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Titel:
Die Vergangenheit holt Dich immer wieder ein - Kapitel 2/4 Autor: Wilarwen
2. Kapitel: Traurige Erkenntnisse
Legolas wusste nicht einmal, wo er war. Leise hörte er vertraute und
fremde Stimmen. Sie schienen aus einer anderen Welt zu kommen. Die Augen
vermochte er nicht zu öffnen. Selbst das noch goldene Licht des Morgens war zu
hell. Sein Körper fühlte sich schwach und geschunden an, seine Gedanken waren
wirr und befremdend. Er spürte, dass etwas mit ihm geschah, aber er wusste
nicht, was. Er konnte nicht verstehen, was über ihn gesprochen wurde, obwohl es
seine Heimatsprache war. Aber sein Geist ließ es nicht hinein. Warum war ihm so
kalt? Er sehnte sich auf einmal nach der Wärme seiner Mutter und spürte ein
verzweifeltes Verlangen aufkommen, ihre Stimme wahr zu nehmen und ihre Nähe zu
spüren. Ein lauter Schrei formte sich in seinem Kopf, der Schrei eines Kindes,
dass in der Nacht ängstlich nach seiner Mutter ruft, da ihn ein böser Traum
heimgesucht hat. Legolas merkte nicht, dass dieser Schrei soeben über seine
Lippen gekommen war.
Die Elben erschraken um ihn herum, Haldir beugte
sich über ihn und legte die Hand auf seine schweißnasse Stirn. „Beruhige dich…“.
Legolas zitterte am ganzen Leib, nachdem ihm der Schrei seine letzten Kräfte
geraubt hatte, wimmerte er nur noch. Wieder wurde ein Becher an seinen Mund
gehalten. Eine seltsam schmeckende Flüssigkeit wurde ihm eingeflößt. Er spürte
bereits jetzt, wie sein Magen dagegen rebellierte. „Bitte, behalte es bei dir.
Es ist so wichtig….“ Wieder diese Stimme….Legolas versuchte die Augen zu öffnen,
aber sein Kopf tat sehr weh. Er spürte ein glühendes Gefühl in ihm aufsteigen,
musste würgen und sein Kopf wurde wieder sanft zur Seite gedreht. „Es hat alles
keinen Sinn…“ Haldirs Stimme klang verzweifelt und betrübt.
Gimli hatte
sich derweil etwas vom Geschehen entfernt. Er brauchte einen ruhigen Ort zum
Nachdenken. Darum hatte er sich eine abgelegene kleine Lichtung gesucht und sich
unter einen der umliegenden Bäume gesetzt. Er hatte solche Angst um seinen
Elbenfreund. Sollte der weite Ritt wirklich umsonst gewesen sein? Würde Legolas
vor seinen Augen sterben, sein bisher so kurzes Leben beenden? Aus welchem Grund
litt seine Seele derartig? Waren es vielleicht die schrecklichen Ereignisse der
jüngsten Vergangenheit? Gimli konnte es sich kaum vorstellen, Legolas war
während des Krieges zu einem tapferen und starken Elben herangewachsen. Er war
für einen Elben unglaublich jung und trotzdem hatte er Aufgaben gemeistert, die
manche seiner ältesten Verwandten nicht geschafft hätten.
Eine Unmenge
von weiteren Fragen schoss ihm durch den Kopf. Hatte es einen anderen Grund? Von
dem niemand wusste? Gimli lehnte den Kopf an den Baum und schloss die Augen.
Legolas musste kämpfen. Lautlos betete er für seinen Gefährten.
„Ich
habe dich gesucht, Gimli“ die melodische Stimme Galadriels erklang in seinen
Ohren. Er öffnete die Augen und sah in dieses engelsgleiche Gesicht. „Begehrst
du, in meinen Spiegel zu blicken? Vielleicht könnten sich einige Fragen klären.
Ich selber vermochte nichts zu sehen, aber du als engster Vertrauter Legolas’
wirst vielleicht einen Einblick in das Vergangene einfangen.“
Gimli
zögerte. War es in Legolas’ Sinne, dass er Dinge erfuhr, die er ihm niemals aus
eigenem Antrieb erzählt hatte? „Frau Galadriel, ich bin Euch sehr dankbar für
das Angebot, aber ich befürchte, dass Legolas dies nicht möchte.“ Galadriel
nickte und senkte betrübt den Blick. „Ich habe geahnt, dass du diese Antwort
gibst. Und ich kann sie verstehen. Ich befürchte, wir werden Legolas verlieren.
Es wurde bereits nach seinem Vater und seiner Mutter geschickt, damit sie ihn in
seinen letzten Stunden begleiten können. Er hat bereits aufgehört zu kämpfen. Er
scheint bereit, sein junges Leben fort zu geben. Ich spüre es ganz deutlich.
Sein Lebenswille ist ausgehaucht. Nur wenn wir den Grund seines Leidens in
Erfahrung bringen, können wir ihm helfen.“ Gimli spürte wie ihm die Tränen in
die Augen stiegen. „Ich möchte wieder an sein Lager gehen. Er muss weiter
kämpfen, er darf nicht aufgeben!“ Er stand auf und schritt hinter Galadriel
durch den Wald. „Ich fürchte, das liegt nicht in unserer Macht. Legolas alleine
kann aufgeben oder kämpfen…“ sagte sie sehr leise.
Gimli verabschiedete sich mit einer
angedeuteten Verbeugung, als sich ihre Wege trennten. Mit traurigem Blick trat
er an das Krankenlager heran. Nur noch Haldir saß etwas abseits und schien zu
meditieren, oder zu beten. Gimli wusste nicht, ob Elben beteten. Legolas lag auf
dem Rücken, seine Haare waren zu einem Zopf geflochten worden. Die schlanken
Hände lagen zusammen gefaltet auf der Brust. Ein Ausdruck von Bedrücktheit
entstellte sein wunderschönes Gesicht, seine Stirn war in Falten gelegt. Die
Elben hatte seine Kleidung gewechselt, er trug nun ein dünnes, weißes
Leinenkleid. Kein richtiges Kleid, sondern eine Art Robe, wie sie die männlichen
Elben Lóriens zu tragen pflegten. Man konnte kaum den Unterschied zu seiner
Gesichtsfarbe erkennen. Gimli strich über seinen Arm.
Er spürte, dass
Legolas leicht zitterte. Vielleicht fror er, immerhin hatte er eine Art Fieber.
Eine Decke war nicht vorhanden, also zog Gimli seinen Elbenumhang aus und legte
ihn über Legolas’ Beine. „Damit du nicht frierst.“ sagte er nur. Andere Worte
wollten nicht über seine Lippen. Eine Träne kullerte über seine Wange und
landete im Bart. ‚Legolas, verlass mich nicht….bleib hier….’ dachte er. Wann
würde Elrond eintreffen? Gimli wusste nicht mehr, wie weit Bruchtal genau
entfernt war, aber er war sich sicher, dass der Heiler schnellstens aufbrechen
würde. Und was war mit Legolas’ Eltern? Würden sie rechtzeitig ankommen, sollte
er tatsächlich beschließen für immer zu gehen? Es würde ihnen das Herz brechen,
zu sehen, dass ihr junger Sohn sie so schnell wieder verlassen würde, obwohl sie
ihm ein ewiges Leben geschenkt hatten. Aber umso mehr würde es ihnen schmerzen,
wenn sie zu spät kämen.
Legolas hatte nie über seine Eltern gesprochen,
fiel Gimli auf. Warum nur? Er hatte einiges über seine Heimat berichtet, aber
niemals seinen Vater oder seine Mutter erwähnt. Gimli wusste nicht einmal, ob
Legolas Geschwister hatte. Es war schon etwas seltsam, schließlich hatten sie
viele Nächte gemeinsam am Lagerfeuer gesessen und sich unterhalten. Erst jetzt
bemerkte er, dass eigentlich immer nur er gesprochen hatte. Legolas hatte
niemals viel erzählt. So als hätte er gar nicht daran denken wollen. „Wenn
du ein Geheimnis hast, dann sprich es aus. Ich werde alles tun, was in meiner
Macht steht, um dir zu helfen.“ sagte er leise zu seinem schlafenden Freund.
Auf einmal regte sich Legolas, langsam öffnete er die Augen und
blinzelte Gimli an. „du…kannst… mir… nicht… helfen…“ sagte er kaum vernehmbar
und unter größter Anstrengung. „Er soll nicht sprechen…das ist zu anstrengend…“
sagte Haldir plötzlich. „Aber ich muss doch wissen, was los ist. Es muss doch
irgendwas sein!“ Gimli schrie beinahe vor Verzweiflung. Haldir trat hinter ihn
und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Beruhige dich, kleiner Freund, wir
werden mit Sicherheit erfahren, was deinen Freund derart bedrückt. Du solltest
etwas zu dir nehmen und dich ein wenig zur Ruhe legen. Ich werde über Legolas
wachen.“ Gimli schüttelte beinahe entrüstet den Kopf. „ich möchte ihn nicht
alleine lassen…ich habe es versprochen.“
„Wenn dies dein Wunsch ist,
dann darfst du natürlich hier bleiben…“ Er stellte einen Stuhl direkt an das
Bett und Gimli setzte sich. Haldir ließ sich neben ihm nieder. „Es wird ihm gut
tun, zu spüren, dass du in seiner Nähe bist.“
Gimli versuchte mit aller Macht wach zu
bleiben, aber die Müdigkeit übermannte ihn und seine Augen fielen zu. Er wusste
nicht wie lange er so geschlafen hatte, als ihn plötzlich Schreie weckten.
Haldir stand am Krankenbett und redete auf Legolas ein, der immer wieder
aufschrie und mit den Beinen strampelte. Weitere Elben rannten dazu und hielten
ihn fest. Gimli sprang vom Stuhl und beobachtete mit erschrockenem Blick, was
geschah.
Legolas war völlig aus der Fassung geraten. Er schrie immer
noch und weinte laut. Haldir legte ein feuchtes Tuch auf seine Stirn und sprach
immer wieder beruhigend klingende Worte in der Sprache der Elben. Gimli verstand
nur „Elrond“, sonst nichts. Aber der kranke Elb auf dem Lager wollte sich kaum
beruhigen. Nur langsam wurden die Aufschreie leiser, bis sie in ein leichtes
Wimmern übergingen. Legolas lag wieder ruhig da, aber weinte wie ein kleines
Kind. Haldir hatte ihn leicht nach oben gezogen in den Arm genommen und wiegte
ihn hin und her. Immer noch sprach er Elbisch. Dann sagte er etwas zu einem der
anderen. Dieser nickte und rannte sofort los.
Der Zwerg bekam es mit der
Angst zu tun. „Haldir, was ist mit Legolas, wieso hat er so geschrieen?“ Haldir
sah Gimli bedrückt an. „Er hat schwere Träume, das ist die Vorstufe. Sein Fieber
ist gestiegen. Aber Elrond ist auf dem Weg. Er wird in wenigen Stunden
eintreffen.“ Der letzte Satz beruhigte Gimli. Sicher würde der Heiler helfen
können. Immerhin hatte er damals auch Frodo kuriert, wo es so schlimm um ihn
stand.
Haldir versuchte Legolas zum Trinken zu bringen, aber dieser
weigerte sich. „Legolas, du musst trinken…kämpfe…bitte kämpfe….“ Aber auch diese
Worte nützten nichts. Legolas drehte den Kopf immer wieder weg. Gimli sah, dass
er immer noch weinte, aber nun beinahe unhörbar. „Legolas….“ fing er an. „Bitte
trink das Wasser….du kannst nicht einfach so gehen….du musst doch bei mir
bleiben…denk an dein Versprechen…..wir wollten die Höhlen besuchen….“ Das war
vielleicht in diesem Augenblick nicht wichtig, aber Gimli wusste kein anderes
Argument. Und es schien tatsächlich zu funktionieren. Legolas schluckte ein
wenig Wasser und ließ sich dann ins Kissen zurück sinken. Haldir streichelte
sanft über seine Wangen.
Gimli atmete erleichtert auf. Vielleicht war
dies ein gutes Zeichen, Legolas schien vielleicht doch zum Kämpfen bereit.
Ein junger Elb kam aufgeregt zu Haldir geeilt. „Eine wichtige Botschaft von
König Thranduil!“ Haldir nickte zum Dank, nahm die Pergamentrolle und las sie
etwas abseits. Seine Miene wurde von Sekunde zu Sekunde dunkler. „Ich begreife
das nicht!“ entfuhr es ihm. Schon rannte er weg. Gimli schritt näher an
Legolas heran. Er schien nun wieder friedlich zu schlafen. Also setzte sich der
Zwerg wieder auf seinen Stuhl und beschloss nun wirklich nicht mehr
einzuschlummern. Seine Gedanken wanderten zu der Botschaft des Königs. Was hatte
Haldir dermaßen erregt? Wieso schickte Legolas’ Vater nur eine Botschaft, wo
sein Sohn doch jederzeit hätte sterben können? Warum war er nicht sofort her
geritten? Haldir kehrte zurück. Noch immer machte er ein aufgebrachtes
Gesicht. „Gimli, würdest du mir bitte folgen?“ Gimli nickte.
Sie gingen
ein Stück in den Wald hinein und trafen dort auf Galadriel. Sie hielt die
Botschaft in der Hand und sah ebenfalls nicht glücklich drein. Dann reichte sie
das Schriftstück an Gimli weiter.
Meine verehrteste Frau Galadriel,
Herrscherin von Lothlórien,
mir wurde soeben mitgeteilt, dass mein
Sohn Legolas in Eurem Reich ist und sich in einem bedauernswerten Zustand
befindet. Ich bin untröstlich, dass ich derzeit einigen Verpflichtungen
nachgehen muss und somit nicht erscheinen kann. Meine Gemahlin ist zurzeit
unpässlich und ebenfalls nicht im Stande zu verreisen. Persönliche
Umstände sind desgleichen hinderlich. Richtet meinem Sprössling die
segensreichsten Genesungswünsche aus.
Thranduil, König von
Düsterwald
Gimli las den Brief zweimal durch bevor er wieder zu
Galadriel blickte. „Das ist alles?“ fragte er fassungslos. „Sein Sohn liegt im
Sterben und dies ist alles, was er dazu zu sagen hat? Welche Verpflichtungen
sind wichtiger als das Leben seines Kindes?“ Gimli war völlig aufgelöst. „Auch
wir sind erzürnt über diese kurze Mitteilung des Königs. Wir können uns keinen
Reim daraus machen.“ sagte Galadriel zutiefst bedrückt.
Auch Haldir sah
betrübt zu Gimli. „Wir werden nun auf Elrond warten, vielleicht weiß er etwas,
das wir nicht kennen. Immerhin hatte er guten Kontakt zu Legolas von dessen
Kindesbeinen an.“ Schweigend gingen sie zurück. Gimli spürte großes Mitgefühl
für seinen Freund, er hätte ihm so sehr gewünscht, dass seine Eltern bei ihm
waren.
Am späten Nachmittag traf Elrond
endlich aus Bruchtal an. Legolas’ Zustand hatte sich nicht sonderlich
zugespitzt, aber leider auch keineswegs verbessert. Gimli hatte es geschafft,
wach zu bleiben und nicht von seiner Seite zu weichen. Aber Legolas, so schien
es zumindest, hatte dies nicht bemerkt. Er war nicht mehr zu Sinnen gekommen.
Nach einer längeren Untersuchung bat Elrond um eine Unterredung mit Haldir.
Sein Angesicht strahlte größte Erschütterung aus. Etwas abseits, so dass
Gimli sie noch sehen konnte, redeten sie. Er beobachtete wie Elrond fortwährend
zu Legolas zeigte und die Stirn runzelte. Haldir blieb verhältnismäßig ruhig und
nickte beinahe nur. Gimli hätte zu gerne an der Zusammenkunft teilgenommen, da
er aber nicht unhöflich erscheinen wollte, hatte er nicht darum gebeten. Ein
leises Aufstöhnen kam aus der Richtung des Krankenlagers. Gimli stand sofort auf
und streichelte den Arm des Erkrankten. „Elrond ist da, Legolas, er wird dir
helfen. Ist das nicht wunderbar?“ flüsterte er dem Elben ins Ohr.
Aber
dieser stöhnte nur wieder auf. „Möchtest du vielleicht etwas Wasser trinken? Ich
werde dir welches besorgen….“ Gimli holte eine silberne Kanne und schöpfte etwas
Wasser aus einer Quelle ganz in der Nähe. Damit ging er wieder ans Bett und
füllte den kleinen, kupfernen Becher, der noch dort stand. Vorsichtig hielt er
mit der rechten Hand den Kopf des Elben etwas hoch und setzte den Becher an
seinen Mund. Gimli beobachtete erfreut, dass er tatsächlich Durst zu haben
schien, denn er trank beinahe begierig ein paar Schlucke. Danach ließ Gimli ihn
sanft wieder zurück in sein Kissen gleiten. „So ist es richtig....“ sagte Gimli
leise und stellte den Becher weg.
Sein Blick wanderte zu Elrond und
Haldir, die sich immer noch unterhielten. Galadriel und Celeborn kamen gerade
hinzu. Schon nach kurzer Zeit wurde auch in ihren Gesichtern die Besorgnis groß.
Gimli wusste, dass Elrond keine guten Neuigkeiten hatte. Er spürte wie es ihm
das Herz erschwerte, seine Kehle zog sich zu und Tränen stiegen in ihm auf. Dann
sah Galadriel zu ihm und deutete mit einer Handbewegung, dass er sich zu ihnen
gesellen sollte. Er warf einen kurzen Blick auf Legolas. „Ich bin gleich zurück“
sagte er leise und schritt mit einem unguten Gefühl zu der kleinen Gruppe.
„Gimli, bitte verzeih uns, dass wir dich nicht eher zu unserer
Besprechung gerufen haben. Ich wollte zuerst sicher gehen, dass ich das richtige
unternehme.“ sprach Elrond mit einem furcht einflößend traurigen Unterton in der
Stimme. „Lasst mich es ihm sagen….Lord Elrond…es wird nicht einfach sein…“ fiel
Galadriel ihm ins Wort. Elrond nickte nur und trat einen Schritt zurück. „Wir
hatten alle Hoffnungen auf den Heiler aus Bruchtal gesetzt, aber diese wurden
enttäuscht. Auch er wird Legolas nicht helfen können. Allerdings konnte er
einiges zur Auflösung der recht außergewöhnlichen Botschaft Thranduils
beitragen. Und somit auch zum Anstoß der Erkrankung.
Wie du sicherlich
weißt, wird unser Volk nicht durch den Körper krank, aber durchaus durch die
Gemütsverfassung. Legolas’ Seele ist schwer verletzt, bleierne Sorgen
umnächtigen seinen Geist, wir wundern uns, dass er überhaupt die
Beschwerlichkeiten des Krieges so unbeschadet überstehen konnte. Er ist ein sehr
starker Elb, aber auch ihm waren Grenzen gesetzt. Als sich die Ruhe über ihn
legte, holten ihn die Ereignisse der Vergangenheit wieder ein.“ Galadriel sah
mit unglücklichen Augen in die Runde. „Und jene Begebenheiten haben wir soeben
durch Lord Elrond in Erfahrung bringen können. Legolas ist ihm sehr vertraut und
zu ihm kam er in den schweren Stunden seines Daseins. Des Düsterwaldes Prinz hat
seiner Heimatstätte den Rücken gekehrt, vom eigenen Vater verstoßen oder zu
einer Vermählung gezwungen. Große Schmach wurde über das Königshaus gebracht,
als der König erfuhr, dass eine Bürgerliche durch Legolas in gute Hoffnung
gebracht wurde.“ Gimli starrte die Herrscherin sprachlos an. Das hatte er nicht
erwartet. Aber nun verstand er die Verschlossenheit, die Legolas ergriff, sobald
es um seine Familie ging. Einerseits spürte er großes Mitgefühl, andererseits
war er gekränkt, dass Legolas geschwiegen hatte. Auch er war mittlerweile ein
Vertrauter des Elben geworden.
Der Zwerg drehte den Kopf zur
Krankenstätte und als er seinen Freund dort so hilflos liegen sah, überwog das
Mitleid und verbannte jegliche Kränkung. Sicher hatte Legolas seine Gründe
gehabt, vielleicht hatte er es erfolgreich verdrängt und wollte es lediglich
nicht wieder hervorholen. „Können wir ihm denn gar nicht helfen?“ fragte er nun
mit wenig Hoffnung im Herzen. Galadriel sah ihn ernst an. „Nun, natürlich gäbe
es eine Lösung, doch sie ist weit entfernt. Das Einzige, dass Legolas noch
retten kann, ist die Rückkehr in den Schoß seiner Familie. Doch dies ist beinahe
unmöglich, in unseren Völkern ist es durchaus üblich, einen Elben zu ächten, der
entgegen seines Ranges gehandelt hat. Natürlich wird nun der Versuch
unternommen, König Thranduil zu einer Unterredung zu bitten, die möglicherweise
zu einer Versöhnung führen könnte. Und Eile ist geboten, denn Legolas wird nur
noch wenige Tage haben, wenn nicht gar Stunden.“
Gimli schluckte, da
sich ein Kloß in seinem Hals bildete. Tage oder Stunden und ein wütender König,
der seinen Sohn verschmähte? „Haldir, wähle eine Gefolgschaft und begleitet mich
auf kürzestem Wege in den Düsterwald zu des Königs Palast. Dort müssen wir
sofort Thranduil aufsuchen. Er muss erfahren, dass der Prinz sich bereits im
zweiten Stadium befindet und uns sehr bald verlassen wird, wenn er bei seiner
Geisteshaltung bleibt. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Elrond und Gimli werden
derweil über Legolas wachen. Er ist somit in guten Händen.“
Bereits eine
Stunde später war die Gruppe unterwegs zu ihrer eilenden Mission, während Gimli
und Elrond bei dem Kranken weilten. Es war ein längerer Ritt und so befürchtete
Gimli, dass sie vielleicht nicht rechtzeitig zurückkehrten. Elrond suchte
beinahe verzweifelt nach einigen Kräutern mit einer stärkenden Wirkung, die in
den Wäldern Lóriens nur sehr spärlich wuchsen. Gimli saß an Legolas’ Bett. Seine
Gedanken kreisten um die Dinge, die er in der Nacht gehört hatte. Sie hatten
sein Bild von Legolas ins Wanken gebracht. Niemals hätte er gedacht, dass sein
bester Freund solche Geheimnisse verbergen könnte. Für ihn war der junge Elb
immer ein stiller, höflicher und anmutiger Mann gewesen, den kaum etwas aus der
Fassung brachte. Nur selten hatte er ihn furchtsam oder widerspenstig erlebt.
Aber nun hatte er von Begebenheiten erfahren, die dazu nicht passten.
Außerdem wurde ihm bewusst, dass Legolas nun sicher schon Vater war. Es
waren schließlich fast 2 Jahre vergangen. Ein Vater, der mit der Mutter des
Kindes nicht verheiratet war. Dies war nicht nur unter Elben eine Schande, auch
bei den Zwergen verhielt sich das nicht anders. Natürlich hielten sich nicht
viele an das Gebot, bis zur Ehe unberührt zu bleiben, aber man sorgte dafür,
dass nichts Folgenschweres geschah. Legolas war noch sehr jung gewesen,
wahrscheinlich zu jung, dass er die Folgen hätte einschätzen können. Gimli
verstand das Verhalten des Königs bis zu einem gewissen Punkt. Legolas war
Prinz, Elrond hatte gesagt, er sei das einzige Kind des Herrschers, also war er
sicher auch Thronfolger.
Aber er hatte mit einer unvorsichtigen Nacht
das ganze Königshaus und die Ehre seines Vaters befleckt. Aber andererseits lag
er nun im Sterben, von Sorgen zerrüttet, und Gimli verstand einfach nicht, warum
Thranduil sein Ansehen auch nun noch nicht aufgeben wollte. Er war nicht nur
König, er war auch Vater eines noch sehr jungen Elben, der ihn dringend
brauchte, um gesund zu werden und seinen Frieden wieder zu finden. Konnte ein
Mann, ob Elb oder nicht, wirklich seinen Sohn sterben lassen, nur um seinen Ruf
zu wahren?
Gimli dachte kurz an Galadriel und ihre Gefolgschaft. Er
betete, dass sie schnell und ohne Hindernisse voran kämen und dass der König
seine Vaterliebe voranstellte. Legolas wimmerte leise, Gimli sah sich
suchend nach Elrond um, aber dieser schien immer noch nach diesen Pflanzen zu
suchen. „Was hast du?“ fragte er sanft und trat näher an den Elben heran. „Geht
es dir nicht gut? Oder hast du Durst oder Hunger? Sag etwas und ich werde dir
helfen.“ Legolas stöhnte auf, anstelle einer Antwort. „Soll ich Elrond holen?
Brauchst du die Hilfe von ihm?“
Der Elb öffnete langsam die Augen und
sah Gimli verwirrt und vom noch hellen Abendlicht geblendet an. Dann bewegte er
seine Hand in Richtung des Zwerges. Gimli ergriff sie und drückte sie an sich.
„Ich bete für dich, mein Freund, zu deinen und zu meinen Göttern. Sie werden
dich nicht zu sich holen, das glaube ich ganz fest.“ Sagte er andächtig. Legolas
hatte die Augen immer noch geöffnet und schien nicht zu wissen, wo er sich
befand. Vorsichtig bewegte er den Kopf hin und her, um die Umgebung einzuordnen.
„Wir sind in Lothlórien, in Galadriels Reich, hier hat unsere Freundschaft
begonnen, aber ich werde nicht zulassen, dass wir an diesem Orte wieder getrennt
werden. Und du darfst das auch nicht zulassen. Bitte….“ Gimli konnte seine
Gefühle nicht mehr zurück halten. So stand er da und begann leise zu
weinen.
„Weine noch nicht um ihn.“ sprach
Elrond, der lautlos mit einem dampfenden Becher hinter ihm aufgetaucht war.
„Noch ist er nicht verloren. Erfreue dich daran, dass er noch unter uns weilt.
Und bete, dass er dies noch lange tun wird.“ Gimli nickte nur, immer noch hielt
er Legolas’ feingliedrige Hand. Er küsste sie kurz und legte sie ihm auf die
Brust, ungefähr an die Stelle seines Herzens. „Fühlst du dein Herz schlagen?
Lass es nicht verstummen.“ Dann drehte er sich um und ging in den Wald hinein.
Er wollte ein wenig allein sein, denn seine Trauer war übermächtig.
Elrond hob vorsichtig Legolas’ Kopf an und setzte den Becher an seinen
Mund. „Nimm das zu dir, es wird dich stärken.“ sagte er mit einer sanften
Stimme. Legolas tat wie ihm befohlen und trank den Becher in kleinen Schlucken
leer. „So ist es gut…und nun schlafe wieder. Du benötigst deine Kräfte zum
kämpfen.“ Er strich Legolas eine blonde Strähne aus dem Gesicht und setzte sich
auf einen Stuhl. Auch er hatte Zweifel, dass die Zeit reichen würde. Er spürte
bereits, dass Legolas zusehend schwächer wurde, so schwach, wie er es bei einem
seines Volkes noch niemals erlebt hatte.
Sein Kräutertee würde ihn zwar
ein wenig stärken, aber ausreichend war es nicht. Auch er fühlte den Schmerz in
ihm aufkommen, Legolas’ war im zarten Alter von zehn Jahren bereits bei ihm
gewesen und hatte Bruchtal von da an häufig einen Besuch abgestattet. Elrond
hatte für Legolas’ die Stellung eines lieben Onkels. Schmerzlich wurde Elrond
bewusst, wie jung der Kranke war. Seine erste Begegnung mit ihm lag nicht viel
länger als einhundert Jahre zurück. Für einen Elb eine sehr kurze Zeit.
Legolas bäumte sich in seinem Krankenbett auf und stöhnte. Elrond eilte
sofort zu ihm. „Mein junger Freund, beruhige dich….es ist alles gut…dir wird
nichts geschehen.“ Legolas stöhnte wieder auf und versuche sich aufzusetzen,
dann würgte er qualvoll. Elrond half ihm auf und griff nach einem Behälter, der
vorsorglich an das Bett gestellt worden war. Mit einer Hand stütze er ihn, da
Legolas zu erschöpft war, um alleine zu sitzen, mit der anderen Hand hielt er
ihm das Gefäß, während der Erkrankte erbrach. Als Heiler hatte Elrond
befürchtet, dass dies geschehen würde.
Der Tee war nur ein Versuch
gewesen, ihm ein wenig Kraft zu geben, aber Legolas’ Körper war zu geschwächt,
um etwas aufzunehmen. Wieder übergab sich der Elb und zitterte dabei am ganzen
Körper. Elrond streichelte ihm mitleidsvoll den Rücken. Er konnte sehen, dass
Legolas sehr litt und es tat ihm leid, dass er ihm diese zusätzliche Pein
zugefügt hatte. Endlich beruhigte sich Legolas wieder, aber das Erbrechen hatte
ihn völlig entkräftet. Elrond ließ ihn an seine Brust sinken. Liebevoll wie ein
Vater versuchte er ihm die Wärme zu geben, die Legolas so verzweifelt entbehrte
und hielt ihn so lange in den Armen, bis der ermattete Elb eingeschlafen war.
Vorsichtig bettete er ihn auf seinem Kissen, legte ihm die Hand auf die Stirn
und betete wortlos.
Gimli kehrte kurz darauf zurück, seine Augen sahen
verweint aus, aber sein Gesicht drückte die Entschlossenheit aus, seine Trauer
nicht mehr vor Legolas zu zeigen. Schweigend setzte er sich auf den Stuhl und
senkte den Kopf. Auch er begann lautlos zu beten.
zum 3. Kapitel
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