie krank muss ein Mensch sein? Hast du es getan, nur damit du deine perversen Geschichten schreiben kannst? Was tust du mit Aragorn, wenn ihr die Türen verschlossen habt?"
Niniels Selbstbeherrschung drohte sich in Wohlgefallen aufzulösen. Sie begann zu zittern und vergrub ihre Fingernägel tief in ihren Handflächen.
Die Wachen, die am Eingang standen, machten sich bereit einzugreifen.
 
"Du hast gut reden, kleine Hure. Ist es schön sich von Elbenabschaum berühren zu lassen? Ich freu mich jetzt schon, wenn sich die Heiler über dich hermachen, sollte er dich schwängern. Den Satz verstehe ich nicht. Was soll denn mit den Heiler sein? In einem vorherigen kapitel erfährt man, dass die Frauen töten, die von einem Elben ein Kind erwarten.. Oh, ich dachte, er meinte elbische Heiler, denn sie sind ja bei den Elben und er kann nicht unbedingt damit rechnen, dass sie nach Minas zurückkehren. Weiß dein Bruder mit wem du es treibst?"
Die Aussage kam einer Drohung gleich.
 
Niniel holte aus und schlug zu. Doch diesmal fing Findegil ihre Faust ab und schlug mit seiner anderen Hand zu. Er traf ihre Lippe, die sofort aufsprang. Durch den Schwung des Schlags stürzte sie zu Boden. Doch bevor Findegil sie treten konnte, nahmen die Wachen ihn in Gewahrsam und drückten ihn zu Boden.
 
Niniel rappelte sich auf und begann auf Findegil einzuschlagen. Ihre Tränen mischten sich mit ihrem Blut. Ihre Kraft reichte nicht um den Menschen ernsthaft zu verletzen.
Niniel traf schon gar nicht mehr, als sie zurückgezogen wurde.
 
"Lass ihn! Er ist es nicht wert! Komm Liebste, ich bring dich zu einem Heiler!" sprach der Elb der sie festhielt.
"Ich will ihn tot sehen, Orophin. Ich will ihm eigenhändig sein schwarzes Herz rausreißen!"
"Vergiss diesen dummen Menschen!"
"Er würde dich töten, er würde dir alles Mögliche antun ohne auch nur mit der Wimper zu zucken!"
schluchzte Niniel.
"Er wird niemandem mehr auch nur zu nahe kommen! Lord Celeborn wird dafür sorgen, dass sich seine Existenz künftig darauf beschränkt, dass er den Elben dienlich sein wird!"
 
Noch ehe sie das Gebäude verließen kam ihnen Lord Celeborn entgegen. Mit Entsetzen sah er die blutende Niniel auf Orophins Armen.
"Was ist geschehen?" fragte der Fürst.
"Der Gefangene hat Niniel...", mehr konnte Orophin nicht sagen, denn Celeborn war bereits auf dem Weg zu den Zellen.
 
Lord Celeborn kam in das Verließ und sah, wie der Mensch noch immer von den Wachen auf den Boden gedrückt wurde.
"Lasst ihn!" befahl er.
Findegil rappelte sich auf, nach dem er losgelassen worden war. Er stand auf und rieb sich die Handgelenke.
"Du schlägst sogar deinesgleichen, Mensch! Noch dazu eine Frau! Euch reicht es wohl nicht nur Elben zu foltern!
Wie dem auch sei. Ich habe eine Entscheidung getroffen über deine weiter Existenz!"
Celeborns Augen blitzen hasserfüllt, doch sonst zeigte er keinerlei Regung.
"Ihr könnt mich nicht verurteilen! Ihr seid doch der Vater! Ihr seid voreingenommen. Das DÜRFT Ihr nicht machen! Ich will gerecht behandelt werden!"
 
Eine der Wachen packte Findegil und zerrte ihn an die Wand. Celeborn blieb regungslos stehen.
"Ich bin der EINZIGE, der Euch rechtmäßig verurteilen kann. Mein Sohn hätte das Recht Rache zu nehmen. Doch er verzichtet darauf. Er hat genug wegen EUCH gelitten!
Doch ich bin hier und ich bin bereit die Strafe auszusprechen, die für Eure künftige Existenz gilt, Mensch!"
Celeborn nickte einer weiteren Wache zu, die sofort eintrat.
"Nun wie mir zugetragen wurde, hattet Ihr in Eurem Haushalt einige Sklaven, nicht nur meinen Sohn. Ihr kennt Euch also aus mit der Behandlung von Sklaven. Dann wird Euch das hier ja bekannt sein!"
 
Auf sein Zeichen, ließ Celeborn dem Dúnedain jeweils ein Metallband um den Hals und um die Handgelenke legen.
Findegil wehrte sich heftig, doch den stärkeren Elben konnte er nichts entgegenbringen.
 
"Findegil aus Ithilien. Hiermit werdet Ihr verurteilt Euer restliches Dasein in Mittelerde im Dienst des Volkes der Elben zu verbringen. Ihr habt jedes Recht auf eigene Wünsche verwirkt und um Eure Schuld abzutragen werdet Ihr den Heilern helfen die Verwundeten zu pflegen. Sollte nur ein Elb durch Eure Hand verletzt werden, werdet Ihr sofort hingerichtet. Es ist Eure Entscheidung ob Ihr leben werdet oder sterben müsst. Ihr werdet die Bänder tragen, damit jeder in Bruchtal sieht, was Ihr seid."
 
Findegil schluckte. Er, ein Sklave? Das durfte nicht sein!
"Ihr könnt das nicht machen! Ich bin ein Adliger aus Gondor! Ich bin ein Freund König Aragorns! Ihr werdet alle sterben Elbenabschaum!" schrie Findegil.
 
Celeborn drehte sich noch einmal um bevor er den Raum verließ. "Dem Elbenabschaum zu dienen wird Eure neue Lebensaufgabe!"



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